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Full text of "Jahrbuch der Kèoniglich Preussischen Geologischen Landesanstalt und Bergakademie zu Berlin fèur das Jahr .."

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Landesanstalt  und  Bergakademie 


Berlin 


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1881. 


Berlin. 

Verlag  der  Simon  ScHROPp’schen  Hof- Landkartenhandlung 
(J.  H.  Neumann). 

1882. 


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Inhal  t. 

I.  Mittheilungen  aus  der  Anstalt. 

Seite 

1.  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Königl.  geologischen  Landosanstalt  im 

Jahre  1881 vii 

2.  Arbeitsplan  für  die  geologische  Landesaufnahme  im  Jahre  1882  . . . xiv 

3.  Personal -Nachrichten xix 

II.  Wissenschaftliche  Mittheilungen. 

Abhandlungen  von  Mitarbeitern  der  Königl.  geologischen 
Landesanstalt. 

Geologische  und  petrographische  Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes.  Von 
Herrn  K.  A.  Lossen  in  Berlin.  II.  Ueber  den  Zusammenhang  zwischen 

Falten,  Spalten  und  Eruptivgesteinen  im  Harz 1 

Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm  am  Nordrande  des  rheini- 
schen Schiefergebirges.  Von  Herrn  E.  Kayser.  (Hierzu  Tafel  I — III.)  51 
Das  ostthüringische  Roth.  Von  Herrn  E.  E.  Schmid  in  Jena.  (Hierzu 

Tafel  IV.) 1)2 

Terebratula  Ecki  nov.  sp.  und  das  Lager  dieser  Versteinerung  bei  Meiningen. 

Von  Herrn  W.  Frantzen  in  Meiningen 157 

Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss  der  cambrisch  - phyllitischen  Schieferreihe 

in  Thüringen.  Von  Herrn  II.  Loretz  in  Frankfurt  a.  M 175 

Ueber  Transversalschieferung  und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen 

Schiefergebirge.  Von  Demselben.  (Hierzu  Tafel  VII.) 258 

Diabas  im  Culm  bei  Ebersdorf  in  Ostthüringen.  Von  Herrn  E.  Dathe 

in  Berlin 307 

Gletschererscheinungen  im  Franken walde  und  vogtländischen  Berglande. 

Von  Demselben 317 

Ueber  die  geologischen  Verhältnisse  der  Seeberge  und  des  Galberges  bei 
Gotha,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Lagerungsverhältnisse. 

Von  Herrn  Max  Bauer  in  Königsberg  i.  Pr.  (Mit  Tafel  VIII  und  IX.)  331 
Ueber  die  Bimssteine  des  Westerwaldes.  Von  Herrn  Gustav  Angelbis 
in  Bonn 


a 


393 


Seite 


Lieber  das  Spaltensystem  am  SW.- Abfall  des  Broekenmassivs,  insbesondere 
in  der  Gegend  von  St.  Andreasberg'.  Von  Herrn  E.  Kayser  in  Berlin. 

(Hierzu  Tafel  X und  XI.) 412 

Ueber  das  Ober-Rothliegende,  die  Trias,  das  Tertiär  und  Diluvium  in  der 

Trier’schen  Gegend.  Yon  Herrn  H.  Grebe  in  Trier.  (Hierzu  Tafel  XII.)  455 
Die  Sande  im  norddeutschen  Tieflande  und  die  grosse  diluviale  Abschmelz- 
periode. Von  Herrn  G.  Berendt  in  Berlin 482 

Ein  Süsswasserbecken  der  Diluvialzeit  bei  Korbiskrug  nahe  Königs- Wuster- 
hausen. Von  Herrn  Ernst  Läufer  in  Berlin 496 

Die  Lagerungsverhältnisse  des  Diluvialthonmergels  von  Werder  und  Lehnin. 

Von  Demselben.  (Hierzu  Tafel  XIII,  XIV  u.  XV.) 501 

Aufschlüsse  in  den  Einschnitten  der  Stargard- Cüstriner  Eisenbahn.  Von 

Demselben.  (Hierzu  Tafel  XVI.) 523 

Ueber  das  Vorkommen  geschiebefreien  Thones  in  den  obersten  Schichten 
des  Unteren  Diluviums  der  Umgegend  von  Berlin.  Von  Herrn  Felix 

Wahnschaffe  in  Berlin 535 

Die  Lagerung  der  diluvialen  Nordseefauna  bei  Marienwerder.  Von  Herrn 

Alfred  Jentzsch  in  Königsberg  i.  Ostpr.  (Hierzu  Tafel  XVII.)  . . . 546 

Ueber  Kugelsandsteine  als  charakteristische  Diluvialgeschiebe.  Von  Dem- 
selben. (Hierzu  Tafel  XVIII.) 571 

Ein  Tiefbohrloch  in  Königsberg.  Von  Demselben 583 

Die  Steinkohlen -führenden  Schichten  bei  Ballenstedt  am  nördlichen  Harz- 
rande. Von  Herrn  Ch.  E.  Weiss  in  Berlin 595 

Briefliche  Mittheilung.  Herr  H.  Bücking  an  Herrn  W.  Hauchecokne.  Ueber 

basaltische  Gesteine  der  nördlichen  Rhön 604 

Abhandlungen  von  ausserhalb  der  Geologischen 
Landesanstalt  stehenden  Personen. 

Die  Entwickelung  des  Plaeners  im  nordwestlichen  Theile  des  Teutoburger 

Waldes  bei  Lengeri eh.  Von  Herrn  R.  Windmöller.  (Hierzu  Tafel  XIX.)  3 
Die  Löwenberger  Kreidemulde , mit  besonderer  Berücksichtigung  ihrer 
Fortsetzung  in  der  preussischen  Ober-Lausitz.  Von  Herrn  G.  Williger. 

(Hierzu  Tafel  XX  u.  XXL) 55 

Beschreibung  des  Strontianit- Vorkommens  in  der  Gegend  von  Drensteinfurt, 
sowie  des  daselbst  betriebenen  Bergbaues.  Von  Herrn  Paul  Menzel 

in  Bochum 125 

Fossile  Hölzer  aus  der  Sammlung  der  Königlichen  geologischen  Landesanstalt 

zu  Berlin.  Von  Herrn  Conwentz  in  Danzig 144 


I. 

Mittheilungen  aus  der  Anstalt. 


1. 

Bericht  über  die  Thätigkeit 
der  Königlichen  geologischen  Landesanstalt 
im  Jahre  1881. 


Wie  in  den  Vorjahren  waren  der  Harz,  Thüringen,  die  Pro- 
vinz Hessen-Nassau,  die  Rheinprovinz  und  die  Provinz  Branden- 
burg auch  im  Jahre  1881  die  Gebiete,  welchen  die  Aufnalnne- 
thätigkeit  der  geologischen  Landesanstalt  fast  ausschliesslich  zu- 
gewendet wurde.  Eine  Erweiterung  der  Arbeitsgebiete  fand  nur 
durch  die  ersten  Anfänge  geologisch-agronomischer  Aufnahmen  in 
Ost-  und  Westpreussen  statt. 

Im  Mittelharz  ist  von  dem  Landesgeologen  Professor  Dr.  1.  Der  Harz. 
Lossen  die  Untersuchung  der  Lagerungsververhältnisse  der  Elbin- 
geroder  Devon-Mulde  in  den  Sectionen  Elbingerode  und  Blanken- 
burg und  der  dort  auftretenden  Eruptivgesteine  fortgesetzt  worden. 

Weiter  hat  derselbe  einen  Theil  der  Aufnahmezeit  auf  die  Durch- 
forschung des  Granit-  und  Gabbro  - Gebietes  der  Gegend  von 
Harzburg  verwendet. 

Landesgeologe  Professor  Dr.  Kayser  hat  innerhalb  der  im 
Vorjahre  vollendeten  Section  Riefensbeek  die  Anschlüsse  an  die 
Section  St.  Andreasberg  revidirt  und  den  Verlauf  der  aus  dem 
Oderthaie  nach  NW.  über  den  Acker  - Bruchberg  setzenden 
neuaufgefundenen  Hauptverwerfung  verfolgt.  Demnächst  ist  von 
demselben  die  Aufnahme  der  Section  St.  Andreasberg  vollendet 
und  sind  insbesondere  die  innerhalb  derselben  aufsetzenden  Gang- 
spaltennetze  speciell  untersucht  und  kartirt  worden. 


VITT 


2.  Das  thürin- 
gische Becken. 


Im  Westharze  ist  von  Bergrath  Dr.  von  Groddeck  die 
Revision  der  früheren  Aufnahmen  behufs  Uebertragung  auf  die 
neubearbeiteten  Generalstabskarten  fortgesetzt  worden.  Derselbe 
hat  den  Versuch  einer  Gliederung  der  Oberharzer  Culm-Grauwacke 
durch  Kartirung  charakteristischer  Conglomeratvorkommnisse  in 
Angritf  genommen.  Sodann  ist  von  demselben  ein  zuerst  im 
Jahre  1877  bekannt  gewordenes  Vorkommen  eines  eruptiven  Ge- 
steins in  der  Nähe  von  Lautenthal  näher  untersucht  und  als  ein 
weithin  aushaltender  Gesteinsgang  verfolgt  worden. 

Sekretär  Halfar  hat  die  vielfach  gestörten  Lagerungsverhält- 
nisse der  Devonbildungen  in  der  Umgebung  des  Auerhahn  in  der 
Section  Zellerfeld  untersucht  und  kartirt. 

Am  Nordrande  des  Harzes  ist  durch  den  Landesgeologen 
Professor  Dr.  Kayser  die  Untersuchung  der  jüngeren  Gebirgs- 
schichten  zwischen  Blankenburg  und  Ilsenburg  in  Angritf  ge- 
nommen worden. 

Südlich  von  Halle  sind  von  Professor  Dr.  von  Fritsch  die 
Sectionen  Halle,  Gröbers,  Merseburg,  Kötschau,  Weissenfels  und 
Lützen  in  der  Aufnahme  soweit  gefördert  worden,  dass  sie  nur 
noch  einer  Schlussrevision  bedürfen.  Auch  innerhalb  der  Sectionen 
Kölsa,  Schkeuditz  und  Mölsen  sind  von  demselben  Aufnahme- 
arbeiten ausgeführt  worden. 

Landesgeologe  Dr.  Speyer  hat  die  Bearbeitung  der  Sectionen 
Berlingerode  und  Dingelstedt  westlich  des  Ohmgebirges  in  An- 
griff genommen. 

Von  Professor  Dr.  Bauer  ist  in  der  Section  Fröttstedt  die 
Fortsetzung  der  an  den  Seebergen  und  dem  Galgenberg  bei  Gotha 
auftretenden  Verwerfungserscheinungen  kartirt  worden.  Weiter 
hat  derselbe  die  Bearbeitung  der  Section  Ohrdruf  südlich  von 
Gotha  mit  einer  ersten  Orientirung  in  den  Formationen  des  Roth- 
liegenden,  des  Zechsteins  und  des  Buntsandsteins  begonnen  und 
das  Blatt  Langula  druckfertig  hergestellt. 

Im  Thüringer  Walde  selbst  setzte  Landesgeologe  Professor 
Dr.  WEISS  die  Untersuchungen  in  der  Section  Brotterode  fort. 
Dieselben  erstreckten  sich  auf  den  südlichen  Tlieil  des  Rothliegenden 
von  Winterstein  und  die  dortigen  Eruptivgesteine,  sowie  auf  das 


IX 


krystallinische  Grundgebirge  und  die  Zechsteinformation  der  Gegend 
von  Liebenstein. 

Professor  Dr.  von  Fritsch  brachte  die  Sectionen  Suhl  und 
Schleusingen  zum  Abschluss.  Ferner  bearbeitete  er  die  nord- 
östlichen Gebirgspartien  von  Section  Schwarza,  sowie  in  Section 
Themar  das  Zechsteinvorkommen  von  Eichenberg  und  Grub. 

Professor  Dr.  Bücking  brachte  in  dem  ehemaligen  Aufnahme- 
gebiet des  Directors  Dr.  Emmrich  die  Revision  der  Section  Ober- 
katz  zum  Abschluss.  Im  Thüringer  Walde  bearbeitete  er  im 
Anschluss  an  die  Aufnahmen  des  Landesgeologen  Professor  Dr. 
Weiss  auf  Section  Brotterode  den  nordwestlichen  Theil  der  Section 
Schmalkalden. 

Bergingenieur  Frantzen  vollendete  die  Neubearbeitung  der 
Section  Meiningen. 

Dr.  Proesci-ioldt  bearbeitete  die  Triasgebiete  innerhalb  der 
Sectionen  Schwarza  und  Themar  östlich  von  Meiningen , sowie 
den  grössten  Theil  der  Section  Rentwertshausen. 

Geheimer  Hofrath  Professor  Dr.  Schmid  brachte  die  Unter- 
suchung und  Kartirung  der  Sectionen  Arnstadt,  Plaue,  und  Ilmenau 
zum  Abschluss. 

Professor  Dr.  Liebe  setzte  die  Aufnahmearbeiten  im  östlichen 
Thüringer  Wald  in  den  Sectionen  Waltersdorf,  Naitschau,  Greiz, 
Schleiz  und  Hirschberg  fort. 

Dr.  Datiie  kartirte  die  nördliche  Hälfte  der  Section  Loben- 
stein sowie  innerhalb  der  Section  Hirschberg  den  Weidmannsheiler 
Forst. 

Dr.  Loretz  revidirte  und  ergänzte  seine  Aufnahmen  der 
Sectionen  Eisfeld,  Steinheide,  Spechtsbrunn,  Meeder,  Neustadt  und 
Sonneberg  im  südlichen  Theil  von  Meiningen,  welche  nunmehr 
druckfertig  vorliegen.  Derselbe  begann  alsdann  die  Untersuchung 
der  angrenzenden  Sectionen  Masserberg,  Breitenbach,  Coburg  und 
Steinach. 

In  der  Provinz  Hessen-Nassau  setzte  Landesgeologe  Dr.  Moesta 
seine  Arbeiten  für  die  Sectionen  Melsungen,  Altmorschen,  Seifferts- 
hausen  und  Ludwigseck  im  nördlichen  Theil  des  Regierungsbezirks 
Cassel  fort. 


Hessen- 

Nassau. 


X 


Professor  Dr.  von  Könen  revidirte  seine  Aufnahmen  der 
Sectionen  Eiterfeld  und  Geisa  nördlich  der  Rhön,  welche  nebst 
den  Sectionen  Hersfeld,  Friedewald,  Dorndorf  und  Lengsfeld 
druckfertig  hergestellt  worden  sind. 

Landesgeologe  Dr.  Speyer  begann  die  Untersuchung  und 

o o o o 

Kartirung  der  Sectionen  Salzschlirf  und  Hünfeld  bei  Fulda,  von 
welchen  die  erstere  innerhalb  des  Preussischen  Antheils  bis  auf 
eine  letzte  Revision  fertiggestellt  wurde.  Demnächst  wurde  von 
ihm  ein  Theil  seiner  früheren  Aufnahmen  in  den  Sectionen  Grossen- 
lüder  und  Fulda  revidirt. 

Im  nördlichen  Theil  des  Regierungsbezirks  Wiesbaden  hat 
Dr.  Angelp.is  die  im  Vorjahre  begonnene  Kartirung  der  Section 
Westerburg  beendet,  welche  nebst  den  druckfertigen  Sectionen 
Langenbach,  Wildenstein,  Marienberg,  Rennerod  und  Mengers- 
kirchen den  hohen  Westerwald  zur  Darstellung  bringt.  Derselbe 
hat  weiter  die  dem  westlichen  Abfall  dieses  Gebietes  angehörende 
Section  Selters  druckfertig  hergestellt. 

Im  südlichen  Theile  des  Regierungsbezirks  Wiesbaden  hat 
Landesgeologe  Dr.  Koch  seine  Thätigkeit  der  Vollendung  der 

O O O O 

Sectionen  Limburg,  Eisenbach,  Kettenbach,  Idstein,  Feldberg 
und  Homburg  gewidmet,  welche  er  dem  ' Abschluss  nahe  ge- 
führt hat. 

4.  Die  Kheiu-  Im  südlichen  Theile  der  Rheinprovinz  hat  Landesgeologe 

provmz.  Grebe  an  der  Mosel  und  nördlich  derselben  die  Sectionen  Bitburg, 

Dreis,  Wittlich  und  Bernkastel  zum  Abschluss  gebracht  und  die 
Section  Echternacher  Brücke  zum  grössten  Theil  bearbeitet. 

5.  Die  Gegend  In  diesem  Gebiete,  innerhalb  dessen  bei  der  geologischen 

von  Berlin  und  Aufnahme  zugleich  die  agronomischen  Verhältnisse  untersucht  und 

kartirt  werden,  führten  südwestlich  von  Berlin  Dr.  Läufer  und 
Dr.  Wahnschaffe  die  letzte  Revision  der  Sectionen  Ketzin  und 
Werder  aus,  so  dass  die  Publikation  der  die  weitere  Umgebung 
von  Potsdam  umfassenden  Sectionen  Ketzin,  Fahrland,  Werder, 
Potsdam,  Beelitz  und  Wildenbruch  in  Angriff  genommen  werden 
konnte. 

Die  Sectionen  Berlin  und  Friedrichsfelde  sind  von  Professor 
Dr.  Berendt  unter  Hülfeleistung  des  Dr.  Keilhack  druckfertig 
hergestellt  worden. 


XI 


Südöstlich  von  Berlin  hat  Dr.  Wahnschaffe  den  grösseren 
Theil  der  Section  Rüdersdorf  aufgenommen. 

Aus  dem  Gebiete  nordöstlich  von  Berlin  ist  die  Section 
Bernau  durch  Dr.  Läufer  vollständig,  die  Section  Schönerlinde 
durch  Dr.  Keilhack  etwa  zur  Hälfte  kartirt  worden. 

Behufs  der  Ergänzung  der  geologischen  Uebersichtskarte  der 
Umgegend  Berlins  in  1 : 100  000  ist  ferner  die  Section  Grünthal 
durch  Dr.  Läufer,  die  Section  Werneuchen  durch  Dr.  Wahn- 
schaffe untersucht  worden. 

In  dem  Aufnahmegebiet  westlich  der  Elbe  bei  Stendal  be- 
endete Professor  Dr.  Scholz  die  Aufnahme  der  Section  Klinke 
und  begann  diejenige  der  Section  Gardelegen. 

Professor  Dr.  Grüner  vollendete  die  Untersuchung  der  Section 
Lüderitz  und  ging  demnächst  zur  Bearbeitung  der  Section  Scherne- 
beck  über. 

In  der  Provinz  Westpreussen  begann  Dr.  Jentzscfi  die  Auf- 
nahmen mit  der  Untersuchung  der  Section  Marienwerder.  Ein 
Theil  der  westlich  angrenzenden  Section  Münsterwalde  ist  von 
Dr.  Meyer  bearbeitet  worden. 

In  der  Provinz  Ostpreussen  wurden  von  Dr.  Klebs  die  Auf- 
nahmen mit  der  Untersuchung  der  Section  Süssenberg  bei  Ileils- 
berg  eröffnet. 

Im  Laufe  des  Jahres  sind  zur  Publikation  gelangt: 

1.  Lieferung  XVII,  enthaltend  die  südthürin- 
gischen Blätter  Roda,  Gangloff,  Pörmitz, 

Triptis,  Neustadt  und  Zeulenroda  ....  6 Blätter. 

2.  Lieferung  XIX,  enthaltend  die  nordthürin- 
gischen Blätter  der  Gegend  südwestlich  von 
Halle:  Riestädt,  Schraplau,  Teutschenthal, 

Ziegelroda,  Querfurt , Schafstedt , Wiehe, 


Bibra  und  Freiburg 9 » 

zusammen  15  Blätter. 

Bisher  waren  publicirt 76  » 

Es  sind  mithin  im  Ganzen  publicirt  . . .91  Blätter. 


Weiter  gelangten  zur  Ausgabe  von  Abhandlungen  und  sonstigen 
Arbeiten : 


6.  West- 
preussen. 


7.  Ostpreussen. 


Stand  der 
Publikationen. 


XII 


Debit  der 
Publikationen. 


1.  Abhandlungen,  Band  III,  Heft  2 : Untersuchung  des  Bodens 
der  Umgegend  von  Berlin,  bearbeitet  von  Dr.  E.  Läufer 
und  Dr.  F.  Wahnschaffe,  283  S. 

2.  Abhandlungen,  Band  III,  Heft  3:  Die  Bodenverhältnisse 
der  Provinz  Schleswig-Holstein,  von  Dr.  Ludwig  Meyn, 
mit  Anmerkungen  sowie  dem  Schriftenverzeichnisse  und 
Lebensabrisse  des  Verfassers  von  Dr.  G.  Berendt,  52  S. 
Nebst  einer  geologischen  Uebersichtskarte  der  Provinz 
Schleswig  - Holstein  im  Maassstabe  1:300  000  von  Dr. 
L.  Meyn  und  einem  Bildniss  desselben  in  Lichtdruck. 

3.  Jahrbuch  der  Königlich  Preussischen  geologischen  Landes- 
Anstalt  und  Bergakademie  zu  Berlin  für  das  Jahr  1880. 
Gross  8°,  CV  und  350  S.  Nebst  X Tafeln. 

4.  Aus  der  Flora  der  Steinkohlenformation  von  Dr.  E.  Weiss. 

Nach  dem  vorjährigen  Berichte  betrug  die  Zahl  der  debitirten 
Kartenblätter  am  Schlüsse  des  Jahres  1880  (S.  CV)  8496  Blätter. 
Im  Jahre  1881  wurden  verkauft: 


von 

Lieferung  I,  Gegend  von 

Nordhausen 

40  Bl. 

» 

» II, 

» » 

J ena  .... 

38 

» 

» 

» III, 

» » 

Bleicherode 

19 

» 

» 

» IV, 

» » 

Erfurt  .... 

21 

» 

» 

V, 

» » 

Halle  .... 

10 

» 

» 

» VI, 

» » 

Saarbrücken 

I.  Theil  . . . 

69 

» 

» 

» VII, 

» » 

II.  » ... 

63 

» 

» 

» VIII, 

» » 

Rieche!  sdorf  . 

39 

» 

» 

X, 

» » 

Saarburg 

40 

» 

» 

» XI, 

» » 

Berlin  (Nauen  etc.) 

4 

» 

» 

» XII, 

» » 

Naumburg  a.  S.  . 

22 

» 

» 

» XIII, 

» » 

Gera 

50 

» 

» 

» XIV, 

y>  » 

Berlin  (Oranien- 

bürg) 

18 

y> 

» 

» XV, 

» » 

Wiesbaden 

111 

» 

» 

» XVII, 

» » 

Triptis,  Neustadt 

456 

» 

» 

» XIX, 

» » 

Querfurt  . . . 

585 

» 

so  dass  im  Ganzen  im  Handel  debitirt  sind  . . .10081  Blätter. 


/ 


XIII 


Von  Abhandlungen  wurden  verkauft: 

Band  I,  Heft  1.  (Eck,  Rüdersdorf) 3 Exempl. 

» » » 2.  (Schmid,  Thüringischer  Keuper)  . 3 » 

» » » 3.  (Laspeyres,  Rothliegendes  von  Halle)  3 » 

» » » 4.  (Meyn,  Insel  Sylt) 3 » 

Band  II,  » 1.  (Weiss,  Steinkohlen-Calamarien)  . . 6 » 

» » »2.  (Orth,  Rüdersdorf) 2 » 

» » » 3.  (Berendt,  Umgegend  Berlins,  Nord- 
west)   2 » 

» » » 4.  (Kayser,  Devonfauna  des  Harzes)  . 2 » 

Band  III,  » 1.  (Weiss,  Flora  von  W ünschendorf ) . 7 » 

» » »2.  (Läufer  und  Wahnschaffe,  Boden- 

untersuchung) 44  » 

» » » 3.  (Meyn,  Schleswig-Holstein)  . . .131  » 

Von  den  sonstigen  Publikationen  wurden  verkauft: 

Jahrbuch  der  Anstalt  für  das  Jahr  1880  ....  26  Exempl. 

Weiss,  Aus  der  Flora  der  Steinkohlenformation  . .261  » 


XIV 


2. 

Arbeitsplan 

für  die  geologische  Landesaufnahme 
im  Jahre  1882. 

I.  Harz. 

Im  Mittelharz  wird  der  Landesgeologe  Professor  Dr.  Lossen 
die  Aufnahme  der  Elbingeroder  Mulde  in  den  Sectionen  Blanken- 
burg und  Elbingerode  und  demnächst  die  Untersuchung  der  kry- 
stallinischen  Gresteine  westlich  des  Brockens  in  der  Section  Harz- 
burg fortsetzen. 

Im  Westharz  wird  Bergrath  Dr.  von  Groddeck  die  Revision 
seiner  früheren  Aufnahmen  auf  der  Grundlage  der  neuen  topo- 
graphischen Generalstabskarte  fortsetzen. 

Sekretär  Halfar  wird  die  Abgrenzung  der  Calceola-Schichten 
in  der  Section  Zellerfeld  vollenden  und  seine  früheren  Arbeiten 
im  nördlichen  Theil  dieser  Section  in  Zusammenhang  und  zum 
Abschluss  bringen. 

Am  Nordrande  des  Harzes  wird  Professor  Dr.  Dames  die 
Section  Quedlinburg  fertigstellen  und  die  Bearbeitung  des  nicht 
paläozoischen  Theiles  der  Sectionen  Blankenburg  und  Derenburg 
beginnen. 

Am  Westrande  des  Harzes  wird  Professor  Dr.  von  Könen 
die  Bearbeitung  der  Section  Gandersheim,  deren  Aufnahme  bereits 
durch  den  Landesgeologen  Dr.  Speyer  begonnen  worden,  weiter- 
führen. 


XV 


2.  Im  nördlichen  Thüringen 

wird  Professor  Dr.  von  Fritsch  die  Aufnahmen  in  den  Sectioneu 
Halle,  Gröbers,  Kölsa,  Merseburg,  Kötschau,  Weissenfels  und 
Lützen  revidiren. 

Geheimer  Hofrath  Professor  Dr.  Schmid  wird  die  Section 
Dietendorf  bearbeiten. 

Professor  Dr.  Bauer  wird  die  Aufnahme  der  Section  Ohrdruf 
fortsetzen. 

Dr.  Bornemann  wird  die  Section  Wutha  zum  Abschluss  zu 
bringen  suchen. 

Ingenieur  Frantzen  wird  die  Gliederung  des  unteren  Muschel- 
kalks innerhalb  eines  Theiles  der  Section  Berka  in  ihrer  Beziehung 
zu  der  Entwickelung  im  Meiningen'schen  durchzuführen  versuchen. 


3.  Im  Thüringer  Wald  und  südlich  desselben 

wird  der  Landesgeologe  Professor  Dr.  Weiss  die  Bearbeitung  der 
Sectionen  Brotterode  und  Friedrichsroda  fortsetzen.  Derselbe  wird 
ferner  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  Professor  Dr.  von  Fritsch 
eine  vergleichende  Untersuchung  des  Rothliegenden  in  der  Um- 
gebung  des  Granits  von  Zella  und  Goldlauter  ausführen. 

Professor  Dr.  von  Fritsch  wird  die  Aufnahmen  der  Sectionen 
Suhl  und  Schleusingen  und  des  nordöstlichen  Theiles  der  Section 
Schwarza  revidiren. 

Derselbe  wird  auf  Section  Tambach  das  Gebiet  untersuchen, 
welches  südlich  des  von  Herrn  von  Seebach  bearbeiteten  Theiles 
der  Section  liegt,  jedoch  unter  Ausschluss  des  von  der  Strasse 
von  Schnellbach  nach  Steinbach-Hallenberg  gegen  Südwesten  be- 
legenen  Flächenraumes,  welchen  Professor  Dr.  Bücking  bear- 
beiten wird. 

Professor  Dr.  Bücking  wird  nächst  der  Aufnahme  des  er- 
wähnten Theiles  der  Section  Tambach  die  Section  Schmalkalden 
zum  Abschluss  bringen  und,  wenn  die  Zeit  es  gestattet,  den 
nördlichen  Theil  des  Gebietes  westlich  des  Schwarza -Thaies  auf 
Section  Schwarza  bearbeiten. 


XVI 


Ingenieur  Frantzen  wird  den  südlichen  Theil  dieses  Gebietes 
in  Section  Schwarza  untersuchen  und  die  Aufnahme  der  Section 
Dingsleben  in  Angriff  nehmen,  wobei  er  von  Norden  her  be- 
ginnen wird. 

Dr.  Proesciioldt  wird  die  Section  Rentwertshausen  revidiren 
und  die  Aufnahme  der  Section  Themar  zum  Abschluss  bringen. 

Weiter  wird  derselbe  innerhalb  der  Section  Schwarza  das 
Triasgebiet  östlich  des  Schwarza-Thaies  fertig  kartiren. 

Geheimer  Hofrath  Professor  Dr.  Schmid  wird  die  Aufnahme 
der  Sectionen  Crawinkel  und  Stadt  Ilm  weiterführen. 

Dr.  Loretz  wird  die  Bearbeitung  der  Section  Masserberg 

Ö Ö 

unter  Berücksichtigung  des  Anschlusses  an  die  Sectionen  Schleu- 
singen und  Ilmenau  zum  Abschluss  bringen  und  demnächst  die 
Revision  der  Section  Gräfenthal  weiterführen.  Sofern  die  Zeit  es 
gestattet,  wird  er  die  Aufnahme  der  Sectionen  Steinach,  Oeslau 
und  Coburg  fortsetzen. 

Professor  Dr.  Liebe  wird  die  Aufnahme  der  Sectionen 
Naitschau  und  Greiz  zum  Abschluss  zu  bringen  suchen  und  die 
der  Sectionen  Gefell,  Schleiz,  Hirschberg  und  Lobenstein  weiter 
fördern. 


4.  In  der  Provinz  Hessen -Nassau 

wird  Landesgeologe  D»  Moesta  die  Blätter  Melsungen,  Alt- 
morschen,  Seiffertshausen  und  Ludwigseck  zum  Abschluss  bringen. 
Sofern  die  Zeit  es  gestattet,  wird  er  demnächst  die  Bearbeitung 
der  Sectionen  Cassel  und  Oberkaufungen  in  Angriff  nehmen. 

Professor  Dr.  Bücking  wird  die  Kartirung  der  Section  Kella 
beginnen. 

Professor  Dr.  Bauer  wird  die  Aufnahme  der  Section  Tann 
weiterführen. 

. Professor  Dr.  Kayser  wird  im  Taunus  die  noch  erforderliche 
Revision  einzelner  Theile  der  Sectionen  Feldberg  und  Homburg 
ausführen  und  die  Aufnahme  der  Section  Schaumburg  im  An- 
schluss an  die  Vorarbeiten  des  Landesgeologen  Dr.  Koch  be- 
ginnen. 


XVI! 


I)r.  Angelbis  wird  die  Aufnahme  der  Sectionen  Montabaur 
und  Girod  vollenden  und,  wenn  die  Zeit  es  gestattet,  die  Tertiär- 
und  Basaltvorkomxnen  in  der  Section  Hadamar  bearbeiten. 

5.  In  der  Rheinprovinz 

wird  Landesgeologe  Gkebe  die  Sectionen  St.  Wendel  und  Freisen 
der  bayerischen  Grenze  entlang  revidiren  und  demnächst  die  Auf- 
nahmearbeiten in  dem  nördlich  der  Mosel  liegenden  Theile  des 
Regierungsbezirks  Trier  weiterführen. 

6.  In  der  Provinz  Schlesien 

wird  Dr.  Dathe  die  Aufnahmearbeiten  in  den  Sectionen  Neurode, 
Wünscheiburg  und  Frankenstein  beginnen. 

7.  Im  Aufnahmegebiet  des  Flachlandes 

a)  westlich  der  Elbe 

werden  Professor  Dr.  Scholz  und  Professor  Dr.  Grüner  die 
Aufnahme  der  Sectionen  Gardelegen  und  Schernebeck  zum  Ab- 
schluss bringen  und  demnächst  die  Bearbeitung  der  Sectionen 
Stendal,  bezw.  Tangermünde  in  Angriff  nehmen. 

Dr.  Klockmann  wird  die  Aufnahme  der  Section  Arneburg 
beginnen. 

b)  in  der  Umgegend  von  Berlin 
wird  Professor  Dr.  Berendt  die  im  Maassstabe  1 : 100  000  be- 
reits ausgeführte  Section  Biesenthal  im  Specialkarten -Maassstabe 
1 : 25  000  fertigstellen. 

Dr.  Läufer  wird  in  gleicher  Weise  die  bereits  im  Maass- 
stabe 1 : 100  000  aufgenommene  Section  Grünthal  bearbeiten. 

Dr.  Waiinschaffe  wird  die  Section  Rüdersdorf  zum  Abschluss 
bringen  und  die  in  1 : 100  000  bereits  vorliegenden  Sectionen  Alt- 
Landsberg  und  Werneuchen  fertigstellen. 

o O 

Dr.  Keilhack  wird  die  begonnene  Section  Schönerlinde  be- 
enden und  die  in  1 : 100  000  aufgenommene  Section  Wandlitz  im 
Specialkartenmaassstab  bearbeiten. 


XVTII 


c)  in  Westpreussen 

wird  Dr.  Jentzsch  die  im  Vorjahre  begonnene  Aufnahme  der 
Section  Marienwerder  abschliessen  und  alsdann  die  anstossende 
Section  Rothhof  fertig  zu  stellen  suchen. 

d)  in  O s t p r e u s s e n 

wird  Dr.  Klees  in  gleicher  Weise  Section  Süssenberg  abschliessen 
und  das  anstossende  Blatt  Heilsberg  bearbeiten. 

e)  in  der  Gegend  von  Halle 
wird  Dr.  Läufer  nach  Abschluss  der  Aufnahmen  in  der  Umgegend 
Berlins  das  Diluvial-  und  Alluvialgebiet  im  nördlichen  Theil  der 
Sectionen  Gerbstädt , Gönnern  und  Gröbzig  einer  vergleichenden 
Untersuchung  und  Kartirung  im  Hinblick  auf  die  bei  Berlin  aus- 
geführten Arbeiten  unterziehen. 


XIX 


3. 

Personal  - Nachrichten. 


Die  Bergakademie  erlitt  am  10.  März  1881  durch  den  Tod 
des  Professors  Albert  Rhodius,  Docent  der  höheren  Mathematik 
und  der  Markscheide-  und  Messkunst,  einen  schweren  Verlust. 

Die  von  demselben  vorgetragenen  Lehrgegenstände  sind  auf 
zwei  Lehrkräfte  vertheilt  worden. 

Die  mathematischen  Vorträge  und  Uebungen  hat  Professor 
Dr.  A.  W angerin  von  der  Berliner  Universität  mit  Beginn  des 
Sommersemesters  1881  übernommen. 

Als  Docent  der  Markscheide-  und  Messkunst  ist  der  Ober- 
bergamts-Markscheider  A.  Schneider,  bis  dahin  bei  dem  König- 
lichen Oberbergamte  in  Bonn,  mit  Beginn  des  Wintersemesters 
1881/82  berufen  worden. 

Bei  der  geologischen  Landesanstalt  ist  Dr.  II.  Bücking  in 
Folge  seiner  Berufung  als  ausserordentlicher  Professor  bei  der 
Universität  Kiel  am  1.  October  1881  ausgeschieden. 

Die  Stelle  desselben  ist  dem  Dr.  E.  Dathe  von  demselben 
Zeitpunkt  ab  verliehen  worden. 

In  der  Flachlandsabtheilung  sind  die  Geologen  Dr.  A.  Jentzscii 
und  Dr.  R.  Klebs  in  Königsberg  vom  1.  April  und  Dr.  C.  Iveilhack 
in  Berlin  vom  1.  Juni  1881  ab  als  Hiilfsarbeiter  einejetreten. 


II. 


Wissenschaftliche  Mittheilungen. 


' 


Abhandlungen 


von 


Mitarbeitern 

der  König!,  geologischen  Landesanstalt. 


I 


Geologische  und  petrographische  Beiträge 

zur 

Kenntniss  des  Harzes. 

Von  Herrn  K.  A.  Lossen  in  Berlin. 

II.  lieber  den  Zusammenhang  zwischen  Falten, 
Spalten  und  Eruptivgesteinen  im  Harz  l). 

Spalten,  gleichviel  ob  erfüllt  als  (fange  oder  leer  als  Klüfte, 
sind  Ibisse,  Sprünge,  wie  man  wohl  im  gewöhnlichen  Lebeh  sagt, 
während  der  Bergmann  und  Geolog  das  letztere  Wort  nur  da 
an  wenden , wo  zugleich  längs  der  Zerreissung  der  Gebirgsglieder 
eine  gleichzeitig  oder  nachträglich  erfolgte  Verschiebung  des  Aus- 
einandergerissenen  — eine  Verwerfung  — stattgefunden  hat.  An 
die  Erklärung  der  Entstehung  solcher  Risse  wird  man  in  einem 
gefalteten  Gebii’ge  erst  dann  herantreten  dürfen,  nachdem  einiger- 
massen  Klarheit  gebracht  ist  in  den  gefalteten  Schichtenaufbau; 
greifen  aber  in  diesen  letzteren  überdies  noch  ungeschichtete 
Eruptivmassen  ein,  so  wird  auch  das  Verständniss  der  Art  und 
Weise  ihres  Zusammenhanges  mit  dem  geschichteten  Gebirgskörper 
als  Vorbedingung  zur  Erklärung  der  Spalten  gelten  müssen. 

Somit  kann  es  nicht  Wunder  nehmen,  dass  trotz  des  früh- 
zeitigen Bergbaues  im  Harze  und  trotz  der  demzufolge  frühzeitigen 

O O ö O 

')  Nach  einer  Reihe  von  dem  Autor  vor  der  D.  geol.  Ges.  gehaltenen  Vor- 
trägen, ergänzt  durch  einige  im  Sommer  1881  gewonnene  Resultate.  Zur  besseren 
Orientirung  für  den  Leser  diene  des  Autors  geognostische  U ebersich tskarte  vom 
Harz  (1:100  000)  und  die  auf  gleicher  topographischer  Grundlage  (Auhagen’s 
Harzkarte)  von  der  geologischen  Landesanstalt  herausgegebene  Höhenschichtenkarte. 


1 


2 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


geologischen  Würdigung  des  Gebirges  Versuche  zur  Erklärung 
der  Entstehung  des  Harzer  Gangspaltennetzes  relativ  spät  auf- 
treten.  Zwar  konnte  man  nicht  wohl  übersehen,  dass  die  vorzüg- 
lichsten durch  den  Bergbau  bekannt  gewordenen  Erz  - Gänge  im 
Oberharze  und  im  Unterharze  (Neudorf  - Strassberger  und  Harz- 
geroder  Gänge)  im  Allgemeinen  im  Sinne  der  Gebirgsaxe  aus 
OSO.  nach  WNW.  und  somit  quer  gegen  das  in  h.  3 angesetzte 
Generalstreichen,  richtiger  gegen  die  herrschendere  südwestnord- 
östliche Streichrichtung  der  Schichten  verlaufen.  Dabei  blieb 
aber  auch  die  längste  Zeit  die  Erkenntniss  stehen,  gleichviel  ob 
man  sich  mit  den  ältesten  Forschern  die  Schichtenmasse  mit  ge- 
meinsamem Streichen  und  südöstlichem  Fallen  als  Ganzes  oder 
aber  lieber  nach  Hausmann ’s  Anschauung  als  durch  die  Diabas- 
eruptionen schollenweise  zerstückt  gehoben  vorstellte.  Ein  Fort- 
schritt war  erst  möglich , nachdem  palaeontologische  und  bei  dem 
notorischen  Versteinerungsmangel  in  den  allermeisten  Harzschichten, 
namentlich,  jenen  voraufgehend  und  folgend,  sehr  mühsame  petro- 
graphisch-stratographische  Detailuntersuchungen  ein  reich  geglieder- 
tes lebendiges  Bild  an  Stelle  jenes  eintönigen  Schiefergebirges  mit 
der  schematischen  Generalstreichlinie  hatten  treten  lassen. 

Viele  haben  an  diesem  Bilde  gearbeitet.  Lange  Zeit  be- 
schränkte  sich  die  eingehendere  Kenntniss  der  Gebirgsschichten 
fast  ausschliesslich  auf  das  nordwestliche  Drittel  des  Gebirges,  auf 
das  natürliche  Beobachtungsgebiet  der  Klausthaler  Geologen  und 
des  Oberharzer  Bergmanns.  Zu  isolirt  lagen  weiter  östlich  die 
Arbeitsfelder  des  bis  in  hohes  Alter  emsigen  Jasche  und  des 
genialen  thatkräftigen  J.  C.  L.  Zincken.  Später  gewann  vorzüglich 
F.  A.  Roemer  auch  dem  Unterharze  scliätzenswerthe  und  in  ge- 
wissem Sinne  grundlegende  Resultate  ab,  leider  aber  wesentlich  nur 
palaeontologische,  deren  zu  einer  geologischen  Uebersichtskarte 
des  Gebirgs  versuchte  Verwerthung  misslingen  musste,  weil  sie 
der  nur  Hand  in  Hand  mit  der  petrograpliisch  - stratographischen 
Forschung  zu  gewinnenden  Klarlegung  der  Schichtengliederung 
und  des  Schichtenaufbaues  vorauseilte. 

Erst  den  frühesten  Forschungen  der  geologischen  Landesanstalt 
blieb,  wie  der  Nachfolger  auf  E.  A.  Roemer’s  Lehrstuhl  ausdrücklich 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


3 


anerkannt  hat,  Vorbehalten  vom  Ostharze  her  den  Faltenbau  des 
Gebirges  aufzuhellen1).  In  einer  ersten,  zu  Eude  des  Jahres2) 
1867  von  dem  Verfasser  gegebenen  Zusammenfassung  der  durch 
die  Arbeiten  E.  Beyrich’s,  R.  Stein ’s  und  die  eigenen  bis  dahin 
gewonnenen  Einzelerfahrungen  zum  Gesammtergebniss  wurden  be- 
reits nach  Aufzählung  der  vielfach  neu  erkannten  oder  abweichend 
von  F.  A.  Roemer  geordneten  Formationsglieder  die  Sattelaxe 
der  Tauner  (»liegenden«)  Grauwacke  im  Unterharze  und  die 
drei  Muldensysteme  dieses  Gebirgstheiles,  die  Süd  mul  de,  die 
Ost-  oder  Selke-  Mulde,  und  die  Elbingeroder  Mulde, 
hervorffehoben  und  zugleich  die  l>is  dahin  geläufige  irrige  Vor- 
Stellung  von  dem  durch  den  ganzen  Harz  fast  ausnahmslos  herr- 
schenden südwestnordöstlichen  Generalstreichen  widerlegt. 

Derselbe  Aufsatz  wies  auch  bereits  dein  Di  alias  und  Granit 
eine  von  der  Auffassung  Hausmann 's  wesentlich  verschiedene 
Rolle  zu.  Ersterer  wurde  im  Einklang  mit  den  trefflichen  localen 
Beobachtungen  Obebeck ’s  3)  aus  der  Umgebung  von  Goslar  und 
Wolfshagen,  in  seinen  einzelnen  Varietäten  als  niveaubeständig 
innerhalb  der  Schichtenreihe,  als  symmetrisch  wiederkehrend  in 
den  einzelnen  Sattel-  und  Muldenflügeln  und  somit  als  älter  wie 
die  Schichtenfaltungen  und  denselben  nur  passiv  eingefügt  er- 
kannt. Dagegen  wurde  dem  Granit,  welcher  anfänglich  der 
Werner  sehen  Schule  als  ältestes  Formationsglied  und  Basis  für 
das  ganze  Gebirgsgerüst,  v.  Raumer  sodann  als  Einlagerung  zwi- 
schen den  Schichten,  L.  v.  Buch,  Hausmann,  Fr.  Hoffmann  end- 
lich als  eine  dem  Schichtenbaue  fremde,  störend  von  unten  ein- 
gedrungene Masse  gegolten  hatte,  damals  schon  eine  activ  bei 
dem  Gebirgsbau  mitwirkende  Rolle  zugewiesen,  aber  nicht  in  dem 
Sinne  der  Erhebungstheorie 4).  Es  wurde  vielmehr  ausgeführt, 
dass  die  Massive  des  Granits  nach  Lage  und  Umriss  die  deut- 
lichsten Beziehungen  zum  Verlaufe  der  Schichten  erkennen  lassen, 


')  v.  Gp.oddeck,  Zeitschr.  f.  d.  Berg-,  Hütten-  und  Salinenwesen  im  preuss. 
Staat,  1873,  Bd.  21,  S.  1. 

2)  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XX,  S.  216  ff.,  vergl.  auch  Bd.  XXI,  S.  283. 

3)  Maja,  1856,  S.  50  ff. 

4)  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XX,  S.  224  bis  225,  Bd.  XXI,  S.  328. 

1* 


4 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


dergestalt,  dass  sein  Eindringen  zwischen  die  Sedimente  in  den 
bereits  im  Zug  begriffenen  Faltungs-  und  Gebirgsbildungsprocess 
formgebend  eingegriffen  haben  müsse. 

O o o 

Die  weitere  Entwicklung  dieses  Gedankens  an  der  Iland  der 
eigenen  Beobachtungen  und  derjenigen  sämmtlicher  Vorgänger  und 
Mitarbeiter  führte  dann  zu  dem  als  Schlüssel  für  den  Bau  des 
H arzes  aufgestellten  Satze,  dass  die  einseitig  (heteroklin) 
zusammengeschobene  Falte  bei  gesteigertem  Drucke 
in  eine  dem  Streichen  nach  durchrissene  Falte  mit  auf- 
wärts geschobenem  Hangenden  und  diese  bei  abermali- 
ger fortgesetzter  Steigerung  des  Drucks  in  eine  Zer- 
spaltung mit  aufgepressten  Eruptivgesteinen  übergehen 
könne.  Damit  war  die  Grundlage  für  jene  einheitliche 
Auffassung  von  dem  inneren  Baue  des  Gebirgs  gegeben, 
welche  zugleich  mit  diesem  Satze  ausgesprochen  wurde  und  welche 
die  Berechtigung  gab,  nunmehr  zur  Publication  der  geognostischen 
Uebersichtskarte  des  Harzes,  verbunden  mit  einer  Irlöhenschichten- 
karte  auf  derselben  topographischen  Grundlage  (Auhagen  s Harz- 
karte 1 : 100  000),  vorzuschreiten. 

Diese  der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft  zuerst  im  Früh- 
jahre 1876  und  wiederholt  1877  auf  der  Generalversammlung  in 
Wien  von  dem  Verfasser  vorgetragene  Theorie x)  erklärt:  Der 
Harz,  dieser  »eine  Berg«  des  Lasius,  das  » unzer  stückte 
Massengebirge«  Fr.  Hoffmann’s,  ist  getreu  seiner  orographi- 
schen  Gestaltung  und  seiner  geographischen  Lage  zwischen  dem 
Rheinisch  - Westfälischen  Schiefergebirge  im  Westen  und  den 
Hercynisch - Sudetischen  Gebirgen  im  Süden  und  Osten,  so  wie 
äusserlich,  so  auch  innerlich  ein  Gebirgsknoten,  in 
welchem  sich  die  beiden  einseitig  von  SO.  und  von  SW.  her 

*)  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XXVIII,  S.  168.  Vergl.  auch  Sitzungsberichte 
der  Ges.  naturforschend.  Freunde  z.  Berlin,  1881,  S.  24  ff.,  wo  der  Zusammen- 
hang mit  den  Lothablenkungszahlen  erörtert  wurde.  Zur  Orientirung  sei  dabei 
bemerkt,  dass  die  dort  mitgetheilten  Lothablenkungswerthe  seither  durch  das 
geodätische  Institut  eine  kleine  Correctur  erfahren  haben,  darum  nicht  genau  mit 
den  richtigeren  Zahlen  der  Uebersichtskarte  stimmen;  diese  Correctur,  die  von 
der  Messungsgrundlage  (Seeberg  bei  Gotha)  ausgeht,  betrifft  die  Zahlen  in  gleichem 
Sinne,  ändert  daher  an  dem  Resultat  nichts. 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


5 


zusammengeschobenen  Faltensysteme  jener  Nachbargebirge  kreuzen, 
durchdringen  und  hemmen.  In  den  rechtwinklig  aufeinander  stehen- 
den Hauptdurchmessern1)  der  Granit -Massive  des  Brockens  und 
des  Rammbergs  kehren  die  Streichrichtungen  der  beiden  sich 
kreuzenden  Faltensysteme  wieder.  Lage  und  Umriss  dieser  zwei 
Haupt  - Granitmassive  und  ihrer  Contacthöfe,  verglichen  mit  dem 
Schichtenbaue,  weisen2)  deutlich  darauf  hin,  dass  Brocken  und 
Rammberg  einseitig  südost-  und  südwestwärts  geneigt  in  den 
dynamischen  Brennpunkten  des  kreuzweise  durcheinander  gefalteten 
Gebirgsbaues  stehen,  als  in  den  Maximaldruckregionen  einseitig 
geneigt  in  magmatischem  Zustande  aufgepresste  Eruptivmassen.  Es 
tragen  sonach  die  Granitstöcke  auf  den  einander  zugekehrten  weniger 
steilen  Seiten  in  ihrem  Hangenden  die  durch  Druck  und  Gegen- 
druck  stark  ineinander  gepressten,  dem  Fallen  und  Streichen  nach 
gestauten,  verbogenen,  schliesslich  tief  aufgeborstenen  und  dem- 
zufolge von  Eruptivgängen  durchsetzten  älteren  Schichtgruppen, 
umgekehrt  sind  auf  den  von  einander  abgekehrten  Steilseiten  im 
Liegenden  jüngere  Schichtgruppen  niedergedrückt 3). 

Aus  dem  Verständnisse  der  beiden  sich  kreuzenden  Falten- 
systeme und  der  darin  eingezwängten  in  ihren  Druckwirkungen 
auf  den  Schichtenbau  sich  Widerpart  haltenden  Granitkerne  er- 
wuchs wie  von  selbst  die  Auffassung,  dass  die  das  Gebirge  durch- 
setzenden Gangspalten  als  F o 1 g e w i r k un g gehe m m t e r F a 1 1 ung, 
beziehungsweise  einer  dabei  bis  zur  Schichtenzerreissung  gesteiger- 
ten Spannung  zu  betrachten  sind.  Schon  1870  war  in  den  Erläute- 
rungen zu  der  die  Südmulde  darstellenden  ersten  Lieferung  der 
Detailkarten  des  Harzes4)  darauf  hingewiesen  worden,  dass  die 


])  II  auptdurclimesser,  weil  im  Brockenmassiv  deutlich  ein  zweiter  kürzerer 
Durchmesser  zwischen  Hasserode  und  Harzburg  hervortritt,  welcher  in  seiner 
kercynischen  Richtung  dem  Rammberge  entspricht. 

2)  Unter  Berücksichtigung  cles  weiter  unten  näher  zu  besprechenden  Um- 
stands, dass  in  der  Nordhälfte  des  Brockenmassivs  ein  dem  Rammberg  ver- 
gleichbarer hercynischer  Antheil  sich  geltend  macht. 

3)  So  ist  es  wenigstens  im  Grossen  und  Ganzen,  auf  die  Zugwirkungen,  die 
neben  den  Druckwirkungen  nicht  fehlen,  ist  weiter  unten  hingewiesen. 

4)  Geol.  Specialkarte  v.  Preussen  u.  d.  Thüring.  Staaten.  1.  Lief.,  Text  zu 
Bl.  Benneckenstein,  S.  7 ; Bl.  Hasselfelde,  S.  8. 


6 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrograpbische 


ungleiche  physikalische  Beschaffenheit  der  in  Faltung  begriffenen 
Massen  eine  ungleiche  Widerstandsfähigkeit  und  zufolge  dessen 
eine  trotz  ursprünglicher  gleichartiger  Lagerung  im  Endresultat 
bis  zur  Discordanz  gesteigerte  ungleiche  Art  der  Fortpflanzung  des 
Faltungsdruckes  verursache.  Speciell  war  die  grössere  Beweglich- 
keit des  in  sich  verschiebbaren  und  dadurch  faltungs-  und  pres- 
sungsfähigeren Schiefersediments  gegenüber  der  grösseren  Sprödig- 
keit und  Steifheit  des  Grauwacken-  und  z.  Th.  auch  des  Kiesel- 
schiefersediments betont  worden.  Zahlreiche  seitliche  und  geneigte 
Ausquetschungen,  oder  aber  Verdrückungen  der  Schiefer  zwischen 
den  mehr  als  Ganzes  bewegten,  gestauten,  örtlich  über  die  Schiefer 
hinweg  geschobenen  oder  dieselben  zusammendrückenden  spröden 
Massen  führten  zu  dieser  Erklärung. 

Die  fortgesetzte  Detailaufnahme  gab  häufig  Veranlassung  zur 
Anwendung  dieser  Grundsätze  auf  bestimmte  Theile  des  Gebirgs. 
Insbesondere  aber  war  die  in  Verdrückung,  Ueberschiebung  und 
Querfaltung  bis  zur  Schichtenzerreissung  und  -Verwerfung  ausge- 
drückte Deformirung  der  SW.  — NO.  eingesenkten  Selkemulde  durch 
das  Auszwängen  des  NW. — SO.  gerichteten  Rammberg- Massivs, 
sowie  überhaupt  das  Verhält n iss  der  dieses  Massiv  umgebenden 
Schichten  zum  Granitkerne  Gegenstand  der  Betrachtung  des  Ver- 
fassers Q.  Dabei  ergab  sich  von  selbst,  dass  die  jener  lediglich 
aus  dem  Schichtenbaue  nachgewiesenen  grossen  Querverwerfungl 2 3) 
im  Selkethal  parallel  laufenden  altbekannten  Unterharzer  Erzgänge, 
besonders  der  weithin  fortsetzende  Neudorf-Strassberger  Gangzug, 
auf  die  gleiche  Ursache  zurückzuführen  seien.  Als  dann  die  Detail- 
untersuchungen des  Verfassers  in  die  nordöstliche  Umgebung  des 
Brocken-Massivs  vor  und  damit  dem  Oberharze  näher  rückten,  damals 
galt  es  die  dort  von  A.  v.  Groddeck  und  A.  Halfar  und  die  weiter 
gegen  Harzburg  und  südöstlich  bis  Andreasberg  und  bis  über  Elend 
hinaus  durch  E.  Kayser  gewonnenen  Resultate  mit  den  Ergebnissen 

l)  Vergl.  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  1872  — 1874,  Bd.  XXIY,  S.  177;  Bd. 

XXVI,  S.  376  (wo  Z.  17  von  oben  der  Bindestrich  zwischen  >NW.«  und  »Ueber- 
schiebungen«  als  sinnstörender  Druckfehler  zu  tilgen  ist),  Bd.  XXVII,  S.  448  ff. 

3)  Siehe  die  am  meisten  thalabwärts  das  Selkethal  kreuzende  goldene  Ver- 
werfungslinie in  der  Uebersichtskarte. 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


7 


älterer  Forscher  und  den  eigenen,  vor  Allem  aber  mit  den  aus  dem 
Unterharze  geschöpften  Grundzügen  vom  Baue  und  der  Gliederung 
des  Gebirges  zu  jenem  Gesammtbilde  zusammenzufassen.  Diese 
durch  freundliches  Entgegenkommen  seitens  der  genannten  Herren 
Mitarbeiter  unterstützte  Arbeit  ist,  soweit  sie  den  Zusammenhang- 
der  Oberharzer  mit  den  Unterharzer  Schichten  betrifft,  ausser  in 
der  seit  1867  begonnenen,  jetzt  vollendeten  Uebersichtskarte  in 
einem  in  der  Zeitschrift  der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft 
Bd.  XXIX,  S.  612 — 624  veröffentlichten  Artikel  dargestellt. 

Es  lag  nahe  die  am  Rammberge  gewonnene  Anschauung  von 
der  Entstehung  der  Gang-  und  Verwerfungsspalten  durch  die  Ein- 
wirkung der  hercyni sehen  Granitaufpressung  auf  das  bereits  gefaltete 
Schichtgebirge  mutatis  mutandis  auch  für  eine  Erklärung  des  Ober- 
harzer Gangspaltensystems  zu  verwerthen.  Denn  es  konnte  der 
Beobachtung  nicht  entgehen,  dass  in  der  grossen  als  Brockenmassiv 
zusammengefassten  Eruptivmasse,  wie  schon  Jasche  nach  seiner 
Auffassungsart  erkannt  hatte  und  die  Entdeckung  der  dem  Bode- 
gange entgegenstrebenden  Hasseröder  granophyrischen  Granitapo- 
physen  bestätigte1),  neben  dem  nordostwärts  gegen  den  Unterharz 
streichenden  Granitsystem  zugleich  auch  ein  hercynisch  gerichtetes 
gegen  Unter-  und  Oberharz  gekehrtes  vorhanden  ist.  So  hat  sich 
denn  auch  der  Verfasser  in  einem  Pfingsten  1876  auf  Wunsch  des 
Herrn  Berghauptmanns  Ottiliae  vor  dem  Oberbergamtscollegium 
in  Klausthal  gehaltenen  und  später  vor  der  Deutschen  geolo- 
gischen Gesellschaft  noch  eingehender  ausgeführten2),  ungedruckt 
gebliebenen  Vortrage  kurz  dahin  ausgesprochen,  das  einseitige  An- 
drängen des  Granits  in  der  hercynischen  Richtung  lediglich  gegen 
die  nördliche  Hälfte  des  Oberharzes,  wie  es  sich  in  der  auffälligen 
Breite  und  intensiven  Wirkung  der  Contacterscheinungen  abspiegelt 
und  im  Ockerthaler  Granit  durch  die  Erosion  blosgelegt  ist,  habe 
jene  Spannung  im  Schichtenbaue  erzeugt,  als  deren  Ausgleichung 
das  Oberharzer  Gangspaltennetz  aufzufassen  sei.  Wohl  auch  wurde 
im  Einzelnen  dabei  auf  die  umgebogenen,  gebrochenen  und  längs 


0 Zeitschr,  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XXVIII,  S.  405  ff. 

2)  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XXIX,  S.  206. 


8 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


reciproker  Spalten  verrückten  Streichlinien  der  Schichten  in  den 
beiden  Parallelprofilen  Ober  - Schulenberg  - Ocker  und  Gosethal- 
Rammelsberg,  auf  die  Aufstauung  und  Heraushebung  der  Unter- 
devonschichten bei  Ocker,  auf  das  Absinken  der  Schichten  südlich 
des  Lautenthal  - Festenburger  Gangzuges  zufolge  dieses  Heraus- 
hebens u.  a.  hingewiesen  als  Deformirungserscheinungen  an  dem 
ursprünglich  in  gerader  ungebrochener  Linie  SW. — NO.  streichen- 
den Devonsattel  zwischen  dem  Innerste-  und  Ockerthale,  hervor- 
gerufen durch  den  quer  dagegen  andrängenden  Granit.  Auch 
wurde  dieses  Andrängen  nie  nach  dem  durch  die  Erosion  bloss- 
gelegten oberen  Querschnitte  des  Gebirges  allein  beurtheilt,  viel- 
mehr stets  ein  unterirdischer  Zusammenhang  aller  Granitmassen 
des  West-Harzes  und  speciell  des  Ockergranits  mit  dem  abweichend 
von  der  Hauptmasse  des  Brockengranits  im  Sinne  des  Rammberg- 
Massivs  hercynisch  erstreckten  Granite  zwischen  Hasserode  und 
Harzburg  vorausgesetzt  und  das  nachweislich  relativ  jüngere  Alter 
der  hercynischen  Faltung  gegenüber  der  nordost- südwest  gerich- 
teten niederländischen  betont.  Im  klebrigen  wurde  von  einer 
detaillirteren  Auseinandersetzung  Abstand  genommen  bis  dahin,  dass 
die  Fortschritte  der  Detailkartirung  der  Gegend  zwischen  Ilse  und 
Ocker  ein  klareres  Yerständniss  des  Verhältnisses  des  Granits  zum 
Gabbro  und  beider  zu  dem  Schichtgebirge  mit  seinen  eingelagerten 
alten  Eruptivgesteinen  gebracht  haben  würden. 

Unterdessen  hat  v.  Groddeck  im  Spätjahre  1876  (Bd.  XXIX 
der  Zeitschrift  der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft,  S.  442  ft'.), 
anknüpfend  an  seine  wichtige  Entdeckung  der  die  Schichten  ver- 
werfenden Keilwasserspalte,  eine  detaillirtere  Theorie  von  der  Ent- 
stehung der  Oberharzer  Gangspalten  gegeben.  Indem  er  den  durch 
sein  auffällig  gegen  NNW.  gerichtetes  Streichen  von  den  nam- 
hafteren Oberharzer  Gangspalten  abweichenden  Gang  in  die 
BoRCHERs’sche  Gangkarte  eintrug,  fiel  ihm  auf,  »dass  alle  Gänge 
des  Oberharzes,  im  grossen  Ganzen,  strahlenförmig  vom  oberen  Kell- 
wasserthal  auslaufen.  Es  tx-eten  deutlich  3 Hauptgangstrahlen 
hervor.  Der  südliche  Strahl  mit  einem  Generalstreichen  in  h.  7, 
wird  von  dem  Silbernaaler  Gang,  vereinigter  Burgstädter  und 
Rosenhöfer  Zug  und  dem  Schulthaler  Zug  gebildet.  Der  östliche 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


9 


Strahl  ist  der  neue  in  h.  12  streichende  Gang.  Den  mittleren 
Gang  bilden  der  Lautenthaler  Hahnenkleer  und  der  Bockswieser 
Festenburger  Schulenberger  Zug,  die  einem  Generalstreichen  in 
h.  9 folgen.  Der  südliche  und  östliche  Strahl  laufen  von  der 
Steilen  Wand  im  oberen  Kellwasserthale  aus,  wo  Bruchbergquarzit 
und  Brockengranit  zusammenstossen. « 

Diese  formalen  Verhältnisse,  zusammengehalten  mit  dem  Um- 
stande, dass  die  Schichten  an  der  Steilen  Wand  und  im  Fort- 
streichen so  auf  der  ganzen  Flucht  » an  den  nordwestlichen  Ab- 
hängen des  Bruchbergs  und  Brockens«  stark  zusammengefaltet 
sind  und  unter  steilen  Winkeln  südostwärts  fallen,  während  sich 
je  mehr  gegen  NW.  von  diesen  Abhängen,  um  so  mehr  eine  all- 
mäliffe  Verflachung  der  Schichtenfalten  einstellt,  führten  v.Groddeck 
zu  der  Annahme,  »dass  bei  der  Hebung  des  Gebirges  der  Bruch- 
bergquarzit und  der  Brockengranit  sich  in  der  Richtung  von  SO. 
nach  NW.  bewegten  und  dabei  die  vor  ihnen  liegenden  Schichten 
zusammenschoben.«  Aus  der  ferneren  Annahme,  »dass  diese  Ge- 
steinsmassen mit  verschiedener  Intensität  auf  die  in  der  Be- 
wegungsrichtung vor  ihnen  liegenden  Schichten  einwirkten«,  wird 
alsdann  das  sternförmige  Zerreissen  der  also  zusammengeschobenen 
Schichten,  »das  Ausstrahlen  der  oberharzer  Gangspalten  vom  oberen 
Kellwasserthale  aus,  wo  Bruchbergquarzit  und  Brockengranit  zu- 
A b sammenstossen« , nach  nebenstehen- 

dem Schema  hergeleitet.  Mein  sehr 

^ CK  ^ t t 

verehrter  Freund  sehliesst  seinen  Auf- 

< — ** 

£'  ß satz  mit  der  Bemerkung,  es  könne 

, ^ meine  Ansicht,  dass  am  Harze  ein 

<_/? und  dieselbe  Kraft  die  Schichten  über- 

einander geschoben  und  die  Granit- 
massen emporgepresst  habe  und  dass  durch  die  bei  der  Granit- 
eruption eingetretene  Spannung  in  den  Gesteinsschichten  die  Harzer 
Gangspalten  aufgerissen  seien,  mit  seiner  Theorie  anscheinend  in 
besten  Einklang  gebracht  werden. 

In  der  That  ist  diese  Uebereinstimmung  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade , aber  auch  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade , vor- 
handen. Sie  besteht  darin,  dass  wir  beide  für  die  von  meinem 


10 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrograpliische 


Freunde  so  vortrefflich  geschilderte  einseitig  von  SO.  her  zu- 
sammengeschobene,  in  anderen  Theilen  des  Harzes  ähnlich  wieder- 
kehrende Faltung  des  Oberharzes,  eine  aus  dieser  Richtung  her 
wirkende  Kraft  annehmen,  dass  wir  beide  dem  Granit  eine  Rolle 
bei  der  Faltung  zuweisen  und  dass  wir  aus  den  Beobachtungen 
auf  eine  ungleiche  Einwirkung  auf  die  nordöstliche  und  die  süd- 
östliche Schichtenhälfte  des  Oberharzes  schliessen.  Der  Unter- 
schied in  der  beiderseits  entwickelten  Anschauung  liegt,  sowie  mir 
scheint,  vorzugsweise  an  der  Verschiedenheit  des  Standpunktes  bei 
dem  Ueberblick  über  den  ganzen  Gebirgsbau.  Mein  um  die 
Kenntniss  des  Oberharzes  und  speciell  um  die  geologische  Rolle 
seiner  Gangspalten  als  Verwerfer  der  Schichtenfalten  so  hoch  ver- 
dienter Freund,  dem  seine  mannichfaltigen  Berufsgeschäfte  nicht 
gestatten  in  erster  Linie  Harzgeologe  zu  sein,  schaut  meiner 
Meinung:  nach  die  Frage  etwas  einseitig  von  dem  allzusehr  be- 
schränkten  und  scheinbar  relativ  einfach  gebauten  Gebirgs- 
fragmente  des  Oberharzes  an.  Nur  so  wird  es  verständlich,  dass 
seine  Theorie  ganz  absieht  von  dem  einen  der  beiden  Falten- 
systeme, die  den  Gebirgsbau  des  Harzes  beherrschen  und  von  deren 
gegenseitigem  Altersverhältnisse  *),  wie  ich  es  z.  B.  in  der  Defor- 
mirung  der  mit  dem  Oberharzer  Schichtensysteme  gleichgerichteten 
Selkemulde  durch  das  jüngere  hercynische  Rammbergmassiv  aus- 
gedrückt  fand.  Nur  so  kann  man  ferner  die  Unbestimmtheit  in 
der  Rolle,  die  er  dem  Granit  anweist*  2),  gerecht  beurtheilen.  Es 

:)  Wenn  ick  1867  in  jener  allerersten  Mittheilung  über  die  in  den  Faltenbau 
des  Harzes  umformend  eingreifende  Graniteindrängung  dieses  Eindringen  der 
Granitstöcke  als  »wesentlich  gleichzeitig«  bezeichnet  habe,  so  trifft  dies  ja  für  die 
Eruptionszeit  in  der  Zeit  der  productiven  Steinkohlenformation  wesentlich  zu. 
Den  relativen  Unterschied  ergaben  erst  spätere  Untersuchungen. 

2)  Das  im  Frühjahr  1876,  allerdings  nur  sehr  summarisch  zusammengefasst, 
in  den  Sitzungsberichten  der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft  mitgetheilte 
Haupt -Erg ebniss  meiner  Studien  über  den  Bau  des  Harzes,  in  dem  das  jüngere 
Alter  des  hercynischen  Systems,  wie  es  sich  schon  aus  der  Deformirung  der 
Selkemulde  und  aus  dem  Bodegange  ableiten  liess,  nicht  ausdrücklich  erwähnt 
und  von  dem  hercynischen  Antheil  des  Brocken-Granitmassivs  nicht  speciell  die 
Rede  ist,  war  meinem  Pfingsten  1876  überdies  von  Klausthal  abwesenden  Freunde 
vor  der  ersten  Aufstellung  seiner  Theorie  wohl  entgangen  und  so  hat  er  meine 
ihm  über  die  Entstehung  der  Oberharzer  Gangspalten  und  des  Rammeisbergs 
zufolge  der  Einwirkung  des  Ockerthaler  Granits  auf  den  Devonsattel  angedeuteten 
Mittheilungen  missverstanden  (vergl.  v.  Groddeck  a.  a.  0.  S.  447). 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


11 


galt  ihm  eben  nur  den  mechanischen  Effect  ungleichen  Drucks 
hervorzuheben,  darum  wird  geradezu  gesagt,  man  könne  sich  an 
Stelle  des  Brockengranits  ebensogut  eine  gleich  grosse  Dolomit- 
masse denken ; ob  der  Granit  fest  oder  flüssig1  gewesen  sei , das 
wird  mit  vollem  Bewusstsein  unentschieden  gelassen.  So  wenig 
man  nun  aber  den  Oberharz  als  für  sich  entstanden  von  dem 
übrigen  Gebirgsbaue  des  Harzes  getrennt  denken  kann,  so  wenig 
ist  eine  solche  Selbstbescheidung  consequent  durchführbar.  Denn 
obwohl  v.  Groddeck  weder  feststellt,  ob  der  Bruchbergquarzit 
oder  der  Granit  grösseren  Druck  ausgeübt  habe,  noch  auch,  ob 
beide  gleichzeitig  oder  einer  nach  dem  anderen  und  welcher  von 
beiden  zuletzt  gedrückt  habe,  deutet  er  doch  ausser  der  lediglich 
auf  die  Faltungsweise  der  nordwestlich  angrenzenden  Schichten 
basirten  schlichten  Aussage,  der  Granit  sei  bei  der  Hebung  des 
Gebirges  in  der  Richtung  von  SO.  nach  NW.  bewegt  worden, 
als  gewissenhafter  Beobachter  das  Grenzverhältuiss  zwischen  Quarzit 
und  Granit  an  der  Ausstrahlungsstelle  an.  Dabei  zeigt  sich  nun, 
dass  die  Schichtenverwerfung,  welche  zu  der  schönen  Entdeckung 
der  auch  örtlich  durch  Aufschürfung  als  Gang  erkannten  Kell- 
wasserspalte  führte,  den  Quarzit  selber  verwirft,  so  dass  der  Granit 
nicht  nur,  wie  v.  Groddeck  hervorhebt,  beiderseits  der  Spalte 
hinter  dem  Quarzit  folgt,  sondern  auch  längs  der  Bruchlinie  öst- 
lich der  Steilen  Wand  netten  den  diese  Wand  zusammen- 
setzenden, quer  gegen  das  Streichen  durchbrochenen 
Quarzitschichten  steht.  Damit  wird  aber  der  Strahlungspunkt 
für  diese  h.  12  streichende  Spalte  um  die  Breite  der  Steilen 
W and  gegen  S.  gerückt  und  hört,  da  nach  v.  Groddeck’s  eigner 
Angabe  der  ideal  verlängerte  Schulenberger  Zug  überhaupt  nicht 
in  das  obere  Kellwasserthal  hineinläuft,  für  alle  drei  Strahlen  auf 
Strahlungspunkt  zu  sein.  Der  südliche  und  der  mittlere  Gangzug 
v.  Groddeck’s  laufen  vielmehr,  wie  ein  Blick  auf  die  Karte  lehrt, 
unter  etwas  verschiedenem  Winkel  spiesseckig  auf  die  Keil  wasser- 
spalte zu,  ganz  wie  der  Gemkenthaler  Zug  weiter  nördlich:  das 
Ausstrahlen  von  einem  Punkte  ist  für  mich  nicht  bewiesen. 

Es  fordert  die  Theorie  streng'  genommen  auch  gar  keine 

ö O O 

Strahlung,  vielmehr  wird  ein  einfacher  Querriss  EF  nach  um- 
stehendem Schema  unter  sonst  gleichen  Umständen  stets  die  ein- 


12 


K.  A.  Losskn,  geologische  und  petrographische 


fachste  Folge  des  rechtwinklig  un- 
gleich stark  wirkenden  Faltungs- 
drucks  sein , falls  sich  letzterer 
überhaupt  im  Beissen  und  nicht 
vielmehr  im  höheren  Anschwellen 
und  convexen  Vorbiegen  der  Falte 
gegenüber  dem  stärkeren  Drucke 
äussert.  Zugleich  aber  drängt  sich 
unwillkürlich  die  der  Auffassunarsweise  v.  Groddeck’s  fernliee;ende 
Frage  auf:  hat  der  Granit  als  Eruptivgestein  längs  der  Steilen 
Wand  den  Quarzit  durchrissen  und  seitwärts  verdrängt  oder  ist 
auch  er,  wie  der  Quarzit,  verworfen? 

Diese  Frage,  die  bei  der  Zusammenstellung  der  Harzüber- 
sichtskarte Ende  1876  an  mich  herantrat,  weist  freilich  auf  die 
Unterliarz-Seite  des  Brockengranits  nach  St.  Andreasberg  hinüber. 
Gerade  hierbei  aber  sollte  sich  die  Zugehörigkeit  der  altehrwürdigen 
Bergstadt  und  ihres  Beviers  zum  Oberharz,  beziehungsweise  der 
untrennbare  Zusammenhang  zwischen  Unter-  und  Oberharz  in 
einer  ganz  überraschenden,  für  die  Weiterentwicklung  der  Kennt- 
niss  vom  geologischen  Bau  des  Harzes  folgenreichen  Art  erweisen. 
Für  St.  Andreasberg  lag  damals  ausser  Hermann  Credner's  vor- 
trefflicher, auf  den  langjährigen  Erfahrungen  des  Bergraths  Strauch 
fassender  Abhandlung  aus  den  sechziger  Jahren  Q eine  vorläufige, 
von  Gängen  und  Büscheln  zunächst  abstrahirendeKartirung(l  : 25000) 
voiiE.Kay.ser  auf  einer  nur  unvollkommenen  topographischen  Grund- 
lage2) aus  dem  Sommer  1874  vor,  also  aus  einer  Zeit,  in  der  uns  die 
Kenntniss  von  der  Kellwasserspalte  noch  fehlte  und  in  der  mein 
Freund  noch  viel  weniger  über  meine  Vorstellung  von  dem  Verhältnisse 
des  Granits  zu  den  Schichtfalten  näher  unterrichtet  sein  konnte, 
als  v.  Groddec.k  zur  Zeit  der  Aufstellung  seiner  Strahlungstheorie. 
Abstossen  der  Schichten  gegen  den  Granit  galt  ihm  sonach  als 
ein  Durchgreifen  des  Eruptivgesteins  und  die  Frage  nach  der 
Verwerfung  des  Granits  mitsammt  den  Schichtgesteinen,  welche 
sich  auch  mir  hier  zum  erstenmal  im  Harze  aufdrängte,  lag  ihm  fern. 

r)  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  1865,  Bd.  XVII,  S.  163  ff. 

2)  Die  metrische  Aufnahme  des  Generalstabs  fehlte  damals  noch, 


Beiträge  zur  Kermtniss  des  Harzes. 


13 


Als  ich  nun  bei  Zusammenstellung  der  v.  GRODDECK’schen 
und  KAYSER’schen  Kartirungsresultate  wahrnahm,  dass  unten  im 
Oderthaie  unter  den  Hahnen  kl  eer  Klippen  die  Grauwacken-  und 
Schiefer-Hornfelsschichten  ebenso  gegen  den  gegenüber  unter  den 
Rehberger  Klippen  hoch  aufragenden  Granit  abstossen,  wie  jenseits 
des  Oderteiches  der  Granit  gegen  den  Quarzit  der  Steilen  Wand, 
dass  also  eine  gleichsinnige  Verschiebung  längs  der  gerade  in  s 
Oderthal  hineinfallenden  Verlängerung  der  Keil wasser-Spalte  statt- 
habe, da  stand  das  Bild  einer  grossartigen  Spaltenverwerfung 
mit  einmal  klar  vor  mir.  Ich  erinnerte  mich,  dass  schon  den 
Alten  das  obere  Oderthal  in  seinem  geradgestreckten,  dem  oberen 
Kellwassertlial  entgegengesetzten  Laufe  als  Spaltenthal  gegolten 
hat;  ich  sah  die  überraschende  Harmonie  zwischen  dem  Gebirgs- 
relief  und  der  Verwerfung.,  indem  ich  die  das  Hahnenkleer  Plateau 
um  300  Fuss  J)  überragende  Rehbergswand  gleich  der  Steilen 
Wand  als  den  höher  stehenden  Gebimstheil  im  Lienenden  der 
nach  der  Aufschürfung  steil  ostwärts  einsenkenden  Verwerfungs- 
spalte  erwog;  ich  maass  die  Höhendifferenz  der  unteren  Grenze 
der  beiden  dem  Granit  des  Rehbergs,  wie  des  Hahnenklees  auf- 
ruhenden Grauwackenhornfelsdecken  im  Betrag  von  rund  400  Fuss1) 
und  ich  zeichnete  die  Verwerfungslinie  vorläufig  in  die  Karte  ein. 

Dabei  aber  fiel  mir  zugleich  sehr  auf,  dass  wenig  südlich  von 
der  Stelle,  wo  die  Seitenverschiebungen  längs  der  aus  dem  Keil- 
wasser ins  Oderthal  in  idealer  Linie  quer  durch  den  Granit  ge- 
zogenen Spalte  auf  hören,  die  Ruschein  von  St.  Andreasberg  an- 
heben. 

Ich  zeichnete  mir  dieselben  aus  Strauch  -Credner’s  Grund- 
riss 2)  in  das  geologische  Bild  der  Gegend  ein  und  fand,  dass  sie 
sehr  spiesseckig  gegen  die  Schichten  und  circa  00°  gegen  die 
Oder-Spalte3)  streichen.  Es  traf  also  die  bisher  geläufige  Ansicht, 

0 Decimalfuss  = 0,37662  Meter. 

2)  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XVII,  Taf.  HI. 

3)  Der  Kürze  halber  werde  ich  fortab  die  meiner  Ueberzeugung  nach  aus 
dem  Keilwasser  ins  Oderthal  übersetzende  Spalte  die  Oderspalte  nennen.  Es 
sprechen  hierfür  aber  auch  sachliche  Gründe.  Einmal  kann  man  nirgends  im 
Harz  den  Effect  der  Spialten-Verwerfung  mit  einem  Blick  so  sichtlich  wahrnehmen 
als  im  Oderthaie;  sodann  giebt  es  nur  einen  Oderfluss  im  Harz,  während  die 


14 


K.  A.  Lossen,  geologische  and  petrographische 


dass  Ruschein  und  Schichten  parallel  streichen,  nicht  zu;  überdies 
erinnerte  ich  mich  der  meiner  Erfahrung  nach  meiner  Haupt-Quarzit- 
Zone  angehörigen  von  F.  A.  Roemer  bekannt  gegebenen  Unter- 
Devon -Fauna  von  dem  Dreijungferngraben  und  ich  kam  zum 
Schluss,  dass  Schichten  eines  relativ  so  hohen  Niveaus  der  Tauner 
Grauwacke  des  Sagemühlenbergs  nur  zufolge  einer  Verwerfung 
so  nahe  kommen  könnten.  Fs  befestigte  sich  in  mir  die  Vorstellung, 
die  Ruschein  möchten  einen  längs  der  nördlichen  Neufanger  Ruschei 
normal  eingesunkenen  und  längs  der  südlichen  Fdelleuter  Ruschei 
durch  eine  Ueberschiebung  begrenzten  Gebirgskeil  einschliessen,  und 
ich  war  sehr  befriedigt,  aus  Urei »neu  s sorgfältigen  Aufzeichnungen 
der  langjährigen  Erfahrungen  Strauch  s zu  ersehen,  dass  der  Treff- 
punkt der  den  Keil  einschliessenden  Ruscheln  gegen  W.  wohl  be- 
kannt, gegen  O.  dagegen  mindestens  fraglich  sei* 2);  ich  schloss 
daraus,  die  Ruscheln  möchten  gegen  O.,  d.  h.  gegen  die  Oder- 
spalte, sich  überhaupt  nicht  vereinigen. 

Im  Herbste  1879  ging  ich  auf  einige  Tage  nach  St.  Andreas- 
berg, um  selbst  an  Ort  und  Stelle  die  bei  der  Ausarbeitung  der 
Harzübersichtskarte  gewonnene  und  in  Vorträgen  vor  der  Deutschen 
geologischen  Gesellschaft  vertretene  Auffassung  zu  prüfen.  Eei 
der  Begehung  des  zum  nicht  geringsten  Tlieile  aus  Schiefer-  und 
Kalkhornfelsen  bestehenden  Gebietes  kam  mir  die  Erfahrung  vom 
Rammberge  her  trefflich  zu  statten.  Sofort  am  ersten  Tage  konnte 
ich  an  zwei  Stellen  die  Verwerfung  der  Schichten  längs  der  Neu- 
fanger Ruschei  feststellen:  einmal  in  den  Feldern  nördlich  des 
Schachtes  der  Grube  Katharina  Neufang,  wo  der  Hauptquarzit 
südlich  der  Ruschei  bis  auf  ganz  geringen  Abstand  an  die  Tauner 
Grauwacke  nördlich  der  Ruschei  herantritt;  sodann  im  Sperren- 
thale,  wo  die  Schichten  oberhalb  und  unterhalb  der  hier  das  Thal 
durchquerenden  und  im  Lettenstollen  abgebauten  Ruschei  im  Bach- 
bette und  in  den  Thalgehängen  deutlich  anstehen,  so  dass  sich 

Bezeichnung  Kellwasser  nur  allzu  häufig  wiederkehrt,  wie  denn  z.  B.  gerade  in 
der  Nähe  der  südlichen  Endigung  der  von  Norden  her  aus  dem  Kellwasser  ins 
Oderthal  herüberstreichenden  Verwerfungsspalte  ein  zweites  Kellwasser  in  die 
Oder  einmündet;  ein  drittes  tliesst  vom  Schneeloch  her  in  die  Ilse. 

J)  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XX1N,  S.  614 — 615. 

2)  a.  a.  0.  S.  185. 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


15 


das  Abstossen  der  beiderseits  abweichend  (in  h.  2'ä/^  nnd  h.  4 1/2) 
orientirten  Streichlinien  an  der  Ruschei  direct  beobachten  lässt. 
Mit  Freund  Kayser,  der  nun  von  Sieber  herüberkam  und  alsbald 
meiner  Auffassung  beitrat,  konnte  ich  westwärts  bis  zum  Treff- 
punkte der  Grenzruscheln  noch  eine  ganze  Reihe  bestätigender  Beob- 
achtungen machen.  Ostwärts  dagegen  verloren  wir  bald  die  Spur 
der  Neufanger  Ruschei  und  konnten  uns  ebensowenig  von  der 
idealen  Ergänzung  Strauch ’s  bis  zu  einem  Treffpunkte  im  Oder- 
thaie überzeugen.  Dagegen  richtete  ich  die  Aufmerksamkeit  auf 
den  Wenn  sglückter  (Gideoner)  Gang,  der  nach  der  Mittheilung 
Credner’s1)  durch  Mächtigkeit,  Nebengesteins-Füllung  nnd  Hohl- 
räume ein  so  ganz  abweichendes  Verhalten  von  allen  dortigen 
Silbererzgängen  zeigt  und  als  östlichster  Gang  nach  heutiger 
Erfahrung  eher  als  Ostgrenze  der  reichen  Edelgänge  gelten  darf,  als 
jene  ideale,  wie  mir  scheint,  der  Symmetrie  halber  in  der  Fortsetzung 
der  nachgewiesenen  Neufanger  Ruschei  ersonnenen  Bogenlinie  bis 
zum  Oderthaie,  der  immerhin  einzelne  verruschelte  Stellen  im 
Gebirge  als  hypothetische  Anhaltspunkte  gedient  haben  mögen. 

Damit  war  eine  neue  Grundlage  gegeben  für  eine  eingehen- 
dere geologische  Untersuchung  des  St.  Andreasberger  Gangreviers 
im  Zusammenhänge  mit  der  Kartirung  der  ganzen  Gegend.  War 
die  von  Hrm.  Credner  vertretene  Auffassung2)  von  der  Entstehung 
der  Ruschein  im  Gefolge  der  Diabas  - Eruption  von  dem  Augen- 
blicke an  hinfällig,  da  der  Diabas  von  dem  Verfasser  als  all- 
gemein vor  der  Faltung  des  Gebirges  in  bestimmten  Horizonten 
zwischen  den  Schichten  desselben  eingeschaltet  uachgewieseu 
war,  so  trat  mit  dem  Nachweise  der  Verschiebungen  auch  der 
Di  ab  asmassen  längs  der  Ruscheispalten  das  Bildungsgesetz  der 
letzteren  in  den  Rahmen  des  Entstehungsgesetzes  der  Harzer 
Ueberschiebungen  oder  Verwerfungen  schlechthin  ein.  Ruschein 

o o 

sind  wohl  niemals  offene  Spalten  gewesen,  welche,  wie  Credner 
annahm,  durch  einfallende  Gesteinswände  gefüllt  wurden,  sie  sind 
vielmehr  eine  Verrusehelung  d.  h.  Zerdrückung  der  Schichten  längs 
parallel  oder  sehr  spiesseckig  zu  den  Falten  verlaufenden  Gleit- 


J)  a.  a.  0.  S.  197. 

2)  a.  a.  0.  S.  230. 


16 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


flächen,  liervorgegangen  aus  reinen  Falten  Verwerfungen  oder  ans 
einem  windschiefen  Verbiegen,  beziehungweise  Ueberbiegen  schief 
gedrückter  oder  gedrehter  Falten.  Also  gilt  es  nunmehr  aus  dem 
Faltungsprocesse  und  dem  Eingreifen  des  Granits  in  denselben 
die  Bildung  der  Kuscheln  darzuthun. 

Auch  in  den  Profilen  des  Oderthaies  und  längs  des  Rehberger 
Grabens,  die  ich  im  verflossenen  Frühjahre  noch  ein  zweitesmal 
auf  anderthalb  Tage  besucht  habe,  konnte  ich  den  ersten  Beob- 
achtungen Kaysers  manches  hinzufügen,  was  meine  Deutung  der- 
selben im  Sinne  der  aus  dem  Keilwasser  ins  Oderthal  fortsetzen- 
den Spaltenverwerfung  bekräftigte.  Dreierlei  sei  daraus  angeführt: 
Geht  man  vom  Grabenhause  am  Graben  entlang  nach  dem  Oder- 
teiche hin  zu,  so  gelangt  man  bald  aus  den  Hornfelsen  der  Tauner 
Grauwacke  in  den  Granit,  doch  so,  dass  man  bis  jenseits  der  be- 
rühmten Rehberger  Klippen  die  Unterkante  der  Grauwackendecke 
nicht  allzu  hoch,  höchstens  100  Fuss,  meist  aber  in  geringerem  Ab- 
stande zur  Linken  über  sich  hat.  Untersucht  man  das  Gestein  ge- 
nauer, so  bemerkt  man  bald,  dass  es  auf  diese  ganze  Erstreckung 
zur  porphyrartigen  Structur  hinneigt,  einmal  wurden  sogar  Stücke 
mit  der  für  abnorm  erstarrten  Granit  oft  so  charakteristischen 
Granophyrstructur  gefunden.  Erst  in  weiterer  Entfernung  gegen 
N.,  wo  die  untere  Grenze  der  Grauwacke  mehr  in  die  Höhe  rückt, 
folgt  am  Graben  ein  gleichmässig  körniger  Normalgranit:  es  ist 
also  jene  abweichende  der  Porphyrstruetur  angenäherte  Ausbildung 
an  die  ursprüngliche,  durch  die  Grauwacke  vor  der  Erosion  hier 
bewahrte  Erstarrungsrinde  des  Granits  gebunden,  ln  dem  Steil- 
absturze  der  Rehbergswand  zwischen  dem  Graben  und  dem  Oder- 
thaie steht  der  normale  Granit  an,  jenseits  des  Flusses  und  der 
unter  dem  Thalschutte  herstreichenden  Verwerfungslinie  dagegen 
kehrt  da,  wo  sich  in  der  Tiefe  der  Granit  neben  der  Fahrstrasse 
unter  dem  Grauwackenhornfels  hervorhebt,  die  porphyrartige  Structur 
des  Gesteins  wieder  und  so  kann  man  die  Verwerfung  des  Granits 
direct  aus  der  Verrückung  seiner  Erstarrungsrinde  nachweisen. 

Auch  die  kleinen  von  unten  in  die  Grauwackenhornfeldsdecke 
verzweigten  Granitapophysen,  denen  seit  F.  Hoffmann's  meister- 
hafter Beschreibung  der  Rehberger  Graben  seine  Anziehungskraft 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


17 


verdankt,  so  sehr,  dass  das  Auge  von  der  viel  grossartigeren  Er- 
scheinung der  Spaltenverwerfung  abgelenkt  worden  ist,  finden  sich 
in  der  Tiefe  des  Oderthaies  wieder.  Es  giebt  daselbst  unmittel- 
bar nördlich  der  zweiten  oberhalb  des  Andreasberger  Rinderstall’s 
gelegenen  Oderbrücke  eine  mir  durch  Kayser’s  Kartirung  be- 
kannt gewordene  Stelle,  welche  besondere  Aufmerksamkeit  ver- 
dient, weil  auf  kurze  Erstreckung  die  Grauwacken  vom  Hahnen- 
klee herüber  auf  das  andei’e  Oderufer  übertreten,  so  dass  hier  der 
Fuss  der  Rehbergswand  eine  niedrige  Vorlage  von  Grauwacke  be- 
sitzt.  Hier  fand  ich  im  Bette  der  Oder  selbst,  da  wo  der  Fluss  über 
die  Grauwackenklippen  rauscht  , 400  Fuss  Q unter  den  Rehberger 
Klippen,  die  kleinen  Granitgänge  in  der  Grauwacke  wieder. 

Der  Zweck,  der  mich  an  diese  Stelle  geführt,  war  indessen 
ein  anderer.  Ich  hoffte  hier,  wo  die  Verwerfungsspalte  nicht  unter 
dem  Thalschutte  liegen  kann,  sondern  zwischen  jener  Grauwacken- 
vorlage und  der  Granitwand  des  Rehbergs  hindurchstreichen  muss, 
Ganggestein  als  directen  Beweis  für  ihr  Vorhandensein  zu  finden. 
Das  Resultat  war  indessen  trotz  zweier  sehr  mühsamer  Klettertouren 
an  den  steilen,  mit  Granitblockwerk  überrollten  und  mit  dichtem  Un- 
terholze bewachsenen  Gehängen  leider  ein  ungünstiges.  Nur  einen 
Brocken  quarzigen  Ganggesteins  fand  ich  an  der  übrigens  durch 
Wasserreichthum  ausgezeichneten  unteren  Contactstelle  von  Granit 
und  Grauwacke.  Günstigere  Resultate  erzielte  ich  in  der  Auf- 
suchung von  Ganggestein  in  der  Umgebung  des  Oderteiches. 
Hier  konnte  ich  Freund  Kayser  alsbald  eine  Anzahl  durch  Quarz- 
blöcke, z.  Th.  mit  Manganerzeinwachsungen,  ausgezeichnete  Stellen 
namhaft  machen,  die  zur  näheren  Festlegung  des  Verlaufs  der 
Gangspalte,  da  wo  sie  beiderseits  von  Granit  begrenzt  wird,  dienen 
konnten.  Die  auffälligste  dieser  Stellen,  welche  Niemand  über- 
sehen kann,  ist  in  der  Serpentine,  mit  der  die  Oderthalstrasse  vom 
Oderteiche  zum  Thal  niedersteigt.  Ebenso  leicht  zu  finden  ist  eine 
zweite,  ausser  durch  manganerzführende  Gangquarze  durch  Nässe 
und  Eisenocherbildung  ausgezeichnete  Stelle  nahe  der  SO. -Ecke 
des  Teiches  in  dem  nach  Oderbrück  führenden  Fusswege.  Ganz 


Decimalfuss  = 0,37662  Meter. 


2 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


dieselben  Gangquarze  fand  ich  bei  dem  Grabenhause  aufgestapelt 
und  erfuhr  durch  Nachfragen  von  dem  Grabensteiger  Hipperling, 
dass  sie  1866  bei  dem  Ablassen  des  Oderteiches  in  grosser  An- 
zahl aus  dem  Teichgrunde  gewonnen  worden  seien.  So  forschte 
ich  denn  auch  nicht  vergebens  auf  der  Westseite  der  Nordhälfte 
des  Teiches  nach  solchen  Blöcken  zwischen  dem  z.  Th.  auch  hier 
in  porphyrartiger  Structur  ausgebildeten  Granitblock  werk.  Wenn 
man  weithin  im  anstehenden  Granit,  wie  z.  B.  im  Profile  längs 
des  Rehberger  Grabens,  keine  Spur  von  einem  Quarzgange  gefunden 
hat  und  dann  mit  einmal  auf  so  auffällige  Blockanhäufungen  stösst, 
kann  man  nicht  daran  zweifeln,  dass  sie  einem  durchsetzenden  Gange 
ihr  Dasein  verdanken.  Die  Füllung  der  Gänge  ist  dabei  für  den 
Geologen,  der  zunächst  die  Entstehung  des  Spaltennetzes  im 
Zusammenhänge  mit  der  Gebirgsfaltung  und  Hervorpressung  der 
Eruptivgesteine  verfolgt,  erst  von  secundärer  Bedeutung;  dass  aber 
auch  Bergbau  umging  in  der  Nachbarschaft  der  Oderspalte,  dafür  habe 
ich  in  3 alten,  im  östlichen  Ufer  der  Oder  im  Forstorte  Dietrichs- 
thal zwischen  dem  Hahnenklee  und  dem  Rinderstalle  angesetzten 
Stölln  und  zugehörigen  Pingen  Belege  gefunden.  Die  meines 
Wissens  bisher  nirgends  in  der  Harzliteratur  oder  auf  mir  zugäng- 
lichen Karten  und  Rissen  erwähnten  Baue  dienten  zur  Auf- 
schliessung von  vorzugsweise  Quarz,  Eisenglanz,  Kalkspath  und 
Kupferkies  führenden,  von  der  Endigung  der  Hauptspalte  seitwärts 
ablaufenden  Gangtrümern,  welche  ich  in  h.  8 gegen  OSO.  bis 
zu  den  Dreekthälern  hinüber  verfolgen  konnte,  also  bis  in  die 
Nähe  des  zwischen  dem  Rinderstalle  und  dem  Ostende  der  Edel- 
leuter  Ruschei  beiderseits  der  Oder  bekannten  Gangsystems. 

Damit  schloss  ich  meine  durch  die  Ausarbeitung  der  Harz- 
übersichtskarte bedingte  Recognoscirung  des  Oderthaies  und  des 
St.  Andreasberger  Gangreviers  ab,  indem  die  weitere  Aufhellung 
des  geologischen  Zusammenhanges  der  Oderspalte  und  der  südlich 
davon  folgenden  Gänge  mit  den  Ruschein  selbstverständlich  nur 
von  der  meinem  Collegen  Kayser  anvertrauten  geologischen 
Detailaufnahme  der  ganzen  Gegend  erwartet  werden  durfte  ’). 


J)  Vergl.  E.  Kayser’s  Abhandlung  in  diesem  Bande  dieses  Jahrbuches. 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


19 


Welches  aber  auch  das  Resultat  dieser  eingehenderen  Unter- 
suchungen sein  wird,  wie  immer  dieselben  mit  den  vom  Oberharze 
her  gegen  den  Bruchberg  hin  fortgesetzten  sich  die  Hand  reichen 
mögen  zur  Vervollständigung  und  zum  besseren  Verständnisse  der 
Entstehung  des  Gangspaltennetzes  im  Westharze,  stets  wird  die 
nur  durch  die  vereinigte  Forschung  der  Harzgeologen  nach  Richtung 
und  Wirkung  ermittelte  mindestens  14  Kilom.  lange  Oder- Spalte 
eine  normgebende  Linie  ersten  Ranges  im  Spalten-  und  Falten- 
systeme des  Harzes  bleiben  müssen  und  darum  mag  es  meinem 
Freunde  v.  Groddeck,  der  mit  der  Entdeckung  des  Nord- 
endes »die sei'  Verwerfüngsspalte  mir  den  Hebel  zur  Bewältigung 
des  Problems  darreichte,  immerhin  zur  aufrichtigen  Freude  ge- 
reichen, dass  ich  ihm  seinen  Strahlungspunkt  von  der  Steilen  Wand 
südwärts  bis  zu  den  Andreasberger  Ruschein  gerückt  habe.  Denn 
es  wird  wohl  allseitig  gern  zugestanden  werden,  dass  der  Kraft, 
welche  den  Granit  und  das  ihm  aufruhende  Schichtgebirge  ein- 
schliesslich der  obersten  Culmschichten  durchgespalten  hat,  eine 
Hauptrolle  im  Gebirgsbildungsprocesse  zufallen  müsse. 

Wie  aber  lässt  sich  diese  Kraftäusserung  mit  dem  Satze,  dass 
im  Harze  ein  und  dieselbe  Kraft  die  Schichten  übereinandergeschoben 
und  die  Granitmassen  emporgepresst  habe  und  dass  durch  die  bei 
der  Graniteruption  eingetretene  Spannung  die  Harzer  Gangspalten 
aufgerissen  seien,  in  Einklang  bringen?  Ich  glaube  nicht  im  Sinne 
des  durch  v.  Groddeck  für  die  Ausstrahlung;  der  Gänge  von  einem 
Punkte  geltend  gemachten,  meines  Erachtens  allzuscharf  formulirten 
Satzes1):  »Hängt  die  Spaltenbildung  mit  der  Faltung  genetisch  zu- 
sammen, so  lässt  sich  das  nur  durch  einen  bei  der  Faltung  senkrecht 
gegen  die  Streichungsrichtung,  nicht  überall  gleich  stark  wirkenden 
Druck  erklären.«  Denn,  wenn  wir  uns  nun  den  Ausstrahlungspunkt 
bis  zu  den  Ruschein  von  St.  Andreasberg  nach  S.  gerückt  vorstellen, 
so  giebt  der  Verlauf  der  südostwärts  noch  weiter  zurückliegenden 
Massen,  der  Diabase  und  der  Tauner  Grauwacke  in  der  Gegend 
von  Oderhaus  u.  s.  w.,  uns  gar  keinen  Anhaltspunkt  für  einen 
solchen  von  SO.  her  rechtwinklig  aber  ungleich  wirksam  gewesenen 
F altungsdruck. 

Die  Lehre  von  den  Lagerstätten  der  Erze,  1879,  S.  316. 


2 


20 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographisclie 


Die  Gangspalten  im  Harze  verlaufen  überhaupt,  vielleicht  mit 
ganz  geringfügigen  Ausnahmen,  sammt  und  sonders  nicht  quer- 
s cli  1 ägig,  sondern  spiess eckig  zu  den  Streichen  der  Schichten; 
solche  spiesseckigen  Brüche  hängen  aber  nicht  so  sehr  von  einem 
»bei  der  Faltung«  senkrecht,  aber  ungleich  gegen  das 
Streichen  der  Schichten  wirkenden  Drucke,  als  vielmehr  von  einem 
solchen  ab,  der  schief  gegen  schon  mehr  weniger  gefaltete 
Schichten  wirkt;  sie  sind  meist  die  Ausgleichungen  einer  Span- 
nung, hervorgerufen  durch  Druck  oder  Zug,  welcher  die  gefalteten 
Schichten  ihrer  Streichlinie  nach  umzubiegen  oder  zu  knicken  und 
zu  falten  bestrebt  ist.  . 

In  der  meinerseits  schon  1867  (vergl.  oben)  ganz  bestimmt 
formulirten  Auffassung,  dass  die  Graniteruption  in  das  bereits  in 
Faltung  begriffene  Gebirge,  die  Faltung  vollendend,  umformend 
und  unterbrechend  eingegriffen  habe,  liegt  ebenso,  wie  in  der 
eingangs  erwähnten,  1870  in  den  Texten  zu  der  ersten  Lieferung 
der  Specialkarte  des  Gebirges  gegebenen  Darlegung  von  der  ver- 
schiedenen Nachgiebigkeit  der  Gesteine  gegen  den  Faltungsdruck 
je  nach  ihrer  grösseren  Steifigkeit  oder  aber  Faltungs-  und  Pressungs- 
fähigkeit, ein  leicht  verständlicher  Hinweis  auf  die  Herkunft  eines 
solchen  schief  zu  der  ursprünglichen  Faltungswirkung  wirkenden 
Druckes  oder  Zuges.  In  der  aus  der  deformirten,  quer  gegen  die 
ursprüngliche  Muldenlinie  gefalteten,  rückwärts  gestauten  und  durch- 
rissenen  Selkemulde  vorzüglich  abgeleiteten  und  auch  sonst  vom 
Harze  und  anderwärts  her  best  beglaubigten  Theorie  von  dem  jün- 
geren Alter  der  liercynischen  Faltung  gegenüber  dem  im  Harze 
herrschenden  niederländischen  Faltensysteme  ist  aber  ein  noch  viel 
ausgesprochenerer  Hinweis  darauf  gegeben.  Am  Unterharze  kann 
man  sehr  deutlich  allerwärts  den  Zusammenhang  zwischen 
dem  Streichen  und  dem  Fallen  nach  windschief  gebo- 
genen Falten  und  spiesseckigen  Spalten  nachweisen. 

Wenn  der  Nachweis  eines  solchen  Zusammenhanges  vom 
Oberharze  her  trotz  der  dort  die  Forschung  begünstigenden  unter- 
irdischen Aufschlüsse  noch  nicht  versucht  worden  zii  sein  scheint 
— ich  finde  in  v.  Groddeck’s  vortrefflicher  Lagerstättenlehre  zum 
wenigsten  darüber  nichts  — , so  mag  das  z.  Th.  an  der  Monotonie 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


21 


des  Culms,  z.  Th.  aber  daran  liegen,  dass  man  dort  die  Theorie 
vom  Gebirgsbaue  mit  Vorliebe  nach  dem  Baue  der  Alpen  be- 
misst1).  Es  ist  ja  nur  zu  begreiflich,  dass  die  grossartige 
Heim’ sehe  Leistung,  die  übrigens  nach  dem  Satze  »viel  Feind, 
viel  Ehr«  auch  in  manchem  Punkte  lebhaft  bekämpft  wird,  die 
wohlverdiente  Beachtung  findet,  und  gern  spreche  ich  hier  dankbar 
aus,  dass  dies  Buch,  wie  Suess’  Meisterwerk  über  die  Alpen  und 
auch  die  Discussion  mit  den  Klausthaler  Freunden  in  mancher 
Hinsicht  klärend  auf  meine  von  Haus  aus  mir  eigene  Theorie 
über  den  Bau  des  Harzes  eingewirkt  hat.  Aber  »eines  schickt 
sich  nicht  für  alle«  : der  Harz  ist  nun  einmal  kein  Kettengebirge, 
sondern  ein  als  Gebirgsknoten  nachgewiesenes  wind- 
schiefes, elliptisches  Massengebirge  mit  ausgepresstem 
Eruptivmagma  in  den  dynamischen  Brennpunkten, 
eine  Gebirgsform , die  in  Heim  s Eintheilung  der  Gebirge  nicht 
vorkommt2);  Ueberschiebungen  von  verschiedenen  Seiten  her,  von 
Heim  kaum  gefunden3),  sind  im  Harze  recht  häufig;  in  ihm  herrschen 
Schiefer  und  Grauwacken,  Diabas  und  Granit,  nicht  aber  Kalksteine 
vor;  da,  wo  diese  letzteren  aber  einmal  local  herrschen,  wie  in  der 
Gegend  von  Elbingerode,  ist  zufolge  ihres  spröden  Materials  die 
ungleichförmige  Lagerung,  d.  h.  wie  ich  letzten  Sommer  nachge- 
wiesen habe,  spiesseckige  Schichtenverwerfung4)  ganz  allgemein. 
Wenn  in  dem  von  Heim  bearbeiteten  Antheile  der  Alpen  thatsächlich 
wesentlich  nur  Falten,  Spalten  aber  nur  höchstens  ganz  untergeordnet 


*)  Yergl.  die  Citate  aus  Heim  in  v.  Groddecis’s  Lagerstättenlehre,  S.  24  und 
315,  sowie  in  G.  Köhler’ s u.  F.  Wunderlich’s  neueren  lehrreichen  Schriften. 

2)  Untersuchungen  über  den  Mechanismus  der  Gebirgsbildung,  Bd.  II,  S.  220 
erklärt  A.  Heim  »die  sogenannten  Gebirgsknoten«  gradezu  als  »nur  durch  die 
Erosion  modellirte  Gestalten,  die  nicht  in  der  Faltung  der  Erde  begründet  sind«; 
den  Harz  speciell  kennt  Heim  so  wenig,  dass  er  denselben  (a.  a.  0.  S.  208)  mit 
dem  Wesergebirge  in  ein  gegen  NW.  abgeschwächt  gefaltetes  Kettengebirge 
zusammenzieht. 

3)  a.  a.  0.  S.  221. 

4)  In  die  Ueber sichtskarte  konnten  diese  Discordanzen  noch  nicht  als  Ver- 
werfungslinien eingetragen  werden,  wie  denn  deren  auch  in  der  ersten  Lieferung 
des  detaillirten  Harzkartenwerkes  manche  fehlen  und  es  überhaupt  misslich  ist, 
dass  wir  in  unseren  geologischen  Karten  bislang  vorzugsweise  nur  die  Spalten, 
nicht  aber  die  Falten  Verwerfungslinien  deutlich  hervortreten  lassen. 


22 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


zu  finden  sind,  was  Angesichts  der  Grossartigkeit  der  Dislocat-ionen 
und  Presslings  Wirkungen  vielleicht  doch  noch  der  Bestätigung  be- 
darf,  so  passt  er  zum  Vergleich  mit  dem  Harze  jedenfalls  nur  in 
beschränkter  Weise.  Wenn  man  daher  am  Oberharze  bereits  dahin 
gelangt  ist,  Diabase  als  bis  zu  einem  gewissen  Grade  plastisch 
gemacht J)  anzusehen  und  selbst  der  Bammelsberger  Erzcoloss  als 
im  festen  Zustande  gefältelt  und  bis  zum  Lettenbesteg  im  Mittel- 
schenkel verquetscht* 2)  erachtet  wird,  so  will  ich  jetzt  und  an  dieser 
Stelle  die  Berechtigung  zu  solchen  Vorstellungen,  so  wenig  wie 
die  ganze  HEiM’sche  Theorie  discutiren.  Die  Theorie  vom  Baue 
des  Harzes  ist  auf  Harzer  Boden  seit  1867,  also  vor  der  erst  1878 


x)  F.  Wunderlich,  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Kieselschiefer  u.  s.  w. , S.  9. 
Wenn  ich  mich  hier  abgeneigt  zeige,  eine  solche  einfach  theoretisch  gefolgerte 
Plasticität  alter  Eruptivgesteine  entgegenzunehmen,  so  geschieht  dies  mit  dem 
Hinweise  darauf,  dass  gerade  die  genaue  Untersuchung  solcher  nach  primärer 
Structur  und  primärem  Mineralbestande  wohlbekannter  Massen  uns  einen  Grad- 
messer für  die  Richtigkeit  der  Theorie  giebt;  in  welcher  Weise  die  Diabase  im 
Harz  unter  Ausbildung  secundärer  Mineralien  als  metamorphische  Eruptivgesteine 
Druckschieferung  angenommen  haben,  habe  ich  mehrfach  gezeigt  (vergl.  Zeitschr. 
d.  D.  geol.  Ges.  1872,  Bd.  XXIV,  S.  706 — 707  in  Anm.  *)  und  S.  763;  Sitzungsber. 
d.  Ges.  naturf.  Freunde  in  Berlin,  März  1878);  vergl.  auch  den  Text  zu  BlattWippra. 

2)  Erfreut,  dass  die  von  mir  1876  auf  Grund  eigener  Untersuchungen  unter 
und  über  Tag  den  bisherigen  Anschauungen  entgegengestellte  Auffassung  über 
Stellung  der  Erzlagerstätte  im  Gebirgsplan  und  Genesis  derselben  eine  so  rege 
Betheiligung  der  Fachgenossen  (vergl.  A.  Stelzner’s  Brief  an  K.  A.  Lossen  in 
Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XXXII,  S.  809  und  G.  Köhler,  die  Störungen  des 
Rammeisberger  Erzlagers  bei  Goslar  in  Zeitschr.  f.  Berg-,  Hütten-  u.  Salinen- 
Wesen  XXX,  Heft  1)  an  der  Untersuchung  des  Rammeisberges  hervorgerufen 
hat,  kann  ich  doch  an  dieser  Stelle  nicht  in  die  Discussion  der  complicirten  Frage 
eintreten.  Es  sei  daher  hier  nur  constatirt,  dass  Stelzner  wie  Köhler  der  von 
mir  gegebenen  Deutung  der  sogenannten  WiMMER’schen  Leitschicht  im  Liegenden 
der  Lagerstätte  als  Ruschei  beitreten  und  dass  auch  der  Zusammenhang  zwischen 
flacher  Lagerung  und  steilstehender  Transversalschieferung  jenseits  der  Ruschei 
mit  der  steilstehenden,  der  Schieferung  wesentlich  confonnen  Schichtung  diesseits 
von  Köhler  ganz  in  meinem  Sinne  aufgefasst  wird.  Auch  die  von  mir  nach  den 
Schichtenbiegungen  über  Tag  und  den  Rissen  Wimmer ’s  angedeutete  Verbindung 
des  alten  und  des  neuen  Lagers  im  Sinne  einer  Falte  im  Streichen  kehrt  (a.  a.  0. 
Texttafel  b,  Fig.  3)  bei  Köhler  wieder.  Kurz,  die  Grundlinien  für  die  durch 
Wimmer’s  Deutung  des  sogen,  hangenden  Trums  angeregte  Auffassung  der  Lager- 
stättenform sind,  wie  mir  scheint,  nahezu  die  gleichen,  nur  in  der  genetischen 
Deutung  liegt  die  Differenz  (vergl.  unten). 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


23 


gegebenen  theoretischen  Darlegung  Heim ’s,  langsam  aber  stetig 
gewachsen.  Dass  sie  sich  in  dem  einen  ihrer  Grundprincipien, 
dem  Uebergange  einseitig  zusammengeschobener  Falten  in  Falten- 
verwerfungen (Wechsel)  mit  aufgepresstem  Hangenden,  mit  Heim’s 
Theorie  begegnet,  kann  für  mich  nur  einen  Grund  mehr  abgeben, 
auf  dem  Boden  der  eigenen  Beobachtungen  zu  bleiben,  wie  denn 
ja  auch  mein  hochverehrter  Freund  v.  Groddeck  seine  Gangtheorie 
(1876)  vor  der  Publication  I I ei  m s und  vom  Harze,  allerdings  ein- 
seitig vom  Oberharze  her,  entwickelt  hat. 

Um  gerecht  zu  sein,  muss  ich  nun  anerkennen,  dass  der  Ober- 
harz im  Bruchberge  und  Acker  ein  kleines  Kettengebirge  für  sich 
ganz  allein  besitzt.  Dass  die  Gangtheorie  v.  Groddeck ’s  unter 
Vorzugs  weiser  Berücksichtigung  dieser  Kette  entstanden  ist,  hat 
ihr  das  Gepräge  des  nur  aus  einer  Himmelsrichtung  her  recht- 
winklig, aber  ungleich  stark  wirkenden  Massenschubs  aufgedrückt. 
Wäre  mein  Freund  von  seiner  Auseinandersetzung  über  das  Ver- 
halten der  Ganglinien  zu  dem  Kalkmassiv  des  Ibergs  in  erster 
Linie  ausgegangen,  er  wäre  vielleicht  zu  einem  ganz  anderen  End- 
resultate gelangt.  Hier  ist  das  Gangnetz  so  zersplittert,  dass  das 
»Generalstreichen«,  der  Fluch  aller  darauf  basirten  geologischen 
und  besonders  aller  Gangtheorieen,  ganz  verloren  geht.  Aber  auch 
sonst  ist  im  ganzen  Oberharze  lange  nicht  soviel  Generalstreichen 
vorhanden,  wie  es  auf  den  ersten  flüchtigen  Blick  scheint.  Die  starke 
Zusammenpressung  der  Schichten  im  SO.  bedingt  ja  allerdings  im 
Allgemeinen  eine  viel  grössere  Geradlinigkeit  der  Streichen,  als  in 
den  meisten  Tlieilen  des  Unterharzes,  das  erleichtert  aber  nicht 
sowohl  die  klare  Erkenntniss  des  Schichtenbaues,  im  Gegentheil 
erschwert  es  dieselbe.  Bei  seiner  seit  1876  sehr  vorgeschrittenen, 
ebenso  mühevollen,  als  verdienstlichen  Detailgliederung  und  -Kar- 
tirung  der  Oberharzer  Culmformation  wird  das  meinem  Freunde 
so  wenig  entgangen  sein,  als  der  Umstand,  dass  auch  in  der  Fall- 
linie durch  Faltenverwerfungen  bedingte  complicirtere  Verhältnisse, 
als  die  in  seinem  Profile  durch  den  Oberharzer  Grünsteinzug  ge- 
zeichneten  ])  vorhanden  sind.  Auch  der  Bruchberg,  an  welchem 


) Zeitsehr.  d.  D.  geol.  Ges.  1876,  Bd.  XXVIII,  S.  366. 


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K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


ich  solche  »Wechsel«,  d.  h.  in  der  Streichlinie  oder  nahezu  in 
derselben  verlaufende  Störungen  mit  Aufschiebung  des  Hangenden, 
als  an  dem  grossartigsten  Beispiele  unseres  Gebirges,  für  den  Ober- 
harz zuerst  zu  erläutern  suchte x),  ist  nicht  so  nach  der  Schnur  ge- 
richtet, wie  man  den  Worten  v.  Groddeck’s  »das  parallele  Streichen 
(h.  3 — 5)  und  gleichgerichtete  steile  Einfallen  (ca.  60  — 70°  SO.) 
sämmtlicher  Schichten  zwischen  Osterode  und  Harzburg,  welches 
auch  durch  die  Ockerthaler  Granitpartie  nicht  wesentlich  geändert 
wird« *  2)  entnehmen  könnte.  Gerade  ihn  haben  die  älteren  Harz- 
geologen, die  doch  gewiss  dem  Generalstreichen  huldigten,  wegen 
seiner  »in  h.  2 streichenden«,  in  »mehrerer  Rücksicht  als  ein  be- 
sonderes Lagerungsganze«  zu  betrachtenden,  »z.  Th.  diagonal  gegen 
die  umgebenden  Schieferschichten  gerichteten  und  nur  theilweise 
der  Schichtung  des  Grauwacken-Thonschiefergebirges  conformen«  3) 
Massen  besonders  hervorgehoben.  In  der  That  ist  der  mehr  nord- 
wärts gerichtete  Stauungsknick  in  der  Axe  der  Quarzitkette  zwischen 
Acker  und  Bruchberg  auffällig  genug,  um  so  auffälliger,  als  eine 
Depression  der  Höhe  damit  verbunden  ist  und  der  fast  h.  12  strei- 
chende Schatzkammerzug  bei  Altenau  verlängert  darauf  trifft. 
E.  Kayser,  dessen  Aufmerksamkeit  ich  auf  diese  Unregelmässigkeit 
im  Baue  des  Bruchberges  lenkte,  hat  durch  seine  überraschenden 
Resultate  gezeigt  4),  wie  lohnend  es  sein  kann,  Knickungen  in  der 
Streichlinie  zu  beachten. 

Viel  auffälliger  noch  sind  indessen  im  nördlichen  Oberharze  die 
oben  schon  (S.  7 u.  8)  theilweise  als  Deformirung  des  Devonsattels 
daselbst  bezeiehneten , aber  auch  in  den  Culmschichten  bemerk- 
lichen  Abweichungen  der  Streichlinien:  am  Tillyberge  bei  Riechen- 
berg zwischen  Langelsheim  und  Goslar  und  vom  Rammeisberge 
bis  in’s  Eckerthal  oberhalb  der  Rabenklippe  misst  man  auf  Schritt 
und  Tritt  Streichen  in  Stunde  2,  1,  12,  11,  10,  9,  8,  7,  6 oder 

B Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.,  Bd.  XXIX,  S.  620  ff,  vergl.  auch  v.  Groddeck, 
ibid.  S.  444  und  A.  Halfar,  ibid.  Bd.  XXXIII,  S.  350. 

2)  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.,  Bd.  XXIX,  S.  440. 

3)  Zimmermann,  Harzgebirge,  S.  81  u.  117. 

4)  Vergl.  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  1881,  Protocoll  der  April-  und  der 
November -Sitzung,  über  die  »Ackerspalte«,  sowie  den  Aufsatz  des  genannten 
Autors  in  diesem  Bande  des  Jahrbuchs. 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


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eine  in  solchen  Stunden  gerichtete,  die  Streichlinien  schneidende 
Transversstructur , d.  h.  Pressungsstructur.  Was  ich  gegenüber 
dein  trügerischen  Generalstreichen  seit  1867  für  den  Unterharz 
geltend  gemacht  habe,  gilt  auch  hier.  Dieselbe  Tendenz  einer 
gegen  0.  convexen  Umstauung  des  herrschenden  nieder- 
ländischen Falten  Systems  in  das  her  cyni  sehe,  welche  in 
der  Selkemulde,  in  der  Elbingeroder  Mulde  bei  Hüttenrode  wie 
auf  der  Ostseite  des  Brockens,  kurz  überall  gegen  den  Nordrand 
des  Gebirges  hinzu  sich  geltend  macht,  kehrt  auch  hier  mit 
charakteristischen  Schichtbrüchen  verknüpft  deutlich  wieder. 

Am  reinsten  aber  tritt  diese  gegen  Ost  gespannte  Bogenlinie 
als  Ausdruck  der  aus  der  älteren  Richtung  in  die  jüngere  über- 
gegangenen Druckwirkung  im  Ostrande  des  Brockenmassivs  aus 
dem  Grundplane  des  Gebirges  hervor.  Die  tektonische  Bedeu- 
tung der  Oder-Spalte  spricht  sich  nun  darin  deutlich 
aus,  dass  ihre  von  allen  weithin  fortsetzenden1)  Gängen 
des  Oberharzes  abweichende  nordnordwestliche  Rich- 
tung der  Sehne  oder  Drehungsaxe  zu  diesem  Bogen 
entspricht  und  ebenso  ihre  östliche  Fallrichtung  der 
Spannung  dieses  Bogens:  Die  Zerspaltung  des  im  Sinne 
des  niederländischen  Faltungssyste m s aufgepressten 
Granits  von  St.  Andreasberg  ist  sonach  als  Folge  des 
Wechsels  der  Faltungsrichtung  im  Sinne  des  hereyni- 
schen  Systems  aufzufassen,  wobei  sich  das  östliche  Einfallen 
der  Spalte  als  Resultirende  aus  der  nordwestlichen  Druckrichtung  des 
niederländischen  Systems  und  der  südwestlich  gekehrten  Rückstau- 
richtung des  im  oberen  Querschnitt  durch  die  Erdkruste  grossen theils 
entgegengesetzt  wirkenden  hercynischen  Systems  erklärt.  Auf  der 
Ostseite  des  Brockens  kehren  in  der  Elbingeroder  Mulde  solche 
Verwerfungslinien  mehrfach  wieder.  Am  grossartigsten  aber  tritt 
uns  die  Zerspaltung  des  ganzen  Gebirges  nach  der  Streich-  und 


0 Als  Gänge  von  kürzerer  Erstreckung  in  der  Streichrichtung  der  Oder- 
spalte sind  zu  verzeichnen:  der  Schatzkammerzug  bei  Altenau,  der  Segen  des 
Herrn  westlich  von  Ober- Schulenberg  und  die  Schwerspathgänge  südlich  des 
Jägersblecker  Teichs,  letztere  beide  sind  bei  der  Eintragung  in  die  Uebersichts- 
karte  übersehen  worden. 


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K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


der  Fallrichtung  der  Oderspalte  in  dem  durch  die  Porphyre  und 
Melaphyre  von  unten  auf  erfüllten  Gangsysteme  im  Zwischen- 
gebiete  zwischen  Brocken  und  Rammberg  entereffen. 

Ich  habe  die  Bedeutung  dieser  Gänge  gerade  in  dem  am 
meisten  gestörten  Gebirgsbaue  zwischen  den  einander  zugekehrten 
Seiten  der  Granitstöcke  schon  mehrfach  hervorgehoben  und  dabei 
auch  ihren  Verlauf  in  der  Richtung  einer  Sehne  der  gegen  Ost 
convexen  Schichtenbögen  oder  einer  Mittellinie  (Drehungsaxe,  ver- 
gleiche weiter  unten)  der  Z-förmig  zusammengezogenen  Stauungs- 
falten jenes  Zwischengebietes  betont1).  Aber  erst,  nachdem  ich  die 
petrographische  Beschaffenheit  der  einzelnen  Spaltengesteine  näher 
untersucht  hatte,  gelang  mir  dann  im  Frühjahr  1880  der  bündige 
Nachweis  des,  wie  ich  darthun  zu  können  glaube , für  den  Bau 
des  ganzen  Gebirges  wichtigen  Spaltenbildungsgesetzes.  Die  Klar- 
legung desselben  kann  zugleich  als  Maassstab  für  unsere  einstige 
und  jetzige  Kenntniss  vom  Harze  dienen. 

Der  vortreffliche  Beobachter  Zimmermann  hatte  schon  in 
seinem  Harzgebirge  eine  für  das  in  Rede  stehende  Gesetz  bedeut- 
same Mittheilung  gemacht.  Er  giebt  (S.  489)  gelegentlich  der 
Beschreibung  des  Tanner  Bergreviers  von  einem  im  Hasselhäu 
zwischen  Trautenstein  und  Tanne  beobachteten  Porphyrgange  an: 
»hier  zeigt  es  sich,  dass  der  Porphyr  das  ältere  Gestein  ist,  denn 
während  derselbe  bis  an  den  Grünstein  (sc.  Diabas)  heransetzt, 
wird  er  von  diesem  abgeschnitten,  findet  sich  aber  auf  der  anderen 
Seite  desselben  in  den  Heiligenstöcken  und  nach  Königshof  hin 
wieder.«  Als  ich  diese  Stelle  las,  fand  ich  in  ihr  eine  evidente 
Bestätigung  meines  Gesetzes,  obwohl  ich  das  Alter  der  beiden 
einander  kreuzenden  Eruptivgesteine  gerade  umgekehrt  dahin  dar- 
gethan  habe,  dass  der  pr aegr an i tische  Diabas  schon  vor  dem 
Hauptfaltungs-  und  Gebirgsbildungsprocesse  zwischen  die  Schichten 
eingeschaltet  wai^  der  postgraniti sehe  Porphyr  dagegen  Spalten- 
räume erfüllt,  deren  Entstehung  nur  zufolge  der  Gegenwirkung 
der  beiden  sich  in  ihrer  Richtung  kreuzenden  Faltungs-  und  Granit- 
auspressungsprocesse  verstanden  werden  kann.  Es  setzt  offenbar, 

!)  Zeitsehr.  d.  D.  geol.  Ges.,  Bd.  XX,  S.  453;  Bd.  XXVIII,  S.  406;  Bd.  XXIX, 
8.  201;  auch  E.  Kayser  an  der  zuletzt  angezogenen  Stelle. 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


27 


und  darin  liegt  ein  Theil  jener  erkannten  Gesetzmässigkeit,  der 
zufolge  gehemmter  Faltung  in  dem  ganz  in  einander 
gepressten  Gebirgstheile  aufgerissene  und  zugleich1) 
mit  Porphyr  erfüllte  B erstungsriss  an  der  ein  Hemmniss 
bildenden  Diabasmasse  ab  und  erleidet  eine  (bis  zu 
einem  gewissen  Grade  der  Auslenk u n g d e r S p a 1 1 e n v e r- 
gleichbare)  seitliche  Verschiebung.  Was  hier  an  einer 
Stelle  und  für  eine  Spalte  beobachtet  worden  ist,  das  lässt  sich 
an  den  nahezu  parallelen  1 1 Hauptgangspalten , welche  zwischen 
Königshof  und  Neuwerck  die  Bode  kreuzen,  und  auch  an  den 
Spalten  des  Auerbergsystems  in  häufiger  Wiederholung  nachweisen. 
Bis  auf  ganz  vereinzelte  Ausnahmefälle  findet  die  z.  Th.  unter  der 
Mitwirkung  meines  Freundes  Kayser  in  nahezu  100  Fällen  kar- 
tirte  Spaltenverschiebung  durch  den  ganzen  Harz,  vom  Poppenberge 
bei  Ilfeld  bis  nach  Wernigerode  und  vom  Auerberge  bis  in  die 
Nähe  von  Benzingerode  stets  in  dem  Sinne  statt,  dass  das  nörd- 
lichere Stück  des  abgelenkten  Ganges  nach  Osten  ge- 
rückt ist.  Dieses  staffelförmig  aus  Südwest  gegen  Nordost  ge- 
ordnete Vorrücken  der  einzelnen  dem  Streichen  nach  zwischen 
Stunde  1 1 und  1 durchschnittlich  schwankenden  ein  und  dem- 
selben Zuge  angehörigen  Gangstücke  entspricht  den  in  dieser 
SW.  — NO.- Richtung  und  nicht  umgekehrt  zusammengedrückten 
Z-förmigen  Stauungsknicken.  Man  sieht  leicht  ein,  wie  durch  den 
Verschiebungsprocess  zufolge  des  Parallelismus  der  11  Gänge 
Gangstücke  ganz  verschiedener  Gangzüge  und  darum  von  ganz 
abweichendem  Gesteinscharakter  in  ein  und  dieselbe  Flucht  des 
geraden,  wenn  auch  unterbrochenen  Fortstreichens  gelangen  müssen. 
An  anderer  Stelle  soll  der  petrographische  Charakter  der  Einzel- 
spalten, dessen  Verständniss  erst  die  Lösung  des  Problems  ermög- 
lichte, gemeinsam  mit  einer  topographisch  geologischen  Beschreibung 
des  Gangspaltennetzes  erläutert  werden. 


1 ) Dass  die  Ausfüllung  dieser  Berstungsrisse  mit  der  Entstehung  der  Spalten 
zusammenfallen  muss,  was  ich  früher  Angesichts  der  Abhängigkeit  ihrer  Richtung 
vom  Faltungsprocesse  für  nicht  noth wendig  erachtet  habe,  folgt  zweifelsohne  aus 
der  Ausfüllung  der  gleichsinnig  abgelenkten  Einzelrisse  ein  und  desselben  Spalten- 
zuges durch  dasselbe  Eruptivmaterial. 


28 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrograpkische 


Nur  einiger  für  den  Gebirgsbau  nicht  unwesentlicher  Umstände 
sei  hier  noch  gedacht  : 

Ich  habe  diese  Eruptivgesteine  als  postgranitisch  bezeichnet, 
weil  ich  das  Entstehen  solcher  Berstrisse,  die  alle  Falten  schneiden 
und  an  den  gefalteten  Gesteinen  zersplittern  und  abgelenkt  werden, 
mir  nur  nach  dem  unter  Auszwängung  der  Granitmassen  erfolgten 
Maximum  des  Faltenwerfens  vorstellen  kann.  Dafür  spricht  ausser 
der  mittleren  Streichrichtung  aber  auch  die  Gesammtform  des 
Spaltensystems,  das  in  der  Richtung  einer  Linie  vom  Ende 
des  Bodegangs  auf  die  Hasseröder  Granophyr-  Apophysen  hinzu 
bei  Elbingerode  sichtlich  eingeschnürt  ist,  nördlich  und  südlich 
dieser  Linie  aber  divergirt,  und  zwar  in  dem  nördlichen,  dem 
Brockenmassiv  näher  liegenden  und  darum  nach  der  Ostgrenze 
desselben  orientirten  Theile  am  wenigsten,  in  dem  südlichen,  der 
Rammbergaxe  mehr  parallelen  Theile  innerhalb  weniger  intensiv 
ineinandergepresster  Schichten  am  meisten.  Verwerfungen  längs 
dieser  Gesteinsgänge  sind  recht  selten,  sonst  müssten  sie  in  der 
Elbingeroder  Mulde,  wo  der  Wechsel  mächtiger  Kalk-,  Grauwacken-, 
Diabas-  oder  Schalsteinbildungen  die  Controle  sehr  erleichtert, 
ausserordentlich  oft  zu  beobachten  sein;  das  eben  charakterisirt  diese 
Spalten  als  relativ  junge  Berstrisse  in  einem  durch  die  Faltung  ganz 
versteiften  Gebiete,  wie  denn  ja  auch  der  dem  rheinischen  Schiefer- 
gebirge zugekehrten  steilen  Westseite  des  Gebirges  ein  gleichge- 
richteter junger  Hauptbruch  zu  Grunde  zu  liegen  scheint.  Doch 
fehlen  Verwerfungen  nicht  ganz,  wie  ein  sehr  schönes  Beispiel 
an  dem  von  der  Marmormühle  unterhalb  Rübeland  nach  dem 
Garkenholze  übersetzenden  Alelaphyrgange  zeigt,  auf  dessen  Ost- 
seite im  Hangenden  ein  normaler  Sattel  gegen  N.  abgesunken  ist, 
während  westlich  im  Liegenden  eine  krummlinige  westsüdwestlich 
weithin  fortsetzende  spiesseckige  Hauptverwerfung  mit  geringeren 
Nebenstörungen  angrenzt.  Hier  deckt  sich  also  wohl  der  Berstriss 
mit  einer  älteren  gleichsinnigen  Spaltlinie.  Andererseits  kommen 
solche  nahezu  westöstlich  gerichteten  spiesseckigen,  z.  Th.  deutlich 
mit  Ueberschiebung  der  angrenzenden  liegenden  Schichten  auf  die 
jüngeren  Kalk-  und  Diabasmassen  verbundenen  Störungen,  welche 
den  Andreasberger  Ruschein  am  besten  verglichen  werden  können, 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


29 


in  der  Elbingeroder  Mulde  oft  vor  und  werden  daher  oft  von  den 
Eruptivgängen  gekreuzt.  Dabei  nimmt  man,  abgesehen  von  dem 
soeben  besprochenen  Falle,  in  dem  die  spiesseckige  Störung  an  dem 
Gesteinsgange  endet,  meistens  ein  ungehindertes  Hindurchsetzen  des 
Ganges  durch  die  Störungslinie  wahr,  zuweilen  aber  wird  auch  der 
Gang  an  der  Verwerfung  abgelenkt.  Es  zeigt  sich  hier  also  ganz 
deutlich  das  jüngere  Alter  der  die  Berstungsrisse  erfüllenden  Gesteins- 
gänge und,  sieht  man  einmal  von  dieser  ihrer  besonderen  Natur  ab, 
aus  dem  Vergleiche  der  beiden  letzteren  Fälle  mit  dem  ersterwähnten, 
dass  die  nahezu  nordsüdlich  gerichteten  Spalten  zwar  meistens  jünger, 
als  die  fast  ostwestlich  gerichteten  sind,  dass  dies  jedoch  nicht  all- 
gemein im  Harze  gilt.  Es  wiederholen  sich  hierin  Verhältnisse 
im  Grossen,  wie  man  sie  im  Kleinen  durch  den  St.  Andreasberger 
Bergbau  seit  längerer  Zeit  kennt.  Dort  sind  die  nahezu  südwärts 
fällenden  Ruschein  älter  als  die  nordostwärts  fällenden  Gänge  inner- 
halb der  Ruschein , die  in  ihrer  Streichlinie  sich  der  Oderspalte 
nähern,  dagegen  lenken  der  Gnade  Gottes’er  und  der  Berginanns- 
troster  Gang  bei  fast  nördlichem  Einfallen  und  einem  den  Ruschein 
nahezu  parallelen  Streichen  wieder  an  diesen  ersteren  Gängen  aus. 
Alles  in  Allem  mahnen  derartige  Erfahrungen  zu  grosser  Vorsicht 
gegenüber  einem  Versuche,  lediglich  aus  der  Streichrichtung  der 
Gänge  eine  Eintheilung  oder  einen  Altersnachweis  herzuleiten. 

Am  Oberharze  habe  ich  im  Laufe  des  vergangenen  Sommers 
unter  Anwendung'  der  Unterharzer  Erfahrungen  in  Begleitung  meines 
Freundes  v.  Groddeck,  durch  welchen  ich  die  erste  Kunde  von  dem 
Vorkommen  erhielt,  nördlich  vom  Gegenthaler  Gangzuge  im  linken 
Gehänge  des  Innerstethaies  einen  Quarz,  Glimmer  und  Feldspat h 
führenden,  z.  Th.  stark  zersetzten  porpliyrischen  Eruptivgang  ver- 
folgt, der  offenbar  in  die  Gruppe  der  postgranitischen  Eruptiv- 
gesteine gehört1).  Derselbe  streicht  den  Eruptivgängen  zwischen 

1 ) Die  local  längs  der  Gangspalte  bemerkliche  Umwandlung  der  oberdevo- 
nisclien  Schiefer  und  Kalke  in  Hornfels  und  Kalkhornfels,  welche  vor  der  Kennt- 
niss der  Streichrichtung  des  Ganges  eine  dem  Bodegang  - Porphyr  analoge 
Porphyrfacies  des  Granits  voraussetzen  liess,  steht  doch  in  vortrefflichem  Ein- 
klänge mit  den  Contactinetamorphosen,  welche  die  postgranitischen  Porphyre  und 
Melaphyre  in  den  durchsetzten  Devonkalken  von  Elbingerode  und  Rübeland  her- 
vorgerufen haben. 


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K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


Brocken  und  Rammberg  und  der  Oder -Spalte  parallel  und  darf 
nach  dem  Voraufgehenden  sonach  als  weiterer  Beweis  für  die 
Wirkung  der  hercynischen  Kraft  im  Oberharze  gelten. 

Was  nun  die  übrigen  Oberharzer  Gangspalten  betrifft,  so 
können  dieselben,  wie  das  v.  Groddeck  ja  auch  annimmt,  nur  im 
Zusammenhänge  mit  seiner  Kellwasser-Spalte  oder  jetzt  der  Oder- 
Spalte  erklärt  werden.  Die  Ausgleichung  der  durch  Einwirkung 
des  hercynisch  gerichteten  Granits  auf  den  ursprünglich  rein  nieder- 
ländischen Faltenbau  des  Oberharzes  hervorgerufenen  Spannungen 
wird  also  auch  hier  den  Erklärungsgrund  abgeben  müssen.  Im 
Einzelnen  wird  ein  Erklärungsversuch  ausser  der  Streich  - und 
Fallrichtung  und  dem  Verwerfungseffecte  der  Gangspalten  die  Ein- 
senkungsrichtungen der  Sattel-  und  Muldenlinien  des  Faltenbaues, 
die  örtliche  Häufung  der  Falten  und  Faltenverwerfungen,  ihre  aus 
der  steigenden  oder  abnehmenden  Aufrichtung  ein  und  derselben 
Schicht  im  geraden  Fortstreichen  und  aus  dem  einseitigen  Aus- 
bleiben eines  Theils  der  normalen  Schichtfolge  ersichtliche  Ver- 
biegung, die  aus  solchen  Verbiegungen  hervorgehenden  Stauungs- 
knicke und  Kuschelbildungen,  schliesslich  die  Discordanz  zwischen 
dem  Streichen  und  Fallen  der  Schichtung  und  demjenigen  der 
Transversal-,  d.  h.  Pressungsstructur  in  Rechnung  ziehen  müssen. 

Ehe  die  Vollendung  der  Detailkartirung  eine  eingehende  Ver- 
gleichung  und  Abwägung  dieser  zahlreichen  Einzelerscheinungen 

O o O O O 

des  Gebirgsbaues  ermöglicht  haben  wird,  lässt  sich  eine  allseitig 
befriedigende,  jedenfalls  aber  nicht  auf  einseitige  Druck- 
wirkung, sondern  auf  die  beiden  im  Harz  nachgewie- 
senen Faltungssysteme  unter  Berücksichtigung  von 
Zug  und  Druck  zu  basirende  Theorie  selbstverständlich  nicht 
geben.  Grade  die  der  grossartigen  Ueberschiebnng  des  Bruch-  und 
Ackerherges  zugekehrte  Seite  des  Oberharzes,  welche  v.  G roddeck, 
E.  Kayser  und  A.  Halfar  neuerdings  so  beachtenswerthe  For- 
schungsergebnisse geliefert  hat,  dürfte  auch  der  fortgesetzten  sorg- 
fältigen Untersuchung  den  Lohn  nicht  versagen,  zu  geschweigen 
von  der  erst  theilweise  in  Angriff  genommenen  Detailkartirung  der 
Gegend  beiderseits  des  Kahleberg-Rammelsberger  Sattels  von  Lan- 
gelsheim bis  zur  Ecker. 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


31 


Immerhin  ladet  das  in  der  Uebersiclitskarte  dargestellte  Bild 
des  Oberharzes,  für  welches  ich  vorwiegend  auf  die  Resultate 
meiner  drei  Herren  Mitarbeiter  angewiesen  war,  zu  einem  prüfenden 
Erklärungsversuche  ein.  Dabei  tritt  zunächst  der  Umstand  hervor, 
dass  auf  der  ganzen  SO.- Seite  des  Oberharzes,  von  der  Gegend 
des  Austrittes  der  Söse  aus  dem  Gebirge  an  bis  zur  Kattenäse 
östlich  Harzburg,  Mittel-  und  Oberdevon  Q zwischen  dem  unter- 
devonischen Bruchbergquarzite  oder  dem  Granite  und  der  Südost- 
grenze der  Culmformation  fehlen,  weiter  nordwestwärts  dagegen 
auf  der  ganzen  Flucht  von  Osterode  bis  Harzburg , die  kurze 
Strecke  zwischen  dem  Polsterthaler  Teiche  und  dem  Kellwasser 
beiderseits  Altenau  ausgenommen,  aus  dieser  Formation  auftauchen 
in  einem  langgestreckten  Zuge  von  Sattelfalten,  richtiger  in  einer 
der  auf  die  Culmschichten  übergeschobenen  Bruchbergkette  paralle- 
len Reihe  von  Faltenverwerfungen.  Darf  man  darin  den  Ausdruck 
einer  anfänglich  gleich mässig  von  SO.  nach  NW.  fortschrei- 
tenden  Zusammenschiebung  des  ganzen  Oberharzer  Schichten- 

O O 

Systems  erblicken,  wobei  die,  wie  aus  dem  Ausbleiben  des  Mittel- 
und Oberdevons  zwischen  Quarzit  und  Culm  ersichtlich,  ungleich- 
mässigen  Gleitbewegungen  wesentlich  nur  in  der  Ebene  der  Fall- 
richtung  stattfanden,  so  fällt  nun  um  so  mehr  auf,  dass  die  Bruch- 
bergkette selbst  keineswegs  eine  so  gleichmässige  Ausdehnung 
durch  das  ganze  Gebirge  besitzt,  vielmehr  an  den  Radauquellen 
rasch  abbricht  und  erst  jenseits  des  in  der  hereynischen  Richtung 
gegen  den  Oberharz  vortretenden  Granits  zwischen  der  Ecker  und 
Radau  wieder  fortsetzt  in  jener  1877  von  mir  näher  beschriebenen *  2) 
gegen  den  Unterharz  muldenförmig  aushebenden  und  dabei  theil- 
weise  diesem  Granitantheile  parallel  gerichteten  Erstreckung.  Es 
fällt  dies  bei  Betrachtung  des  Grundplanes  des  Gebirges  doppelt 
auf,  weil  weiter  in  NW.  gegenüber  dieser  Lücke  in  der  Quarzit- 
kette im  SO.,  sich  der  ansehnliche,  gegen  NW.,  bezw.  SW.,  ilber- 

:)  Oberdevon , welches  von  diesem  oder  jenem  als  muthmaasslich  vorhanden 
betrachtet  ist,  wäre  doch  erst  sicher  nachzuweisen,  immerhin  würde  das  Fehlen 
des  Mitteldevons  auch  dann  noch  obige  Darstellung  gerechtfertigt  erscheinen 
lassen. 

2)  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XXIX,  S.  620  ff. 


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K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


schobene  Kalileberg-Rammelsberger  Unterdevonsattel  aufthürmt,  in 
dessen  dem  Hügellande  zugekehrter  breiter  Stirn  der  Nordrand 
des  Gebirges  culminirt. 

Untersucht  man  dann  die  Grenze  des  Brockengranits  gegen 
den  Oberharz,  so  bemerkt  man,  dass  von  SW.  nach  NO.  fort- 
schreitend immer  jüngere  Schichtgruppen  an  dieselbe  herantreten: 
unterhalb  Schlaft  die  Tauner  Grauwacke,  oberhalb  Schlaft  bis  zur 
Steilen  Wand  der  Untere  Wieder  Schiefer,  an  der  Steilen  Wand 
und  den  Lerchenköpfen  der  Bruchbergquarzit,  jenseits  der  Lerchen- 
köpfe Culmschichten.  Dieselbe  Erscheinung  kehrt  auf  der  Nord- 
westseite des  Bruchberges  wieder,  unter  der  Schusterklippe  und 
noch  bis  über  das  Schneedwasser  grenzen  Culmschiefer  und  Culrn- 
kieselschiefer  an  den  Quarzit,  unter  der  Wolfsklippe  bis  zum 
Radauthal  dagegen  Culingrauwacke ; auch  diese  Culmkieselschiefer 
selbst  sind  im  SW.  in  normaler  Ordnung  auf  Culmschiefer  (Aequi- 
valente  der  Posidonienschiefer)  aufgeschoben,  weiter  nordöstlich 
dagegen  auf  Culingrauwacke.  Aehnliche  Ungleichheiten  in  der 
Begrenzung  lassen  sich  auch  an  der  zerrissenen  und  gegen  NW. 
überschobenen  Sattelfalte  des  Osteroder  Grünsteinzugs  und  an  den 
zahlreichen  kleinen  zwischen  ihm  und  dem  Bruchberge  naclige- 
wiesenen  analogen  Auffaltungen  des  Culms  erkennen.  Sie  alle  ge- 
hören  in  die  Kategorie  der  spiess eckigen  Faltenverwerfungen1). 

Da,  wo  die  Faltenverwerfung  im  Liegenden  des  überge- 
schobenen  Formationsglieds  gleichsinnig  nach  einer  Richtung,  wie 


x)  Seit  der  Auffindung  von  Homalonoten  in  dem  Wissenbaclier  (Goslarer) 
Schiefer  auf  der  NW. -Seite  des  Osteröder  Diabaszugs-  (vgl.  A.  Halfar  und 
E.  Beyrich  in  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XXXIII,  S.  502  und  518)  können 
diese  auf  der  Uebersichtskarte  mit  den  über  den  Calceolaschiefern  lagernden  echten 
mitteldevonischen  Goslarer  Schiefern  zusammengefassten  Schichten  nicht  mehr  als 
mitteldevonisch  gelten , sie  treten  vielmehr  in  Beziehung  zu  den  echten  unter- 
devonischen Wissenbacher  Schiefern  am  Rhein  und  zu  den  Zorger  Schiefern  mit 
nautilinen  Goniatiten  am  Herzoglichen  Wege  bei  Hüttenrode  im  Unterharz  (vgl. 
Lossen  in  ds.  Jahrb.  Bd.  I,  S.  44).  Zur  Erkehntniss  des  Diabaszugs  als  eines 
mit  Faltenverwerfung  verbundenen,  nicht  aber  normalen,  einseitig  zusammen- 
geschobenen Sattels  bedurfte  es  gleichwohl  dieses  wichtigen  Fundes  nicht;  das 
einseitig  nordwestliche  Auftreten  der  genannten  Schiefer  und  das  Angrenzen 
sehr  verschiedener  Glieder  der  Culmformation  auf  beiden  Seiten  genügten 
sattsam  dazu. 


Beiträge  zur  Kermtniss  des  Harzes. 


33 


längs  der  nordwestlichen  Brockengranitgrenze  gegen  NO.,  zuuimmt, 
kann  wohl  kein  Zweifel  obwalten,  dass  ein  von  SW.  nach  NO. 
wachsender  Druck  aus  SO.  oder  aber  Zug  immer  jüngere 
Schichten  untergestaut  hat  unter  die  aufwärts  geschobenen  Massen. 
Es  ist  also  a priori,  keineswegs  ausgemacht,  dass  ein  Druck  constant 
im  Sinne  der  niederländischen  Faltung  rechtwinklich  aus  SO. 
gegen  die  gefalteten  Schichten  des  Oberharzes  fortwirkend  gedacht 
werden  dürfe,  wie  das  von  meinem  Freunde  entworfene  Schema 
zu  seiner  Ausstrahlungstheorie  voraussetzt.  Wenden  wir  hier,  wo 
wir  es  mit  dem  Bruch-  und  Ackerberge,  der  einzigen  deutlichen 
Bergkette,  welche  im  Harz  auftritt,  zu  thun  haben,  einmal  die  von 
Herrn  Heim  vertretenen  Anschauungen  an  x),  so  müsste  man  unter 
der  Voraussetzung:  der  Fortdauer  des  Faltungsdruckes  aus  SO.  und 
einer  von  SW.  gegen  NO.  wachsenden  Steigerung  desselben  eine 

O O O O 

gegen  den  Oberharz  gerichtete  Convexität  in  der  Faltenbildung 

O ö O O 

ausgedrückt  finden.  Eine  solche  ist  indessen  nicht  oder  doch  so 
gut  wie  nicht  vorhanden;  wohl  biegen  die  Schichten  in  der  De- 
pression zwischen  Bruchberg  und  Acker  in  Stunde  2 um  und  auf 
der  SO. -Seite  der  Steilen  Wand  ist  eine  ähnliche  Stelle  vorhan- 
den, indessen  gerade  hier  durchsetzen  und  verrücken  die  Acker- 
spalte* 2) und  die  Oderspalte  die  Kette,  die  jenseits  der  letzteren 
rasch  versinkt,  so  dass  den  gewaltigen  Massen  des  Brockens  gegen- 
über nur  mehr  das  im  Verhältniss  zur  Kette  viel  niedrigere  Culm- 
Plateau  längs  der  concaven  Granitgrenze  erscheint. 

Die  Convexität  und  der  Steilabfall  des  Brocken- 
massivs liegen  vielmehr  sehr  deutlich  auf  der  Unter- 
harz-Seite,  das  lehrt  nicht  nur  die  von  der  Erosion  doch  nicht 
ganz  ins  Gegentheil  des  ursprünglichen  Reliefs  verkehrte  Ver- 
theilung  der  Haupterhebungen,  vielmehr  noch  der  Bogen  der 
Granitgrenze  selbst  und  der  sich  ihm  ansclnniegende  Verlauf  der 
nordnordöstlich  bis  Stunde  D/2  umwendenden  und  hier  allerwärts 

»)  a.  a.  0.  Bd.  2,  S.  222  ff. 

2)  Ueber  die  von  E.  Kayser  entdeckte  Ackerspalte,  die,  wie  so  manche 
anderen  schönen  neueren  Beobachtungen  meines  Freundes  nicht  mehr  in  die 
Ueber  sichtskarte  eingetragen  werden  konnte,  vergleiche  dessen  Abhandlung  in 
diesem  Jahrbuche. 


3 


34 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


vom  Granit  Q abfallenden  Schichten  in  der  unmittelbaren  Nach- 
barschaft dieser  Grenze.  Doch  nur  schmal  ist  diese  Anschmie- 
gungszone, bald  folgt  das  vom  Nordostrande  des  hercynischen 
Brockengranitantheils  auslaufende,  der  Oderspalte  nahezu  parallele 
Hasseroder  Quarz-  und  Erzgangspaltensystem,  dessen  gegen  S. 
durch  das  Drengethal  u.  s.  w.  bis  mindestens  zum  Spitzenholze  zu 
verlängerende  Verwerfungslinie  die  Westgrenze  des  stark  gefalteten 
Senkungsgebiets  der  Elbingeroder  Devonmulde  und  des  ganzen 
unter  jenen  hercynischen  Granit  gedrückten  Gebirgstheils  bildet. 
In  diesem  Senkungsgebiete,  namentlich  aber  in  der  von  N.  her 
auf  die  jüngeren  Devonschichten  aufgeschobenen  Randzone  des 
Gebirges  ist  der  Kampf  der  beiden  den  Gebirgsbau  bedingenden 
Faltensysteme  so  augenscheinlich,  dass  das  an  jener  Anschmie- 
gungszone leicht  irregeführte  Urtheil  sich  alsbald  Orient irt  und 
dieselbe  nunmehr  im  Zusammenhänge  mit  den  früheren  Dar- 
legungen (vergl.  S.  25)  als  eine  bis  zur  Zerreissung  gespannte 
Aufbiegungszone  bereits  gefalteter  Schichten  erkennt;  als  Maass- 
stal) für  die  Aufbiegung  möge  die  Mittheilung  dienen,  dass  z.  II. 
die  am  Hahnenklee  bei  St.  Andreasberg  in  1900  Decimalfuss 
Höhe  anstehenden  Kalkhornfelsschichten  auf  dem  Hohnekopfe 
2275  Fuss  hoch  lagern.  Sattelfalten  als  östliche  Vorlagen  vor 
dieser  Aufbiegungszone  erkennt  man  leicht  in  der  Elbingeroder 

O o O 

Mulde,  so  s.  B.  in  den  Kieselschiefer -Massen  des  Schäbenholzes 

u.  s.  w. 

Also  Concavität  des  Brocken -Granitmassivs  gegen  den  Ober- 
harz, Convexität  gegen  den  Unterharz,  Biegung,  Brechung  und 
Unterstauung  der  Bruchbergkette  von  SW.  gegen  NO.  dort.  Auf- 
biegung  der  Schichten  in  gleicher  Richtung  hier,  westlich  jener 
Niederziehung  das  Auftauchen  des  gegen  NO.  immer  straffer  ge- 
spannten  Kahleberg-Rammelsberger  Devonsattels,  östlich  dieser  Auf- 
biegung die  überaus  stark  gefaltete,  tief  eingesenkte  Elbingeroder 
Devonmulde ; das  sind  offenbar  in  Wechselwirkung 
stehende  tektonische  Ve r h ä 1 1 n i s s e ! Sieht  man  unter  diese m 
Gesichtspunkte  die  langgedehnten  Faltenlinien  der  dem  Brocken 


Syenit- Granit  und  Diorit  etc.  mit  eingerechnet. 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


35 


zugekehrten  Oberharzregion  an,  so  erkennt  man  deutlich,  wie  Anzahl 
und  Breite  der  Falten  oder  Faltenverwerf ungen  «re^eu  SW.  hin 
sich  steigert,  wie  die  Falten  dagegen  gegen  den  Concavitäts- 
winkel  der  Granitgrenze  hinzu  immer  schmaler  und  spärlicher 
werden,  gleichsam  wie  Wellen,  die  in  ein  Strudelloch  laufen.  Demi 
jeue  breiten  Heraushebungen  der  mittel-  und  oberdevonischen  Erup- 
tivgesteine des  Schmalen-  und  Breitenbergs  bei  Harzburg,  die  man 
wohl  als  das  Wiederauftauchen  des  Osteroder  Diabaszugs  be- 
zeichnet hat,  sind  mit  nichten  dessen  directe  streichende 
Fortsetzung.  Dieselbe  ist  vielmehr  in  der  ganz  schmalen 
Diabas-  und  Magneteisenerzmasse  des  Spitzenberges  zu  finden, 
welche  neben  der  breiten  Diabasmasse  des  hinteren  Schmalen- 
bergs herstreicht  und  dann  gegen  ONO.  unter  den  Culmschichten 
untertaucht.  Zwischen  ihr  und  den  beiden  in  unregelmässiger  ein- 
seitiger  Aufschiebung  hervorgestossenen  breiten  Massen  *),  die  ich 
als  die  Vorläufer  des  in  der  Verschiebung  seiner  Süd-  und  Nord- 
hälfte ganz  analogen  Bammelsberg-Kahleberger  Sattels  ansehe,  muss 
eine  namhafte  Ruschelkluft  vorhanden  sein,  an  der  die  Oderspalte 
abzusetzen  scheint,  und  die  nach  Westen  z.  Th.  in  den  Gemken- 
thaler  Gangzug  übergehen  mag,  der  nach  ihr  umbiegt,  ähnlich,  wie 
sich  der  Burgstädter  Zug  an  das  rusclielartige  Gangstück  zwischen 
dem  Rosenhöfer  und  dem  Schulthaler  Gangzuge  anschliesst  und 
diese  letzteren  beiden  Gänge  desgleichen. 

Obwohl  keine  Karte  und  kein  Riss  meines  Wissens  diese 
Ruschelkluft  angiebt,  muss  sie  vorhanden  sein,  denn  sie  ist  die 
Grenze  zweier  Gebirgstheile , die  ganz  verschiedene  Bewegungen 
gemacht  haben,  des  einen,  dessen  Sattellinien  gegen  NO.  in  den 


D Erst  die  Gliederung  dieser  Massen  in  Eruptivgesteine  verschiedener  Art 
und  verschiedenen  Alters  lässt  einigermaassen  auch  deren  tektonische  Rolle  er- 
kennen. Dieser  Gliederung  standen  und  stehen  noch  grosse  Schwierigkeiten  ent- 
gegen zufolge  der  ausserordentlich  intensiven  Contactmetamorphosen,  welche  diese 
Eruptivgesteine  erlitten  haben.  Im  Allgemeinen  sind  aber  die  Orthoklas-Gesteine 
die  ältesten,  die  Granat-reichen  Diabas- Gesteine  die  mittleren  Alters  ( Blatterstein- 
Aecpuivalente)  und  die  häufig  variolitähnlich  ausgebildeten  körnigen  Diabas-Gesteine 
die  jüngsten.  Letztere  setzen  ausser  der  in  der  Ueber sichtskarte  bereits  ange- 
gebenen Partie  am  Schmalenberge  auch  die  nordnordwestliche  Hälfte  des  Breiten- 
bergs zusammen,  so  dass  die  einseitige  Heraushebung  der  Massen  sehr  deutlich  ist. 

3* 


30 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


einspringenden  Winkel  der  Granitgrenze  hinein  einsenken,  und 
des  anderen,  dessen  Sattellinien  sich  in  der  gleichen  Richtung  heraus- 
heben. Solche  Ruschein  oder  spiesseckige  Falten  Verwerfungen, 
längs  derer  also  seitlich  gleitende  neben  den  in  der  Fallrichtung 
gehenden  Bewegungen  stattgehabt  haben,  die  zum  Verquetschen 
ganzer  Schichtengruppen  führen  können,  sind  für  den  Zusammen- 
hang zwischen  Falte  und  Spalte  sehr  bedeutsam.  Sie  sind  offen- 
bar älter,  als  die  echten  Spalten,  welche  an  ihnen  absetzen  oder  in 
weniger  spiesseckiger  Richtung  von  ihnen  ablaufen.  Die  Oder- 
spalte und  die  Oberharzer  Gänge  sind  also  etwas  jüngeren  Alters 
als  dieselben. 

Auch  die  Granitgrenze  gegen  den  Oberharz  stellt,  wie  wir 

O o O J 

oben  gesehen,  auf  lange  Erstreckung  eine  solche  spiesseckige  Linie 
dar,  längs  welcher  zwei  Gebirgsstücke  ganz  verschiedene  auf-  und 
niedergehende  Bewegungen  vollzogen  haben.  Wie  aber  ist  das  oben 
geschilderte  Verhalten  des  Granits  zu  erklären?  Wie  kommt  es, 
dass  die  Bruchbergkette  von  SO.  her  gegen  den  Oberharz  ge- 
schoben ist,  längs  der  in  der  Fortsetzung  der  Kette  folgenden  Granit- 
grenze aber  die  Wirkungen  eines  Zugs  gegen  den  Unterharz 
hin  sich  bemerklich  machen?  Ich  kann  darauf  nur  erwidern, 
dass  ich  den  für  den  Harz  durchweg  erkannten  Umschlag  der 
ursprünglich  niederländischen  Faltungsrichtung  in  die  jüngere  her- 
cynische  als  zureichenden  Grund  ansehe.  Vergegenwärtigen  wir 
uns  den  Effect  eines  solchen  Wechsels  aus  der  Vorstellung  des 
Vorgangs  selbst.  Es  sollen  aus  SO.  einseitig  zusammengeschobene 
Falten  in  solche  umgestellt  werden,  die  aus  SW.  her  einseitig 
zusammengeschoben  sind,  es  sollen  also  die  Streichlinien  der  Falten 
um  einen  rechten  Winkel  etwa  gedreht  werden;  nun  streichen 
aber  die  älteren  niederländischen  Falten  nicht  nur  aus  SW.  gegen 
NO. , sondern  sie  stehen  zugleich  so  zu  sagen  auf  einer  schiefen 
gegen  NW.  einsinkenden  Treppe  und  haben  überdies  eine  Fall- 
richtung der  Sattellinie,  die  wir  nach  dem  breiten  Faltenwürfe 
zwischen  Osterode  und  Lauterberg  für  die  zerrissene  Sattelfalte 
der  Tanner  Grauwacke  von  Andreasberg,  wie  für  die  Faltenver- 
werfung der  Bruchbergkette  nur  als  gegen  NO.  gerichtet  ansetzen 
können;  ebenso  stehen  die  hercynischen  Falten  auf  einer  NO.-wärts 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


37 


niederfülirenden  Treppe  und  auch  sie  haben  eine  Senkung  der 
Sattellinie,  die  deutlich  gegen  NW.  neigt.  Daraus  erhellt  doch 
soviel,  dass  Drehungsbewegungen  oder,  wo  sie  gehemmt  sind, 
D rehungsspannung  und  zwar  nicht  nur  im  horizontalen, 
sondern  auch  im  vertikalen  Sinne,  also  Spiraldrehungen1) 
stattfinden  müssen.  Auch  das  lässt  sich  sagen,  dass  diese  spi- 
ralen Verbiegungen  rechts  gewunden  sein  müssen, 
denn  da  im  NW.  sich  der  Treppenfuss  des  vorhandenen  nieder- 
ländischen Faltenbaues  mit  dem  Tiefpunkte  der  Sattellinie  des 
angestrebten  hercynischen  begegnet,  so  findet  dort  unter  Zug- 
wirkung von  O.  her  eine  abwärtsgehende  Bewegung  jüngerer 
Schichten  statt,  und  da  im  SO.  der  Treppenkopf  des  ersteren  mit 
dem  Höhenpunkt  der  Sattellinie  des  letzteren  zusammentrifft,  nach 
dieser  Richtung'  unter  Faltenwerfen  ein  Aufsteigen  relativ  älterer 
Schichten.  In  SW. , wo  der  Höhenpunkt  der  Sattellinie  der 
niederländischen  Falten  liegt  und  der  Treppenkopf  der  hercynischen 
entstehen  soll,  wird  naturgemäss  am  meisten  Ruhe  sein  und  nur 
der  Beginn  der  steigenden  Bewegung  sich  zeigen,  die  andererseits 
schliesslich  gegen  NO.  mehr  und  mehr  in  eine  absteigende  über- 
geht, weil  hier  der  Tiefpunkt  der  Sattellinie  des  älteren  Falten- 
systems und  das  Absteigen  der  Treppe  des  in  Bildung  begriffenen 
Zusammentreffen. 

Das  Endresultat  wird  nun  sein,  dass  die  von  Haus  aus  ein- 
seitig, also  mit  steilerem  NW.  - Flügel  gebaute  und  in  der  Sattel- 
linie gegen  NO.  geneigte  Falte  sich  gegen  O.  immer  convexer 
krümmt  und  aufstaut,  während  gegenüber  auf  der  Westseite  jener 
einspringende  Winkel  sich  mehr  und  mehr  ausbildet,  wo  starker 
Zug  die  südwestnordöstlich  streichenden  Falten -Wellen  so  zu 
sagen  ins  Strudelloch  reisst.  Die  Sattellinie  aber  wird,  je  tiefer 
sie  liegt,  umsomehr  gegen  NW.  umgestaut  und  niedergezogen, 

B Schon  1872  habe  ich  die  im  Fallen  und  im  Streichen  hin-  und  her-,  auf- 
und  niedergebogenen  »Korkzieherfalten«  der  Tanner  Grauwacke  in  der  Umgebung 
des  Rammbergs  hervorgehoben  (vergl.  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XXIV, 
S.  177)  und  schon  1867  der  »durch  die  Verdrückung  der  Schichten  zwischen 
Brocken  und  Rammberg  in  Folge  der  Gegenwirkung  der  beiden  Eruptivmassen 
entstandenen  Z-  Knicke«  Erwähnung  gethan  (vergl.  dieselbe  Zeitschr.  Bd.  XX, 
S.  223  — 224.  Danach  E.  Suess,  d.  Entstehung  d.  Alpen,  S.  76). 


38 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


wobei  die  Falte  nothwendigerweise  im  oberen  Querschnitt  durch 
die  Erdkruste  der  hercynischen  Druckrichtung  entgegen  nach  SW. 
übergebosren  und  aufgeschoben  wird.  Sie  wird  also  in  den  ein- 
springenden  Winkel  hineingedrückt,  so  dass  da,  wo  zu  Beginn 
des  Umstauungsprocesses  starker  Zug  aus  OSO.  und  O.  herrschte, 
nunmehr  starker  Druck  aus  O.  und  ONO.  wirkt.  Am  entgegenge- 
setzten südwestlichen  Ende  des  Sattels  macht  sich  das  Bestreben  eines 
Ausweichens  der  hier  herrschenden  Specialfalten  gegen  W.  geltend. 

Das  ist  der  Vorgang  der  Deformirung  solcher  niederländisch 
streichenden  Sättel  des  Harzes  im  Sinne  des  jüngeren  hercynischen 
Faltensystems,  das  ist  zugleich  der  Schlüssel  für  das  Verhalten  des 
Brockengranits  zu  den  ihn  umgebenden  Schichten. 

Diese  Auffassung,  zu  der  ich  bei  aufmerksamer  Betrachtung 
der  geognosti sehen  Uebersichtskarte  gelangt  bin,  führt  zu  der 
Erkenntniss  von  dem  windschiefen  Baue  des  ganzen  Gebirges, 
welcher  sich  auch  in  der  Richtung,  in  welcher  der  Diluvial-Lehm 
von  aussen  in  den  Harz  eindringt,  und,  wie  der  Vergleich  der 
Höhenschichtenkarte  lehrt,  auch  im  Gebirgsrelief  und  in  dem  Thal- 
verlaufe deutlich  ausgedrückt  findet. 

Die  Harzer  Gangspalten  und  auch  die  allermeisten 
Ruschein  oder  spiesseckigen  Faltenverwerfungen  er- 
kennt man  nunmehr  deutlich  als  Torsionsspalten.  Ihre  Streich-, 
F all-  und  V erwerfungsrichtung  ist  leicht  verständlich  im  Sinne  des 
Ausgleiches  der  bei  der  Schichtenverbiegung  entste- 
henden Spannungen.  Die  Ruschein  wurden  oben  im  Allge- 
meinen als  die  älteren  Störungen  bezeichnet,  denn  die  in  der 
Streich-  und  Fallebene  gleitenden  Bewegungen,  welchen  sie  ihre 
Entstehung  verdanken,  schaffen  ja  erst  die  Hauptspannung;  eine 
absolute  Giltigkeit  ist  diesem  höheren  Alter  aber  nicht  beizumessen. 
Die  Oderspalte  verläuft  in  der  Sehne  der  Verbiegungsbögen  oder 
wie  wir  jetzt  richtiger  sagen  in  der  Axrichtung  der  Spiral- 
drehung,  sie  scheint  von  keiner  anderen  Spalte  gekreuzt;  ihre, 
wie  der  Ackerspalte  und  der  Andreasberger  Ruschein  Entstehung 
hängt  deutlich  zusammen  mit  dem  convexen  Vorstauen  der  Granit- 
massen gegen  den  Unterharz,  mit  dem  Auf  biegen  der  Schichten 
daselbst  und  mit  dem  Biegen,  Brechen  und  Unterdrücken  der 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


39 


Bruchbergkette  auf  der  Concavseite.  Deutlich  kann  man  meines 
Erachtens  z.  B.  in  den  von  Kayser  so  trefflich  dararestellten 

O 

Verbiegungen  der  Sättel  und  Mulden  in  der  Region  zwischen 
Lauterberg  und  dem  Westende  der  Andreasberger  Ruschein  jenes 
Hinstreben  der  Massen  nach  der  Unterdrückungsstelle  auf  der 
Westseite  des  Granitmassivs  erkennen. 

Andere  Spalten,  diejenigen  der  altbekannten  Oberharzer  Gänge, 
hängen  ebenso  deutlich  mit  dem  Andrängen  des  Granits  gegen  den 
Rammelsberg-Kahleberger  Sattel  zusammen.  Nach  dem  Unterbiegen 
der  Bruchbergkette  muss  das  Eruptivmagma  in  breiter  Masse  nord- 
westwärts  gedrungen  sein,  so  dass  dadurch  die  scheinbar  so  unge- 
störten, aber  in  grosser  Ausdehnung  bis  westwärts  der  Oderspalte 
metamorphosirten  Culmschicliten  etc.  unten  abgehoben  sind.  Der 
uns  in  seinen  Verzerrungsverhältnissen  jetzt  besser  verständliche 
Devonsattel,  dessen  nordwestwärts  gekehrte  Sattelspitze  unter  dem 
Flötzgebirge  ruht,  zeigt  den  charakteristischen  einspringenden  Winkel 
auf  der  Westseite.  Dorthin  strebt  sichtlich  die  bis  zum  Hessenkopfe 
vorgeschobene,  schwerlich  ungestörte,  Muldung  des  Oberdevons, 
der  andererseits  von  dorther  die  Ruscheizone  (sogenannte  Leit- 
schicht) des  Rammeisbergs  entgegen  läuft.  Flach  wellig  liegen 
die  transversal  gepressten  Schichten  auf  der  Nordseite  dieser 
Störungszone,  auch  sind  hier,  wie  so  oft  im  Harz,  die  Diabaslager 
einseitig  allein  vorhanden ; auf  der  Südseite  dagegen  finden  wir 
wieder  langgezogene,  über  den  Glockenberg  und  Thomasmartins- 
berg u.  s.  w.  hinziehende  Falten  und  Faltenverwerfungen,  die  gegen 
den  einspringenden  Winkel  hinzu  sich  verlieren,  während  jenseits  im 
Ockerthale  an  der  convexen  Ostseite  des  Hauptsattels  sich  die  steil 
aufgerichteten  Falten  gegen  NO.  drängen.  An  Stelle  einer  scharf 
ausgeprägten  Convexität  tritt  hier  ein  die  Bogenspannung  durch- 
reissender  Quersprung1),  der  Birkenthal  er  Gang,  drüben  auf  der 
Concavseite  ist  mehr  Biegung  vorhanden,  doch  setzt  auch  hier  ein 
reciproker  Sprung  durch  den  südlichen  Schenkel  des  einspringen- 

J)  Dass  auch  Zerspaltung  im  Sinne  der  Oderspalte  nicht  ganz  fehlt,  scheinen 
mir  die  zahlreichen  kleinen  Erzgänge  im  Steinbruche  über  dem  Bremsberge  am 
Rammeisberg  und  die  gleichsinnigen  in  dem  weiter  nordöstlich  gelegenen  Noth- 
durft1  sehen  Bruche  zu  beAveisen. 


40 


K.  A.  Lossen,  geologische  und.  petrographische 


den  Winkels.  Diese  beiden  Sprünge,  welche  die  Nord-  und 
die  Südhälfte  des  Sattels  in  der  Torsionsrichtung  gegen 
einander  verschieben,  lehren,  dass  hier  die  Schichten  schon 
recht  steif  waren,  so  dass  sie  der  Verbiegung  nur  schwierig 
folgten.  Um  so  grossartiger  ist  das  Oberharzer  Gangspaltennetz 
südlich  des  Sattels,  vor  allem  der  vereinigte  Lautenthal -Hahnen- 
kleeer  und  Bockswiese-Festenburg-Schulenberger  Zug,  neben  der 
Bruchberg-Ueberschiebung  und  der  Oderspalte  die  wichtigste  tekto- 
nische Linie  des  Oberharzes  und  gleich  diesen  beiden  noch  deut- 
lich im  Relief  des  Gebirges  kenntlich.  Auch  hier  und  in  den 
weiter  südlich  folgenden  gleichsinnigen  Sprüngen  hat  die  Ver- 
werfung im  Sinne  der  Drehung  stattgefunden.  Es  steht  aber  die 
Grossartigkeit  dieses  Gangspalten  Systems  im  umge- 
kehrten Verhältnisse  zu  der  relativ  geringen,  wenn  auch 
immerhin  sehr  kenntlichen,  Deform irung  des  Devonsattels: 
begreiflicherweise,  denn  je  weniger  der  hercynische  Faltungsdruck 
zur  Umgestaltung  der  älteren  niederländischen,  schon  zu  sehr  ver- 
steiften Falten  fähig  war,  um  so  mehr  musste  er  sie  brechen. 

Leicht  auch  versteht  man,  dass  jene  grossen  Verwerfungs- 
linien nicht  auf  der  Nordwest-,  Nord-  oder  Ostumgrenzung  des 
Sattels  gegenüber  oder  in  der  Nähe  des  Ockergranits  aufsetzen; 
hier  sind  die  Massen  zu  sehr  ineinandergezwängt , Verwerfungen 
aber  bedingen,  wie  H.  v.  Dechen  (Ueber  grosse  Dislocationen 
S.  10)  treffend  ausführt,  ein  Auseinanderziehen  der  Schichten,  im 
Gegensatz  zur  Faltung  und  Pressung;  dazu  gehört  aber  die  Mög- 
lichkeit des  Auseinanderweichens  und  diese  kann  bei  derart  recht- 
sinnig  verdrehten  SW.  — NO. -Sätteln  vorzüglich  gegen  SW.,  wo 
während  des  ganzen  Faltenumstauungsprocesses  in  den  hangenden 
Schichten  nothwendig  am  wenigsten  Störung  eintrat,  gesucht  werden. 
Ein  Blick  auf  den  Rammberg,  die  deformirte  Selkemidde  mit  dem 
gegen  SO.  vorliegenden  diabasreichen  Sattel  der  Unteren  Wieder 
Schiefer  und  das  dem  grösseren  Viaass  der  Faltung  dort  ent- 
sprechend schwächer  ausgebildete  Unterharzer  Gangspaltensystem 
zeigt  ein  ganz  analoges  Verhältniss. 

Was  nun  das  Divergiren  der  Spalten  nach  W.  hin  anlangt, 
welches  in  der  Strahlungstheorie  v.  Groddeck's  eine  gewisse  Rolle 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


41 


spielt,  so  erklärt  sich  die  Gesammtheit  des  Spaltenverlaufs  wohl 
am  einfachsten  aus  dem  Gesammtverlaufe  der  Falten  und  Falten- 
verwerfungen. Hier  hat  ja  mein  sehr  verehrter  Freund1)  schon  in 
sehr  ansprechender  Weise  die  Wechselwirkung  der  Masse  des 
Ibergs  und  des  Bruchbergs  hervorgehoben 2).  Die  zahlreichen 
neuen  Spalten,  welche  E.  Kayser3)  in  der  Umgebung  von  Andreas- 
berg kennen  gelehrt  hat,  werden  nebst  den  von  A.  Halfar  und 
vor  Allem  den  in  Klausthal  selbst  gesammelten  Erfahrungen,  wenn 
man  Gänge  und  Ruschein  auseinander  hält,  sicherlich  gestatten, 
dereinst  ein  auch  in  den  Detailzügen  klares  Bild  des  Ganzen  zu 
geben. 

Da  die  Oder-  und  Ackerspalte,  wie  auch  die  Andreasberger 
Ruschein  in  Anbetracht  des  südlich  von  einer  Ueberschiebung  be- 
grenzten tiefliegenden  keilförmigen  Stückes,  welches  sie  ein- 
schliessen,  gegen  O.,  NO.  und  NON.,  also  im  Sinne  der  Nieder- 
drückung  der  Bruchbergkette  die  Schichten  gesenkt  haben  und  da 
wir  uns  dieses  Unterdrücken  in  Beziehung  gedacht  haben  mit  dem 
Herausheben  des  Rannnelsberg -Ivahleberger  Unterdevonsattels,  so 
wird  man  sich  auch  n o th  w e 1 1 d Ger w eise  die  von  St.  Andreasberg  aus- 

O o 

strahlenden  Spalten  in  gleicher  Wechselbeziehung  zu  den  Oberharzer 


x)  a.  a.  0.  S.  446. 

2)  v.  Groddeck  hält  das  NW. — SO.  erstreckte  Massiv  des  Ibergs  und  Winter- 
bergs für  einen  ungeschichteten  Kalkstock  (Korallenstock),  der  »bei  der  Faltung 
des  Gebirges  seine  Lage  nicht  wesentlich  geändert  hat«,  er  schliesst  dies  aus 
dem  Verhalten  der  meist,  aber  doch,  wie  die  nach  den  Aufnahmen  meines 
Freundes  eingetragenen  Fallen  und  Streichen  lehren,  nicht  durchaus  SW.  — NO. 
streichenden  Falten  der  Culmgrauwacken , welche  ȟber  und  an  den  Kalk  ge- 
lagert« sind  (a.  a.  0.  und  daselbst  Bd.  XXX,  S.  540).  Ich  gestehe  offen,  dass 
ich  nach  meinen  Erfahrungen  aus  der  Gegend  von  Elbingerode  und  Rübeland 
hier  meinem  Freunde  nicht  ganz  zu  folgen  vermag  und  dass  ich,  gestützt  auf 
die  einseitige  Verbreitung  von  unteren  Culmschichten , welche  er  selbst  auf  der 
Nord-  und  Nordostseite  des  Kalkstocks  nachgewiesen  hat,  in  demselben  eher  eine 
einseitig  im  Sinne  des  hercynischen  Systems  aufwärts  gestossene  ältere  Masse 
erblicken  möchte.  Immer  aber  salvo  judicio  meliore , gern  lasse  ich  mich  durch 
die  in  Aussicht  gestellte  Detailbeschreibung  eines  Besseren  belehren.  Ohnedies 
wird  durch  diese  meine  abweichende  Auffassung  an  der  Rolle  der  Kalkmasse  als 
Hemmniss  für  das  Spaltenwerfen  und  somit  Ursache  für  die  Zersplitterung  des 
Spaltennetzes  mit  Annäherung  an  dieses  Hemmniss  nichts  geändert. 

3)  Siehe  dessen  Abhandlung  in  diesem  Jahrgange  des  Jahrbuchs. 


42 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


Gängen  denken  müssen;  wenn  wir  also  oben  die  Entstehung  der 
einen  Spaltengänge  mit  dem  ersteren,  die  der  zweiten  mit  dem 
letzteren  Faltungsvorgange  in  engere  Beziehung  gebracht  haben, 
so  darf  doch  nicht  vergessen  werden,  dass  ein  und  dieselbe 
Ursache,  der  Wechsel  in  der  Faltungsrichtung  und 
demzufolge  die  Spiraldrehung  der  Schichten,  alle  diese 
Erschein un ge n b e h e r r s c h t. 

Denkt  man  an  eine  Altersfolge  der  Spalten,  so  wird  nach 
dem  Vorstehenden  naturgemäss  die  Andreasberger  Gruppe  für 
etwas  älter  gelten  müssen  als  die  Oberharzer;  innerhalb  der  beiden 
Gruppen  aber  wird  man  dem  Effecte  der  treppenförmigen  Ab- 
stufung der  Sprünge  folgend  das  Alter  in  der  ersteren  für  die 
Ruschein  als  das  älteste  und  für  die  Oderspalte  als  das  jüngste 
anzusetzen,  in  der  Oberharzer  Gruppe  dagegen  umgekehrt  von 
NO.  gegen  SW.  vorschreitend  immer  jüngere  Sprünge  anzunehmen 
haben,  soweit  es  sich  um  echte  Gänge  und  nicht  um  spiesseckige 
F altenverwerfungen  handelt. 

Wir  haben  oben  von  absteigenden  Treppen  gesprochen,  auf 
welchen  die  Falten  des  Harzer  Schichten  Systems  stehen. 
Was  sind  diese  Treppen?  Ich  antworte  im  Sinne  meiner  Theorie 
vom  Baue  des  Harzes:  der  staffelförmig  abgestufte  Granit.  Längst 
kannten  wir  aus  Friedrich  TIoffmann’s  Mittheilungen  der  v.  Velt- 
HElM’schen  und  der  eigenen  Beobachtungen das  steile  staffel- 
förmige  Aufsteigen  des  die  Schichten  über  sich  »abhebenden«  Ross- 
trappe-Granits  auf  der  dem  Aussenrande  des  Harzes  zugekehrten 
Seite,  als  ich  zeigte,  dies  sei  die  liegende  Seite* 2)  des  Stockes  und 
je  tiefer  die  Stufe,  um  so  jünger  die  darauf  stehende  Schicht.  Ich 
werde  daher  nicht  unverständlich  sein,  wenn  ich  meine  Theorie 
bildlich  dahin  erläutere,  dass  ich  sage,  es  steigen  im  Hangenden  über 
dem  Granit  die  älteren  Schichtensysteme  auf  der  flacheren  Granit- 
treppe aufwärts,  im  Liegenden  so  zu  sagen  unter  dem  Granit  die 


L Uebersickt  d.  orograph.  u.  geognost.  Verhältn.  d.  nordwestl.  Deutschlands, 
S.  387  ff. 

2)  Ueber  das  Verhalten  des  Granits  auf  der  entgegengesetzten,  hangenden 
Seite  vergl.  Zincken’s  Aufsätze  in  Karsten  und  v.  Dechen’ s Arch,  und  Brandes 
in  Zeitschr,  f.  d.  Gesammt-Naturw.  1869,  S.  7, 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


43 


jüngeren  Schichten  die  steilere  Treppe  abwärts.  Die  Treppen  sind 
die  Wellenberge  des  Granit ischeu  Magmas,  welche  die  Bewegungen 
des  Faltungsprocesses  der  festen  Kinde  mitmachen.  Wie  auch  immer 
das  Verhältnis  des  in  der  Kruste  eingeschlossenen  Magmas  zu  den 
Schrumpfungsbewegungen  gedacht  werden  mag,  aus  den  räum- 
lichen Beziehungen  von  Granit  und  Schichtgebirge  im  Harze  folgt 
deutlich,  dass  die  Bewegungen  des  Granits  und  der  Schichten  im 
Grossen  und  Ganzen  gleichsinnige  gewesen  sein  müssen.  Den- 
noch wird  man  nie  den  Unterschied  ausser  Acht  lassen  dürfen,  der 
darin  liegt,  dass  flüssige  Massen  den  Druck  anders  fortpflanzen  als 
feste J),  wenn  auch  noch  so  sehr  biegsam  gedachte,  und  dass  sie  für 
Ebl  )e  - und  Fluthwirkungen  empfänglicher  sind.  Wir  kennen  zur 
Stunde  die  Ursache  nicht,  welche  die  Richtung  des  Faltungsdrucks 
bestimmt,  oder  den  Umschlag  einer  solchen  Richtung  in  eine  andere 
bewirkt,  wir  wissen  daher  auch  nicht,  welche  Rolle  bei  einem  solchen 
Richtungswechsel  etwa  diese  Differenzen  spielen  können.  Das  aber 
dürfen  wir  wohl  voraussetzen,  dass  sich  ein  solcher  Richtungs- 
wechsel im  Magma  leichter  und  rascher  vollzieht,  als  in  der  darauf 
ruhenden  Kruste,  sowie  dass  das  Magma  an  allen  jenen  Eigen- 
schaften Tlieil  hat,  welche  wir  an  den  unter  hohem  Druck  ein- 


U Da  ich  in  allen  meinen  Arbeiten  über  clen  Harz  der  Diagenesis  Guembel's 
gegenüber  stets  consequent  den  Dislocationsmetamorphismus  vertreten 
und  bereits  1867  in  meiner  Arbeit  über  die  linksrheinische  Fortsetzung  des 
Taunus  (vergl.  E.  Sukss,  die  Entstehung  d.  Alpen,  S.  13)  die  Beziehungen  des 
Metamorphismus  zum  gebirgsbilclenden  Processe  erörtert  habe , da  ich  ferner  ge- 
zeigt habe,  wie  sich  Contact-  und  Regionalmetamorphismus  dynamisch  gestörter 
Gebiete  auch  auf  die  passiv  dem  Gebirgsbaue  eingeschalteten  alten  Eruptivge- 
steine erstreckt,  da  ich  überdies  zahlreiche  Beispiele  windschief  gedrehter  und  ver- 
worfener Plagioklaslamellen  und  dergl.  unter  dem  Mikroskope  im  polarisirten  Lichte 
beobachtet  habe,  so  ist  die  physikalische  und  chemische  Umformung  fester 
Massen  für  mich  kein  fremder  Gedanke,  dennoch  liebe  ich  es  nicht,  einseitig 
die  Festigkeit  der  Gesteine  bei  der  Gebirgsbildung  zu  betonen;  das  Gestein,  wie 
es  jetzt  fertig  vor  uns  liegt,  ist  mir  vielmehr  der  Ausdruck  für  die  seit  seiner 
ersten  Sedimentirung  oder  Erstarrung  durchgemachte  geologische  Geschichte,  gleich- 
viel, ob  lose  oder  mehr  oder  weniger  fest;  es  ist  aber  vielleicht  verzeihlich,  wenn 
wir  nach  dem  Sprachgebrauchs  des  gewöhnlichen  Lebens  das  Wort  fest  statt  fertig 
unwillkürlich  gebrauchen  und  dieser  Ungenauigkeit  des  Ausdrucks  habe  auch  ich 
mich  schon  schuldig  gemacht  (vergl.  jedoch  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  1872, 
Bd.  XXI Y,  S.  741). 


44 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


geschlossenen  Laven  voraussetzen  dürfen  und  die  sich  aus  den  zahl- 
reichen Flüssigkeits-Einschlüssen  und  den  Einschlüssen  von  liquider 
Kohlensäure  im  Granit,  sowie  aus  seinen  Contactwirkungen  einiger- 
maassen  herauslesen  lassen.  Man  darf  sich  also  die  in  gewissem  Sinne 
unter  dem  Bilde  einer  hydraulischen  Presse  verständliche  Druck- 
wirkung des  Granitmagmas  gegen  die  Schichten  nicht  allzu  sche- 
matisch nach  der  Schablone  des  Faltenbildungsgesetzes  vorstellen. 

Dessen  muss  man  sich  erinnern,  wenn  man  daran  geht  die 
bisher  nicht  in  Betracht  gezogenen  Beziehungen  der  Harzburger 
Gabbrostöcke  zum  Brockengranit  zu  erörtern.  Dieselben 
liegen  im  einspringenden  Winkel  auf  der  Concavseite 
der  Granit masse,  also  da,  wo  die  Quarzitkette  des  Bruchbergs 
mit  dem  Richtungswechsel  des  Faltendrucks  untergedrückt  wurde, 
wo  Zug  nach  dem  Unterharze  hin  und  demzufolge  Spannung  sich 
einstellte.  Ich  glaube  nicht  fehlzugehen,  wenn  ich  mir  die  Gabbro- 
stöcke in  Berstungsrissen  in  diesem  gespannten  Rindentheile  auf- 
gepresst vorstelle,  die  sich  zufolge  des  Unterdrückens  der  gewal- 
tigen Quarzitkette  bildeten,  wie  ja  auch  nach  Seckendorff’s  und 
Hausmann  s Mittheilungen  Quarzitstücke  mit  Unterdevonversteine- 
rungen, denen  des  Kahlebergs  analog,  im  Gabbro  gefunden  sind. 
Der  nach  E.  Iva  yser's  Darstellung  in  die  Karte  eingetragene  Yer- 
lauf  der  durch  Anorthit,  Bronzit  (Bastit)  und  Serpentin  (Olivin) 
ausgezeichneten  Zonen  im  Gabbro  streicht  Stunde  2 oder  — im 
obersten  fiscalischen  Steinbruche  bei  dem  Radau -Wasserfalle  — 
Stunde  1 1 ; zwischen  beiden  Stunden  schwanken  auch  die  meiner- 
seits gemessenen  Streichrichtungen  zahlreicher  feinkörniger,  durch 
Wechsel  feldspathreicher  und  feldspatharmer  Zonen  gebänderter 
Schlierenstreifen,  welche  ich  in  den  weiter  thalabwärts  gelegenen 
Brüchen  prächtig  aufgeschlossen  fand.  Dabei  ist  das  Einfallen  stets 
sehr  steil  gegen  W.  gerichtet.  Das  sind  also  die  Streichstunden 
der  Eruptivspalten  des  Mittelharzes,  die  wir  oben  bereits  als  Berst- 
risse bezeichnet  haben.  Dass  aber  Gabbro  und  nicht  Granit  darin 
aufgestiegen  ist,  lässt  sich  unter  der  Annahme  verstehen,  dass  die 
zu  oberst  unter  der  festen  Kruste  lagernde  sauere  Magmenzone  zu 
der  Zeit,  da  der  Richtungswechsel  des  Faltendruckes  die  Granit- 
massen gegen  den  Unterharz  hin  am  höchsten  aufgepresst  hatte, 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


45 


unter  dieser  Region  des  Harzes  vorübergehend  durch  die  Aufpres- 
sung erschöpft  war,  so  dass  die  tiefer  lagernde  basische  in  der 
Aufpressung  nachrückte.  Dass  aber  eine  solche  Erschöpfung  that- 
sächlich  sich  einstellte,  dafür  darf  auch  das  Vorhandensein  eines 
schmalen  Saumes  basischerer  körniger  Eruptivgesteine,  Quarz- 
diorite,  Augitquarzdiorite  u.  s.  w.,  am  Ostrande  des  Massivs, 
also  da,  wo  die  tiefgelegensten  Massen  durch  den  Faltendruck  auf- 
wärts geschoben  wurden,  angeführt  werden.  Als  dann  das  Cfranit- 
magma  allmälig  wieder  aus  den  nachbarlichen  Regionen  sich  ergänzt 
hatte,  fand  bei  seinem  Nachschub  die  eigenthümliche  Verquickung 
beider  Magmen,  welche  sich  auf  beiden  Seiten  und  local  in  der 
Mitte  des  Massivs  (Meinekenberg,  Grube)  nach  weisen  lässt,  und 
das  gangförmige  Eindringen  des  hercynischen  Granits  in  die  bereits 
mehr  oder  weniger  festen  Gabbromassen  statt. 

Im  ein  springenden  Winkel  des  durch  die  hercy- 
nische  Faltungsrichtung  deformirten  Rammelsbero-- 
Kahleberger  Sattels  liegt  die  Erzlagerstätte  des  Ram- 
me lsb  er  ge  s.  Diese  ihre  geologische  Stellung  im  Ge- 

sammtbaue  des  Harzes  ist  die  Grundlage  meiner  übrigens  auf 
die  W immer1  sehe  Auffassung  des  hangenden  Trums  als  einer  Falte 
und  überdies  auf  achttägige  eigene  Beobachtungen  unter  und  über 
Tag  zwischen  der  Hohekehl  und  der  Bleiche  basirten  Anschauung 
über  ihre  Entstehung,  wie  ich  dieselbe  in  einem  bislang  ungedruckt 
gebliebenen  Berichte  an  die  Vorgesetzte  Behörde  aus  dem  Früh- 
jahre 1877  darzulegen  versucht  habe.  Heute  würde  ich  mich  selbst- 
verständlich im  Einzelnen  bestimmter  und  mich  selbst  berichtigend 
aussprechen,  bestimmter  auch  als  in  den  1880  Freund  Stelzner 
mündlich  gemachten  Mittheilungen.  Nur  ein  Punkt  sei  hier  hervor- 
gehoben: Wenn  im  einspringenden  Winkel  auf  der  Nordwestseite 
des  Brockenmassivs  Berstrisse  Gabbro  ausquellen  Hessen,  so  ist 
meiner  Ansicht  nach  in  jenem  einspringenden  Winkel  bei  Goslar 
eine  Gabbro  - Therme  zur  Zeit,  als  dort  Zug  vorherrschte,  in  die 
zufolge  der  Zugwirkung  entstandenen  Erzräume  aufgestiegen;  dass 
die  Absätze  dieser  Therme  dann  später,  als  bei  fortgesetzter  Ver- 
biegung des  Sattels  dessen  Nordende  über  die  Massen  im  einsprin- 
genden Winkel  aufgeschoben  wurde,  durch  den  Druck  im  Detail 


46 


K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


gefaltet  und  schliesslich,  worauf  Stelzner  Werth  legt,  noch  etwas 
transversal  gepresst  und  zerklüftet  worden  sind,  scheint  mir  ganz  ein- 
leuchtend. Auch  hier  gilt  es  also  die  be iden  Faltungsrichtungen 
des  Harzes,  Druck  und  Zug,  Biegungen  und  Quetschungen  in 
der  Fall-  und  in  der  Streichrichtung,  Faltung,  Drehung, 
Spannung,  Zerreissung,  Pressung  in  richtiger  Aufeinander- 
folge in  Betracht  zu  ziehen.  Wenn  ich  erwäge,  ein  wie  so 
rascher  Umschwung  in  der  Auffassung  der  noch  vor  wenigen 
Jahren  nach  Art  der  Nierenkalkstructur  beurtheilten  Lagerstätten- 
form  sich  vollzogen  hat,  seit  Wimmer  s Darlegung  des  hangenden 
Trums  als  einer  Falte  und  meiner  Darlegung  der  »Leitschicht« 
als  einer  Büschel  zwischen  dem  flach  wellig  gelagerten  gepressten 
Dachschiefergebiete  und  der  steilstehenden,  überschobenen,  in  ge- 
neigte und  streichende  Stauungsfalten  gezwängten  Lagerstätten- 
region, so  giebt  mir  das  einige  Zuversicht  auch  auf  einen  weiteren 
Umschwung  der  Auffassung.  Einstweilen  befriedigt  es  mich  nicht 
wenig,  in  dem  gründlichen  Kenner  des  dem  Harze  so  verwandten 
norwegischen  Gebiets,  in  Altmeister  Kjerulf,  dem  Vertreter  »der 
Erzlineale«  1),  einen  erprobten  Kampfgenossen  zu  besitzen.  Die 
ausgezeichneten  Beobachtungen  Köhler  s,  welche  bereits  anfangen 
neben  den  Faltungen  in  der  Fallebene,  auch  den  Falten  im  Streichen 
am  Kammeisberge  gerecht  zu  werden,  geben  mir  Hoffnung,  dass 
wir  der  richtigen  Auffassung  der  Lagerstätte  immer  näher  rücken. 
Welches  nun  auch  das  Endergebniss  sein  möge,  soviel  erhellt  doch 
auch  aus  dieser  Controverse , dass  nur  die  Kenntniss  von  dem 
geologischen  Baue  des  ganzen  Gebirges  die  richtige  Grundlage  für 
das  tiefere  Verständniss  auch  der  Erzlagerstätten  abgeben  kann. 

Als  Beleg  dafür  sei  noch  kurz  angemerkt:  Sind  wir  im  Recht 
mit  unserer  Vorstellung  von  dem  räumlichen  Verhältnisse  des 
Granits  und  der  ihm  vergesellschafteten  Eruptivgesteine  zu  dem 
Faltenbaue,  so  folgt  daraus  unmittelbar  der  Satz,  dass  ein  und 
dieselbe  mehr  weniger  querschlägig,  bezw.  spiesseckig 
zu  den  Falten  verlaufende  Gangspalte  in  der  heutigen 


*)  Siehe  dessen  Geologie  des  südlichen  und  mittleren  Norwegens.  Gurlt’s 
Uebersetzung  S.  293  ff.  Taf.  XVIII  und  XIX. 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


47 


Gebirgsob erfläche  in  sehr  verschiedenem  Niveau  über 
der  welligen  Granitoberfläche  in  der  Tiefe  herstreicht. 
Das  wird  man  zu  beachten  haben,  wenn  man  daran  geht,  die  Aus- 
füllung unserer  Gangspalten  in  Beziehung  zum  geologischen 
Baue  verstehen  zu  lernen.  Dass  dies  Verständniss  für  die  aller- 
meisten und  namentlich  die  grossen  Gänge  des  Harzes  nicht  im 
Sinne  einer  reinen  Lateralsecretion  zu  suchen  sei,  darüber  wird 
der  Harzer  Bergmann  kaum  jemals  im  Zweifel  gewesen  sein,  heute 
aber  liegt  das  klar  zu  Tage.  Es  ist  doch  unverkennbar,  wie  die 
Rothgiltigerze1)  und  andere  edle  Silbererze,  die  Antimon-  und  Arsen- 
erze, die  Kobalt-,  Nickel-  und  Wismutherze  und  der  Magnetkies 
von  St.  Andreasberg  über  Braunlage  bis  nach  Hasserode  eine 
z u s a m m e n g e h ö r i g e E r z f o r m a t i o n im  Hangenden  des 
Brockengranitmassivs  darstellen,  die  ihren  grössten  'Reichthum 
in  dem  gegen  die  Granitoberfläche  eingesunkenen  Keile  zwischen 
den  Ruschein  entwickelt,  wo  ihr,  um  auch  aus  der  beibrechenden 
Gangmasse  und  dem  Nebengesteine  etwas  Charakteristisches  zu  er- 
wähnen,  der  Flussspath  und  Kalkspath  neben  dem  Quarze  und 
zufolge  der  Einwirkung  auf  die  Diabase  die  Zeolithe2),  der  Axinit, 
der  Epidot  und  der  Granat  nicht  fehlen.  Wie  so  ganz  anders  ist 
die  viel  höher  über  der  Granitoberfläche  stehende  Erz- 
führung und  Füllung  im  Ober  harze  jenseits  auf  der  Concav- 
seife  oder  der  liegenden  Seite  des  B r o c k e n g r a n i t s ! 
Zwischen  beiden  Gangsystemen  liegt  die  0 d e r s p a 1 1 e als  reineres 
Quarzgang  syst  ein,  das  doch  ausser  den  Eisen-  und  Mangan- 
oxyden  hie  und  da  arme  Kupfererze  und  etwas  Kalkspath 

x)  Nach  Zuckert  (Zincken,  östl.  Harz,  S.  134)  auch  auf  dem  Ludwig  Rudolf 
auf  dem  Steinfelde  bei  Braunlage. 

2)  Nach  des  um  die  Diabase  des  Harzes  so  wohl  verdienten  0.  Schilling’s 
Nachrichten  auch  zu  Braunlage.  Auch  den  Kalkspathreicbthum  der  Andreasberger 
Gänge  darf  man  wohl  ungezwungen  auf  die  Berührung  der  Thermalwasser  mit  den 
von  unten  her  in  die  hängenderen  Schichten  des  Ruschelellipsoids  sattel-,  nicht 
gangförmig,  hereinragenden  Diabasmassen  beziehen;  dass  die  Diabase  zur  Zeit  der 
productiven  Steinkohlenformation,  der  Gebirgskernbildungszeit  des  Harzes,  schon 
kalkspäthige  Zersetzungsprodukte  führten,  geht  zweifellos  daraus  hervor,  dass  in 
den  Granitcontacthöfen  jedes  Kalkspathmändelchen  des  metamorphosirten  passiven 
Eruptivgesteins  zu  einem  kleinen  Predazzo  wird  (Spitzenberg,  Riefenbachthal  und 
Schmalenberg  bei  Harzburg,  Braunlage  an  der  warmen  Bode  u.  s.  w.). 


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K.  A.  Lossen,  geologische  und  petrographische 


(vgl.  oben  S.  18)  zu  führen  scheint  und  sich  hierin  den  Trese- 
burger  Gängen  und  denjenigen  in  der  näheren  Umgebung  des  Ranun- 
bergs 1)  und  in  dem  Granit  des  Rammbergs  selbst  analog  zeigt. 
Gerade  die  Oderspalte,  aus  deren  Fortsetzung  auf  dem  Ochsenberge 
(vgl.  v.  Groddeck  a.  a.  O.  S.  443)  man  Gangletten,  Gangthon- 
schiefer, Gangkalkspath  mit  Schwefelkiesconcretionen  erschürft  hat, 
streicht  oberflächlich  durch  sehr  verschiedene  Schichten,  doch  darf 
man  nicht  das  Abheben  der  Schichten  durch  den  Granit  von  unten 
vergessen,  denn  die  Oderspalte  läuft  auf  ihre  ganze  Erstreckung 
durch  Granit  und  metamorphische  Schichten,  im  letzteren  Falle 
nach  aller  Erfahrung  im  Harz,  wie  mir  scheinen  will,  zu  nah  über 
der  alten  Granitoberfläche,  als  dass  sie  reiche  Anbrüche  erhoffen 
lassen  dürfte.  Am  Unterharze  setzt  bei  der  Erichsburg  ein  Gang 
im  Granit  auf,  der  Quarz,  Flussspath  und  etwas  Kupferkies  führt, 
das  ist  also  ein  Repräsentant  dieser  quarzreichen,  er z armen 
Formation,  der  uns  nach  Lage  und  Füllung  hinüberleitet2)  zu 
der  Unter  harzer  Gangformation.  Es  giebt  für  einen  geo- 
logisch geschulten  Bergmann  wohl  kaum  ein  dankbareres  Thema, 
als  ein  Vergleich  der  Anhaltinisch  - Stoibergischen  mit  den  Ober- 
harzer Gängen  unter  Berücksichtigung  der  durch  die  geognostische 
Uebersichtskarte  und  ihr  Verständniss  gegebenen  Gesichtspunkte! 
von  einer  erschöpfenden  Behandlung  dieses  Themas  kann  selbst- 
verständlich nicht  die  Rede  sein,  nur  das  sei  für  eine  solche 
Zukunftsarbeit  bemerkt:  Die  Gangform  des  Unter  harzer 

Spaltennetzes  nähert  sich,  namentlich  in  dem  mäch- 
tigen und  weithin  fort  setz  enden  Neudorf-Stras  sb  erg  er 
Gangzuge  der  Form  der  Oberharzer  Gänge,  trotzdem 
nähert  sich  die  Füllung  durchweg  unter  Bewahrung  ihrer 

■ o o ö 

V Daraus  führt  Zincken  (Acta  Acad.  Caes.  Leop.  Carol.  Nat.  Cur.  Yol.  XXI, 
P.  II.  S.  708)  auch  Schwefel-  und  Arsenikkies  an;  zu  Treseburg  und  Altenbrak 
neben  dem  Kalkspath  auch  Flussspath,  unter  den  Kiesen  aucli  Magnetkies. 

2)  Bergrath  Kegei.  in  Goslar,  dem  wir  so  scharfsinnige  Beobachtungen  über 
die  Anhaitinischen  Gänge  verdanken  (vergl.  Berg-  u.  Hüttenmänn.  Zeit.  1877, 
S.  397  ff.),  theilt  mir  mit,  dass  von  Neudorf  gegen  Harzgerode  und  Mägdesprung 
hinzu,  also  gegen  den  Granit  hinzu,  wie  ich  es  auffasse,  der  Quarz  als  Ganggestein 
mehr  und  mehr  zunimmt,  und  dass  dasselbe  Verhalten  in  den  Oberharzer  Spalten 
gegen  N.  und  0.,  also  gegen  den  Ockergranit  hinzu,  statthat. 


Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


49 


Eigenart  viel  mehr  der  des  St.  Andreasberg-Hasseroder 
(rang Systems,  das  rührt  offenbar  daher:  die  Gänge  durchsetzen 
das  Hangende  des  Rammberg-Granits,  nicht  das  Liegende 
des  Granits,  wie  die  Oberharzer  Gänge,  aber  in  weiteren 
Abständen  von  dem  Contacthofe  als  bei  St.  Andreas- 
berg. Daher  die  gemischte  Natur  ihrer  Füllung.  So  finden  wir 
denn  hier  den  bei  St.  Andreasberg  wenig  hervortretenden  Flussspath 
z.  Th.  in  ausserordentlich  grossen  Massen  (Suderliolz,  Flussschacht, 
Louise)  und  von  grosser  Verbreitung  neben  Spatheisenstein,  Quarz, 
Kalkspath  und  -selbst  etwas  Schwerspath  (Stollngang)  1 ) , ferner 
Bleiglanz,  Schwefelkies,  Kupferkies,  Blende,  Bournonit,  Zundererz, 
Federerz,  Fahlerz  wie  am  Oberharze,  wo  jedoch  die  Rolle  der 
4 letztgenannten  Andreasberger  Mineralien  meines  Wissens  viel 
mehr  zurücktritt,  schliesslich  aber  Nickelglanz,  Antimonnickelglanz, 
Arsenik-  und  Magnetkies,  Wolfram  und  Scheel  kalk.  Die 
beiden  letztgenannten  Mineralien  allein  genügten  den  Zusammen- 

ö O ö 

hang  der  Gangbildung  mit  der  Granitaufpressung  augenfällig  zu 
machen , wenn  man  auch  nicht  auf  der  Grube  Birnbaum 2)  mit 
dem  Gange  den  Porphyr  (Facies  des  Granits?)  seiner  Zeit  an- 
gefahren hätte.  Rechnet  man  noch  den  Antimonreichthum  und 
Arsengehalt  der  in  Quarz  brechenden  Erze  des  Wolfsberger 
Gangsystems3)  hinzu,  so  tritt  die  stoffliche  Verwandtschaft  mit 

')  Zincken,  a.  a.  0.  Acta  Leopold,  cet.  S.  706. 

2)  Bübert,  Karst.  Arch.  Bd.  XVI,  S.  204  ff. 

3)  Wohl  ist  mir  bekannt,  dass  Zincken  und  nach  ihm  wohl  andere  (Schönichen 
z.  B.)  dieses  System,  sowie  die  Gänge  in  der  Krummschlacht  und  bei  Stolberg 
überhaupt  auf  die  Porphyreruption  des  Auerbergs  beziehen.  Es  würde  zu  weit 
führen,  hier  die  Beziehungen  von  Rammberg  und  Auerberg  zu  besprechen,  es 
genüge  die  Mittheilung,  dass  ich  das  Auerbergsystem,  welches  nach  seinem  Spalten- 
verlauf und  seiner  Spaltenverschiebung  gegen  SW.  (vgl.  oben  S.  27)  den  post- 
granitischen  Massen  angehört,  gleichwohl  als  eine  sehr  frühzeitig  erfolgte  Wieder- 
holung des  Ausbruchs  der  saueren  Massen  der  Rammbergregion  aufzufassen  mich 
genöthigt  sehe.  Der  sehr  krystallreiche  Porphyr  führt  Turmalin  in  mikroskopischen 
Krystallgruppen  und  nähert  sich  dadurch  wie  durch  andere  Eigenschaften  dem 
Bodegange  (Porphyr-Facies  des  Rammbergs).  Auch  fällt  auf,  dass  diese  ansehn- 
liche granitverwandte  Porphyrmasse  als  Ganzes  ebenso  jenem  Verschiebungsgesetze 
gegen  SW.  zu  gehorchen  scheint,  wenn  man  ihre  Ausbruchstelle  mit  der  Lage  des 
Rammbergs  vergleicht,  und  zwar  fällt  dies  um  so  mehr  auf,  als  auch  zwischen  dem 
östlichsten,  Glimmer  führenden  Melaphyrgange  im  Harz  und  der  glimmerführenden 


4 


50  K.  A.  Lossen,  geolog.  und  petrograph.  Beiträge  zur  Kenntniss  des  Harzes. 


den  Gängen  auf  der  hangenden  Seite  des  Brockens  noch  mehr 
hervor 1). 

Und  sind  sie  denn  alle  versiecht  diese  erzspendenden  Granit-, 
Gabbro-  oder  Porphyr-Thermen?  Hat  der  der  Basalteruption,  der 
Säuerlinge  und  der  eigentlichen  Heilquellen  ledige  Harz  ausser 
seinen  schwachen  Salzsoolen,  die  aus  dein  unter  seinen  Nordrand 
untergequetschten  salzführenden  Flötzgebirge  aufsteigen,  kein  ein- 
ziges thätiges  Zeugniss  mehr  aus  der  unter  der  Mitwirkung  der 
Granit-  und  Gabbro-Aufpressung  zur  oberen  Carbonzeit  erfolgten 
Gebirgskernbildung ? Wer  freute  sich  nicht  mit  mir,  hier  zum 
Schlüsse  auf  die  dem  Bodegange  entquellende  Salz-  und 
Schwefelquelle  bei  Ludwigs hütte  hindeuten  zu  dürfen!  Wo 
der  Schöpfer  Gesetze  gegeben  hat,  versagt  er  dem  in  treuer  Hingabe 
an  die  Aufgabe  Forschenden  den  Hinweis  darauf  nicht.  Diese 
Quelle,  die  schon  Zincken  2)  in  seiner  systematischen  Uebersiclit 
der  Gänge  und  Lager  des  Harzes,  welche  metallführend  sind,  ganz 
folgerichtig  mit  einreiht  in  die  Spaltenausfüllungen,  riecht  und 
schmeckt  intensiv  nach  Schwefelwasserstoff,  scheidet  Schwefel  auf 
der  Oberfläche  des  Quellspiegels  ab  und  führt  Kochsalz,  Chlor- 
calcium, Chlormagnesium,  kohlensaure  Kalk-  und  Talkerde. 

Melaphyrdecke  bei  Neustadt,  zwischen  den  Melaphyrgängen  überhaupt  und  der 
llfelder  Melaphyrdecke , zwischen  den  Granitporphyren  und  der  Decke  des  nahe 
verwandten,  nur  etwas  plagioklasreicheren  llfelder  Porphyrits,  schliesslich  zwischen 
dem  Brocken  und  dem  Porphyr  des  Rabensbergs,  und  vielleicht  auch  zwischen  Ocker- 
granit und  Knollen-Porphyr,  dasselbe  Verschiebungsgesetz  zu  herrschen  scheint. 

x)  Die  Schwerspath  und  Anhydrit  führende  Gangformation  bei  Lauterberg 
zu  besprechen  liegt  fern,  so  lange  E.  Kaysek’s  Bericht  darüber  fehlt;  dauerte  die 
Schwerspathbildung  am  Oberharze,  wie  v.  Groddeck  auf  Grund  des  Rösteberger 
Vorkommens  annimmt,  bis  in  die  Zechsteinzeit  fort,  so  sind  die  Verhältnisse  solcher 
Gangfüllung,  da  zwischen  der  Ablagerung  des  Rothliegenden  und  der  des  discordant 
dazu  liegenden  Zechsteins  der  Harz  als  Ganzes  bereits  eine  Schwankung  ausgeführt 
haben  muss,  nicht  mehr  so  einfach;  es  ist  auffällig,  dass  Schwerspath  von  den 
Gängen  im  Grünen  Schiefer  zu  Mohrungen  an . und  im  llfelder  Porphyrit  bis  zu 
denen  unter  dem  Zeclisteine  des  Röstebergs,  bezw.  zu  den  Oberharzer  Gängen, 
vorzüglich  der  Süd-  und  Westseite  des  Harzes  angehört. 

2)  a.  a.  0.  Act.  Leop.  cet.  S.  704,  sowie  ausführlich  im  Braunschw.  Magazin, 
47.  Stück,  Sonnabends,  d.  22.  Nov.  1817,  S.  737 — 746. 

Berlin,  Mitte  März  1882. 


K.  A.  Lossen. 


Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevoii  und 
Culm  am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefer- 
gebirges. 

Von  Herrn  E.  Kayser. 

(Hierzu  Tafel  I— III.) 


Y o r b e m e r k n n g e n. 

Im  Winter  1880/81  lag  mir  eine  Examenarbeit  des  damaligen 
Bergreferendars,  jetzigen  Bergassessors,  Herrn  MatthiaSS  über  die 
Schichten  zwischen  dem  Elberfelder-  oder  Stringocephalenkalk  und 
dem  Flötzleeren  Sandstein  in  der  Gegend  von  Velbert  uördl. 
Elberfeld  zur  Beurtlieiluug  vor.  Unter  den  Belegstücken  zu  dieser 
Arbeit  fielen  mir  besonders  ein  paar  bis  2 Zoll  lange,  grobrip- 
pige  Exemplare  von  Productus  aus  dem  dunklen  Schiefer  der 
(auf  Bleiglanz  und  Blende  bauenden)  Grube  Prinz  Wilhelm  bei 
Velbert  auf,  weil  solche  Formen,  so  gewöhnlich  sie  auch  im 
Kohlengebirge  sind,  für  das  Devon  (dem  sie  gemäss  ihres  Fund- 
ortes nach  der  DEOHBN’schen  Karte  unbedingt  angehören  mussten) 
eine  völlig  neue  Erscheinung  waren. 

Diese  grossen  Producten,  wie  auch  die  bemerkenswerthen  sie 
begleitenden  Formen  — darunter  mehrere  deutliche  Reste  von 
Phacops  — riefen  in  mir  den  Wunsch  hervor,  die  Fundstätte  der 
interessanten  Fauna  durch  eigene  Anschauung  kennen  zu  lernen. 
Im  vergangenen  Sommer  (1881)  habe  ich  alsdann  in  Folge  eines 
meinem  Wunsche  entgegenkommenden  Auftrages  der  Direction 
der  geologischen  Landesanstalt  acht  Tage  auf  eine  Begehung  der 


4 


52 


E.  Kayser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


Grenzbildungen  zwischen  Devon  lind  Kohlengebirge  verwenden 
können.  Besondere  Aufmerksamkeit  widmete  ich  bei  dieser  Be- 
gehung dem  Aufsammeln  von  Versteinerungen,  und  es  ist  mir 
denn  auch  gelungen,  sowohl  in  den  oberdevonischen  Schichten 
der  Prinz  Wilhelmgrube  und  der  Umgebung  von  Velbert  überhaupt 
als  auch  im  Culm  von  Aprath  (zwischen  Elberfeld  und  Wülfrath) 
eine  reiche  Ausbeute  an  interessanten,  für  diese  Gegend  zum 
grossen  Theil  neuen  Formen  zu  machen,  die  zu  beschreiben  der 
Zweck  dieses  Aufsatzes  ist. 

Zur  allgemeinen  Orientirung  über  die  geognostischen  Ver- 
hältnisse der  fraglichen  Gegend  verweise  ich  auf  Blatt  Düsseldorf 
der  grossen  DECHENsclien  Karte  von  Rheinland -Westfalen  (Maass- 
stab 1 : 80,000).  Man  ersieht  aus  derselben , dass  die  Schichten 
des  Oberdevon,  die  in  der  Gegend  von  Iserlohn,  Hagen  und  El- 
berfeld ein  verhaltnissmässig  nur  schmales  Band  zwischen  Stringo- 
cephalenkalk  und  Culm  bilden,  im  NW.  von  Elberfeld,  in  der 
Gegend  von  Wülfrath,  Neviges  und  Velbert  in  Folge  einer  breiten, 
sich  hier  ausbildenden,  im  Einzelnen  wieder  aus  zahlreichen  Special- 
falten zusammengesetzten  Schichtenaufsattelung  eine  sehr  bedeu- 
tende räumliche  Ausdehnung  erlangen. 

Am  S.O.-rande  dieser  Oberdevonausbreitung  erscheinen  über 
den  obersten  Devonschichten  — wie  überall  weiter  östlich  — als 
tiefstes  Glied  des  Kohlengebirges  Culmscliichten,  ein  schmales 
Band  zwischen  Oberdevon  und  Flötzleerem  bildend.  Weiter  nach 
N.  und  W.  aber  (schon  bei  der  ehemaligen  Kopfstation  Neviges) 
schiebt  sich  als  ein  weiteres  Glied  des  Kohlengebirges  unter  dem 
Culm  noch  Kohlen  kalk  ein,  als  eine  zuerst  nur  wenige  Fuss 
starke,  weiter  gegen  W.  aber  immer  mächtiger  werdende  Bildung, 
die  schon  nördl.  Velbert  über  100'  und  bei  Ratingen  unweit  Düssei- 
dorf  mehrere  100'  Dicke  erlangt.  In  demselben  Grade  aber,  als 
der  Kohlenkalk  an  Mächtigkeit  allmälig  zunimmt,  nimmt  der  Culm 
ab,  bis  er  endlich  auf  der  linken  Rheinseite  (bei  Aachen  und  im 
Belgischen)  gänzlich  verschwunden  ist. 

w as  die  Zusammensetzung  der  Schichtenfolge  zwischen  Mittel- 
devon und  Flötzleerem  in  der  fraglichen  Gegend  betrifft,  so  ist 
dieselbe  aus  mehreren  älteren  und  neueren  Arbeiten  des  Herrn 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


53 


von  Deciien  bekannt1).  Nach  diesen  Arbeiten,  denen  meine 
eigenen  Begehungen  kaum  etwas  Neues  zuzufügen  vermochten, 
gliedert  sich  jene  Schichtenfolge  von  oben  nach  unten  in  fol- 
gender Weise: 

Hangendes : Flötzleerer  Sandstein. 

Alaunschiefer,  Posidonienscliiefer,  Kieselschiefer  und 
Kalksteine. 

Obere  Dolomitzone  (Ratingen). 

Hellfarb.,  dickbäuk.,  lialbkrystall.  Kalkstein. 

. Blaulichgraue  bis  grünliche  Schiefer  und  Sandsteine 
mit  schwachen  Kalkeinlagerungen. 

An  der  Basis : schwärzliche  sandige  Schiefer  (Aequi- 
valente  des  Flinz?). 

Liegendes : Stringocephalenkalk. 

Am  schwankendsten  ist  in  dieser  Schichtenfolge  die  Aus- 
bildung des  Culm.  Zwar  liegt  — soweit  ich  mich  überzeugen 
konnte,  allenthalben  — an  seiner  obersten  Grenze  eine  Zone  von 
Alaunschiefer;  dagegen  weisen  die  unter  diesem  liegenden  Schichten 
fast  in  jedem  Profile  kleine  Unterschiede  auf,  die  besonders  durch 
die  sehr  verschiedene  Mächtigkeit  und  Reinheit  der  Kieselschiefer 
und  Kalksteine  bedingt  werden.  Die  Verknüpfung  des  Culm  und 
Kohlenkalks  ist  eine  weit  engere,  als  man  bei  der  grossen  petro- 
graphischen  Verschiedenheit  beider  Bildungen  anzunehmen  geneigt 
sein  könnte.  Die  Zusammengehörigkeit  beider  spricht  sich  nicht 
nur  in  der  oben  erwähnten  Reciprocität  der  Mächtigkeitsverhältnisse 
aus,  sondern  auch  in  einer  innigen  petrographischen  Verknüpfung, 
die  dadurch  entsteht  , dass  nicht  blos  inmitten  des  reinen  Kohlen- 
kalks mitunter  mehr  oder  minder  mächtige  Einlagerungen  von 
Kieselschiefer  oder  schwarzem  alaunschieferartigen  Schiefer2)  auf- 

x)  Ueber  die  Schichten  im  Liegenden  des  Steinkohlengebirges  an  der  Ruhr 
(Verhandl.  des  naturhistor.  Yer.  f.  Rheinl.-Westf.,  Bd.  VII,  1850).  Geognostiscke 
Uebersicht  des  Regierungsbezirks  Arnsberg  (Ebendas.  Bd.  XII,  1855).  Geogn. 
Beschaffenheit  des  Regierungsbez.  Düsseldorf  (in  v.  Mülmann’s  Statistik  des  Reg.- 
Bez.  Düsseldorf,  Bd.  I,  1864). 

2)  In  den  gewaltigen  Steinbrüchen  im  Kohlenkalk  bei  Hefel  nördl.  Velbert 
erreicht  eine  solche  Schiefereinlagerung  1 1/2  Met.  Mächtigkeit. 


Oberdevon : 


Culm : 
Kohlenkalk : 


54 


E.  Kayser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


treten,  sondern  dass  sogar  mitunter  an  der  Grenze  beider  Bildungen 
ein  förmliches  Alterniren  von  hellfarbigen,  kohlenkalkähnlichen 
Kalkbänken  und  Kieselschieferlagen  stattfindet  (zwischen  der  Prinz 
Wilhelmgrube  und  der  Gemeinde  Richrath). 

Was  die  Ausbildung  des  Ober  de  von  betrifft,  so  fällt  be- 
sonders die  grosse  Entwickelung  der  oberen  Abtheilung  desselben, 
des  sog.  Kramenzel  auf,  während  die  untere,  anderweitig  aus 
schwarzen,  mehr  oder  weniger  reinen  Schiefern  bestehende  Stufe  des 
Oberdevon,  der  bei  Elberfeld  noch  deutlich  hervortretende1)  Flinz, 
schon  wetiig  weiter  westlich,  bei  Wülfrath,  nicht  mehr  mit  Sicherheit 
zu  erkennen  ist.  Es  wäre  indess  möglich,  dass  gewisse,  daselbst  un- 
mittelbar über  dem  Stringocephalenkalke  liegende,  nach  oben  ganz 
allmälig  in  die  Kramenzelschichten  übergehende,  schwärzliche,  san- 
dige Schiefer  jene  Stufe  repräsentiren.  Was  den  Kramenzel  selbst 
betrifft,  so  ist  seine  obere  Grenze  gegen  das  Kohlengebirge,  mag 
dasselbe  nun  mit  Culm  oder  Kohlenkalk  beginnen,  überall  scharf 
und  leicht  aufzufassen.  Im  Allgemeinen  ist  für  den  Kramenzel 
in  der  Gegend  zwischen  Elberfeld  und  Düsseldorf  das  fast  voll- 
ständige Zurücktreten  der  weiter  östlich  so  häufigen  rothen  und 
grünen  Schiefer,  sowie  der  Kalknieren-führenden  Schiefer  oder  der 
reineren  Knollenkalkbänke  charakteristisch.  Statt  ihrer  herrschen 
sandige  Schiefer  und  Sandsteine  von  im  frischen  Zustande  blau- 
bis  grünlich  - grauer , bei  beginnender  Verwittenmg  aber  gelblich 
oder  bräunlich  werdender  Färbung  vor,  in  denen  nur  hie  und  da 
bis  ein  paar  Zoll  starke  Einlagerungen  von  unreinem , plattigem 
Kalkstein  auftreten.  Sehr  verbreitet  ist  sowohl  in  den  sandigen 
als  auch  in  den  schieferigen  Gesteinen  ein  Gehalt  an  weissem 
Glimmer  in  kleinen  Blättchen  und  Schüppchen  — übrigens  eine 
Eigentümlichkeit  fast  aller  sandigen  Oberdevongesteine  im  Gebiete 
des  rheinisch-belgischen  Schiefergebirges.  Etwas  auffallend  ist  auf 
den  ersten  Blick  die  dunkelblauschwarze  Farbe  des  kalkigen 
Schiefergesteins,  welches  den  grössten  Theil  der  Halden  der  Prinz 

1)  In  der  Sammlung  des  Herrn  Pastor  Heinersdorff  in  Elberfeld  sah  ich  mit 
Cardiolci  retrostriata  und  Tentaculiten  erfüllte  Linsen  von  dunklem,  bituminösen 
Kalkstein,  die  aus  den  Flinzschichten  der  nächsten  Umgebung  stammend,  den 
ähnlichen  Vorkommen  von  Altenau  und  Bicken  täuschend  ähnlich  sind. 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


55 


Wilhelmgrube  zusammensetzt.  Sieht  man  aber  von  der  dunkelen 
Färbung  ab,  welche  offenbar  mit  der  frischen  Beschaffenheit  zu- 
sammenhängt, welche  die  an  der  Oberfläche  stets  gebleichten  Ge- 
steine in  grösserer  Tiefe  besitzen,  so  weist  auch  hier  sowohl  der 
Glimmergehalt  als  auch  das  nicht  seltene  Sandigwerden  des  Gesteins 
auf  dessen  Zugehörigkeit  zum  Oberdevon  hin. 

Es  sollen  nun  zunächst  die  im  Oberdevon  von  Velbert,  dann 
die  im  Culm  von  Aprath  gesammelten  Arten  beschrieben  werden. 


Beschreibung  der  Arten. 

Arten  aus  dem  Oberdevon  von  Velbert. 

Die  in  der  Gegend  von  Velbert  gesammelten  Arten  stammen 
theils  aus  den  eben  erwähnten  dunkelen  Schiefern  der  Prinz 
Wilhelm  grübe  (aus  dem  Liegenden  der  ca.  horall  streichenden 
Erzgänge),  theils  aus  den  stark  zersetzten,  gelblichen,  mürben, 
grauwackenartigen  Sandsteinen  im  O.,  S.  und  N.  der  Stadt,  be- 
sonders im  Osten  der  Chaussee  nach  Werden,  auf  dem  Wege 
nach  Hefel,  unweit  der  Kohlenkalkgrenze. 

In  Betreff  des  Erhaltungszustandes  der  Versteinerungen  ist 
zu  bemerken,  dass  die  aus  dem  schwärzlichen,  kalkigen  Schiefer 
der  Prinz  Wilhelmgrube  stammenden  Reste  zum  grossen  Theil 
noch  mit  der  ursprünglichen  Kalkschale  versehen  sind,  z.  Th.  aber 
in  Steinkernen  vorliegen.  Leider  sind  die  hier  vorkommenden 
Versteinerungen  in  der  Regel  mehr  oder  weniger  verdrückt.  Was 
weiter  die  in  den  sandigen  Gesteinen  von  Hefel  gefundenen  Fos- 
silien betrifft,  so  kommen  dieselben  nur  in  Steinkernen  und  Ab- 
drücken vor,  welche  letztere  aber  oft  von  ausgezeichneter  Feinheit 
sind.  Giesst  man  sie  mit  Kautschuk  aus,  so  erhält  man  das  Bild 
der  ursprünglichen  Schale,  und  wenn  man  ausserdem  noch  den 
Steinkern  besitzt,  so  kann  man  sowohl  die  äusseren  als  auch  die 
inneren  Charaktere  des  Fossils  auf  das  Vollständigste  ermitteln. 


56 


E.  Kayser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


Phacops  granulatns  Münst. 

Taf.  I,  Fig.  1,  2. 

— — Salter,  Monogr.  Brit.  Trilob.  p.  18,  tb.  1,  f.  1 — 4. 

— — Gümbel,  Fichtelgebirge,  p.  494,  tb.  A,  f.  15. 

Von  diesem  Trilobiten  liegt  das  abgebildete  und  ein  zweites, 
weniger  gut  erhaltenes  Kopfschild  sowie  eine  Anzahl  Pygidien  vor. 

Nach  Gümbel,  der  die  Art  zuletzt  beschrieben  und  der  Ge- 
legenheit hatte,  Graf  Münster’ s Originalexemplare  zu  vergleichen, 
unterscheidet  sich  dieselbe  von  dem  verwandten  Ph.  latifrons  durch 
ihre  starke  Granulation , durch  die  nach  der  Stirn  zu  ausseror- 
dentlich breit  werdende,  sich  beträchtlich  über  den  Randsaum  er- 
hebende Glabella,  das  Fehlen  stärkerer  Höcker  (sowohl  des  mitt- 
leren als  auch  der  seitlichen)  auf  dem  sog.  Zwischenring,  sowie 
endlich  durch  die  grosse  Breite  des  Randsaums,  namentlich  an 
den  Hinterecken,  in  der  Richtung  nach  vorn. 

Besonders  das  letztgenannte  Merkmal  tritt  bei  unseren  rhei- 
nischen Stücken  in  auffälliger  Weise  hervor.  Aber  auch  die  starke 
Granulation  und  die  ausserordentliche  Verbreitung  der  Glabella 
an  der  Stirn  sprechen  dafür,  dass  nicht  Phacops  latifrons,  sondern 
die  MÜNSTER’sche  Art  vorliegt.  Die  mit  den  beschriebenen  Kopf- 
schildern zusammen  gefundenen  Schwänze  unterscheiden  sich  von 
denen  von  Phacops  latifrons  nur  durch  ihre  stark  entwickelte  Gra- 
nulation. 

Ph.  granulatus  ist,  wie  es  scheint,  ganz  auf  das  Oberdevon 
beschränkt.  Graf  Münster  beschrieb  ihn  aus  dem  Fichtelgebirge, 
Salter  aus  England.  Aus  dem  rheinischen  Gebirge  ist  er,  soviel 
ich  weiss,  bisher  nur  ein  einziges  Mal  angegeben  worden  (Zeitschr. 
d.  Deutsch,  geol.  Ges.  1873,  p.  659),  während  er  aus  Belgien  un- 
bekannt ist.  Es  wird  indess  zu  untersuchen  sein,  ob  der  in  Belgien 
nach  Angabe  der  dortigen  Geologen  im  Oberdevon  nicht  seltene, 
bis  an  die  Basis  des  Kohlengebirges  hinaufgehende,  als  latifrons 
aufgeführte  Phacops  wirklich  dieser  oder  vielleicht  ebenfalls  der 
MÜNSTER’schen  Art  angehört  !). 


*)  Ich  benutze  diese  Gelegenheit  zu  der  Bemerkung,  dass  sich  unter  dem 
Namen  Ph acops  latifrons , soweit  er  auf  Trilobiten  aus  dem  Eifeier  Mitteldevon 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


57 


Gyroceras  cnf.  cancellatum  F.  Röm. 

Taf.  1,  Fig.  7. 

Gyrtoceratites  cancellatus  F.  Römer,  Rhein.  Uebergangsgeb.  p.  80,  tb.  6,  f.  4. 
Ein  flachgedrücktes,  gegen  25  Millimeter  langes  und  etwa 
10  Millimeter  breites  Bruchstück  einer  Windung,  welches  in  Ab- 
ständen von  3 Millimetern  starke,  leistenförmige  Querrippen  zeigt, 
die  von  feinen,  gedrängten,  weniger  als  */2  Millimeter  von  einander 

angewandt  wird,  zwei  specifisch  wohl  unterschiedene  Arten  verstecken.  Die  eine 
ist  in  F.  Römer’ s Letlmea  palaeozoica  tb.  31,  f.  2 a und  2 b abgebildet.  Diese 
weitaus  häufigere,  kleinere  Art  zeichnet  sich  durch  ein  stark  gewölbtes, 
namentlich  nach  den  Seiten  rasch  abfallendes  Kopfschild  aus.  Die  Glabella  ist 
verhältnissmässig  schmal,  breit  gewölbt  und  erhebt  sich  mit  parabolischer 
Contour  beträchtlich  über  den  Stirnsaum.  Die  zweite  Art  ist  in  dem 
genannten  RöMER’schen  Atlas  auf  derselben  Tafel  in  Fig.  2 c abgebildet.  Sie  wird 
erheblich  grösser  und  lässt  sich  sofort  durch  das  breitere,  flachere  Kopfschild, 
sowie  besonders  durch  die  breitere,  flachere  Glabella  unterscheiden,  die  an  der 
Stirn  mit  flachbogiger  Linie  endigt  und  sich  nicht  oder  nur  sehr 
wenig  über  dem  Randsaum  erhebt.  Auch  sonst  sind  noch  Unterschiede 
vorhanden,  wie  dass  der  sog.  Palpebralhöcker  und  der  Zwischenring  bei  der  grösseren 
Form  im  Allgemeinen  stärker  entwickelt  sind,  als  bei  der  kleineren ; und  da  beide 
Formen  auch  eine  verschiedene  vertikale  Verbreitung  zu  besitzen  scheinen,  — ich 
habe  die  grössere  immer  nur  im  Stringocephalenkalk  gefunden  — so  dürfte  eine 
specifische  Trennung  beider  durchaus  erforderlich  sein. 

Weniger  einfach  ist  die  Entscheidung  der  Frage,  mit  welchen  Namen  die 
beiden  Arten  bezeichnet  werden  sollen.  Bronn  hat  (Leonhard’s  Zeitschr.  f.  Mineral. 
1825,  p.  317,  tb.  2)  für  die  Eifel  2 Arten,  Ph.  latifrons  und  Schlotheimi,  Steininger 
(Mem.  de  la  Soc.  Geol.  de  France,  I,  p.  350  und  Geogn.  Besehr.  d.  Eifel  p.  87) 
noch  eine  dritte,  Ph.  Latreillii  unterschieden;  aber  die  späteren  Autoren,  wie 
F.  Römer  und  die  Brüder  Sandberger  haben  diese  vermeintlichen  Species  wieder 
zusammengezogen  und  seitdem  werden  alle  mittel  devonischen  Phacopsformen  der 
Eifel  als  latifrons  bezeichnet.  Ich  habe  mich  nun  festzustellen  bemüht,  ob  sich 
vielleicht  eine  der  Bronn ’schen  oder  Steininger ’schen  Arten  mit  einer  der  von 
mir  oben  unterschiedenen  Arten  deckt.  Die  Abbildungen  und  Beschreibungen 
der  genannten  Autoren  sind  indess  so  ungenügend,  dass  mir  dies  trotz  aller  Mühe 
nicht  gelungen  ist.  Es  wäre  möglich,  dass  der  Bp.oNN’sche  Name  Schlotheimi  sich 
auf  die  oben  beschriebene,  häufigere  kleinere,  sein  latifrons  aber  auf  die  grössere 
Art  beziehen  soll.  Wenn  ich  aber  schon  darüber  zu  keinem  sicheren  Resultate 
gelangen  konnte,  so  gilt  dies  noch  mehr  von  den  Steinin ger’ sch en  Namen,  über 
deren  Bedeutung  man  wohl  kaum  jemals  ganz  in’s  Klare  kommen  dürfte.  Unter 
diesen  Umständen  möchte  ich  mir  den  Vorschlag  erlauben,  den  alten  Namen 
latifrons , der  wohl  zu  den  in  der  Literatur  am  meisten  eingebürgerten  gehört  und 
daher  mit  möglichster  Schonung  zu  behandeln  ist,  auf  die  nicht  nur  in  der  Eifel 


58 


E.  Kayser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


abstehenden  Längsrippchen  durchkreuzt  werden.  Möglicherweise 
könnte  die  Art  auf  F.  Römer’ s Gyr.  cancellatum  zu  beziehen 
sein,  eine  Form  ans  dem,  dem  obersten  Mitteldevon  angehörigen 
Rotheisenstein  der  Gegend  von  Brilon.  Prinz  Wilhelmgrube. 


Loxonema  aiiglicum  d’ORB. 

Taf.  I,  Fig.  3. 

— — de  Köninck,  Foss.  Paleoz.  Nouv.  Galles  du  Sud,  p.  124,  tb.  4,  f.  9. 

Diese  Art  zeichnet  sich  durch  ein  sehr  lang-conisches,  aus 
sehr  zahlreichen  (im  erwachsenen  Zustande  gegen  20)  Windungen 
bestehendes  Gehäuse  aus.  Dieselben  nehmen  langsam  und  gleich- 
mässig  an  Höhe  und  Breite  zu  und  tragen  12  — 14  starke,  etwas 
gebogene,  rippenförmige  Tuberkel,  welche  fast  die  ganze  Höhe 
der  Windung  einnehmen,  indess  nicht  ganz  bis  an  die  obere  Sutur 
heranreichen,  unter  welcher  letzteren  in  Folge  dessen  ein  schmales, 
glattes  Band  frei  bleibt.  Spiralwinkel  12°,  Mündung  oval. 

Von  dieser  schönen  Art  liegt  mir  ein  von  Herrn  Matthiass 
in  einem  Steinbruche  nördlich  und  ganz  nahe  von  Velbert  in  un- 
reinen, kalkigen  Sandsteinen  gefundener  Hohldruck  vor,  nach  dessen 
Ausguss  die  Abbildung  Fig.  3 hergestellt  worden  ist.  Der  untere 
Tlieil  des  Gehäuses  mit  der  Mündung  ist  nicht  mehr  vorhanden, 
dagegen  die  6 ältesten  Windungen  noch  recht  gut  erhalten,  und 
diese  stimmen  in  jeder  Beziehung,  namentlich  in  der  äusseren 
Sculptur,  mit  der  Abbildung  und  Beschreibung  de  Könincks 
überein. 

Die  Muschel  wurde  zuerst  von  Piiillipps  aus  dem  Oberdevon 
von  Brushford  (Palaeoz.  foss.  tb.  38,  f.  188)  abgebildet,  aber  auf 
eine  ähnliche  carbonische  Art,  nämlich  L.  rugiferum  desselben 
Autors  bezogen,  welche  sich  durch  grösseren  Spiralwinkel  (18- — 20°) 
und  fast  die  ganze  Breite  der  Umgänge  einnehmende  Rippen 
unterscheidet  (vergl.  de  Köninck,  1.  c.  und  Faune  du  Calc.  Car- 
bonif.  de  la  Belgique,  3.  part.,  Gasterop.  1881,  p.  60).  d’Orbigny 

weitaus  häufigste,  sondern  auch  anderwärts,  wie  in  Belgien,  England  und  Nord- 
Amerika  (Ph.  bufo  Green)  verbreitetste  Art  zu  beschränken,  die  oben  unterschiedene 
grössere,  dem  Stringocephalenniveau  angehörige  Form  aber  neu  zu  benennen  und 
hinfort  als  Phacops  Eifeliensis  aufzuführen. 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


59 


schlug  später  (Prodrome  I,  p.  62)  für  die  devonische  Schnecke 
den  Namen  L.  anglicum  vor.  Dieselbe  besitzt  eine  grosse  Ver- 
breitung, da  sie  sich  nicht  nur  am  Ilmensee  (Eichwald,  Leth. 
rossica,  I,  p.  1116),  sondern  auch  in  Neusüdwales  (de  Köninck,  1.  c.) 
wiederfindet.  Ihr  Wiedervorkommen  in  den  obersten  Devonschichten 
des  rheinischen  Gebirges  ist  sehr  interessant.  Wahrscheinlich  gehört 
auch  die  von  Trenkner  (Paläontolog.  Novitäten  I [Abhandl.  d. 
Naturf.  Gesellsch.  zu  Halle,  Bd.  X]  tb.  1,  f.  19)  aus  dem  ober- 
devonischen  Kalk  des  Iberges  im  Harz  als  L.  rugifera  abgebildete 
Form  hierher. 

Euomphalus  aff.  Schnurii  Arch.  Vern. 

Taf.  I,  Fig.  10. 

- — — Archiac  & Vernkuil,  Transact.  Geol.  Soc.  Lond.,  2.  ser.,  p.  364,  tb.  34,  f.  7. 
— acuticosta  Sandbercer,  Rhein.  Sch.  Nass.  p.  210,  tb.  25,  f.  2. 

Ein  in  den  Schiefern  der  Prinz  Wilhelmgrube  gefundener 
Abdruck , nach  dessen  Ausguss  die  obige  Abbildung  angefertigt 
worden  ist.  Nur  der  äussere  Umgang  ist  noch  leidlich  erhalten, 
die  inneren  dagegen  kaum  mehr  zu  erkennen.  Jener  äussere  Elm- 
gang  ist  in  der  Mitte  zu  einem  hohen,  markirten  Längskiel  erhoben 
und  mit  zahlreichen  feinen  aber  scharfen  Querstreifchen  bedeckt. 

Eine  nähere  Bestimmung  ist  bei  der  ungenügenden  Erhaltung 
nicht  ausführbar ; die  Art  könnte  indess  mit  der  oben  genannten, 
im  rheinischen  Stringocephalenkalk  nicht  seltenen,  nach  Angabe 
der  Gebrüder  Sandberger  (1.  c.)  auch  im  oberdevonischen  Eisen- 
stein von  Oberscheld  vorkommenden  Art  verwandt  sein. 


Cucullaea?  Hardingii  Phill.? 

— — Phillips,  Palaeoz.  foss.  p.  40,  tb.  18,  f.  67. 

Zu  dieser  in  den  sandigen  Ablagerungen  des  englischen  und 
belgischen  Oberdevon  sehr  verbreiteten,  auch  im  gleichalterigen, 
den  Kohlenkalk  unterlagernden  Verneuili  - Sandstein  der  Gegend 
von  Aachen  sich  findenden  Art  gehört  wahrscheinlich  eine  oval- 
geformte, gegen  30  Millimeter  breite,  etwa  halb  so  lange  Muschel 
aus  den  dunkelen  Schiefern  der  Prinz  Wilhelmgrube.  Der  nicht 


60 


E.  Kayser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


erhaltene  Wirbel  lag  offenbar  zwischen  Mitte  und  Vorderseite. 
Die  äussere  Oberfläche  ist  glatt,  mit  zahlreichen  starken,  aber 
ungleichmässigen  Rippen  bedeckt. 


Cypricardiiiia?  sp. 

Tat.  I,  Fig.  9. 

Ein  ebenfalls  auf“  der  Halde  der  Prinz  Wilhelmgrube  gefun- 
dener  Zweischaler  von  schräg  - ovalem  Umriss  mit  ganz  nach 
vorn  gerücktem  Wirbel  und  zahlreichen,  etwas  wulstig  vortretenden 
Anwachsringen,  die  — ähnlich  wie  bei  Cypr.  elongata  Arch.  Vern.  — 
von  gedrängten,  fadenförmigen  Radialrippchen  durchkreuzt  werden. 

Spirifer  Verneuili  Murcii. 

Tat.  II,  Fig.  12-14. 

disjunctus  Davidson,  Mon.  Brit.  Devon.  Brachiop.  p.  28,  tb.  5,  6. 

Es  liegen  mehrere  Exemplare  dieser  bekannten  und  wichtigen 
oberdevonischen  Leitform  vor,  sowohl  aus  den  Schiefern  der  Prinz 
Wilhelmgrube  (Fig.  13),  als  auch  aus  den  Sandsteinen  der  Um- 
gebung von  Velbert,  besonders  von  Hefel  (Fig.  12  u.  14).  Die 
hier  vorkommende  Abänderung  besitzt  eine  hohe  Area  und  flügel- 
förmig  vei’längerte  Seiten. 


Spiriferina  laminosa  MUoy? 

Tat'.  I,  Fig.  8. 

Spirifera  — Davidson,  Brit.  Carbon.  Brach,  p.  36,  tb.  7,  f.  17 — 22. 

Spiriferina  — » » » » Suppl.  p.  277. 

Ein  in  den  Sandsteinen  bei  Hefel  gefundener  Hohldruck, 
nach  dessen  Ausguss  die  obige  Abbildung  angefertigt  worden 
ist,  zeigt  eine  stark  cpier  ausgedehnte,  an  den  Schlossecken  flügel- 
förmig  ausgezogene  Ventralklappe.  Der  Sinus  wird  mässig  breit, 
aber  nicht  tief.  Auf  beiden  Seiten  desselben  zählt  man  etwa  12 
starke,  schmale  Radialrippen,  die  von  sehr  zahlreichen  und  mar- 
kirten  concentrischen  Anwachsstreifen  durchschnitten  werden. 

Es  ist  namentlich  das  letztgenannte  Merkmal,  welches  es 
mir  wahrscheinlich  macht,  dass  die  beschriebene  Klappe  auf  die 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


61 


M’Coy'sche  Art  zu  beziehen  ist,  die  zwar  vorwiegend  carbonisch 
ist,  aber  gelegentlich  in  England  wie  auch  in  Belgien  schon  im 
allerobersten  Devon  auftritt. 

Ich  muss  übrigens  noch  hervorheben,  dass  so  stark  geflügelte 
Formen,  wie  die  unsere,  im  Carbon  noch  nicht  beobachtet  zu 
sein  scheinen. 


Athyris  concentrica  v.  Buch. 

Taf.  I,  Fig.  4. 

Eine  lose  Y entralklappe  von  typischer  Gestalt  und  Sculptur. 
Grube  Prinz  Wilhelm. 


Rhynclionella  pleurotlon  Piiill. 

Taf.  I,  Fig.  5. 

— — Davidson,  Brit.  Carbon.  Brach,  pl.  23. 

» Brit.  Devon.  Brach,  pl.  13,  f.  11  — 13. 

Zu  dieser  besonders  im  Kohlengebirge  sehr  verbreiteten,  aber 
in  England  und  in  Belgien  auch  im  Ober-  und  mitunter  schon 
im  Mitteldevon  auftretenden  Art  gehört  wohl  unzweifelhaft  das 
abgebildete  Exemplar  aus  den  sandigen  Schichten  von  Hefel, 
sowie  ein  zweites  aus  den  Schiefern  der  Prinz  Wilhelmgrube. 
Die  kleine  Muschel  hat  einen  gerundet  vierseitigen,  quer  aus- 
gedehnten Umriss.  Beide  Klappen  sind  ziemlich  stark  gewölbt, 
Sinus  und  Sattel  wohl  entwickelt.  Auf  denselben  liegen  3 — -4, 
auf  jeder  Seite  gegen  7 einfache,  starke,  schon  an  den  Buckeln 
deutlich  vortretende  Kippen. 

Orthis  bergica  n.  sp. 

Taf.  II,  Fig.  6 — 11. 

Orthis  tioga  Hadl  var.  ? 

Von  gerundet  vierseitigem  Umriss,  erheblich  breiter  als  lang. 
Grosse  Klappe  ziemlich  schwach,  die  kleine  etwas  stärker  gewölbt. 
Schlossrand  stets  erheblich  kürzer,  als  die  grösste,  in  der  Mitte 
liegende  Breite  der  Muschel,  die  Schlossecken  gerundet.  Schnabel 
der  grossen  Klappe  nicht  merklich  vorragend,  die  Areen  beider 
Klappen  sehr  schmal.  Das  auszeichnende  Merkmal  der  Art  liegt 


62 


E.  Kaiser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


in  einer  mehr  oder  weniger  starken  kielförmigen  Erhebung  auf 
der  Mitte  der  Ventralklappe  und  einer  entsprechenden  sinusför- 
migen Einsenkung  der  Dorsalklappe.  Oberflächlich  sind  beide 
Klappen  mit  zahlreichen,  starken,  sich  durch  häufige  Spaltung 
vermehrenden  und  zuweilen  etwas  gebündelten  Radialrippchen, 
sowie  mit  einigen  ziemlich  markirten,  concentrischen  Anwachs- 
streifen versehen. 

Das  Innere  der  Ventralklappe  zeigt  einen  stark  vertieften, 
verlängert  fünfseitigen  Muskeleindruck,  der  am  unteren  Ende  von 
einer  flachen,  breit-leistenförmigen  mittleren  Erhebung  halbirt  wird. 
Im  Innern  der  Dorsalklappe  beobachtet  man  ausser  zwei  kräftigen 
divergirenden  Zahnplatten  einen  einfachen,  sich  nach  unten  in  eine 
kurze  Meridianleiste  fortsetzenden  Schlossfortsatz.  Unter  demselben 
liegt  ein  vierlappiger  Muskeleindruck,  von  welchem  vier  sich  nach 
dem  Rande  zu  verästelnde  Gefässstämme  aus  laufen. 

Die  beschriebene  Art  stellt  das  häufigste  in  den  oberdevoni- 
schen Schichten  von  Velbert  vorkommende  Fossil  dar  und  findet 
sich  sowohl  in  den  schwarzen  Schiefern  der  Prinz  Wilhelmgrube 
als  auch  in  den  glimmerigen  Sandsteinen  bei  Hefel. 

Unter  den  mir  bekannten  europäischen  Devonarten  kann 
Orthis  interlineata  Sow.  (Davidson,  Brit.  Devon.  Brach,  p.  91, 
tb.  17,  f.  18  — 23)  aus  dem  englischen  Oberdevon  zum  Vergleich 
herangezogen  werden.  Diese  Art  ist  der  unserigen  durch  ihre 
gerundet  vierseitige,  stark  quer  ausgedehnte  Gestalt,  den  überaus 
kurzen  Schnabel  und  die  geringe  Wölbung  des  Gehäuses  ähnlich. 
Sie  unterscheidet  sich  aber  von  der  rheinischen  Form  durch  noch 
grössere  Flachheit,  besonders  der  Dorsalklappe,  sowie  durch  das 
Fehlen  des  mittleren  Sinus  und  Sattels. 

Wenn  demnach  eine  Verwechselung  mit  der  genannten  engli- 
schen Oberdevonart  nicht  möglich  ist,  so  könnte  eine  solche  sehr 
leicht  mit  einer  Form  des  nordamerikanischen  Oberdevon,  nämlich 
Orthis  tioga , aus  den  schieferigen  Sandsteinen  der  Chemung- 
gruppe  (J.  Hall,  PalaeontoL,  N.-York,  vol.  IV,  pl.  8)  stattfinden. 
Denn  sowohl  im  äusseren  Umriss  wie  auch  in  dem  Grade  der 
Convexität  beider  Klappen,  der  geringen  Länge  und  Krümmung 
des  Ventralbuckels,  dem  Vorhandensein  eines  mittleren  Sinus  und 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


63 


Sattels  auf  der  Dorsal-  resp.  Ventralklappe , sowie  endlich  auch 
in  der  Beschaffenheit  der  äusseren  Rippchen , die  Hall  als  öfters 
gebündelt  beschreibt  und  von  denen  in  der  oberen  Hälfte  des 
Gehäuses  jede  zweite,  in  der  unteren  aber  jede  dritte  bis  vierte 
stärker  als  die  benachbarten  sein  soll  — in  allen  diesen  Merk- 
malen findet  eine  Uebereinstimmung  mit  unserer  bergica  statt. 
Ich  würde  diese  letztere  daher  ohne  Bedenken  als  Varietät  zu 
tioga  gezogen  haben,  wenn  nicht  Hall  den  Schlossfortsatz  seiner 
Art  als  zweitheilig  beschriebe,  während  derselbe  bei  der  rheini- 
schen Form  ungetheilt  ist.  Auch  sonst  scheint  das  Innere  der 
kleinen  Klappe  (vergl.  Halls  Abbildungen,  Fig.  25  u.  32)  etwas 
von  dem  der  rheinischen  Muschel  abzuweichen,  so  dass  ich  es 
für  besser  halte,  die  letztere  mit  dem  neuen  Namen  0.  bergica  zu 
belegen.  Auf  alle  Fälle  aber  bleibt  ihre  grosse  äussere  Aehu- 
lichkeit  mit  der  gleichalterigen  amerikanischen  Form  sehr  interessant. 


Streptorliynclms  iiinbraculum  Schloth. 

Taf.  I,  Fig.  10  u.  11. 

— — Davidson,  Brit.  Devon.  Brach,  p.  76,  tb.  16,  18. 

Zu  dieser  bekannten,  weit  verbreiteten  Devonart  möchte  ich 
ein  sowohl  in  den  Schiefern  der  Prinz  Wilhelmgrube  (Fig.  11)  als 
auch  in  den  Sandsteinen  bei  Hefel  nicht  selten  vorkommendes,  recht 
beträchtliche  Dimensionen  erreichendes  Fossil  rechnen.  Denn  in 
zwei  Merkmalen,  die  M Coy  für  umbraculum  (im  Gegensatz  zum 
carbonisclien  crenistria  Phill.)  als  charakteristisch  anführt,  nämlich 
in  der  grösseren  Convexität  der  Dorsalklappe  und  im  Vorhandensein 
eines  (in  Fig.  12  deutlich  hervortretenden)  Sinus  auf  jener  Klappe 
findet  eine  offenbare  Uebereinstimmung  mit  dem  devonischen  Typus 
statt.  Nur  in  der  äusseren  Schalensculptur  spricht  sich  eine  Hin- 
neigung zum  carbonisclien  crenistria  aus.  Denn  während  nach 
M’Coy  die  Zwischenräume  der  Rippen  bei  umbraculum  glatt  oder 
nur  mit  schwachen  und  gleichmässigen  Querstreifen  erfüllt  sind, 
sollen  dieselben  bei  crenistria  von  starken,  unregelmässigeren,  eine 
starke  Kerbung  der  Radialrippen  erzeugenden  Querrunzeln  einge- 
nommen werden  (vergl.  Davidson ’s  Abbildungen  1.  c.  tb.  19,  f.  1 


E.  Kayser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


64 

und  2).  Dies  aber  ist  endlich  auch  die  Beschaffenheit  der  Quer- 
sculptur  bei  der  in  Rede  stehenden  rheinischen  Form,  so  dass 
diese  mit  der  äusseren  Gestalt  der  devonischen  Form  eine  Sculptur 
verbindet,  die  derjenigen  der  carbonischen  Art  nahe  steht. 

Es  ist  übrigens  hervorzuheben,  dass  Davidson,  der  an  der 
specifischen  Selbständigkeit  von  umbraculum  und  crenistria  noch 
starke  Zweifel  hegt,  gewisse  Steinkerne  und  Abdrücke  aus  dem 
englischen  Oberdevon  (1.  c.  p.  81,  tb.  18,  f.  4)  nicht  zu  umbraculum, 
sondern  zu  Str.  crenistria  zieht. 

Clionetes  sp. 

Ein  schlecht  erhaltenes  Exemplar  eines  kleinen,  stark  quer 
ausgedehnten  Clionetes  aus  den  Schiefern  der  Prinz  Wilhelmgrube 
sowie  ein  Abdruck  einer  ähnlichen  Form  aus  dem  Sandstein  von 
Hefel.  Die  Längsrippen  vermehren  sich  hie  und  da  durch  Dicho- 
tomie (oder  auch  durch  Einschaltung?)  und  sind  durch  etwa  ebenso 
breite  Zwischenräume  getrennt.  Sie  werden  von  zarten,  gedrängten 
Querstreifen  durchschnitten,  ähnlich  wie  bei  Ch.  elegans  de  Kon. 
(Monogr.  Product.  Chonet.  pl.  20,  f.  13)  und  Ch.  setigera  Hall  und 
Logani,  Nop.w.  & Pratt.  (Hall,  Pal.  N.-York  IV,  tb.  22).  Eine 
nähere  Bestimmung  der  vorliegenden  Reste  ist  nicht  möglich. 


Stroplialosia  prodnctoides  Murch. 

Tat.  II,  Fig.  3 u.  4. 

— ■ — Davidson,  Br.  Devon.  Brach,  p.  97,  tb.  19. 

Eine  im  Devon  und  zwar  besonders  in  dessen  jüngeren  Niveaus 
häufige,  ausserordentlich  weit  verbreitete  Art.  Sie  kommt  bei  Vfelbert 
sowohl  im  Haldengestein  der  Grube  Prinz  Wilhelm  als  auch  in  den 
sandigen  Schichten  bei  Hefel  vor,  woher  die  beiden  abgebildeten 
Stücke  stammen.  Ein  unvollständiges  Stück  von  der  Prinz  Wil- 
helmgrube zeigt  dieselbe  feine,  wellig- runzelige  Q.uersculptur,  wie 
sie  Davidson  (1.  c.  Fig.  20)  bei  Exemplaren  bei  Phillips"  Str. 
( Productus ) membranacea  abbildet. 


am  Norctrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


65 


Productus  praelongus  Sow. 

Taf.  II,  Fig.  1 u.  2. 

— — Davidson,  Mon.  Brit.  Devon.  Brach,  p.  102,  tb.  19,  f.  22 — 25. 

Eine  ziemlich  erhebliche  Dimensionen  erreichende  Muschel 
von  4 seifigem,  überwiegend  längsausgedehntem  Umriss  mit  kräf- 
tigem, stark  gekrümmtem  Schnabel.  Ohren  rechteckig,  nieder- 
gedrückt. Der  mittlere  Tlieil  der  grossen  Klappe  wird  von  einer 
flachen,  ziemlich  breiten,  longitudinalen  Einsenkung  eingenommen, 
in  deren  Mitte  sich  eine  starke,  mitunter  (Fig.  1)  durch  eine  seichte 
mittlere  Furche  getheilte,  gerundete  Falte  erhebt.  Auf  dieser  Falte 
erheben  sich  hinter  einander  einige  Stachelröhren.  Die  seitlichen 
Theile  der  Muschel  sind  mit  ziemlich  starken,  aber  etwas  ungleich- 
mässigen  Radialrippen  bedeckt. 

Von  dieser  interessanten  Muschel  liegt  mir  ein  halbes  Dutzend 
mehr  oder  minder  gut  erhaltener  Steinkerne  aus  dem  dunkelen 
Schiefergrestein  der  Prinz  Wilhelmgrube  vor.  Sie  stellt  weitaus 

O O 

die  grösste,  mir  bis  jetzt  aus  devonischen  Ablagerungen  bekannt 
gewordene  Procluctus-  Art  dar. 

Die  rheinische  Form  stimmt  sehr  gut  mit  den  Abbildungen 
(namentlich  mit  Fig.  24  u.  25)  überein,  welche  Davidson  (1.  c.) 
von  einer  häufigen,  aber  ebenfalls  nur  in  Steinkernen  vorkommenden 
Muschel  aus  den  schieferig-sandig  oberdevonischen  Marwood-  und 
Piltonbeds  von  North  Devon  und  West  Somerset  gegeben  hat,  nur 
dass  die  englische  Form  kaum  halb  so  gross  ist,  als  die  deutsche. 
Beiden  Formen  gemein  ist  die  vierseitige,  verlängerte  Gestalt,  der 
stark  gebogene  Ventralbuckel,  die  mittlere  Einsenkung  der  Ventral- 
klappe, die  sich  darin  erhebende,  mit  Stacheln  besetzte  Längsfalte 
und  die  Radialrippen  auf  den  Seiten. 

Wenn  ich  demnach  die  rheinische  Form  mit  gutem  Recht  mit 
dem  Sowerby  'sehen  Productus  praelongus  identificiren  zu  dürfen 
glaube,  so  kann  ich  doch  andererseits  meine  Bedenken  in  Betreff 
der  specifischen  Selbständigkeit  dieser  Art  nicht  ganz  unterdrücken. 
Sie  besitzt  nämlich  so  grosse  Aehnlichkeit  mit  Phillips  carbo- 
nischem  mesolobus  (vergl.  Davidson,  Brit.  Carbonif.  Brach,  tb.  31, 
f.  6 — 9),  dass  es  mir  fraglich  erscheint,  ob  beide  Formen  mit 
Recht  getrennt  werden.  Nach  M’Coy  und  Davidson  soll  der 


66 


E.  Kayser,  Beitrage  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


Hauptunterschied  beider  Formen  darin  liegen,  dass  die  seitlichen 
Theile  bei  mesolobus  glatt,  bei  praelongus  dagegen  gerippt  sind. 
Stücke,  wie  das  von  Davidson  1.  c.  Fig.  6 abgebildete,  zeigen 
indess,  dass  Rippen  auch  der  carbonischen  Art  wenigstens  nicht 
gänzlich  fehlen.  Es  scheint  mir  daher  noch  etwas  fraglich,  ob 
man  beide  Formen  auf  die  Dauer  wird  getrennt  halten  können. 
Will  man  indess  an  der  Selbständigkeit  der  devonischen  Form 
festhalten,  so  müsste  man  den  Hauptnachdruck  legen:  1)  auf  die 
stärkere  Entwickelung  der  seitlichen  Rippen  und  2)  auf  das  Be- 
schränktsein der  Stachelröhren  der  Ventralklappe  auf  die  Mittel- 
rippe , während  bei  mesolobus  die  Stacheln  über  die  ganze  Schale 
zerstreut  sind. 


Productus  sp. 

Tat.  II,  Fig.  5. 

In  den  glimmerigen  Sandsteinen  von  Hefel  hat  sich  noch  ein 
anderer  Productus  gefunden,  von  dem  aber  leider  nur  der  einzige 
abgebildete  Abdruck  der  Dorsalschale  vorliegt.  Die  stark  concave, 
ungemein  stark  in  die  Quere  ausgedehnte  Klappe  hat  eine  glatte, 
nur  mit  schwachen,  etwas  welligen  Querstreifen  bedeckte  Oberfläche. 
Dieselbe  war  mit  sehr  zahlreichen  dünnen,  über  die  ganze  Schale 
zerstreuten  Stachelröhrchen  bedeckt,  die  im  Abdruck  natürlich  als 
vertiefte,  Nadelstich -ähnliche  Punkte  erscheinen  müssen. 


Crania  trigonalis  M’Coy. 

Tat.  I,  Fig.  6. 

— — Davidson,  Brit.  Carbon.  Brach,  p.  196,  tb.  48,  f.  14. 

Nach  der  von  Davidson  gegebenen  Abbildung  zeichnet  sich 
die  freie  Klappe  dieser  Art  durch  flach  konische  Gestalt,  einen 
gerundet  vierseitigen,  trapezförmigen  Umriss,  nahe  an  die  kürzeste 
Seite  des  Trapezes  herangerückten  Scheitel  und  von  demselben 
auslaufende  gedrängte,  markirte,  nach  dem  Rande  zu  durch 
Spaltung  vermehrte  Rippen  aus. 

Mit  dieser  dem  irischen  Kohlenkalk  angehörigen  Form  stimmt 
ein  von  mir  in  den  glimmerigen  Sandsteinen  bei  Hefel  gefundener 

o o O 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


67 


Abdruck  der  kegelförmigen  Oberschale  in  allen  Stücken  gut 

o O O 

überein.  M’Coy  hatte  die  Art  ursprünglich  zu  Orbicula  gerechnet, 
Davidson  stellte  sie  zu  Crania , jedoch  mit  Zweifel,  da  auch 
ihm  das  Innere  unbekannt  war.  Der  von  mir  abgebildete  Abdruck 
der  Innenseite  der  Oberschale  zeigt,  dass  Davidson’ s Classification 
die  richtige  war. 

Die  beschriebene  Art  ist  die  einzige  in  unserer  Fauna,  welche 
bisher  nur  aus  dem  Kohlengebirge  bekannt  war. 


Cyathophylliun  ? sp. 

Sowohl  in  den  schwarzen  Schiefern  der  Prinz  Wilhelmgrube 
als  auch  im  Sandstein  von  Hefe!  finden  sich  nicht  selten  bis  ein 
paar  Zoll  lang  werdende,  hornförmig  gestaltete  Einzelkelche  einer 
rugosen  Koralle,  die  vielleicht  zu  dieser  Gattung  gehören. 


Arten  aus  dem  Culm  von  Aprath. 

Die  Versteinerungen  der  Culmscliiefer  von  Aprath  sind  bereits 
im  Jahre  1857  Gegenstand  einer  Dissertation  Seitens  des  seitdem 
verstorbenen  J.  H.  Sarres  gewesen.  ( De  petref actis  quae  in  schisto 
posiclonico  prope  Elberfeldam  urbern  inveniuntur.  Dissert.  inauguralis. 
Berolini  1857.)  Trotzdem  dieselbe  manches  Neue  enthält  — der 
Verfasser  beschreibt  unter  Anderem  3 neue  Producten,  sowie  ein 
Pleurodictyum  — so  ist  die  Arbeit  doch  first  ganz  unbekannt  ge- 
blieben. Nicht  einmal  Herr  von  Dechen  in  seiner  sonst  so  voll- 
ständigen Uebersicht  der  mineralog.  und  geolog.  Literatur  der 
Provinzen  Rheinland -Westfalen  (Bonn,  1872)  erwähnt  dieselbe. 
Schon  dieser  Umstand  liess  es  mir  nützlich  erscheinen,  neue  Mit- 
theilungen über  die  Aprather  Fauna  zu  geben  und  die  3 Producten, 
die  Sarres  beschrieben,  aber  nicht  bildlich  dargestellt  hat,  ab- 
bilden zu  lassen.  Herr  Geheimrath  Beyrich  stellte  mir  zu  diesem 
Zweck  die  im  hiesigen  Universitätsmuseum  aufbewahrten  Origi- 
nalien des  Herrn  Sarres  gütigst  zur  Verfügung. 

O O o o 


5* 


G8 


E.  Kays  er,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


Ich  selbst  hatte  den  Vortheil,  bei  Aprath  unter  der  local- 
kundigen  Führung  des  Herrn  Pastor  Heinersdorff  aus  Elberfeld 
sammeln  zu  können  und  in  Folge  dessen  in  kurzer  Zeit  eine 
sehr  gute  Ausbeute  zu  machen.  Unter  den  von  mir  gefundenen 
Fossilien  lege  ich  einen  besonderen  Werth  auf  vollständige  Exem- 
plare  zweier  wichtigen  Phillipsia  - Arten.  Ich  habe  dieselben  auf 
Tafel  III  abbilden  lassen  und  freue  mich  darüber  umsomehr,  als 
in  der  Literatur  bis  jetzt  noch  keine  einzige  Abbildung  eines 
vollständigen  rheinischen  Culmtri  lobiten  existirt  und  des- 
halb die  Frage,  welche  der  sich  so  häutig  findenden  isolirten  Köpfe 
und  Schwänze  als  zusammengehörig  zu  betrachten  seien,  noch 
keineswegs  entschieden  war. 

In  Betreff  des  Erhaltungszustandes  der  Aprather  Culmver- 
steinerungen  bemerke  ich,  dass  dieselben  fast  ausnahmslos  in 
Steinkernen  und  Abdrücken  Vorkommen,  welche  letztere  indess 
in  den  dünnschichtigen,  meist  etwas  kieseligen  bis  wetzschiefer- 
ähnlichen Schiefern  mitunter  von  grosser  Schönheit  sind. 


Phillipsia  aequalis  H.  v.  Meyer. 

Tat.  III,  Fig.  7 u.  8. 

Calymene  (?)  aequalis  v.  Meyer,  N.  Acta  Aead.  Leopold.  Carol.  XV,  2,  p.  100, 
tb.  36,  f.  13,  1831. 

Cylindraspis  latispinosa  Sandberger,  Rhein.Schicht.Nass.,p.33,tb.3,f.4,4a(excl.caet.) 
Proetus  laevi-cauda  Sarres,  Dissert.  p.  28  (ex  parte?) 

Die  Autoren,  welche  nach  H.  v.  Meyer  den  Namen  aequalis 
gebraucht  haben,  Burmeister,  Emmricii,  Sändberger,  Sarres, 
F.  Römer,  v.  Könen,  haben  darunter  sehr  Verschiedenes  ver- 
standen. Ein  Blick  auf  die  betreffenden  Abbildungen  und  Be- 
schreibungen zeigt,  dass  der  mit  jenem  Namen  belegte  Trilobit 
bald  ein  längliches,  spitz  zulaufendes,  bald  ein  kui’zes,  breites 
Kopfschild  besitzen,  bald  mit  längeren,  bald  mit  kürzeren  Hörnern 
an  den  Hinterecken  ausgestattet  sein,  bald  eine  breite,  fast  cylin- 
drische,  bald  eine  spitz  zulaufende,  spindelförmige  Glabella  haben 
soll.  Das  sind  so  grosse  Unterschiede,  dass  die  fraglichen  Tri- 
lobiten  unmöglich  alle  derselben  Art  angehören  können. 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


G 9 


Zur  Feststellung  der  Charaktere  der  Speeles  muss  man  auf 
die  alte,  aber  gar  nicht  so  üble  Abbildung  H.  v.  Meyer’s  zurück- 
gehen, welche  sich  auf  Reste  eines  Trilobiten  von  Herborn  be- 
zieht. Das  von  Meyer  abgebildete  Kopfschild  besitzt  einen  hoch- 
parabolischen,  an  der  Stirn  etwas  spitzbogig  gebrochenen  Umriss 
und  eine  schlanke,  spindelförmige  Glabella , deren  Breite  hinter 
derjenigen  der  Seitentheile  etwas  zurückbleibt.  Seitenfurchen  sind 
auf  ihr  nicht  wahrzunehmen.  Die  Hinterecken  des  Kopfschildes 
sind  zwar  etwas  zugespitzt,  aber  nicht  in  Hörner  verlängert. 

Die  Sammlung  unserer  Landesanstalt  besitzt  nun  ein  Kopfschild 
mit  noch  erhaltener  Kalkschale  von  Herborn,  welches  im  Umriss 
wie  auch  in  der  Form  der  (übrigens  ungefurchten)  Glabella  sehr 
gut  mit  H.  v.  Meyer’s  Abbildung;  übereinstimmt.  Es  unterscheidet 
sich  von  der  letzteren  lediglich  durch  das  Vorhandensein  von 
Hörnern,  die  indess  kaum  die  halbe  Länge  des  Kopfes  erreichen. 
Dieser  scheinbare  Unterschied  erklärt  sich  indess  daraus,  dass 
unser  Stück  zu  den  seltenen  bei  Herborn  zu  machenden  Funden 
mit  noch  erhaltener  Schale  gehört,  während  das  von  Meyer  ab- 
gebildete Stück  offenbar  nur  Steinkern  war.  Ich  glaube  daher 
nicht  fehl  zu  gehen,  wenn  ich  annehme,  dass  die  Art  stets  mit 
Hörnern  versehen  war,  wenn  dieselben  auch  erheblich  kürzer 
blieben,  wie  bei  der  folgenden  Species. 

Was  nun  den  Taf.  III,  Fig.  7 in  natürlicher  Grösse  abgebil- 
deten Trilobiten  von  Aprath  betrifft,  so  stimmt  das  Kopfschild 
vollständig  mit  dem  oben  beschriebenen  Herborner  sowie  mit 
H.  v.  Meyer’s  Abbildung  überein  und  ich  zweifle  daher  nicht, 
dass  die  Aprather  Form  wirklich  dessen  aequalis  entspricht. 

Ich  gehe  nun  zu  einer  kurzen  Beschreibung  meines  Aprather 
Steinkerns  über. 

Kopfschild  von  hoch -parabolischem,  vorn  etwas  spitzbogig 
gebrochenem  Umriss,  wenig  breiter  als  lang.  Um  dasselbe  läuft 
ein  verhältnissmässig  breiter,  flacher,  (auch  auf  der  äusseren 
Schale)  parallelgestreifter  Randsaum  [der  ursprünglich  an  den 
Hinterecken  in  nicht  sehr  lange  Hörner  ausgezogen  war].  Die 
ziemlich  stark  gewölbte,  scharf  begränzte  Glabella  ist  hinten 
etwa  so  breit,  als  die  Seiten,  verjüngt  sich  nach  vorn  allmälig  und 


70 


E.  Kaysek,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


endigt  unweit  des  Randsaums  mit  gerundeter  Spitze.  Seitenfurchen 
[auch  auf  dem  Herborner  Exemplar]  nicht  mit  Bestimmtheit  er- 
kennbar. Nackenfurche  tief,  Nackenring  breit,  mit  einem  kleinen, 
mittleren  Tuberkel  (Fig.  8 und  mein  Herborner  Kopf).  Verlauf 
der  Gesichtsnähte  aus  Fig.  7 u.  8 ersichtlich.  Augen  schmal, 
halbmondförmig,  reticulirt,  etwa  in  der  Mitte  zwischen  Stirn-  und 
Hinterrand  liegend  und  nahe  an  die  Glabella  herangerückt.  Das 
ganze  Kopfschild,  besonders  die  Glabella,  ist  fein  granulirt. 

Der  Rumpf  zählt  an  meinem  Aprather  Stücke  nur  8 Ringe. 
Dies  hängt  indess  offenbar  mit  dem  noch  unausgewachsenen 
Zustande  des  fraglichen  Exemplars  zusammen,  da  ältere  Indi- 
viduen wahrscheinlich  mindestens  9 Rumpfringe  besitzen.  Die  Axe 
ist  ziemlich  breit,  die  Pleuren  schwach  umgebogen  und  durch  eine 
starke,  wenn  auch  nicht  lange  Furche  getheilt. 

Py  gidium  von  halb  - elliptischem  Umriss,  etwas  kürzer  als 
das  Kopfschild,  von  einem  ziemlich  breiten,  glatten,  ebenfalls 
parallel  gestreiften  Randsaum  umgeben.  Axe  bis  an  den  Rand- 
saum reichend  und  ziemlich  spitz  endigend.  Sie  ist  sehr  schwach 
gegliedert,  ihr  Abdruck  sogar  fast  glatt.  Auch  die  Seiten  sind 
nur  undeutlich  gegliedert. 

Um  nun  zum  Schluss  noch  einige  Mittheilungen  über  die  von 
verschiedenen  Autoren  unter  dem  Namen  aequalis  gegebenen  Ab- 
bildungen zu  machen,  bemerke  ich,  dass  der  von  Burmeister 
(Organisat.  d.  Trilobiten,  tb.  5,  f.  3)  als  Arcliegonus  aequalis  nach 
einem  Original  des  hiesigen  Universitätsmuseums  abgebildete  Tri- 
lobit  von  Altwasser  in  Schlesien  mit  einer  nach  der  Stirn  zu 
nicht  verschmälerten,  sondern  erweiterten  Glabella  unmöglich  zu 
H.  v.  Meyer’ s Art  gehören  kann,  wie  dies  denn  auch  schon  von 
den  Brüdern  Sandberger  (Rhein.  Schichtens.  Nassau  p.  33)  her- 
vorgehoben worden  ist.  Aber  auch  die  von  F.  Römer  aus  den 
Culm-Schiefern  von  Bautsch  in  Mähren  (Geologie  von  Oberschlesien, 
tb.  6,  f.  6)  abgebildete  und  fraglich  auf  Phillipsia  latispinosa  Sandb. 
— aequalis  H.  v.  Meyer  bezogene  Form  mit  breitem,  flachbogig 
begränzten  Kopfschild  und  sehr  breiter,  nach  vorn  zu  nicht  ver- 
jüngter Glabella  muss  ich  für  eine  ganz  verschiedene  Art  halten. 
Was  weiter  den  von  Emmricii  (Schulprogramm  1844,  f.  6)  als 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


71 


Phillipsia  aequalis  abgebildeten  Kopf  von  Herborn  betrifft,  so 
möchte  ich  denselben  mit  Herrn  von  Könen  (Neues  Jahrb.  f. 
Mineralogie  etc.  1879,  p.  312)  für  wenig  glücklich  restaurirt  halten. 
Die  kurzen  Hörner  scheinen  auf  die  Zugehörigkeit  zu  H.  v.  Meyers 
Art  hinzuweisen  und  auch  die  Gestalt  der  Glabella  würde  nicht 
gerade  dagegen  sprechen.  Das  von  den  Gebrüdern  Sandberger 
(1.  c.  tb.  3,  f.  4)  abgebildete  Kopfschild  endlich  möchte  ich,  auch 
wenn  es  nach  vorn  nicht  ganz  so  spitz  zuläuft,  wie  bei  meinem 
Herborner  und  Aprather  Exemplar,  dennoch  auf  aequalis  beziehen. 
Die  Naht  verläuft  nach  den  nassauischen  Autoren  vor  dem  Aug-e 
etwas  stärker  nach  auswärts,  als  bei  der  Aprather  Form.  Die 
von  denselben  Gelehrten  mit  dem  erwähnten  Kopfe  zu  einer  Art 
verbundenen  Rumpf-  und  Schwanzreste  dagegen  gehören  sicherlich 
einer  anderen  Art  an.  Denn  jene  Schwänze  sind  nicht  blos  breiter 
und  kürzer,  sondern  auch  ohne  Randsaum  und  — was  das  wich- 
tigste ist  — auf  der  Axe  wie  auf  den  Seiten  deutlich  gegliedert, 
während  der  Schwanz  der  Aprather  Form  im  Gegentheil  nur  sehr 
schwach  gegliedert  ist. 

Phillipsia  longicornis  n.  sp. 

Taf.  III,  Fig.  9,  10. 

Der  zweite  von  mir  bei  Aprath  gefundene  vollständige  Trilobit, 
der  in  Fig.  9 in  natürlicher  Grösse,  in  9 a in  3facher  Vergrösserung 
abgebildet  ist,  dürfte  wohl  ohne  Zweifel  eine  von  Ph.  aequalis  ver- 
schiedene Art  darstellen. 

Das  Kopfschild  ist  breiter,  als  bei  H.  v.  Meyer ’s  Art  und 
läuft  nach  der  Stirn  nicht  spitz  zu,  sondern  endigt  hier  vielmehr 
mit  flachbogiger  Contour.  Es  wird  von  einem  ganz  ähnlichen 
Randsaum  umgeben,  wie  aequalis,  nur  dass  derselbe  an  den  Hinter- 
ecken zu  langen , der  Gesammtlänge  des  Kopfschildes  gleichkom- 
menden  Hörnern  ausgezogen  ist  — ein  Unterschied,  der  schon 
allein  zur  specifischen  Unterscheidung  der  in  Rede  stehenden  Form 
hinreichen  würde.  — Die  Glabella  ist  verhältnissmässig  schmäler, 
als  bei  aequalis,  aber  nach  vorn  etwas  schwächer  verjüngt.  Sie 
reicht  bis  in  die  Nähe  des  Randsaums  und  endigt  liier  mit  ziemlich 


72 


E.  Kaiser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


breiter  Rundung.  Von  einer  Furchung  derselben  ist  Nichts  wahr- 
zunehmen. Der  Nackenring  meines  Stückes  ist  schlecht  erhalten, 
ich  kann  daher  über  seine  Form  nichts  Genaueres  aussagen.  Die 
Form  und  Lage  der  Augen  sowie  der  Verlauf  der  Gesichtsnähte 
bei  der  fraglichen  Art  stimmen  wesentlich  mit  Ph.  aequalis  überein. 

Der  Rumpf  zeigt  auch  bei  dem  in  Rede  stehenden  Stücke 
nicht  die  volle  Zahl  von  Ringen,  sondern  nur  7,  was  ebenfalls  mit 
dem  jugendlichen  Zustande,  ausserdem  aber  auch  mit  einer  geringen 
Aufschiebung  des  Kopfes  auf  den  Rumpf  zusammenhängt,  durch 
die  der  Nackenring  fast  ganz  zerstört  worden  ist.  Axe  ziemlich 
stark  gewölbt,  erheblich  schmäler  als  die  Seiten.  Pleuren  durch 
starke,  weiter  als  bei  aequalis  zurückreichende  Furchen  getheilt. 

Schwanzs  c h i 1 d in  Umriss  und  Beschaffenheit  des  Randsaums 
nicht  erheblich  von  aequalis  verschieden.  Dagegen  ist  die  ziemlich 
stark  gewölbte  Axe  vergleichsweise  schmäler  und,  ebenso  wie  die 
Seiten,  deutlich  gegliedert.  Auf  der  Axe  zähle  ich  etwa  14,  auf 
den  Seiten  8 Ringe.  Die  Seitenringe  sind,  ähnlich  wie  die  Pleuren, 
durch  starke,  schon  in  der  Mitte  der  Ringe  beginnende  Rand- 
furchen gespalten. 

Das  Fig.  10  abgebildete  isolirte  Randschild  eines  Kopfes  möchte 
wohl  ebenfalls  unserer  neuen  Art  angehören. 

Zu  dieser  Art  gehört  sehr  wahrscheinlich  auch  ein  vollständiges 
sich  im  Besitz  unserer  Sammlung  befindliches  Exemplar  eines 
kleinen  Trilobiten  von  Pierborn.  Derselbe  besitzt  bei  ähnlich  con- 
tourirtem  Kopfschilde  noch  längere,  der  ganzen  Körperlänge  gleich- 
kommende Hörner.  Die  ganze  Körperaxe  sammt  der  Glabella  ist 
verhältnissmässig  breiter,  als  bei  der  Aprather  Form,  aber  der 
Abdruck  des  Schwanzes  zeigt  dieselbe  kräftige  Gliederung  und 
die  Pleuren  dieselbe  Spaltung  durch  tiefe,  lange  Furchen.  Da  es 
bekannt  ist,  dass  bei  vielen  Trilobiten  bei  sonst  wesentlich  gleich- 
bleibenden Merkmalen  breite  kurze  und  schmale  lange  Formen 
nebeneinander  Vorkommen  (Unterschiede,  die  von  manchen  Forschern, 
wie  Salter,  vielleicht  nicht  mit  Unrecht  als  sexuell  gedeutet  werden), 
so  würde  auch  das  fragliche  Herborn  er  Exemplar  als  breite  Form 
des  Fig.  9 abgebildeten  Aprather  longicornis  angesehen  werden 
können. 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


73 


Eine  andere,  ebenfalls  breite  Form  unserer  Art  stellt  vielleicht 
auch  Richters  langhörn  iger  Proetus  posthumnus  (Zeitschr.  d.  Deutsch, 
geol.  Ges.  XYI,  tb.  3,  f.  1)  aus  dem  thüringischen  Cuhn  dar. 

Es  ist  möglich,  dass  die  Brüder  Sandberger  zu  ihrer  Cylin- 
draspis  latispinosa  (=  C.  aequalis  H.  v.  Meyer)  auch  zu  longicornis 
gehörigen  Reste  gezogen  haben;  allein  thatsächliche  Anhaltspunkte 
habe  ich  für  diese  Annahme  nicht.  Die  Beschreibung  und  Ab- 
bildung, welche  die  genannten  Forscher  vom  Kopfschild  von  lati- 
spinosa geben,  passt  ganz  gut  auf  aequalis,  und  was  die  von  ihnen 
zu  latispinosa  gerechneten  Schwänze  betrifft,  so  können  dieselben 
bei  dem  völligen  Mangel  eines  Randsaums  weder  zu  aequalis  ge- 
hören — wie  Herr  von  Ivönen  (1.  c.  p.  312  u.  315)  annimmt  — 
noch  auch  zu  longicornis.  Es  würde  daher  auch  ganz  ungerecht- 
fertigt sein,  wenn  ich  etwa  den  Sandberger  sehen  Namen  lati- 
spinosa für  meine  langhörnige  Art  beibehalten  wollte. 


Phillipsia  cnf.  Eichwaldi  Fisch. 

Taf.  III,  Fig.  6. 

Es  liegt  mir  von  Aprath  ein  Kern  eines  ungewöhnlich  grossen 
Schwanzschildes  vor.  Dasselbe  ist  von  kurz-halbelliptischem  Um- 
riss und  besitzt  einen  breiten,  parallel-gestreiften,  schwach  concaven 
Randsaum,  der  ein  paar  Millim.  tiefer  liegt,  als  das  übrige  Pygi- 
dium.  Die  deutlich  begränzte  Axe  ist  schwach  gewölbt  und  sehr 
breit  und  endigt  schon  in  einiger  Entfernung  vom  Randsaum  mit 
stumpf  gerundeter,  noch  immer  sehr  breiter  Spitze.  Sie  besteht 
aus  10 — 12  deutlichen  Ringen.  Die  Seiten  sind  sehr  schwach 
gewölbt  und  lassen  8 — 9 massig  starke,  nach  dem  Randsaum  zu 
verschwindende  Ringe  erkennen,  die  (wenigstens  auf  dem  vor- 
liegenden Steinkerne)  nicht  durch  Furchen  getheilt  sind. 

Das  beschriebene  Pygidium  erinnert  durch  seine  kurz-elliptische 
Gestalt  und  breite  Axe  an  Fischer' s Ph.  Brongniarti  (de  Köninck, 
Anim.  foss.  calc.  carb.  etc.  pl.  53,  f.  7)  aus  dem  belgischen  Kohlen- 
kalk, mit  dem  de  Iyoninck  auch  den  ähnlichen  von  Phillips 
(Geol.  Yorkshire  II,  p.  239,  tb.  22,  f.  4)  unter  der  Bezeichnung 
Asaphus  obsoletus  abgebildeten  Schwanz  vereinigt.  Beide  Arten 


74 


E.  Kayser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


erklärt  v.  Möller  (Trilob.  d.  russ.  Steinkoblenformation,  Separatabz. 
aus  Bull.  Soc.  Imp.  Natural.  Moscou  1867,  p.  14,  74)  für  synonym 
mit  Phillipsia  ( Asaphus ) Eichwaldi  Fisch.  Indess  endigt  die  Axe  des 
Apratlier  Schwanzes  noch  etwas  stumpfer,  als  bei  dem  oben  an- 
gezogenen, von  de  Köninck  abgebildeten  und  gleicht  in  dieser 
Hinsicht  mehr  dem  von  Phillips  abgebildeten  Pygidium.  Noch 
spitzer  endigt  die  Axe  bei  der  Abbildung,  die  Herr  v.  Möller 
(1.  c.  Fig.  3)  von  dem  Schwänze  des  russischen  Eichwaldi  giebt. 

Phillipsia  sp. 

Tat.  III,  Fig.  11. 

Ein  anderes  Apratlier  Pygidium  zeichnet  sich  bei  massiger 
Grösse  durch  kurzelliptischen  Umriss  und  flach  gewölbte  Axe  und 
Seiten  aus.  Die  Axe  ist  in  der  Mitte  schwach  kielförmig  erhoben, 
erheblich  schmäler  als  die  Seiten,  verjüngt  sich  nach  hinten  rasch 
und  läuft  in  einiger  Entfernung  vom  Rande  in  eine  schmale,  dolch- 
förmige Spitze  aus.  Man  zählt  auf  der  Axe  13  deutliche  Ringe. 
Auf  den  Seiten  liegen  9 markirte,  flach -bogige  Rippen,  die 
schon  in  geringer  Entfernung  von  der  Axe  durch  eine  nach  dem 
Rande  zu  ziemlich  breit  werdende  Mittelfurche  getheilt  werden. 
In  der  Nähe  des  Randes  verschwinden  die  Rippen  und  es  entsteht 
dadurch  eine  Art  glatter  Randsaum. 

Die  auszeichnenden  Merkmale  des  beschriebenen  Schwanzes 
liegen  in  seiner  kurzen,  breiten  Gestalt,  seiner  Flachheit,  der  deut- 
lichen Gliederung  von  Axe  und  Seiten  sowie  in  der  langen,  dolch- 
förmigen Endigung  der  in  der  Mitte  etwas  kielförmig  erhobenen 
Axe.  Auch  bei  der  bekannten  Ph.  mucronata  M Coy  läuft  die 
Axe  in  eine  lange  Spitze  aus,  aber  hier  ist  das  ganze  Hinterende 
des  Pygidiums  iu  eine  Spitze  ausgezogen. 

Ich  kenne  keine  ähnliche  Art. 

Sarres  beschreibt  (1.  c.  p.  30)  noch  eine 

Phillipsia  emarginata  n.  sp. 

Die  Glabella  dieser  Form  soll  nach  der  Stirn  zu  erweitert 
sein,  so  dass  hier  ein  Griffithides  vorliegen  würde.  Sie  soll  ein 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


75 


Paar  Seiten-Furchen  besitzen,  welche  jederseits  an  der  Basis  einen 
3 eckigen  Lappen  abscheiden.  9 Rumpfringe. 

Das  Schwanzschild  wird  als  lang  und  zugespitzt  ( subacumi - 
natum')  und  von  einem  glatten  Randsaum  umgeben  beschrieben. 
Axe  mit  15,  Seiten  mit  8 Ringen. 

Ich  kenne  diese  Form  nicht  aus  eigener  Anschauung,  da  das 
Original  in  der  Universitätssammlung  nicht  vorhanden  ist, 

Cypritlina  subglobulosa  Sandb. 

Sandberger,  1.  c.  p.  6,  tb.  1,  f.  4. 

Diese  Art  ist  bei  Aprath  nicht  selten,  aber  wenig  gut  erhalten. 
Goniatites  crenistria  Phill. 

Sandberger,  tb.  5,  f.  1. 

Sarres,  p.  27. 

Goniatites  mixolobus  Phill. 

Sandberger,  tb.  3,  f.  13;  tb.  5,  f.  1. 

Sarres,  p.  27. 

Orthoceras  scalare  Goldf. 

Sandberger,  tb.  19,  f.  5. 

Sarres,  p.  28. 

Orthoceras  striolatum  PI.  v.  Meyer. 

Sandberger,  tb.  19,  f.  3. 

Sarres,  p.  28. 

Pleurotomaria  sp. 

Sarres  (Dissert.  p.  26)  beobachtete  Fragmente  von  Pleuroto- 
marien,  die  wahrscheinlich  mehr  als  einer  Art  angehören. 

Posidonia  Becheri  Bronn. 

— acuticosta  Sandberger,  tb.  30,  f.  9. 

Sarres,  p.  26. 

Alle  diese  5,  im  rheinischen  Culm  so  häufige  Arten  sind 
auch  bei  Aprath  vertreten. 


76 


E.  Kayser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


Pecteii  densistria  Sande. 

— — Sandberger,  p.  296,  tb.  30,  f.  12. 

— — Sarres,  p.  24. 

— — v.  Könen,  Neues  Jahrb.  f.  Min.  1879,  p.  327,  tb.  6,  f.  2 

Es  liegt  ein  guter  Abdruck  der  rechten  Klappen  vor,  der  mit 
der  von  Herrn  von  Könen  gegebenen  Abbildung  gut  überein- 
stimmt, nur  dass  das  Byssusohr  etwas  stärker  vorspringt.  Mit  der 
Abbildung  der  Brüder  Sandberger  stimmt  mein  Stück  weniger 
gut  überein. 

Sarres  beschreibt  (p.  24)  noch  einen  Pecten  plicatus  n.  sp., 
den  er  mit  densistria  vergleicht , von  dem  sich  seine  Art  indess 
durch  ungleich  grosse  Ohren  unterscheiden  soll.  Da  aber  auch 
die  Ohren  von  densistria  nicht  gleich  gross  sind,  so  kann  Herr 
v.  Könen  mit  seiner  Vermuthung,  dass  die  SARREs’sche  Art  mit 
densistria  ident  sei,  Recht  haben. 

Pecten  cnf.  grandaevus  Golde. 

Sarres  , p.  26. 

Sarres  beschreibt  (1.  c.  p.  22)  unter  dem  Namen  P.  margi- 
natus  eine  Art,  die  er  mit  dem  bekannten  GoLDFüSs’schen  gran- 
daevus (=  subspinulosus  Sandb.  1.  c.  tb.  80,  f.  11)  vergleicht,  die 
sich  aber  durch  Ungleichseitigkeit  [dieselbe  kommt  auch  gran- 
daevus zu],  stärkere  Breitenausdehnung,  schwächere  bis  fehlende 
Längsfalten  auf  den  Ohren,  Fehlen  der  für  grandaevus  charakte- 
ristischen knotenförmigen  Höcker  auf  den  Radialfalten,  sowie  end- 
lich durch  dichter  stehende  Anwachsstreifen  unterscheiden  soll. 

Die  Prüfung  des  im  hiesigen  Museum  aufbewahrten  Originals 
hat  meine  Zweifel,  ob  nicht  doch  nur  ein  schlecht  erhaltener  Ab- 
druck von  P.  grandaevus  vorliegt,  nicht  zu  zerstreuen  vermocht. 

Pecten  Lossen i v.  Könen? 

Neues  Jahrb.  f.  Min.  p.  328,  tb.  6,  f.  1. 

Zu  dieser  neuen  Art  ist  Herr  von  Könen  geneigt,  den  durch 
Sarres  (p.  24)  als  linteatus  Goldf.  (Petref.  Germ.  II,  tb.  114,  f.  9) 
beschriebenen  Pecten  zu  rechnen.  Das  Original  befindet  sich  nicht 
im  hiesigen  Museum, 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


77 


Rhynchonella?  papyracea  A.  Röm. 

Terebratula  — A.  Röm.,  Beitr.  z.  Kennte,  d.  n.  w.  Harzgeb.,  I,  p.4S,  tb.  8,  f.  3 (1850). 
Rhynchonella  — Sarres,  1.  c.  p.  15. 

Streptorhynclms  crenistria  Phill. 

Taf.  III,  f.  12. 

— — Davidson,  Monogr.  Brit.  Carbonif.  Brach,  tb.  26,  27. 

Diese  bekannte,  weitverbreitete  Leitform  des  Kohlengebirges 
kommt  in  sehr  kleinen  Individuen  auch  bei  Aprath  vor.  Ich  habe 
dort  einige  sehr  deutliche  Exemplare  gesammelt.  Der  kaum  ge- 
krümmte Schnabel,  die  verhältnissmässig  hohe,  rechtwinkelig  zur 
Längsaxe  der  Muschel  stehende,  in  der  Mitte  von  einer  dreieckigen 
Oeffnung  durchbrochene  Area  und  die  starken , sich  nach  dem 
Rande  zu  durch  Einschiebung  vermehrenden  Radialstreifen  lassen 
an  der  Zugehörigkeit  der  nur  wenige  Mill.  lang  und  breit  werden- 
den Form  zur  PHiLLiPs'schen  Art  keinen  Zweifel. 

Strophomeiia  analoga  Phill. 

— — Davidson,  1.  c.  tb.  28. 

Von  dieser  Art  liegt  ein  deutlicher  Steinkern  vor. 

Chonetes  Laguessiana  de  Kon. 

Taf.  III,  f.  17  — 18. 

— — de  Köninck,  Monogr.  Product.  Chonet.  p.  198,  tb.  20,  f.  6. 

— Hardrensis  Phile.,  Davidson,  Mon.  Br.  Carbon.  Brach,  p.  186,  tb.  47,  f.  12 — 25. 

— tuberculata  M’Coy,  Sarres,  1.  c.  p.  18  (ex  parte). 

Eine  kleine,  kaum  über  8 Mi  11  im.  lang  und  16  Millim.  breit 
werdende,  halbkreisförmige,  stets  stark  quer  ausgedehnte,  convex- 
concave  Muschel.  Die  grösste  Breite  liegt  im  Schlossrand  oder 
zwischen  diesem  und  der  Mitte.  Der  Ventralbuckel  ist  klein  und 
hängt  nicht  über  den  Schlossrand  über,  die  Area  ist  massig  gross, 
und  in  der  Mitte  von  einer  dreieckigen,  durch  ein  Pseudodeltidium 
überdeckten  Oeffnung  durchbrochen.  Auf  jeder  Seite  des  Buckels 
treten  auf  der  Ventralklappe  in  der  Nähe  des  Schlossrandes  2 — 3 
schräg  nach  aussen  gerichtete  Stachelröhren  auf.  Die  Oberfläche 
der  Schale  ist  mit  zahlreichen  fadenförmigen  Radialrippchen  be- 


78 


E.  Kayser,  Beiträge  zur  Kenntnis®  von  Oberdevon  und  Culm 


deckt,  die  sich  durch  häufig  wiederholte,  in  verschiedener  Ent- 
fernung zwischen  Buckeln  und  Rand  stattfindende  Spaltung  ver- 
mehren und  deren  man  am  Rande  zwischen  50  und  70  zählt. 

Diese  Art  ist  bei  Aprath  häufig.  Sie  stimmt  gut  mit  den 
Beschreibungen  und  Abbildungen  überein,  die  de  Köninck  und 
Davidson  von  der  Muschel  des  belgischen  und  englischen  Kohlen- 
kalks gegeben  haben. 

Sarres  hat  die  Art  auf  M Coy's  Ch.  tuberculata  bezogen, 
eine  Art  des  irischen  Kohlenkalks,  die  sich  nach  de  Köninck  (Mon. 
Prod.  Chon.  222,  pl.  19,  f.  4)  von  der  ihr  ähnlichen  Laguessiana, 
durch  die  eigentümliche  Sculptur  ihrer  Rippen  unterscheiden  soll, 
welche  in  der  ersten  Hälfte  glatt,  in  der  zweiten  aber  mit  einer 
Anzahl  kleiner  Tuberkel  versehen  sind 1).  Die  in  der  hiesigen 
Universitätssammlung  aufbewahrten  Originalexemplare  von  Sarres 
lassen  indess  nichts  von  einer  derartigen  Sculptur  erkennen.  Da- 
gegen kommt  bei  Aprath  eine  andere  Art  (67t.  rectispina ) vor, 
welche  granulirte  Rippen  besitzt.  Sie  ist  es  wahrscheinlich,  bei 
der  Sarres  die  Granulation  beobachtet  hat,  die  er,  da  er  bei 
Aprath  nur  eine  Chonetes-Art  annahm,  allen  dort  vorkommenden 
Choneten  zugeschrieben  hat. 


Chonetes  rectispina  v.  Könen? 

Tat.  III,  Fig.  13,  14. 

Chonetes  rectispina  v.  Könen,  Neues  Jahrb.  f.  Min.  1879,  p.  327,  tb.  7,  f.  4. 

? Chonetes  longispina  A.  Rom.,  Beitr.  n.  w.  Harzgeb.  I,  p.  47,  tb.  8,  f.  2,  1850. 

Eine  bei  Aprath  ziemlich  häufige,  bis  8 Millim.  lang  und 
12  Milim.  breit  werdende  Art  von  halbkreisförmigem,  stets  in  die 
Quere  ausgedehntem  Umriss.  Die  grosse  Klappe  mässig  stark 
convex,  die  kleine  entsprechend  concav.  Die  Oberfläche  ist  mit 
zahlreichen  feinen,  oft  dichotomirenden  Rippchen  bedeckt,  deren 
am  Rande  80  oder  mehr  liegen.  Unter  der  Lupe  zeigen  sie  bei 


!)  Davidson  (1.  c.  p.  191)  scheint  die  Selbständigkeit  der  M’Cov’schen  Art 
nicht  anerkennen  zu  wollen,  da  er  sie  als  »very  doubtfull  so  termed  species« 
anführt. 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


79 


erhaltener  Schale  oder  im  Abdruck  eine  ziemlich  starke  Granu- 
lation. Das  auszeichnendste  Merkmal  der  Art  aber  liegt  in  dem 
Vorhandensein  von  2 (oder  vielleicht  auch  3)  langen,  nahezu  recht- 
winkelig zum  Schlossrande  stehenden  Stachelröhren  auf  jeder  Seite 
des  Ventralbuckels. 

Die  Art,  die  Herr  von  Könen  unlängst  aus  dem  Culm 
von  Herborn  beschrieben,  ist  mit  der  Aprather  wahrscheinlich 
ident,  v.  Könen  zählte  am  Rande  gegen  100  Rippen,  über  deren 
etwaige  Granulation  indess  keine  Angaben  gemacht  werden.  Viel- 
leicht  gehört  hierher  auch  A.  Römer’s  Chon,  longispina  aus  dem 
Culm  von  Lautenthal,  die  2 lange,  ähnlich  stehende  Stacheln  auf 
jeder  Seite  des  Ventralbuckels  und  am  Rande  80  Rippchen  besitzt. 
Sie  weicht  nur  durch  stärkere  Querausdehnung  und  etwas  flügel- 
förmig vortretende  Seitenecken  ab  1). 

Möglicherweise  könnte  sich  unsere  Art  auch  mit  der  schon 
vor  langer  Zeit  durch  M Cov  aus  dem  irischen  Kohlenkalk  be- 
schriebenen  (Carbon,  foss.  Ireland,  tb.  21,  f.  9;  de  Köninck,  Mon. 
Product.  Chonet.  tb.  20,  f.  11)  Chon,  perlata  decken,  einer  kleinen, 
ebenfalls  stark  quer  ausgedehnten,  fein  gerippten  Form  mit  vier 
rechtwinkelig  stehenden  Stachelröhren  auf  jeder  Seite  des  Wirbels. 
Die  Beschreibung  M’Cov’s  ist  indess  zu  unvollständig,  um  hierüber 
in’s  Klare  zu  kommen  2). 

Auch  in  den  jüngsten  Devonbildungen  des  Staates  N.-York, 
in  den  Chemung  - Schichten , kommt  eine  verwandte  Art  vor, 
Ch.  setigera  Hall  (Palaeont.  N.-York  IV,  p.  129,  tb.  21,  22).  Die- 
selbe stimmt  in  ihrer  halbkreisförmigen,  quer  ausgedehnten  Gestalt 
und  den  2 — 3 nahezu  rechtwinkeligen,  sich  auf  jeder  Seite  des 
Schlossrandes  erhebenden  Stacheln  ganz  mit  der  oben  beschriebenen 
Muschel  überein  und  unterscheidet  sich  von  derselben  nur  durch 
die  geringere  Zahl  der  Rippen  (36  — 50). 


')  Ist  die  Römer’ sehe  Muschel  wirklich  ident,  so  würde  der  Name  longispina 
die  Priorität  haben. 

2)  Davidson  (Mon.  Brit.  Carbon.  Brach,  p.  189)  will  der  fraglichen  Form 
die  specifische  Selbständigkeit  absprechen  und  betrachtet  sie  als  Varietät  seiner 
Ilardrensis  (==  Languessiana). 


80 


E.  Kayser,  Beitrüge  zur  Kenntniss  von  Oberdeyon  und  Culm 


Chonetes  Buchiana  de  Kon. 

Taf.  III,  Fig.  16. 

— — de  Köninck,  Mon.  Product.  Chonet.  p.  218,  tb.  20,  f.  17. 

— — Davidson,  Mon.  Br.  Carbon.  Brach,  p.  184,  tb.  47,  f.  1 — 7. 

Von  dieser  leicht  erkennbaren,  bereits  aus  dem  Carbon  Eng- 
lands, Belgiens  und  der  Alpen  (Bleiberg)  bekannt  gewordenen 
Art  liegt  nur  ein  Steinkern  einer  sehr  kleinen,  in  Fig.  16  dreifach 
vergrösserten  Ventralschale  vor.  Dieselbe  ist  halbkreisförmig,  stark 
in  die  Breite  ausgedehnt  und  von  massig  starker  Wölbung.  Area 
massig  hoch,  mit  mittlerer  Oeffnung  und  Pseudodeltidium  ver- 
sehen. Die  im  Vergleich  zu  den  beiden  -vorigen  Arten  sehr 
kräftigen  Rippen  sind  durch  nahezu  ebenso  breite  Zwischenräume 
getrennt.  Die  mittleren  Rippen  sind  alle  einfach,  die  seitlichen 
aber  hie  und  da  gespalten.  Man  zählt  ihrer  am  Rande  im  Ganzen 
gegen  30.  Von  der  Quersculptur,  die  Davidson  (1.  e.  tb.  55,  f.  12) 
abgebildet  hat,  ist  an  meinem  Steinkerne  nichts  wahrzunehmen. 


Chonetes  polita  M’Coy. 

Taf.  III,  Fig.  15. 

— — Davidson,  Br.  Carb.  Brach,  p.  190,  tb.  47,  f.  8 — 11. 

Die  einzige  bekannte  völlig  glatte,  nur  mit  schwachen  concen- 
trischeu  Anwachsstreifen  bedeckte  Art.  In  diesem  Merkmal,  sowie 
in  der  sehr  starken  Querausdehnung  und  der  beträchtlichen,  na- 
mentlich am  Buckel  und  in  der  Mittellinie  starken  Convexität  der 
Ventralklappe  stimmt  die  Aprather  Form  gut  mit  Davidson  s 
Abbildungen  überein. 

Es  liegen  mir  zwei  Steinkerne  der  Ventralklappe  vor. 
Productus  laevipuuctatus  Sarres. 

Taf.  III,  Fig.  5. 

— — Sarres,  dissertat.  p.  21. 

Eine  kleine  Form  aus  der  nächsten  Verwandtschaft  des  be- 
kannten carbonischen  Prod.  sublaevis  de  Köninck  (Monogr.  Pro- 
duct. Chonet.  p.  75,  pl.  7,  f.  1 ; Davidson,  Brit.  Carbon.  Brach. 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


81 


p.  177,  tb.  31,  f.  1 — 2)  = humerosus  Sow.  1),  die  mit  demselben 
in  der  vierseitigen,  längs  ausgedehnten  Gestalt,  dem  langen,  stark 
gekrümmten  Wirbel  und  dem  Vorhandensein  eines  schmalen, 
furchenförmigen  Sinus  auf  der  Mitte  der  Ventralklappe  überein- 
stimmt, die  sich  aber  von  jener  Art  durch  die  Glätte  der  Schale 
und  eine  eigenthümliche , aus  kleinen  knotenförmigen  Tuberkeln 
bestehende  Sculptur  der  Epidermis  auszeiclmet  (Fig.  5 a). 

Vou  dieser  Form  liegt  mir  das  Originalstück  von  Sarres  vor, 
ein  vortrefflicher  Abdruck  der  Ventralklappe,  nach  deren  Abguss 
meine  Abbildung  Fig.  5 angefertigt  worden  ist,  und  ausserdem 
noch  ein  kleinerer  Steinkern.  Ich  war  längere  Zeit  ungewiss, 
ob  die  Form  nicht  doch  mit  humerosus  zu  vereinigen  sei,  da 
bekanntlich  die  Radialstreifung  dieser  Art  durch  Abreibung  leicht 
verloren  geht.  Allein  bei  der  vortrefflichen  Erhaltung  der  Ober- 
fläche  (wenn  auch  nur  im  Abdrucke)  würde  eine  solche  Annahme 
wenig  Wahrscheinlichkeit  haben;  ausserdem  aber  ist  eine  ähnliche 
Sculptur  der  Epidermis,  wie  sie  oben  beschrieben  wurde,  bei 
humerosus  meines  Wissens  noch  nie  beobachtet  worden.  Es  scheint 
daher  geboten,  die  Sarres’ sehe  Art  bis  auf  Weiteres  als  selb- 
ständige Species  anzusehen. 

Prod.  humerosus  ( sublaevis ) selbst  glaubt  Herr  von  Koenen 
im  Culm  von  Herborn  beobachtet  zu  haben  (Neues  Jahrb.  f. 
Mineral.  1879,  p.  326). 

Productus  plicatus  Sarres. 

Taf.  III,  Fig.  1 u.  2. 

— — Saures,  Dissertat.  p.  20. 

? Productus  Carringtonianus  Davidson,  Brit.  Carb.  Brach,  p.  274,  tb.  55,  f.  5. 

Sarres  beschreibt  diese  Art  als  deprimirt,  von  halbkreisförmiger, 
quer  ausgedehnter  Gestalt  (Breite  : Länge  = 13  : 8),  mit  schwach 
gewölbter  Ventralklappe  und  niedrigem,  schwach  gekrümmtem 
Schnabel.  Die  äussere  Oberfläche  soll  mit  ca.  16  etwas  unregel- 

x)  Davidson  hat  neuerdings  die  interessante  Beobachtung  gemacht,  dass  die 
mit  dem  Namen  Pr.  humerosus  belegten  Kerne  nichts  weiter  als  Steinkerne  des 
Inneren  von  sublaevis  darstellen  (Supplement  Carbonif.  Brach,  p.  306,  1880).  Da 
der  SowERBY’sche  Namen  älter  ist,  als  der  de  Konincic’ sehe,  so  muss  die  Species 
fortan  als  humerosus  bezeichnet  werden. 


6 


82 


E.  Kayser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


massigen,  flachen,  concentrischen  Querringen,  sowie  mit  ca.  30,  in 
concentrischen  Reihen  über  die  ganze  Oberfläche  vertheilten 
Stachelröhren  bedeckt  sein.  Die  Unterschiede  von  Prod.  punctatus 
Mart,  findet  der  Autor  in  weniger  zahlreichen,  unregelmässiger 
angeordneten  Querringen  und  im  Fehlen  eines  Sinus,  durch  welches 
letztere  Merkmal  die  Aprather  Form  auch  von  plicatilis  Sow.  und 
anderen  verwandten  Formen  unterschieden  sein  soll.  Während 
Herrn  Sarres  nur  ein  paar  schlecht  erhaltene  Stücke  zu  Gebote 
standen,  hatte  ich  das  Glück,  einige  ausgezeichnet  gut  erhaltene 
Exemplare  (Fig.  1 u.  2)  aufzufinden.  Die  auszeichnenden  Merk- 
male der  Muschel  liegen  in  ihrem  halbkreisförmigen,  quer  ver- 
längerten Umriss,  der  grossen  Flachheit  und  Sinuslosigkeit  der 
Ventralklappe,  dem  kleinen,  sich  kaum  über  den  Schlossrand  er- 
hebenden Wirbel  und  der  aus  ziemlich  gedrängt  stehenden,  wenig 
erhobenen  Querringen  bestehenden  Oberflächensculptur.  In  dei 
Vertheilung  der  sehr  lang  werdenden,  schlanken  Stachelröhren 
finde  ich  keine  Gesetzmässigkeit. 

Alle  diese  Merkmale  sind  so  eigenthümlich,  dass  die  SARRES’sche 
Art  nicht  leicht  mit  einer  anderen,  bis  jetzt  beschriebenen  zu 
verwechseln  ist.  Nur  aus  England  hat  Davidson  eine  Species, 
Pr.  C ar  ring  tonianus  bekannt  gemacht,  die  nach  Abbildung  und 
Beschreibung  mit  der  rheinischen  grosse  Aehnlichkeit  besitzen 
muss.  Denn  auch  die  englische  Form  zeichnet  sich  durch  halb- 
kreisförmigen, quer  ausgedehnten  Umriss,  schwach  gewölbte  Ven- 
tralklappe, sehr  niedrigen  Ventralbuckel  und  mässig  regelmässige, 
die  ganze  Oberfläche  bedeckende,  concentrische  Querrunzeln  aus. 
Es  wäre  daher  sehr  möglich,  dass  beide  fragliche  Formen  der- 
selben Art  angehören  x). 

1)  In  Begleitung  von  Productus  Carringtonianus  findet  sieb  (bei  Narrowdale 
in  Staffordshire)  noch  eine  eigenthümliche  Rhynclionella , Rh.  Wettonensis  Davids. 
(1.  c.  p.  274,  pl.  55,  f.  1 — 3).  Auch  diese  Form  scheint  mit  einer  Art  des  deutschen 
Culm  ident  zu  sein,  nämlich  mit  der  von  A.  Römer  (Beitr.  z.  Kenntn.  d.  nord- 
westl.  Harzgeb.  I,  1850,  p.  31,  tb.  4,  f.  25)  aus  den  Culmkalken  von  Grund 
beschriebenen,  durch  einen  Sinus  auf  der  kleinen  und  einen  Sattel  auf  der  grossen 
Klappe  ausgezeichneten  Rhynclionella  ( Terehratula ) contraria.  Die  Ver- 
gleichung von  Originalexemplaren  der  harzer  Art  mit  Davidson’s  Abbildungen 
der  englischen  Muschel  hat  mir  kaum  einen  Zweifel  an  der  Identität  beider 
Formen  übrig  gelassen. 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


83 


Productus  concentricus  Sarres. 

Taf.  III,  Fig.  3 u.  4. 

— — Sarres,  Dissertat.  p.  21. 

Sarres  beschreibt  von  Aprath  noch  eine  dritte  Productus- 
art,  die  ebenfalls  eine  flach  gewölbte,  stark  quer  ausgedehnte 
(Breite  : Länge  = 8 : 4)  Ventralklappe  besitzen,  sich  aber  von  dem 
vorhin  beschriebenen  plicatus  durch  nur  10,  weiter  von  einander 
abstehende  Querringe  und  einige  wenige,  unregelmässig  ver- 
theilte Stachelröhren  auszeichnen  soll.  Ausserdem  giebt  Sarres 
noch  an,  dass  der  Stirnrand  etwas  eingebuchtet  und  die  Schloss- 
ecken rechteckig  seien. 

Das  einzige,  im  Besitz  der  Universitätssammlung  befindliche 
Originalexemplar  — der  Abdruck  einer  Ventralklappe,  nach  deren 
Abguss  die  Abbildung  Fig.  4 angefertigt  worden  ist  — lässt  in  Be- 
zug auf  Erhaltung  viel  zu  wünschen  übrig.  Besser  erhalten  sind 
ein  paar  andere,  von  mir  selbst  gesammelte  Steinkerne  und  Ab- 
drücke, deren  grösster  in  Fig.  3 abgebildet  worden  ist. 

Durch  die  gelänge  Wölbung  der  Ventralklappe,  den  kaum 
über  den  Schlossrand  vorragenden  Wirbel  und  die  concentrische 
Quersculptur  ist  die  Form  offenbar  mit  Sarres  plicatus  verwandt. 
Die  Hauptunterschiede  von  dieser  Art  würden  in  der  noch  stär- 
keren Querausdehnung,  der  geringen  Zahl  und  Stärke  der  con- 
centrischen  Querringe,  der  schwachen  Einbuchtung  des  Stirnrandes 
und  den  — wie  es  in  der  That  scheint  — weniger  zahlreichen 
Stachelröhren  zu  suchen  sein.  Ich  bin  indess  nicht  ganz  sicher, 
ob  concentricus  wirklich  eine  selbständige  Art  oder  nur  eine  Ab- 
änderung von  plicatus  darstellt.  Durch  weiteres,  besseres  Material 
wird  diese  Frage  entschieden  werden  können. 

Die  Fig.  3 abgebildete  Ventralklappe  gleicht  den  zwei 
Fig.  1 und  2 dargestellten  Ventralklappen  von  plicatus  auch  in 
der  grossen  Länge  der  Stachelröhren.  Dieselben  beschränken  sich 
aber  bei  dem  fraglichen  Exemplar  auf  den  Schlossrand  und  sind 
auf  beiden  Seiten  des  Wirbels  schräg  nach  aussen  gerichtet. 


6 


84 


E.  Kayser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


Discina  sp. 

Discina  marginata  Sarres,  Dissertat.  p.  22. 

Diese  von  den  Brüdern  Sandberger  (rhein.  Sch.  Nassau, 
p.  372)  aus  den  Schiefern  von  Wissenbach  beschriebene  Art 
soll  nach  Sarres  auch  bei  Aprath  Vorkommen.  Bei  der  grossen 
Verschiedenheit  des  geognostischen  Niveaus  scheint  diese  Angabe 
wenig  glaubhaft. 

Pleurodictynm  Decheniaimm  is.  sp. 

Tat.  III,  Fig.  20,  21. 

v.  Dechen,  Verhandl.  Naturhist.  Ver.  f.  Rkeinl.-Westf.  VII  (1850),  p.  201. 

Pleurodictynm  sp.  indet.  Sarres,  Dissertat.  p.  12. 

Herr  von  Dechen  hat  zuerst  das  Vorkommen  eines  Pleuro- 
dictyum  in  den  Kieselschiefern  der  Culmformation  in  der  Gegend 
von  Elberfeld  (Peters-Katernsberg  im  NW.  der  Stadt)  bekannt  ge- 
macht. Er  präcisirt  die  Unterschiede  der  fraglichen  Form  vom 
unterdevonischen  Pleurodictynm  problematicum  dahin,  dass  die 
Polypiten  derselben  fast  drehrund  (bei  probl.  prismatisch),  die 
reihenweise  geordneten  Tuberkeln  auf  den  letzteren  [die  Ausfüllun- 
gen der  die  Wände  der  Polypiten  durchbohrenden  Verbindungs- 
poren] zahlreicher,  die  Form  des  Stockes  mehr  kugelig  (bei  probl. 
mehr  scheibenförmig)  und  der  serpelähnliche , in  der  Mitte  von 
problematicum  zu  beobachtende  Körper  nicht  vorhanden  sei. 

Auch  Sarres  findet  die  Hauptunterschiede  der  carbonischen 
Form  in  der  stärkeren  Wölbung  des  Stockes  und  der  gerundeten 
Gestalt  der  Polypiten,  welche  er  als  kurzkonisch  beschreibt. 

Ich  habe  bei  Aprath  mehrere  Exemplare  des  fraglichen  Fossils 
gesammelt  und  kann  mich  der  Ansicht  der  beiden  Autoren , dass 
eine  von  problematicum  verschiedene  Species  vorliegt,  nur  an- 
schliessen. 

Die  Culmform  ist  viel  kleiner,  stärker  gewölbt  bis  halbkuge- 
lig und  von  rundem  (bei  probl.  meist  von  ovalem)  Umriss.  Die 
meist  nicht  sehr  zahlreichen  Polypiten  sind  kürzer  und  ge- 
drungener, als  bei  der  Unterdevon  - Art,  indess  — ebenso  wie  bei 
dieser  — von  mehr  oder  weniger  unregelmässig  polygonaler  Ge- 
stalt. Die  benachbarten  Polypiten  sind  durch  zahlreiche,  ver- 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


85 


hältnissmässig  starke,  in  geraden  Reihen  geordnete  Querstäbchen 
verbunden.  Die  bei  problematicum  ausser  diesen  letzteren  noch 
vorhandenen  (von  Dörnchen  auf  der  Innenseite  der  Kelchwandungen 
herrührenden)  vertieften  Punkte  habe  ich  an  meinen  Aprather 
Stücken  ebensowenig  wahrnehmen  können,  als  die  bei  der  Devon- 
form nicht  selten  zu  beobachtende  (von  Radiallamellen  herrührende) 
Längsstreifung  der  Polypitenkerne. 

Pleurodictyum  Sei canum  Giebel  (Kayser,  älteste  Devonfauna 
des  Harzes,  Abhandl.  z.  geol.  Specialkarte  von  Preussen  etc. 
Bd.  II,  Heft  4,  tb.  33,  f.  8)  scheint  der  Culmform  näher  zu  stehen, 
als  problematicum.  Dasselbe  hat  mit  Dechenianum  die  geringe  Grösse, 
stärkere  Wölbung  und  rundlichen  Umriss  des  Stockes  gemein 
und  unterscheidet  sich  vielleicht  nur  durch  verhältnissmässig  län- 
gere und  schlankere,  sehr  regelmässig  prismatische  Polypiten. 

Eine  andere  Art  des  Harzer  Unterdevon,  PL  Zorgense  Kayser 
(1.  c.  f.  9,  10)  unterscheidet  sich  von  der  Aprather  auf  den  ersten 
Blick  durch  die  sehr  unregelmässige,  sich  von  der  polygonal- 
prismatischen  sehr  entfernende  Gestalt  der  Polypiten. 

Cladochonus  Michelini  M.  Edw.  & IIaime. 

Taf.  III,  Fig.  19. 

Pyrgia  — M.  Edw.  H.,  Polyp,  foss.  terr.  paleoz.  1851,  p.  310,  tb.  17,  f.  8. 

Cladochonus  — de  Köninck,  Nouv.  rech.  Anim.  foss.  etc.  1872,  p.  153,  tb.  15,  f.  6. 

— — F.  Römer,  Letlmea,  palaeozoica  1867,  tb.  39,  f.  8. 

— — Nicholson,  Geolog.  Magazin  1879,  p.  289. 

Eine  ausgezeichnete  kleine  Form,  deren  Stöcke  ans  Polypiten 
bestehen,  die  von  den  Autoren  treffend  mit  einem  Tabakspfeifchen 
verglichen  worden  sind.  Die  kleinen  trichterförmigen  Kelche,  in 
denen  Edwards  & IIaime  sowie  de  Köninck  Andeutungen  von 
etwa  20  Radiallamellen  beobachtet  haben,  setzen  sich  nämlich  nach 
unten  mit  schwacher  Krümmung  in  einen  langen  schlanken  Stiel 
fort,  dessen  dicke  Epithek  eine  schwache  Querstreifung  zeigt. 
Besonders  charakteristisch  ist  die  Vermehrungsweise  der  Polypiten, 
die  in  der  Weise  erfolgt,  dass  an  der  Aussenseite  eines  älteren 
Kelches,  dicht  unter  dessen  Mündung,  ein  oder  meist  zwei  neue 
Polypiten  hervorsprossen,  die  sich  von  dem  älteren  unter  grossem 


86 


E.  Kaysee,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


Winkel  divergent  nach  aussen  entfernen,  um  sich  an  ihren  Enden 
unter  Umständen  wieder  in  gleicher  Weise  zu  vermehren. 

Bei  Aprath  ist  die  interessante  kleine  Koralle  nicht  selten. 
Ich  sammelte  sie  in  mehreren  Exemplaren,  welche  die  schwache 
Runzelung  der  starken  Epithek  und  die  Pseudosepten  im  Innern 
der  Kelchmftndungen  gut  erkennen  lassen.  Das  Fossil  stimmt 
sehr  gut  mit  dem  des  Tournaier  Kohlenkalks,  aus  dem  die  Art 
zuerst  bekannt  wurde.  Später  hat  Nicholson  sie  auch  in  den 
unteren  Carbonbildungen  von  Schottland  nachgewiesen. 

o O 


Zaphrentis?  sp. 

Kleine,  bei  Aprath  sich  nicht  selten  findende  hornförmige 
Einzelkelche  einer  rugosen  Koralle  könnten  dieser  Gattung  an- 
gehören. 

Pflanzenreste 

sind  bei  Aprath  sehr  häufig.  Sie  gehören  besonders  Algen  an, 
befinden  sich  aber  gewöhnlich  in  einem  Erhaltungszustände, 
der  nach  dem  Urtheile  meines  Collegen  E.  WEISS  keine  nähere 
B estimmung  erlaubt. 

Sarres  beschrieb  aus  dem  Aprather  Culm  von  Pflanzen 
Drepanophycus  distans  n.  sp.  und  Noeggerathia  tenuistria  Goepp. 
(Dissert.  p.  11,  12). 


Sch  ln  ssbem  erklingen. 

Im  Vorstehenden  wurden  beschrieben: 
a)  aus  dem  Oberdevon: 

1.  Phacops  granulatus  Mst. 

2.  Gyroceras  cnf.  cancellatum  F.  Röm. 

3.  Loxonema  anglicum  d'Orb. 

4.  Euomphalus  aff.  Schnurii  Arch.  Vern. 

5.  Cuctdlaea?  Hardingii  Phill.? 

6.  Cypricardinia  ? sp. 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


87 


7.  Spirifer  Verneuili  Murch. 

8.  Spiriferina  laminosa  M’Coy? 

9.  Athyris  concentrica  v.  Buch. 

10.  Rhynchonella  pleurodon  Phill. 

11.  Orthis  bergica  n.  sp. 

12.  Streptorhynchus  umbraculum  Schl. 

1 3.  Chonetes  sp. 

14.  Strophalosia  productoides  Murch. 

15.  Productus  praelongus  Sow. 

16.  Productus  sp. 

17.  Crania  trigonalis  M’Coy. 

18.  Cyaihophyllum  sp. 

b)  aus  dem  Culm: 

1.  Phillipsia  aequalis  v.  Meyer. 

2.  Phillipsia  longicornis  n.  sp. 

3.  Phillipsia  cnf.  Eichwaldi  FlSCH. 

4.  Phillipsia  sp. 

5.  Phillipsia  emarginata  Sarres. 

6.  Cypridina  subglobulosa  Sandb. 

7.  Goniatites  crenistria  Phill. 

8.  Goniatites  mixolobus  Phill. 

9.  Orthoceras  scalare  Gdf. 

10.  Orthoceras  striolatum  v.  Meyer. 

1 1 . Pleurotomaria  sp>. 

12.  Posidonia  Becheri  Bronn. 

13.  Pecten  densistria  Sandb. 

14.  Pecten  cnf.  grandaevus  Gdf. 

15  Pecten  Losseni  v.  Koenen? 

16.  Rhynchonella ? papyracea  A.  Rom. 

17.  Streptorhynchus  crenistria  Phill. 

18.  Strophomena  analog a Piiill. 

19.  Chonetes  Laguessiana  de  Kon. 

20.  Chonetes  rectispina  v.  Koen.? 

21.  Chonetes  Buchiana  de  Kon. 

22.  Chonetes  polita  M’Coy. 


88 


E.  Kayser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


23.  Productus  laevipunctatus  Sarres. 

24.  Productus  plicatus  Sarres. 

25.  Productus  concentricus  Sarres. 

26.  Piscina  sp. 

27.  Pleurodictyum  Dechenianum  n.  sp. 

28.  Cladochonus  Michelini  Edw.  & H. 

29.  Zaphrentis  ? sp. 

Was  zunächst  die  oberdevonische  Fauna  betrifft,  so  liegt 
ihr  Hauptinteresse  darin,  dass  wir  hier  zum  ersten  Male  aus  der 
oberen  Abtheilung  des  rheinischen  Oberdevon,  der  Clymenienstnfe, 
eine  reichere  Brachiopodenfanna  kennen  lernen.  Ueber- 
all,  wo  sich  jene  Stufe  im  rheinischen  Gebirge  versteinerungs- 
führend zeigte,  hatte  man  bisher  ausser  Cephalopoden,  die  sowohl 
an  Arten  als  auch  besonders  an  Individuenzahl  sehr  zu  über- 
wiegen pflegen,  in  einiger  Häufigkeit  nur  Lamellibranchiaten 
und  Gastropoden  angetroffen,  während  andere  Thierordnungen, 
namentlich  Brachiopoden,  so  gut  wie  gänzlich  unbekannt  ge- 
blieben waren.  Ueberhaupt  sind  solche  meines  Wissens  in  einiger 
Häufigkeit  nur  in  der  Gegend  von  Aachen  angetroffen  worden, 
in  den  mächtigen  gelblichen  Sandsteinen,  die  dort  als  Unter- 
lage des  Kohlenkalkes  auftreten  (vgl.  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol. 
Ges.  XXVII,  1879,  p.  852).  Während  aber  auch  bei  Aachen  das 
Vorkommen  von  Brachiopoden  sich  auf  einige  wenige  Arten 
(. Spirifer  Verneuili , Rhynchonella  cnf.  pleurodon  und  Streptorhyn- 
chus  umbraculum')  beschränkt,  so  sind  im  Obigen  aus  der  Gegend 
von  Velbert  11  Bracliiopodenarten  beschrieben  worden  und  allem 
Anschein  nach  würde  sich  diese  Zahl  durch  längeres  Sammeln 
noch  sehr  vermehren  lassen. 

Durch  diesen  Reichthum  an  Brachiopoden  neben  Zweischalern 
und  Gastropoden,  aber  fast  ganz  zurücktretenden  Cephalopoden 
steht  die  Fauna  von  Velbert  der  Fauna  der  jüngeren  Oberdevon- 
schichten des  südlichen  Belgiens  und  der  angrenzenden  Ge- 
genden von  Nord -Frankreich  nahe.  Denn  auch  hier  kommen 
trotz  der  weiten  Verbreitung,  die  im  genannten  Gebiete  gerade 
das  Oberdevon  hat,  die  bezeichnenden  Clymenien  vielleicht  nur 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


an  einem  Punkte,  in  der  Gegend  von  Etroeungt  vor1),  während 
Brachiopoden  durch  die  ganze  Schichtenfolge  des  Famennien  Gos- 
selet’s  hindurchgehen  und  überall  so  häufig  sind,  dass  dieser 
Autor  auf  sie  seine  Zoneneintheilung  basirt  (Yergl.  Gosselet, 
Esquisse  geol.  du  Nord  de  la  France  etc.  I,  p.  852.  Lille  1880). 

Zu  den  wichtigsten  Brachiopoden  des  Famennien  gehören 
nach  Gosselet  Spirifer  Verneuili , Cyrtia  Murchisoniana , mehrere 
z.  Th.  neue  Rhyn  choneilen,  Atrypa  reticularis , Athyris  Royssii,  Spi- 
riferina  laminosa,  Spirifer  mosquensis,  Streptorhynchus  crenistria  etc. 
Ausserdem  führt  Mourlon  aus  den  sandigen  Gliedern  der  Schichten- 
folge, den  sog.  Psammiten  des  Condroz,  noch  Productus  praelongus, 
Strophalosia  productoid.es , Rhynchonella  pleurodon  und  pugnus  und 
einige  andere  Arten  an  (Bull.  Acad.  R.  Belgique,  2.  s.  Bd.  39, 
No.  8,  p.  52.  1875).  Es  ist  bemerkenswerth,  dass  ganz  ähnlich, 
wie  bei  Velbert  neben  überwiegenden  devonischen  Formen  auch 
ein  paar  Carbonarten  ( Spiriferina  laminosa  und  Crania  trigonalis ) 
erscheinen,  auch  in  den  obersten  Devonschichten  Belgiens  Arten 
wie  Spiriferina  laminosa,  Spirifer  mosquensis,  Athyris  Royssii  und 
Streptorhynchus  crenistria  auftreten,  Formen  die  gewöhnlich  nur  im 
Carbon  Vorkommen.  Bei  der  Lagerung;  der  betreffenden  Schichten 
an  der  unmittelbaren  Basis  des  Kohlengebirges  kann  diese  Er- 
scheinung  indess  nicht  befremden;  und  dass,  die  fraglichen  Ablage- 
rungen trotz  dieser  Beimengung  vereinzelter  carbonischer  Typen 
doch  noch  der  Devonformation  angehören,  das  geht  schon  aus  dein 
Vorkommen  der  Gattung  Phacops  (in  Belgien  latifrons,  bei  Velbert 
granulatus ) selbst  in  den  allerobersten  Schichten,  dicht  unter  dem 
Kohlengebirge  hervor. 

Eine  ganz  ähnliche,  brachiopodenreiche  Fauna  wie  bei  Velbert 
und  in  Belgien  findet  man  endlich  auch  in  den  allerobersten  De- 
vonbildungen des  nördlichen  Devonshire,  den  Pilton-  und 
Marwood- Schichten  wieder.  In  diesen  wesentlich  sandig  ausge- 
bildeten Ablagerungen,  die  Salter  als  in  seichterem  Meere  sedi- 

Sie  wurden  hier  schon  vor  langer  Zeit  durch  Hebert  angegeben  (Bull.  Soc. 
geol.  de  France  2.  s.  VII,  p.  1165).  Ihr  Vorkommen  scheint  indess  nicht  ganz 
zweifellos  zu  sein,  da  dasselbe  weder  von  Gosselet  noch  von  einem  anderen 
neueren  französischen  oder  belgischen  Autor  erwähnt  wird, 


90 


E.  Kayser,  Beiträge  zur  Kenntniss  von  Oberdevon  und  Culm 


mentirte  Aequivalente  der  bekannten  Clymenienkalke  von  Pether- 
win  ansieht,  tritt  eine  ziemlich  reiche  Fauna  auf,  die  aber  eben- 
falls fast  gar  keine  Cephalopoden,  dagegen  sehr  zahlreiche  Brachio- 
poden  und  daneben  Lamellibranchiaten  und  Gastropoden  enthält 
(Yergl.  Salter,  Q,u.  J.  Geol.  Soc.  Lond.  1863,  p.  474).  Aus 
deu  an  der  Basis  des  Carbon  liegenden  Piltonbeds  nennt  Salter 
Spirifer  Verneuili,  Athyris  concentrica , Productus  praelongus,  Stro- 
phalosia  productoides,  Orthis  interlineata,  Streptorhynchus  crenistria , 
Phacops  latifrons  etc.;  aus  den  darunter  liegenden  Marwoodbeds 
dagegen  Spirifer  Verneuili , Spiriferina  laminosa , Rhynchonella  pleu- 
rodon  und  viele  Zweischaler,  wie  Cucullaea  Hardingii,  Avicula 
Damnoniensis  etc.  Auch  hier  treffen  wir  demnach  zum  grossen  Theil 
ganz  dieselben  Brachiopodenarten  wieder,  wie  in  Belgien  und  bei 
Velbert.  Auch  hier  ist  die  Gattung  Phacops  noch  vorhanden, 
daneben  aber  treten  schon  vereinzelte  carbonische  Typen  auf. 


Was  nun  die  oben  beschriebene  C ulmfauna  betrifft,  so 
haben  wir  über  diese  nur  wenig  zu  sagen. 

Die  Culmbildungen  werden  jetzt  wohl  allgemein  als  Flach- 
meeräquivalente des  in  tieferem  und  offenerem  Meere  abgelagerten 
Kohlenkalks  angesehen.  Diese  Auffassung  wird  durch  die  Fauna 
beider  Bildungen  durchaus  unterstützt.  Denn  während  der  Kohlen- 
kalk eine  reiche,  sehr  mannigfaltig  aus  Cephalopoden,  Gastropoden, 
Zweischalern , Korallen  etc.  zusammengesetzte  Fauna  besitzt,  so 
hat  die  Culmfauna  eine  sehr  eintönige  und  gleichartige  Zusammen- 
setzung aus  einigen  wenigen  Cephalopoden  ( Goniatiten  und  Or- 
thoceren)  und  Pelecypoden,  während  Brachiopoden  sehr  zurück- 
treten und  Gastropoden  und  Korallen  ganz  zu  fehlen  pflegen. 
Dass  indess  die  Culmfauna  unter  Umständen  eine  mannigfaltigere 
und  damit  derjenigen  des  Kohlenkalks  ähnlichere  Zusammen- 
setzung erlangen  kann,  beweisen  die  Culmkalke  des  Iberges  bei 
Grund  im  Harz,  welche  eine  Reihe  für  den  Culm  ungewöhnlicher 
Cephalopoden  und  Brachiopoden  ( Nautilus , Bactrites , Productus, 
Spirifer ) und  Gastropoden  enthalten  (Vergl.  A.  Römer,  Beitr.  z. 
Kenntn.  des  n.  westl.  Harzgeb.  V,  1866,  p.  32,  ff.).  Für  das 


am  Nordrande  des  rheinischen  Schiefergebirges. 


91 


rheinische  Schiefergebirge  hat  uns  eine  solche  grössere  Formen- 
Mannigfaltigkeit  erst  die  unlängst  erschienene  Arbeit  von  Könen’ s 
über  die  Culmfauna  von  Herborn  kennen  gelehrt  (Neues  Jahrbuch 
f.  Mineralog.  etc.  1879).  Unter  44  von  dem  genannten  Autor 
im  Ganzen  aufgeführten  Arten  treffen  wir  nicht  nur  ein  Gyroceras 
und  zwei  (nicht  bestimmte)  Nautilusarten,  sondern  auch  mehrere 
Brachiopoden,  unter  denen  zwei,  Terebratula  hastata  und  Procluctus 
humerosus  (=  sublaevis')  zugleich  Haupt  leit  formen  des  Kohlen- 
kalks sind,  sowie  ein  Cyathophyllum.  Etwas  ganz  Aehnliches  finden 
wir  nun  auch  bei  Aprath  wieder.  Denn  auch  hier  treten  in  Be- 
gleitung der  gewöhnlichen  Culmfossilien  mehrere  Korallen,  ver- 
schiedene Arten  von  Productus  und  Chonetes,  eine  Strophomena , 
ein  Streptorhynchus  und  Pleurotomarien  auf.  Es  ist  bemerkens- 
werth,  dass  etwa  die  Hälfte  dieser  für  das  Culm  ungewohnten 
Formen  bekannte  Kohlenkalkarten  darstellen,  wie  Cladochonus 
Michelini,  Chonetes  Buchiana , polita  und  Laguessiana,  Strophomena 
analoga  und  Streptorhynchus  crenistria 1). 

!)  Es  sei  hier  noch  erwähnt,  dass  von  Dechen  (Verhandl.  Naturhistor.  Ver. 
f.  Rheinl.  - Westf.  VII,  p.  200)  aus  dem  Plattenkalk  von  Iserlohn  zwei  andere 
typische  Kohlenkalkarten,  Productus  latissimus  und  semistriatus  (=  antiquatus) 
anführt. 


Das  osttliiirin gische  Rötli. 

Von 

Herrn  E.  E.  Schmid  in  Jena. 

(Hierzu  Tafel  TV.) 


E i n 1 e i t u n g. 

Nach  dem  Abschlüsse  der  geologischen  Kartographirung  Thü- 
ringens durch  B.  v.  Cotta  und  Heinr.  Credner  kannte  man  nur 
zwei  scharf  und  durchgreifend  geschiedene,  allerdings  sehr  ungleich 
mächtige  Abtheilungen  der  Formation  des  Buntsandsteins,  von 
denen  man  nach  den  darin  vorwaltenden  Gesteinen  die  obere, 
minder  mächtige,  als  diejenige  der  bunten  Mergel  oder  des 
Röths,  die  untere,  weitaus  mächtigere,  als  diejenige  der  bunten 
Sandsteine  im  engeren  Sinne  bezeichnete.  Diese  letztere  nahm 
auf  den  Karten  einen  so  breiten  Raum  ein,  dass  durch  ihre 
Abgrenzung  die  Lagerungsverhältnisse  nur  unvollkommen  veran- 
schaulicht wurden.  Aus  diesem  Grunde  war  ein  wesentlicher 
Fortschritt  darin  anzuerkennen,  dass  Beyrich  die  unteren  Sand- 
steine am  Südrande  des  Harzes  nochmals  in  zwei  Abtheilungen 
sonderte  je  nach  dem  Vorwalten  starker  Sandsteinbänke,  oder 
sandig-thoniger  Schiefer  (Letten)  und  diese  Sonderung  schon  auf 
den  ersten  Lieferungen  der  geologischen  Specialkarte  des  König- 
reichs Preussen  und  der  thüringischen  Staaten,  kartographisch 
durchgeführt,  vorlegte.  Die  weitere  Durchführung  namentlich 
nach  dem  Ostrande  des  Thüringer  Beckens  zwischen  der  Saale 
und  Elster  bot  jedoch  erhebliche  Schwierigkeiten,  weil  gerade  die 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Röth. 


93 


untersten  Schichten  des  bunten  Sandsteins,  welche  neben  der 
Elsteraue  unterhalb  Gera  anstehen,  recht  dickbänkig  sind  und  den 
Abhängen  das  Aussehen  der  mittleren  Buntsandsteine  verleihen. 
Nach  vielfacher  Begehung  des  weder  sonst  interessanten,  noch 

wegen  des  ausgebreiteten  Waldbestandes  gut  aufgeschlossenen 
Sandsteingebietes  fasste  ich  ein  Niveau  mitten  im  Buntsandstein 

auf,  unter  welchem  der  Abhang  vielorts  scharf,  fast  überall  deut- 

lich steiler  einfällt  und  unzweifelhaft  auf  einen  verschiedenen 
Widerstand  gegen  die  Erosion  zu  Folge  verschiedener  Reichlich- 

o o o 

keit  der  thonigen  Beimengungen  hinweist.  Nachdem  ich  dieses 

o o o 

Niveau  im  östlichen  Thüringen  als  ein  beständiges  erkannt  hatte, 
wurde  mir  durch  Beyrich  die  günstige  Gelegenheit  dargeboten, 
es  in  seiner  Begleitung  mit  demjenigen  zu  vergleichen,  welches 
im  nördlichen  Thüringen  und  am  Fusse  des  Harzes,  speciell  längs 
der  Unstrutaue  bei  Wiehe  als  Grenze  zwischen  mittleren  und 
unteren  Buntsandstein  angenommen  worden  war  und  mich 
von  ihrer  Uebereinstimmung  zu  überzeugen.  Dieses  Niveau  ist 
es,  welches  sich  auf  den  von  mir  bearbeiteten  Blättern  Bürgel, 
Roda,  Stössen,  Eisenberg,  St.  Gangloff  u.  a.  der  geologischen 
Specialkarte  des  Königreichs  Preussen  und  der  thüringischen  Staaten 
als  Grenzlinie  eingezeichnet  findet.  Freilich  ist  es  nicht  in  Ab- 
rede zu  stellen,  dass  dasselbe  nicht  an  allen  Stellen  gleich  deut- 
lich hervortritt,  an  manchen  sogar  zweifelhaft  ist  in  Folge  des 
Uebergangs  der  untersten  Glieder  des  mittleren  Buntsandsteins  aus 
festem  Sandstein  in  losen  Quarzsand  und  Quarzstaub,  der  zwar 
au  den  meisten,  aber  doch  nicht  an  allen  Stellen  stetig  im  Fort- 
streichen nachweisbar  ist.  Diese  losen  Sande  habe  ich  zum  mitt- 
leren Buntsandstein  stellen  zu  müssen  geglaubt,  indem  ich  nicht 
sowohl  die  Gebundenheit  der  Gesteine,  als  vielmehr  ihren  Thon- 
gehalt als  entscheidend  ansehe.  Freilich  ist  ferner  anzuerkennen, 
dass  den  unteren  Buntsandsteinen  Ostthüringens  zwischen  Saale 
und  Elster  eine  Einlagerung  fast  gänzlich  fehlt,  die  für  diejenigen 
des  Harzrandes  charakteristisch  ist,  nämlich  die  der  sogenannten 
Rogensteine.  Aber  eine  wenn  auch  wenig  mächtige  und  ausge- 

o o o o 

dehnte,  so  doch  ganz  typisch  entwickelte  Einlagerung  davon  fand 
ich  jenseits  der  Elster,  am  Wege  von  Crossen  nach  Cosweda 


94 


E.  E.  Sch.mil)  , das  osttliüringische  Rötk. 


(s.  Blatt  Langenberg)  auf,  und  später  wurde  noch  eine  andere 
durch  Liebe  aufgefunden. 

Von  dem  Elstergrunde  bei  Gera  aus  bilden  mittlerer  und 
unterer  Buntsandstein  den  Rand  der  Thüringer  Mulde  über  die 
Hochflächen  um  Münchenbernsdorf  hinweg;  nach  dem  Orlagrunde 
oberhalb  Neustadt  und  begleiten  denselben  bis  Blankenburg  a.  d. 
Schwarza.  Weiter  nordwestlich  durchschneidet  eine  Spaltung,  zu 
deren  beiden  Seiten  zufolge  einer  Verwerfung  Dyas  und  mittlerer 
Buntsandstein  in  gleiches  Niveau  gerückt  , und  der  untere  Bunt- 
sandstein von  der  Oberfläche  verdrängt  ist,  den  Fuss  des  Thüringer 
Waldgebirges.  Die  westlichen  Ränder  der  Thüringer  Mulde  fallen 
in  längster  Erstreckung  mit  den  Höhen  des  Eichsfeldes  zusammen, 
welche  wenig  unterbrochen  von  höheren  Abtheilungen  der  Trias 
eingenommen  werden. 

Im  Innern  der  Thüringer  Mulde  wird  Buntsandstein  in  dem 
Faltungsgebiete  von  Blankenhein,  Kranichfeld  und  Berka  an  die 
Oberfläche  gepresst,  und  zwar  nur  mit  seiner  oberen  und  mittleren 
Abtheilung. 

Theilt  man  die  ganze  Formation  des  Buntsandsteins  in  oberen, 
mittleren  und  unteren,  so  wird  die  vorstehende  Betrachtung  ge- 
nügen , diese  Eintheilung  als  eine  gut  durchführbare  zu  erweisen. 
Aber  für  den  Maassstab  der  neuen  geologischen  Specialkarte  des 
Königreichs  Preussen  und  der  thüringischen  Staaten  macht  sich 
das  Bedürfniss  nach  weiterer  Gliederung  geltend.  Für  den  unteren 
Buntsandstein  längs  dem  Fusse  des  Harzes  sind  zu  diesem  Zwecke 
die  bereits  erwähnten  mehrfachen  Rogensteinbänke  mit  bestem 
Erfolge  benutzt  worden.  Aber  diese  Bänke  fehlen  im  Osten  und 
Süden  Thüringens.  Für  den  mittleren  Buntsandstein  könnte  man 
an  die  zugleich  technisch  so  bedeutsamen  kaolinischen  Einlage- 
rungen  denken,  aber  deren  kartographische  Benutzung  würde  eine 
nicht  geringe  Zahl  für  diesen  Zweck  ausgeführter  Anschürfungen 
erfordern.  Die  conglomeratischen  Bänke  sind  weder  so  mächtig, 
noch  so  ausgebreitet,  noch  so  beständig,  um  für  diesen  Zweck  ins 
Auge  gefasst  werden  zu  können. 

Der  obere  Buntsandstein  scheint  einer  speciellen  Gliederung 
am  zugänglichsten  zu  sein,  da  er  eine  Mannichfaltigkeit  durchaus 


E.  E.  Schmid,  das  ostthiiringisclie  Roth. 


95 


verschiedenartiger  Gesteine  in  sich  scliliesst,  und  eine  Mehrzahl 
wohlerhaltener  Versteinerungen  darbietet,  während  die  beiden 
unteren  Abtheilungen  ausser  den  Chirotherien- Fährten,  den  Schalen- 
abdrücken der  Gervillia  Murchisoni , kaum  nennenswerthe  organische 
Ueberreste  enthalten. 

Zu  untersuchen,  wie  weit  dieser  Schein  der  Wahrheit  ent- 
spreche, war  mir  besonders  nahe  gelegt,  weil  mir  ein  ansehnlicher 
Theil  desjenigen  Gebietes  zur  Aufnahme  anvertraut  war,  welches 
die  besten  und  desshalb  die  entscheidenden  Aufschlüsse  darbietet; 
ich  nenne  besonders  die  Blätter  Jena,  Bürgel,  Cahla  und 
Blankenhain. 

Diese  Untersuchung  erhielt  unwillkürlich  eine  grössere  Breite 
und  ein  ferneres  Ziel,  indem  sie  sich  auf  die  Gesammtheit  der 
Gesteine  des  ostthüringischen  Röth , auf  die  Verwandschaft  der- 
selben unter  sich  und  zu  denjenigen  des  übrigen  Buntsandsteins 
ausdehnte.  Sie  gehörte  geraume  Zeit  zu  den  stehenden  Aufgaben 
des  hiesigen  mineralogischen  Institutes  und  wurde  namentlich  von 

o o 

zweien  meiner  älteren  Schüler,  Dr.  Popp  und  Dr.  Prausnitz  mit 
Eifer  und  Erfolg  betrieben.  Namentlich  verdanke  ich  diesen 
Beiden  die  chemischen  Analysen  einer  Anzahl  von  Röthgesteinen, 
welche  im  hiesigen  agricultur  - chemischen  Laboratorium  unter 

o o 

Leitung  von  Professor  Reiciiardt  ausgeführt  wurden. 

O o 


GemeogtSieife  der  Gesteine  des  ostthüringischen  Röth. 

Die  grosse  Mannichfaltigkeit  und  Buntscheckigkeit  der  Ge- 
steine des  ostthüringischen  Röth  beruht  nicht  sowohl  auf  einer 
grossen  Anzahl  verschiedenartiger  Gemengtheile,  als  vielmehr 
auf  einer  grossen  Verschiedenheit  der  Mengungsverhältnisse  von 
wenigen  wesentlichen  Gemengtheilen , nämlich  von  thonigen 
Silicaten,  dolomitischen  Carbonaten,  Ferrit,  Quarz  und  Gyps 
mit  noch  einigen  anderen  mehr  als  accessorisch  anzusehenden 
Mineralien. 


96 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Röth. 


I.  Silicate. 

Die  Silicate  sind  theils  mechanische  Trümmer  älterer  Gesteine, 
theils  chemische  Zersetzungen  und  Umwandlungen  derselben,  theils 
endlich  beides  zugleich. 

1.  Glimmer  und  seine  Abkömmlinge. 

Unter  den  mechanischen  Trümmern  sind  Glimmerblätter 
die  auffälligsten  und  häufigsten.  Viele  von  ihnen  sind  von  ma- 
kroskopischer Grösse,  die  meisten  jedoch  nur  von  mikroskopischer. 
Die  Blattflächen,  entsprechend  der  vollkommenen  Spaltungsrichtung 
des  Glimmers,  sind  gewöhnlich  glatt  und  eben,  sehr  selten  gebogen, 
noch  seltener,  und  zwar  nur  im  Falle  sehr  fester  Cämentation  des 
Gesteins,  flach  gefaltet  (s.  Fig.  8).  Der  Band  zeigt  zwar  hin 
und  wieder,  aber  nie  ringsum  geradkantige , d.  h.  unzweifelhaft 
krystallinische  Begrenzung,  zumeist  jedoch  trägt  er  die  Kenn- 
zeichen von  Abreibung:  und  Abbruch  an  sich.  Die  abgeriebenen 
Ränder  sind  uneben  und  lassen  Auflockerung  nach  der  Haupt- 
spaltungsrichtung an  mehrfachen,  nicht  gleichlaufenden  Umrissen 
erkennen.  Die  Abbrüche  lassen  sich  sehr  treffend  mit  Scherben 
dünnen  Fensterglases  vergleichen,  besonders  wegen  ihrer  Schärfe 
und  Glätte.  Wenn  sich  Querschnitte  darbieten,  zeigen  sie  häufig 
eine  Aufblätterung  nach  der  Spaltungsrichtung.  Bei  Weitem 
die  meisten  Glimmer  sind  farblos,  aber  auch  gelbe,  braune  und 
grüne,  jedoch  immer  blasse  Farben  treten  auf.  Bei  einiger  Inten- 
sität der  Färbung  fehlt  Dichroismus  in  der  dem  Glimmer  eigen- 
thümlichen  Weise  nicht.  Krystallinische  Einschlüsse,  gegen  deren 
Ursprünglichkeit  Nichts  einzuwenden  ist,  sind  ebenso  selten,  als 
eigenthümlich.  Bei  schwacher  Vergrösserung  erscheinen  sie  als 
feine,  schwarze,  gerade  Linien,  bei  starker  erhalten  sie  deutlich 
doppelte,  breite  und  dunkle  Umrisse,  innerhalb  deren  auch  im 
polarisirten  Lichte  und  zwischen  verdrehbaren  Nikols  dieselbe  Hel- 
ligkeit und  Färbung  hervortritt,  wie  ausserhalb.  Es  liegt  daher 
durchaus  kein  Grund  vor,  einen  Unterschied  zwischen  Einschluss 
und  Umschluss  anzunehmen.  Sieht  man  aber  demnach  die  spies- 
sigen  Leisten  für  denselben  Glimmer  an,  wie  den  Umschluss  und 


E.  E.  Schmid  , das  ostthüringiscke  Röth. 


97 


die  breiten  Seiten  der  Leisten  ebenso  wie  diejenigen  der  sie  ein- 
schliessenden  Blätter  für  die  Richtung  der  Hauptspaltbarkeit,  so 
passt  dazu  die  Form  der  ersten  nicht.  Diese  lässt  sich  wohl  noch 
bei  dem  farblosen  Glimmerblatt  von  Fig.  1 auf  bisher  bekannt  ge- 
wordene Glimmerleisten  beziehen,  aber  nicht  mehr  bei  dem  grünen 
Glimmer  von  Fig.  2.  Die  Leisten  dieses  Glimmers  verschmälern 
sich  stetig  und  laufen  in  nadelförmige  Spitzen  aus.  Jedenfalls 
liegt  in  diesen  Vorkommnissen  eine  Verwachsung  von  Glimmer 
mit  Glimmer  vor,  aber  doch  nicht  eine  gleichartige  mit  den  von 
G.  Rose1)  beschriebenen.  Rose  hebt  es  nachdrücklich  hervor, 
dass  wenn  verschiedenartige  Glimmer  mit  einander  verwachsen 
sind,  ihre  Lage  zu  einander  und  zu  dem  Umschluss  eine  krystal- 
lographisch  bestimmte  ist.  Beides  trifft  in  den  vorliegenden  Fällen 
nicht  zu,  namentlich  in  dem  in  Fig.  2 dargestellten  unbestimmt 
büschelförmiger  Aneinanderlagerung  der  Einschlüsse.  Mitunter 
krystallinisch , gewöhnlich  amorph,  machen  sich  gelbbraune,  roth- 
braune  und  opake  Ferritumhüllungen  und  Einlagerungen  bemerk- 
bar (s.  Fig.  8).  Sie  zeigen  ganz  das  Verhalten  von  Eindring- 
lingen, die  mit  der  Wasserführung  des  ganzen  Gesteins  Zusammen- 
hängen und  von  Ausscheidungen,  die  mit  der  Zersetzung  des 
Glimmers  selbst  in  ursächlichem  Zusammenhänge  stehen. 

Die  Zersetzung  der  Glimmer  kann  allerdings  deren  chemische 
Zusammensetzung  durchgreifend  verändert  und  zur  Bildung  kaolin- 
artiger Substanzen,  d.  h.  wasserhaltiger  Thonerde-Silikate  geführt 
haben,  ohne  dass  äussere  Form  und  optisches  Verhalten  es  erkennen 
lassen,  wie  ich2)  am  Beispiele  der  kaolinischen  Beimengungen  zu 
dem  mittleren  und  unteren  Buntsandsteine  des  östlichen  Thüringen 
nachgewiesen  habe.  Dieselbe  ist  aber  auch  mit  sehr  augenfälligen 
Formveränderungen  verbunden,  welche  in  der  Zusammenziehung 
zu  nierförmigen  oder  traubigen  bis  oolithischen  Massen  an  der  Ober- 
fläche und  zwischen  den  Blätterdurchgängen  und  im  Zerfällen  zu 
einzelnen  sphärischen  Linsen  besteht.  Die  Substanz  dieser  Um- 


1)  S.  Pogg.  Ann.  138,  177  ff.  1869. 

2)  S.  E.  E.  Schmid,  die  Kaoline  des  thüringischen  Bundsandsteins  in  Zeitschr. 
der  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  28,  S.  87  ff.  1876. 


7 


98 


E.  E.  Schmid  , das  ostthüringische  Röth. 


wandlungsformen  ist  farblos,  homogen  und  einfach  brechend 
bis  auf  eine  mitunter  eben  wahrnehmbare  Spur  von  Aggregat- 
Polarisation.  Sie  sind  scharf-  Umrissen  und  schmal  - umsäumt, 
obgleich  sie,  wie  Fig.  6 und  7 zeigen,  nicht  eben  sehr  flach -ge- 
wölbte oder  in  grösserer  Breite  ebene  Oberflächen  besitzen.  Nicht 
nur  nach  ihrer  Grösse,  sondern  auch  nach  ihrem  übrigen  Habitus 
lassen  sie  sich  in  drei  Abtheilungen  bringen,  zwischen  denen  ein 
stetiger  Uebergang  nicht  stattfinden  dürfte.  Die  erste  Abtheilung 
umfasst  die  nierförmigen  Aggregate  mit  den  längsten  Krümmungs- 
halbmessern, aber  ohne  allseitig  scharfe  Sonderung  der  einzelnen 
Knollen  (s.  Fig.  3),  die  zweite  die  traubigen  Aggregate  mit  deut- 
licher Sonderung  der  einzelnen  Knollen  (s.  Fig.  4),  die  dritte  die 
oolithischen  Aggregate  einzelner  sphärisch  umgrenzter  Linsen 
(s.  Fig.  5). 

Die  nierförmigen  Aggregate  lassen  sich  treffend  als  Miniatur- 
bilder von  Haufwolken  ( Cumuli ),  wie  sie  vom  aufsteigenden  Luft- 
strom unserer  heissen  Sommertage  erzeugt  werden,  bezeichnen. 
Sie  ragen  nicht  selten,  wie  es  Fig.  3 zeigt,  über  den  Bruchrand 
des  Glimmerblättchens  hinaus;  ob  sie  schon  gebildet  waren  bevor 
das  Blättchen  zerbrach,  oder  ob  sie  sich  auf  dem  schon  abge- 
brochenen Blättchen  fortentwickelten  über  die  Grundlagen  desselben 
hinaus,  muss  dahingestellt  bleiben. 

Die  traubigen  Aggregate  sind  meist  dicht  geschlossen,  indem 
die  einzelnen  Knöllchen  so  eng  aneinander  stossen,  dass  die  wegen 
seitlichen  Reflexes  unter  dem  Mikroskope  düster  erscheinenden 
Fugen  zwischen  ihnen  auf  der  Grundlage  der  Glimmerspaltungs- 
fläche, auf  der  sie  auf  liegen,  ein  stumpf  polygonales  Netz  bilden 
und  sich  erst  weiter  nach  aufwärts  selbständig  abrunden;  dieselben 
haben  aber  auch  häufig  theilweise  oder  ganz  — d.  h.  ringsum  — 
freie  Ränder;  ihr  Durchmesser  beträgt  0,03  bis  0,015  Millim. 

Die  oolithischen  Aggregate  sind  Miniaturbilder  der  Kalk-  und 
Eisen-Oolithe  namentlich  der  letzteren,  deren  Knöllchen  mit  den  vor- 
liegenden Strukturlosigkeit  gemein  haben.  Der  Rand  der  Knöllchen 
erscheint  vollkommen  kreisförmig;  ihr  Durchmesser  beträgt  0,005 
bis  0,003  Millimeter.  Gewöhnlich  liegen  auf  demselben  Glimmer- 
blatt nur  einerlei  Aggregate  nebeneinander  wie  bei  Fig.  4 und  5, 

oo  © Ö 7 


E.  E.  Schmid  , das  ostthiiringische  Roth. 


99 


mitunter  auch  alle  drei  Arten  derselben  bald  bis  zur  Berührung 
zusammengedrängt,  bald  durch  freie  Glimmerflächen  von  einander 
getrennt,  wie  in  Fig.  3.  Sie  erscheinen  auch  einzeln  von  der 
Glimmerunterlage  abgelöst.  Jedoch  machen  gerade  diese  letzteren 
keinen  beträchtlichen  Theil  der  lockeren  und  durch  Schlämmen 
nach  der  Feinheit  der  Theilchen  scheidbaren  Silicatgesteine  aus. 

Es  ist  mir  aus  der  Literatur  nicht  bekannt,  dass  der  eben 
geschilderte  Process  der  Form  Veränderung  des  Glimmers  schon 
beachtet  worden  wäre.  Ich  kann  daher  über  die  Weite  seiner 
Bedeutung  keine  Vermutlmng  aussprechen;  nur  zu  der  Behauptung 
berechtigen  mich  meine  eigenen  Beobachtungen,  dass  dieselben 
Umsetzungsformen  der  Glimmer  auch  im  mittleren  und  unteren 
Buntsandstein  Ostthüringens  sehr  gewöhnliche  Erscheinungen  sind. 

Das  Urtheil  über  die  Stellung,  welche  die  vorliegenden  Glimmer 
innerhalb  der  Glimmergruppe  einnehmen,  entbehrt  einer  genügenden 
erfahrungsmässigen  Grundlage.  Die  Glimmerblättchen  treten  in 
keinem  der  von  mir  eingehend  geprüften  Rö  tilgest  ei  ne  für  sich 
auf,  sondern  im  Gemenge  mit  anderen  gleich  leicht  aufschlämm- 
baren  Silicaten;  dieselben  sind  so  klein,  dass  ihre  optischen 
Charaktere  bezüglich  der  Lage  der  optischen  Axen  nicht  festge- 
stellt werden  können.  Die  später  anzuführenden  chemischen  Unter- 
suchungen ergeben,  dass  der  eine  Theil  von  ihnen  zu  den  leicht 
aufscliliesslichen  Magnesium  reichen  Glimmern  gehört,  der  andere 
zu  den  Magnesium  armen,  schwer  oder  nicht  aufscliliesslichen ; 
keinesfalls  sind  sie  fluorreich,  wahrscheinlich  fluorfrei.  Die  Kao- 
linisirung  derselben  ist  nicht  soweit  vorgeschritten,  wie  derjenigen 
des  mittleren  Buntsandsteins,  welche  bei  nahezu  gleicher  Klarheit 
und  Grösse  der  Blättchen  fast  ganz  in  wasserhaltige  Thonerde- 
Silicate,  also  in  kaolinische  Substanzen  übergegangen  und  technisch 
als  solche  verwendbar  sind. 

Wenn  überhaupt  die  nierförmigen,  traubigen  und  oolithischen 
Aggregate  Umwandlungsprodukte  des  Glimmers  sind,  an  den  sie 
sich  so  innig  anschliessen,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe,  die 
Umwandlung  sei  eine  kaolinische,  d.  li.  sie  bestehe  vornehmlich 
in  Wegführung  von  Alkalien  und  alkalischen  Erden  mit  einem 
Theile  der  Kieselsäure  und  Zuführung  von  Wasser,  wenn  sie  auch 

7 * 


100 


E.  E.  Schmid  , das  osttküringische  Roth. 


nicht  immer  zu  einem  reinen  wasserhaltigen  Thonerde-Silicate  ge- 
führt  hat.  Diese  Vermuthung  begründet  sich  auf  die  schon  mehr- 
fach betonte  Analogie  mit  den  Kaolinen  des  mittleren  Buntsand- 
steins und  mit  ihr  stehen  die  Resultate  der  chemischen  Analyse 
im  Einklang.  Dieselben  Aggregate  fielen  mir  bei  der  Unter- 
suchung der  kaolinischen  Gemengtheile  und  Gesteine  des  mittleren 
Buntsandsteins  allerdings  weniger  auf,  weil  sie  weniger  massenhaft 
und  scharf  hervortreten,  sind  jedoch  auch  in  ihnen  so  weit  ver- 
breitet, dass  man  annehmen  darf,  sie  theilen  die  Zusammensetzung 
derselben  als  wasserhaltiger  Thonerde-Silicate.  Sie  gehören  aber 
zu  den  leichter  zersetzbaren  Modificationen  derselben,  da  sie  unter 
dem  Rückstand  der  Digestion  eines  mergeligen  Dolomites  mit 
Chlorwasserstoffsäure  zwar  noch  reichlich  und  wasserhaltend  ge- 
funden wurden,  dagegen  aus  dem  Rückstände  einiger  daran  reicher 
dolomitischer  Mergel  nach  anhaltender  Digestion  und  wiederholter 
Eindampfung  mit  Chlorwasserstoffsäure,  Aufnahme  der  gelösten 
Theile  durch  Wasser  und  der  frei  gewordenen  Kieselsäure  durch 
Sodalösung  spurlos  verschwunden,  während  die  Glimmerblätter 
selbst  nicht  eben  auffällig  vermindert  waren. 

Glaukonitische,  d.  h.  wasserhaltige,  eisenschüssige,  amorphe 
Silicate  sind  als  Verwitterungs-,  oder,  allgemeiner  gesagt,  Um- 
setzungsprodukte der  Glimmer  recht  selten  zu  beobachten. 

Die  Glimmer  und  ihre  Abkömmlinge  sind  durch  die  Röth- 
Gesteine  wohl  am  weitesten  verbreitet  und  nehmen  an  ihrer  Bildung 
einen  ebenso  massenhaften  als  wesentlichen  Antheil. 

2.  Feldspath  und  seine  Abkömmlinge. 

Gemengtheile,  an  denen  sich  nicht  nur  die  krystallographischen 
und  physiographischen , sondern  auch  die  chemischen  Charaktere 
des  Feldspath  es  nachweisen  lassen,  kommen  im  mittleren  Bunt- 
sandstein, namentlich  in  seinen  conglomeratischen  Entwickelungen 
noch  von  recht  leicht  fassbarer  Grösse  vor,  im  oberen  Buntsand- 
stein erreichen  sie  nicht  mehr  makroskopische  Grösse.  Selbst 
solche  rhombisch-  oder  oblong-tafelförmige  oder  prismatische  Körner, 
wie  sie  in  Figur  10,  11  und  12  dargestellt  sind,  gehören  zu  den 
Seltenheiten.  Die  krystallinische  Umgrenzung  derselben  ist  seltener 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Röth. 


101 


einfach,  als  durch  Vor-  und  Rücksprünge  abgesetzt;  ihre  Spaltbar- 
keit ist  durch  Haarspalten  oder  langgezogene  Cav erneu  angezeigt; 
ihre  bräunliche  Farbe  löst  sich  bei  stärkster  Vergrösseruna:  weder 
immer,  noch  vollständig  in  Durchstäubung  auf;  chromatische 
Polarisation  ist  vorhanden,  aber  nicht  lebhaft  und  nie  in  der  den 
Viellingen  eigenen  bandartigen  Streifung;  auch  tritt  nicht  immer 
zwischen  gekreuzten  Nikols  vollständige  Verdunkelung  ein.  Das 
Verhalten  dieser  Feldspathkörner  ist  also  ganz  dasjenige  der 
Ortholdas-Feldspathe  alter,  mannichfaltigen  Umwandlungsprocessen 
ausgesetzter  Gesteine.  Selbst  solche  Feldspathkörner,  die  mit  bald 
scharfkantigen,  bald  weniger  oder  mehr  abgeriebenen  Spaltungs- 
stücken Übereinkommen,  machen  einen  beträchtlichen  Gemengtheil 
nur  weniger  Röthgesteine  aus.  Unregelmässig  abgerundete,  wohl 
abgeriebene,  sehr  trübe  und  nicht  deutlich  spaltbare  Brocken, 
welche  sich  mindestens  sehr  wahrscheinlich  aufFeldspath  beziehen 
lassen,  sind  häufiger. 

Daran  schliessen  sich  mit  ebenfalls  sehr  grosser  Wahrschein- 
lichkeit als  Feldspathabkömmlinge  dunkle,  von  vielfach  sich 
kreuzenden,  unebenen  Sprüngen  durchzogene,  in  krümeligem  Zer- 
falle begriffene  Brocken  an,  die  allmälig  in  Aggregate  sehr  kleiner, 
sich  von  einander  lösender  Knöllchen  übergehen.  Sie  sind  nur  an 
ihren  äuss ersten , dünnsten  Rändern  gelblich  durchsichtig.  Die 
einzelnen  Knöllchen  (s.  Fig.  13)  sind  sehr  klein;  ihr  Durch- 
messer beträgt  nur  0,010 — 0,017  Millimeter;  sie  sind  alle  abge- 
rundet, aber  ebensowenig  sphärisch,  als  einheitlich;  sie  haben  viel- 
mehr meist  deutlich  traubige  Gestalten  und  lassen  zwischen  den 
einzelnen  Trauben  auch  wohl  opake  Einklemmungen  erkennen, 
welche  mitunter  Aehnliclikeit  mit  Kernen  erhalten.  Das  V orkommen 
der  Kerne  ist  aber  durchaus  kein  wesentliches  und  die  dadurch 
erzeugte  Aehnlichkeit  der  Knöllchen  mit  Aggregaten  von  orga- 
nischen Elementartheilen  oder  Zellen  dürfte  eine  rein  zufällige  sein. 
Die  Knöllchen  brechen  das  Licht  nicht  einfach,  jedoch  so,  dass 
sie  nicht  nur  im  Ganzen,  sondern  auch  in  ihren  einzelnen  Trauben 
aus  optisch  verschiedenartig  orientirten  Theilen  bestehen.  Die  eben 
beschriebenen  Aggregate  sowohl,  als  auch  die  Knöllchen,  in  welche 
sie  zerfallen,  sind  sehr  verbreitet  und  nehmen  einen  beträchtlichen 


102 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringisclie  Roth. 


Antheil  an  der  Bildung:  der  thonigen  Gesteine  oder  der  Letten. 
Aehnliche  Formen  von  Abkömmlingen  der  Feldspathe,  namentlich 
kaolinartiger,  sind  mehrfach  gegeben  worden;  ohne  mich  auf  eine 
specielle  Vergleichung  einlassen  zu  wollen,  schliesse  ich  mit  der 
Bemerkung,  dass  ich  mir  Mühe  gegeben  habe,  ihre  Beschreibung 
und  Abbildung  naturgetreu  zu  geben  mit  Fernhaltung  krystallo- 
graphischer  oder  organologischer  Vorurtheile. 

In  einem,  allerdings  günstigen,  Falle  (Hornstein  vom  Jenzig 
bei  Jena)  ergeben  die  oben  beschriebenen  Spaltungsstücke  noch 
sehr  nahe  die  Zusammensetzung  eines  trisilicatischen  Kali-Natron- 
Feldspathes,  in  einem  anderen  sehr  analogen  Falle  dagegen  (Horn- 
stein vom  Kugelberg  bei  Calda)  fehlten  Alkalien  gänzlich,  war 
aber  nur  wenig  Wasser  dafür  eingetreten.  Die  durch  Chlor- 
wasserstoffsäure unlöslichen  und  unaufschliesslichen  Theile  von 
Letten,  Mergeln  und  Dolomiten  bieten  häufig  Zusammensetzungen, 
die  auf  Gemenge  von  Kali- Natron -Feldspath  mit  Glimmer  und 
Kaolin  hinweisen,  wenn  auch  der  erste  wegen  sehr  feiner  Ver- 
theilung  mikroskopisch  nicht  exact  nachweisbar  ist. 

Ueber  die  chemischen  Verhältnisse  der  Knöllchenaggregate 
lässt  sich  nur  so  viel  sagen,  dass  die  Lösungsrückstände,  in  denen 
sie  vorwalten,  im  Vergleich  zu  dem  gewöhnlichen  Kaolin  wasserarm 
sind,  ihr  Wassergehalt  schwankt  bei  fünf  Proben  zwischen  0,5  °/o 
und  7 %,  und  dass  sie  zugleich  7 — 8 °/o  Alkalien  enthalten,  dem- 
nach ihre  Stellung  zu  den  Kaolinen  schlechthin  bedenklich  er- 
scheint, vielmehr  als  ein  Zwischenstadium  zwischen  Feldspath  und 
Kaolin  zu  bezeichnen  ist.  Im  Rückstände  einiger  mergeliger  Letten 
nach  anhaltender  Digestion  mit  Chlorwasserstoffsäure  und  nachher 
Sodalösung  erscheinen  sie  gemengt  mit  Glimmerblättchen  und 
wenigen  Feldspath  ähnlichen  Brocken  sehr  reichlich  und  ebensogross 
wie  unter  den  aufgeschlämmten  Theilen  des  Lettens,  aber  fast  ganz 
frei  von  gelblicher  oder  bräunlicher  Färbung  oder  Bestäubung  und 
zugleich  nahe  wasserklar.  Jedenfalls  gehören  sie  zu  den  sehr  schwer 
zersetzbaren  Umwandlungsprodukten  des  Feldspathes. 

Die  Feldspathe  und  ihre  Abkömmlinge  stehen  hinsichtlich  ihrer 
Verbreitung  durch  die  Gesteine  des  Rothes  den  Glimmern  und 
Quarzen  nur  wenig  nach,  treten  jedoch  viel  weniger  selbständig  auf. 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Röth. 


103 


3.  Mikroschörlit.  4.  Mikrozirkon.  5.  Mikrolithen. 

Kleine  Krystalle,  wie  sie  hin  und  wieder  im  mittleren  Bunt- 
sandstein Vorkommen,  fehlen  auch  dem  oberen  nicht.  Beispielsweise 
mögen  die  folgenden  Erwähnung  finden. 

In  dem  nach  Digestion  mit  Chlorwasserstoffsäure  zurückge- 
bliebenen Rückstände  eines  thonigen  Dolomits  vom  östlichen  Ab- 
hange des  Jenzig  bei  Jena  fand  ich  ein  Krystallfragment  von 
hexagonalem  Habitus  und  derjenigen  Aehnlichkeit  mit  Turmalin 
(s.  Fig.  14),  welche  mir1)  bereits  bei  Untersuchung  der  Kaoline 
des  mittleren  Buntsandstein  aufgefallen  und  von  mir  als  Mikro- 
schörlit benannt  worden  war,  ohne  dass  damit  mehr  als  die 
Form- Aehnlichkeit  behauptet  sein  sollte.  Einige  dieser  Vorkomm- 
nisse haben  später  WiCHMANN  2)  voi’gelegen;  dieselben  sind  von 
ihm  als  wirkliche  Turmaline  anerkannt  und  als  authigene  Sand- 
gemengtheile  in  Anspruch  genommen  worden. 

In  demselben  Rückstände  lagen  noch  zwei  offenbar  abgeriebene, 
aber  sehr  glatte,  durch  sehr  lebhafte  chromatische  Polarisation 
ausgezeichnete  Krystalle  von  tetragonal  - prismatischem  Habitus 
(s.  Fig.  15),  die  ich  vorläufig  wegen  ihrer  Formenähnlichkeit  mit 
Zirkon  als  Mikrozirkon  bezeichne,  ohne  damit  mehr  als  die 
Möglichkeit,  oder  auch  Wahrscheinlichkeit  der  Zugehörigkeit  zur 
Species  Zirkon  behaupten  zu  wollen. 

Demselben  Rückstände  waren  ausserdem  noch  Bröckchen  aus 
gelben,  braunen  bis  opaken  Theilen  zusammengesetzt,  beigemengt, 
die  deutliche  Doppelbrechung  besitzen  und  gelbe,  einfachbrechende 
Kry Stallkörnchen.  Die  specifische  Stellung  beider  lasse  ich  dahin 
gestellt  sein. 

Die  Dünnschliffe  der  Hornsteine  lassen  namentlich  in  der 
Umgebung  grösserer  Quarzkrystalle  und  Krystallbrocken , gelbe 
Stäbchen  und  gelbliche  Körnchen  erkennen.  Die  Stäbchen  liegen 
oft  parallel  zu  einander  und  rechtwinklig  gegen  die  Quarzflächen.  Ich 
wage  nicht,  sie  mit  einer  besonderen  Mineralspecies  zu  vergleichen, 
muss  sie  daher,  wie  die  vorigen,  bei  den  Mikrolithen  belassen. 

!)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  28,  S.  94,  95,  1876. 

3)  Neues  Jahrb.  für  Min.  1880,  Bd.  2.  Briefwechsel  S.  2. 


104 


E.  E.  Schmid,  das  osttMringisclie  Roth. 


II.  .Freie  Kieselsäure. 

6.  Quarz  und  Chalcedon. 

Die  den  Gesteinen  des  Rötli  beigemengten  Quarze  erreichen 
nur  selten  makroskopische  Grösse;  sie  stellen  sich  selten  als  ganze 
Krystalle  dar  oder  auch  nur  als  Bruckstücke  von  Krystallen,  die 
wenigstens  zum  grösseren  Theile  ihres  Umfangs  geradkantig  be- 
grenzt  sind,  sondern  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  als  lediglich  von 
unebenen  Bruchflächen  umschlossene  Brocken.  Diese  Quarze  sind 
von  Cavernen  durchschwärmt,  von  denen  bei  schwacher  Ver- 
grösserung  die  wenigsten  sich  deutlich  öffnen,  bei  starker  Ver- 
grösserung  hingegen  alle  unvollkommen  abgerundete  Umrisse  erhal- 
ten, innerhalb  deren  Libellen  eingeschlossen  sind.  Die  Cavernen 
sind  theils  scharf-  und  schmal-,  theils  breit -umsäumt.  Glas  ei  er, 
sowie  vom  Bande  aus  eingestülpte  Glasschläuche  bieten  sich 
häufig  genug  dar,  um  die  Herkunft  der  Quarze  aus  porphyrischen 
Gesteinen  wahrscheinlich  zu  machen.  Auch  kleine  Apatitprismen 
und  Mikrolithe  fehlen  als  Einschlüsse  in  ihnen  nicht. 

Neben  den  Körnern  und  Brocken  ächten  d.  h.  optisch  ein- 
heitlich orientirten  Quarzes  finden  sich  auch  Ausfüllungsmassen 
von  optisch  confus  orientirten,  fest  miteinander  verbundenen  Quarz- 
keilen und  Flasern  oder  Chalcedonen,  innerhalb  deren  übrigens 
ebenfalls  Cavernen,  Apatite  und  Mikrolithe  anftreten. 

Der  Umstand,  dass  die  Quarzkörner  und  Brocken  nie  quar- 
zitiscli  überkrustet  sind,  erscheint  deshalb  bemerkens werth,  weil 
solche  Ueberkrustungen  im  mittleren  Buntsandstein  sehr  gewöhn- 
lich sind. 

Quarzitische  Einstreuungen  fehlen  nur  sehr  wenigen  Köth- 
gesteinen,  namentlich  den  lettigen ; viele  derselben  sind  reich  daran, 
werden  dann  sandig  und  gehen  in  eigentliche  Sandsteine  über. 

III.  Carbonate. 

7.  Dolomite. 

Die  carbonatisclien  Gemengtheile,  als  Ganzes  zusammenge- 
nommen, enthalten  stets  Calcium  und  Magnesium  zugleich,  und 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


105 


zwar  oft  in  so  nahe  gleichen  Aequivalenten,  dass  man  sie  danach 
als  echte  Dolomite  zn  bezeichnen  hätte.  Allein  sie  lösen  sich 
bereits  in  verdünnter  und  kalter  Chlorwasserstoffsäure  so  rasch  auf, 
dass  sie  wahrscheinlicher  mechanische  Gemenge,  als  isomorphe 
Mischungen  sind.  Gewöhnlich  tritt  auch  Eisencarbonat  hinzu, 
welches  jedoch  meist  unter  Verfärbung  der  Gesteine  in  das  Gelbe 
und  Braune  in  Eisenoxydhydrat  übergegangen  ist.  Von  Mangan- 
Carbonat  sind  nur  Spuren  nachweisbar.  Obgleich  die  carbonati- 
schen  Gemengtheile  sowohl  makroskopisch  als  auch  mikroskopisch 
nur  selten  krystallographisch  bestimmbar  sind,  so  liegt  doch  kein 
Grund  vor,  sie  einem  anderen  Krystallsystem , als  dem  rhomboe- 
drischen  unterzuordnen,  wofür  ja  auch  der  meist  hohe  Magnesium- 
gehalt spricht,  der  den  rhombischen  Carbonaten  fern  bleibt.  Die 
Carbonate  walten  nicht  selten  bis  zur  Selbständigkeit  vor;  sie 
treten  ebenso  häutig;  bis  zum  vollständigen  Verschwinden  zurück. 

8.  Malachit. 

Kleine,  aber  doch  makroskopisch  deutliche  Malachitkörn- 
chen, Rothkupfererzkerne  umschli essend,  sind  seltene  Accessorien, 
namentlich  der  Hornsteine. 

IV.  Sulpliate. 

Von  Sulphaten  nimmt  Gyps  einen  sehr  wesentlichen  Antheil 
an  der  Bildung  des  Röth,  Bittersalz  und  Cölestin  einen  sehr  un- 
bedeutenden. Das  erstere  stets  als  secundärer,  der  zweite  nur  als 
accessorischer  Gemengtheil. 

9.  Gyps. 

Der  Gyps  ist  stets  krystallinisch,  häufig  polysynthetisch  ent- 
wickelt. Er  erscheint  jedoch  gewöhnlich  nur  kurz-  und  schmal- 
späthig,  schuppig,  oder  faserig,  seltener  breitspäthig,  am  seltensten 
feinkörnig  bis  makroskopisch  dicht. 

Sein  Vorkommen  ist  ein  sehr  verbreitetes,  theils  selbständiges, 
theils  an  andere  Mineralien,  namentlich  dolomitische  Carbonate, 
thonige  Silicate  und  Quarzite  gebundenes. 


106 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Röth. 


10.  Bittersalz. 

Die  Ausblühung  des  Bittersalzes  an  den  Gypsfelsen  der 
Teufelslöcher  bei  Jena  ist  bereits  von  dem  ebenso  scharfsinnig 
beobachtenden,  als  genau  beschreibenden  Bätsch1)  bemerkt  und 
festgestellt  worden.  Wackenroder2)  hat  dieselbe  aus  der  Ein- 
wirkung des  Wassers  auf  ein  Gemenge  von  Calcium-Sulphat  und 
Magnesium  - Carbonat  erklärt.  Enthielte  der  Gyps  das  Bittersalz 
als  eine  ursprüngliche  Beimengung,  so  würde  es  sich  an  jeder 
feuchten  Gypswand  zeigen;  das  ist  aber  nicht  der  Fall,  vielmehr 
ist  es  gerade  an  den  Teufelslöchern  mit  feinst  vertheiltem  Dolomit 
gemengt.  Das  Bittersalz  ist  ein  secundäres  Mineral,  welches  sich 
an  der  Aussenseite  und  zwischen  den  klaffenden  Schichtenfugen 
derjenigen  Gypswände  reichlich  ansammeln  kann,  die  gegen  Wind 
und  Regen  einigermaassen  geschützt  sind.  Die  Ausblühung  ist 
während  trockener  Sommer  und  Herbste  mitunter  so  reichlich, 
dass  sie  den  Gypswänden  ein  schneeweiss  - bestäubtes  Aussehen 
giebt.  Sie  besteht  übrigens  nicht  ausschliesslich  aus  Bittersalz, 
sondern  aus  einem  Gemenge  desselben  mit  Gyps,  Dolomit  und 
Letten.  Eine  technische  Bedeutung  hat  sie  nicht,  wohl  aber  übt 
der  Bittersalzgehalt  des  Wassers,  welches  durch  dolomitführende 
Gypsfelsen  hindurch  gegangen  ist,  gelegentlich  einen  Einfluss  auf 
den  Gesundheitszustand  der  Wohnstätten  aus,  welche  sich  solchen 
Wassers  für  ökonomische  Zwecke  bedienen  müssen.  Eine  Bitter- 
salzhaltige Quelle,  welche  aus  den  Gypsfelsen  der  Teufelslöcher 
entspringt,  hat  man  zwar  als  einen  Gesundbrunnen  gerühmt;  die 
Quellen,  auf  deren  Benutzung  J ena-Priessnitz  bei  J ena  angewiesen 
ist,  wirken  dagegen  während  anhaltend  trockner  Sommer  und 
Herbste  entschieden  gesundheitswidrig. 

11.  Cölestin. 

Von  Cölestin  finden  sich  im  Röth  blos  Spuren  und  zwar 
nur  im  mittleren  Rhizocoralliumdolomit  und  im  Hornstein,  welche 

!)  Bätsch,  Taschenbuch  für  mineralogische  Excursionen  in  die  umliegende 
Gegend  von  Jena.  Weimar  1802.  S.  303. 

2)  Wackenroder,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Formation  des  Muschelkalkes 
und  des  bunten  Sandsteins  bei  Jena.  Jena  1830.  S.  22  ff. 


E.  E.  Schmid,  das  ostthöringisclie  Roth. 


107 


am  Abhange  des  Hausberges  ziemlich  breit,  ausstreichen.  Diese 
Spuren  sind  deutlich  krystallinisch,  namentlich  spaltbar,  aber  doch 
nicht  krystallographisch  definirbar,  blass-  bis  dunkel  fleischroth. 
Im  lüiyzocoralliumdolomit  treten  sie  häufiger  auf,  als  im  Horn- 
stein. Der  erste  ist  cavernös  von  resorbirten  Muschelschalen, 

und  an  der  Innenseite  solcher  Cavernen  sitzen  die  Cölestine  gruppen- 
weise häufiger  auf,  als  sie  in  einzelnen  Körnchen  von  der  Gesteins- 
masse eingeschlossen  sind,  wie  in  den  Hornsteinen.  Vor  dem  Lötli- 
rohre  decrepitiren  sie  so  heftig,  dass  es  schwer  hält,  eine  Probe 
davon  so  lange  in  der  Flamme  zu  erhalten,  bis  sie  ge- 
schmolzen ist  und  carminroth.es  Glühlicht  giebt.  Mit  Natrium- 
carbonat schmelzen  sie  zu  einem  weissen  hepatischen  Email 
zusammen ; in  Salpetersäure  lösen  sie  sich  sehr  langsam  und 
schwer  auf.  Die  rothe  Färbung  ist  allerdings  den  Cölestinen 
nicht  gewöhnlich,  ist  aber  von  mir  Q gerade  bei  einem  aus- 
gezeichneten Cölestinvorkommen  in  der  Trias  beobachtet  worden, 
nämlich  bei  dem  der  untersten  Keuperschichten  im  Salzschachte 
bei  Erfurt. 


V.  Phosphate. 

12.  Apatit. 

Die  Beimengung  des  Apatits  ist  eine  zwar  sehr  sparsame, 
aber  zugleich  allgemein  verbreitete.  Sie  ist  eine  theils  selbstän- 
dige, d.  h.  gleichwerthige  mit  den  übrigen  Gemengtheilen  und 
dann  von  wenigstens  mikroskopisch  ansehnlicher  Grösse  (s.  Fig.  12), 
theils  eine  den  Quarzkörnchen  untergeordnete,  dann  sehr  minutiöse. 
Der  Apatit  erscheint  stets  iu  deutlich  hexagonalen,  wenn  auch 
krystallographisch  nicht  ins  Einzelne  definirbaren  Krystallen  von 
meist  gelber  bis  gelbbrauner,  düsterer  Farbe,  herrührend  von  fer- 
ritischen  Beimengungen;  parallel  der  Hauptaxe  sind  längliche,  die 
äusseren  Umrisse  mehr  oder  weniger  genau  wiederholenden  Hohl- 
räume oder  Einschlüsse  nicht  eben  selten. 


!)  Pogg.  Ann.  120,  637  ff.  (1863). 


108 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Röth. 


Der  Gehalt  an  Apatit  beträgt  nach  Maassgabe  der  später  auf- 
zufülirenden  chemischen  Analysen  in  den  Hornsteinen  zwischen 
0,19  °/o  und  0,4  °/0,  in  den  Mergeln  0,29%  bis  1,187%,  in  den 
Dolomiten  etwa  1,58%. 

VI.  Chloride. 

13.  Steinsalz. 

Wie  den  mittleren,  so  darf  man  auch  den  oberen  Buntsand- 
stein Ostthüringens  nicht  zu  den  Salz  führenden  Formationsgliedern 
der  Triasgruppe  zählen,  die  man  im  Uebrigen  als  das  Salzgebirge 
zu  bezeichnen  für  gut  befunden  hat. 

Steinsalz  selbst  ist  im  thüringischen  Röth  noch  nicht  auf- 
gefunden  worden,  auch  wird  sein  Vorkommen  durch  einen  mehr 
als  gewönlichen  Salzgehalt  der  aus  ihm  entspringenden  Quellen 
nicht  angezeigt,  sondern  nur  durch  verzogene  cubische  Hervor- 
ragungen  über  die  Schichtflächen  gypsführender  Sandsteine,  welche 
die  charakteristischen  Eigentümlichkeiten  der  Chlornatrium  -Kry- 
stalle  an  sich  tragen,  in  welchen  man 1)  desshalb  Afterkrystalle  von 
Steinsalz  anerkennt.  Ich  habe  ausser  der  einen  schon  vor  langer 
Zeit  von  mir2)  beschriebenen  Fundstätte  dieser  sogenannten  kry- 
stallisirten  Sandsteine  am  Hausberge,  da  wo  sich  der  Oberweg 
von  Jena  nach  Ziegenhain  mit  einer  breiten  Regenfurche  kreuzt, 
einen  weiteren  aus  der  Umgebung  von  Jena  nicht  namhaft  zu 
machen.  Wohl  aber  hat  Speyer3)  schwache  Sandsteinschichten 
mit  der  gleichen  Steinsalz  - Pseudomorphosen  den  Röthmergeln 
zwischen  Freiburg  a.  U. , Donndorf  und  Querfurt  eingelagert  ge- 
funden. 

VII.  Oxyde  und  Oxydhydrate. 

14.  Ferrit. 

Obgleich  die  sehr  oft  tiefrothe  Farbe  des  Röth  lediglich  von 
beigemengten  Eisenoxyd  und  Eisenoxydhydraten,  mitunter  wohl 

J)  S.  Zenker,  Historisch- topographisches  Taschenbuch  v.  Jena. 

2)  S.  Schmid  und  Schleiden,  die  geognostischen  Verhältnisse  des  Saalthaies 
bei  Jena.  3,  12. 

3)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  gool.  Ges.  Bd.  29,  S.  205.  (1877). 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


109 


auch  etwas  Eisenoxydoxydul,  also  Roth-,  Brauu-  und  Magnet- 
eisenstein, die  unter  dem  Namen  Ferrit  zusammengefasst  werden 
sollen,  herrührt,  so  zeigt  sie  doch  nicht  sowohl  einen  hohen  Gehalt, 
als  vielmehr  eine  sehr  feine  Vertheilung  an. 

Grössere  Anhäufungen  von  reinem  Ferrit  fehlen  gauz;  die- 
selben erreichen  nicht  einmal  makroskopische  Grösse  und  stellen 
sich  unter  dem  Mikroskop  vorzugsweise  als  Durchstäubung  und 
Trübung,  oft  von  kaum  körnig-auflösbarer  Feinheit  dar.  Roth- 
eisenstein erweist  sich  überall  als  primärer  Gemengtheil;  Braun- 
eisenstein dürfte  meist  als  ein  Verwitterungsprodukt  eisenschüssiger 
Carbonate  anzusehen  sein;  auf  Magneteisenstein  werden  wohl  die 
opaken  Ein-  und  Umlagerungen  des  Glimmers  zu  beziehen  sein. 

15.  Rothkupfererz. 

Die  dunkeln  Kerne  der  Malachiteinschlüsse  in  den  Horn- 
steinen sind  so  klein  und  selten,  dass  nur  wenige  Versuche  mit 
ihnen  angestellt  werden  konnten.  Vor  dem  Löthrohr  lassen  sie 
sich  zu  Kupfer  reduciren;  sie  geben  nur  schwache,  ja  nicht  ein- 
mal deutliche  Schwefel  -Reactioneu;  sie  sind  weder  milde  noch 
glänzend;  ihr  Strich  ist  rothbraun.  Ihr  Verhalten  stimmt  demnach 
mit  dem  des  Rothkupfererzes  überein,  dem  mitunter  etwas  Kupfer- 
glanz beigemengt  ist. 


VIII.  Smlpliide. 

16.  Schwefelkies.  17.  Kupferkies.  18.  Kupferglanz. 

19.  Bleiglanz. 

Wie  die  Erzführung  für  die  thüringischen  Trias  überhaupt, 
so  ist  sie  im  Besouderen  für  das  Röth  und  namentlich  in  Bezug 
auf  die  Sulphide  ohne  allen  Belang. 

In  den  dolomitischen  und  quarzitischen  Gesteinen  des  Röth, 
auch  im  Gyps1)  finden  sich  mitunter  Körnchen  von  Schwefel- 
kies, Kupferkies,  Bleiglanz,  wohl  auch  Kupferglanz,  als 
Grundlage  der  Rothkupfererz-  und  Malachiteinschlüsse. 

x)  Siehe  Bätsch,  Taschenbuch  für  mineralogische  Excursionen  in  die  um- 
liegende Gegend  von  Jena.  S.  289.  1802. 


110 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringisehe  Rötli. 


IX.  Schwefel. 

20. 

Der  scharf  beobachtende  und  durchaus  zuverlässige  Bätsch1) 
beschreibt  ein  von  befreundeter  Hand  an  der  vorderen  Seite  des 
Hausberges  bei  Jena  gefundenes  Gyps  - Rollstück , an  welchem 
Schwefel  in  einer  etwa  2/ 3 Zoll  breiten  und  Vs  Zoll  dicken  Masse 
theils  an-,  theils  auflas:  und  Oebt  von  ihm  eine  völlig;  exacte  Be- 

J 00  O 

Stimmung.  Dieser  Fund  geht  jedoch  bis  auf  den  Anfang  dieses 
Jahrhunderts  zurück  und  hat  sich  seitdem  nicht  wiederholt.  Ich 
halte  ihn  für  authentisch,  um  so  mehr,  als  er  keine  neue  Mineral- 
aggregation betrifft. 


X.  Bituminöse  Kohle. 

21.  Gagat. 

Zu  derjenigen  Modification  von  bituminöser  Kohle,  welche 
man  Gagat  nennt,  stellt  Bätsch  2)  einen  von  ihm  selbst  im  Thon 
zwischen  den  Gypsschichten  an  den  Teufelslöchern  bei  Jena  ge- 
fundenen, nicht  über  2 Linien  langen  und  1 Linie  dicken  Brocken 
einer  schwarzen,  etwas  milden,  auf  frischem  Bruche  harzglänzenden, 
mit  bituminösem  Geruch  verbrennlichen  Substanz.  Obgleich  sich 
dieses  Vorkommen  seit  dem  Jahre  1796  nicht  wiederholt  hat,  so 
liegt  durchaus  kein  Grund  vor,  ihn  anzuzweifeln.  Nach  Batsch’s 
Beschreibung  war  er  demjenigen  sehr  ähnlich,  den  ich3)  zu  Anfang 
der  40  er  Jahre  wiederholt  aus  dem  untersten  Muschelkalke  der 
Cölestingruben  von  Wogau  bei  Jena  erhielt,  und  in  dessen  Rück- 
stände nach  andauernder  Auslaugung  mit  Ammoniak  Schleiden4) 
eine  Mannichfaltigkeit  von  wohlerhaltenen  gymnospermen  und 


*)  Bätsch,  Taschenbuch,  für  mineralogische  Excursionen  in  die  umliegende 
Gegend  von  Jena.  S.  298  (1802). 

2)  Bätsch,  Taschenbuch  für  mineralogische  Excursionen  in  die  umliegende 
Gegend  von  Jena.  S.  299  — 301  (1802). 

3)  E.  E.  Schmid  und  Schleiden  , die  geognostischen  Verhältnisse  des  Saal- 
thales  bei  Jena.  S.  19  (1846). 

4)  E.  E.  Schmid  und  Schleiden,  die  geognostischen  Verhältnisse  des  Saal- 
thales  bei  Jena.  S.  67,  Taf.  V,  Fig.  1 — 17. 


E.  E.  Schmid  , das  ostthüringische  Roth. 


111 


dikötyledonisclien  Pflanzenresten  entdeckte.  Auch  diese  Fundgrube 
schien  erschöpft  zu  sein,  hat  aber  in  neuester  Zeit  wieder  etwas 
ergeben,  zufolge  des  Aufschwungs,  den  die  Cölestingräberei  während 
des  letztvergangenen  Jahres  genommen  hat. 

22.  Bitumen. 

Die  dunkele  Farbe  mancher,  namentlich  lettiger  Röthgesteine 
rührt  von  bituminösen  Beimengungen  her,  die  sich  jedoch  nicht, 
weder  in  makroskopisch,  noch  in  mikroskopisch  selbständigen 
F ormen  darbieten . 

Schluss. 

Von  den  Gemengtheilen  des  Röthes  ist  mit  Ausnahme  der 
Sulphate  keiner  dem  mittleren  und  unteren  Buntsandstein  fremd. 
Zugleich  fehlt  dem  Röth  keiner  der  Gemengtheile  des  mittleren 
und  und  unteren  Buntsandsteins,  wenn  man  von  den  Conglomeraten 
absieht,  die  aber  auch  im  letzteren  zu  den  Seltenheiten  gehören. 
Aber  das  Menguugsverhältniss  ist  ein  wesentlich  anderes. 


Die  Gesteine  des  ostthüringischen  Röthes. 

Das  ostthüringische  Röth  ist  im  Wesentlichen  ein  Mergel- 
gebilde mit  untergeordnetem  Gyps.  Die  Mergel  aber  sind  sehr 
mannichfaltige  und  wechselnde  Gemenge  von  thonigen  Silicaten 
und  dolomitischen  Carbouaten  mit  Quarz  und  gehen  durch  Vor- 
walten und  Zurücktreten  der  einzelnen  Gemengtheile  in  schieferige 
Thone  — Letten  — , Dolomite,  Quarzsandsteine  und 
Ho  rn  st  eine  über.  Die  Gypse  stellen  sich  zwar  auch  ganz  rein 
dar,  gewöhnlich  aber  im  Gemenge  mit  thonigen  Silicaten  und 
dolomitischen  Carbouaten. 


[.  Mergel. 

Die  Mergel  sind  weich,  d.  h.  der  Zusammenhalt  ihrer  Ge- 
mengtheile ist  so  schwach,  dass  er  meist  schon  durch  Reiben  mit 


112 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


dem  Fingernagel  aufgehoben  wird;  dieselben  sind  im  trocknen 
Zustande  bröcklich,  im  feuchten  zäh  bis  plastisch.  Ihr  Bruch  ist 
glatt  bis  erdig,  eben  bis  flachmuschelig  ins  Unebene.  Sie  fühlen 
sich  seltener  rauh,  häufiger  fettig  an  und  werden,  mit  einem 
harten  Gegenstände  gerieben,  seltener  matt,  häufiger  glänzend. 
Ihre  Fai’be  ist  vorwaltend  ziegelroth,  geht  aber  durch  fast  alle 
Zwischenstufen  in  licht- grau,  -bläulich  oder  -grünlich  über;  sie 
wechselt  vielfach,  bald  mit  scharfen,  bald  mit  verwaschenen  Grenzen, 
sowohl  Schicht-  als  Fleckenweise;  die  Flecken  entwickeln  sich 
sowohl  innerhalb  einzelner  Schichten,  als  auch  stärkerer  Schicht- 
complexe. 

Ihre  Schieferung'  ist  meist  sehr  dünn  und  erzeugt  verbunden 
mit  ihrer  Schwindung  beim  Austrocknen  einen  hohen  Grad  von 
Bröcklichkeit. 

Wasser  saugen  sie  meist  sehr  begierig  auf,  werden  damit  zu- 
erst schlüpferig , quellen  dann  auf  und  zerweichen  oft  von  selbst, 
stets  unter  Nachhülfe  sehr  mässigen  Druckes  zu  plastischem  Teige, 
der  sich  in  Wasser,  besonders  heissem  zum  grössten  Theil  bis 
vollständig  aufschwämmen  lässt,  aber  nach  tagelanger  Ruhe  wieder 
vollkommen  absetzt.  Der  wieder  abgesetzte  Teig  zieht  sich  wäh- 
rend  des  Austrocknens  wieder  stark  zusammen  und  zerreisst.  da- 
bei in  polygonale  Stücke.  Dem  entspricht  das  Verhalten  der 
Mergel  beim  Wetterwechsel  im  Freien.  Nach  anhaltender  Nässe 
bilden  sie  einen  weichen,  glitschigen  Boden,  nach  anhaltender 
Trockenheit  einen  harten,  von  vielen  Rissen , in  welche  der  Stock 
oft  fusstief  einsinkt,  durchzogenen  oder  mit  leicht  beweglichen 
Bröckchen  überschütteten  Boden. 

Wasser  nimmt  zugleich  aus  den  Mergeln  eine  bald  grössere, 
bald  geringere  Menge  von  Calciumsulphat  und  eine  stets  schwache 
Spur  von  Chlornatrium  auf. 

Unter  Chlorwasserstoffsäure  entwickeln  die  Mergel,  auch  ohne 
vorherige  Erwärmung,  Kohlensäure.  Aber  dabei  werden  nicht  nur 
die  Carbonate,  sondern  auch  ein  Theil  der  Silicate  zersetzt,  Ferrite 
und  Apatite  gelöst. 

Wendet  man  concentrirte  Chlorwasserstoffsäure  an,  dampft 
langsam  und  wiederholt  bis  zur  Trockniss  ein,  und  nimmt  wiederum 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


113 


mit  verdünnter  Salzsäure  auf,  so  enthält  die  Lösung  ausser  Kalk- 
und  Talkerde  mit  etwas  Eisenoxydul  auch  reichlich  Eisenoxyd  mit 
etwas  Manganoxyd  und  Thonerde  mit  etwas  Kali  und  Natron. 
Der  ungelöste  Rückstand  ist  stets  sehr  licht -grünlich,  -bläulich 
oder  -grau.  Er  enthält  neben  unzersetzten  Silicaten  und  Quarz 
auch  freie  Kieselsäure,  die  von  Sodalösung  aufgenommen  wird. 
Diese  letztere  gehört  selbstverständlich  den  durch  Chlorwasser- 
stoffsäure aufschliesslichen  Silicaten  an. 

Als  Beispiele  von  dolomitischer  bis  lettiger  Beschaffenheit  der 
Mergel  wurden  drei  makroskopisch  homogene,  glatt,  flachmuschelig 
bis  eben  brechende  Proben  ins  Einzelne  untersucht,  nämlich : 

1)  eine  lichtgrünlich  graue,  kaum  fettig  anzufühlende,  beim 
Reiben  mit  einem  Polirstahl  mattwerdende ; sie  stammt  vom  west- 
lichen Abhange  des  Jenzigs  bei  Jena; 

2)  eine  dunkelziegelrothe , nicht  fettig  anzufühlende,  beim 
Reiben  mit  dem  Polirstahl  mattwerdende,  ebenfalls  vom  west- 
lichen Abhange  des  Jenzigs  bei  Jena; 

3)  eine  grünlichgraue,  fettig  anzufühlende,  beim  Reiben  mit 
einem  Polirstahl  glänzend  werdende,  vom  Abhange  des  Kugelberges 
über  Gumperda  bei  Cahla. 

Alle  drei  Proben  enthalten  lufttrocken  einige  (2  — 5)  Procente 
Wasser,  die  sie  bei  Erwärmung  bis  100°  C.  verlieren.  Wasser 
saugen  sie  gleich  schnell  und  gleich  reichlich  auf  und  zerweiclien 
bei  gewöhnlicher  Temperatur  langsam,  bei  Siedehitze  schneller, 
jedoch  nicht  ohne  Nachhülfe  eines  leichten  Druckes,'  etwa  zuletzt 
mittels  eines  hölzernen  Pistills,  zu  einem  gleichförmigen  Teige, 
der  weder  unaufschlämmbare,  noch  schwebende  Theile  enthält, 
d.  h.  sich  mit  den  massig  bewegten  Wasser  ohne  Rückstand  hebt, 
aus  ihm  aber  nach  etwa  24  stündiger  Ruhe  wieder  vollständig 
absetzt. 

Was  sich  zuerst  absetzt,  besteht  aus  einem  Gemenge  der 
oben  beschriebenen  Knöllchenafferreffate  und  Knöllchen  mit 
G 1 i m m e r b lättchen  und  den  ihnen  anhaftenden  nierförmigen, 
traubigen  und  oolithis chen  Aggregaten,  so  zwar,  dass  die 
ersteren  vor  den  zweiten  sehr  vorwalten.  Bröckchen,  die  man  mit 
einiger  Sicherheit  als  Felds pathtr (immer  deuten  könnte,  sind 


114 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


Seltenheiten;  Spuren  von  Quarz  konnten  nur  in  der  ersten  Probe 
erkannt  werden.  Apatitprismen  finden  sich  sehr  wenige.  Gelb- 
braune, rothbraune,  bis  opake  Ferrite  in  selbständigen  Formen 
machen  sich  nicht  bemerklich;  ihr  Vorkommen  ist  auf  Körnchen, 
Flöckchen  und  griesige  bis  staubige  Einlagerung  und  nahe’  gleich- 
massige  Durchstäubung  beschränkt;  in  der  ersten  Pi’obe  und  über- 
haupt in  den  lichten  Gesteinen  fehlen  sie  fast  gänzlich,  in  der 
dritten  Probe  und  überhaupt  in  den  dunkelrothen  Gesteinen  sind 
sie  auffällig.  Welchen  Antheil  die  Carbo nate  an  dem  Gemenge 
auch  der  gröbsten  Tlieile  nehmen,  bleibt  auch  bei  mikroskopischer 
Betrachtung  unentschieden.  Lässt  man  Chlorwasserstoffsäure  unter 
dem  Mikroskope  einwirken,  so  stellen  sich,  scheinbar  plötzlich, 
sogleich  grössere  Gasblasen  ein,  ohne  dass  man  erkennen  könnte, 
von  welchen  Theilen  sie  ausgehen.  Der  Rückstand  nach  Digestion 
des  Aufgeschlämmten  mit  verdünnter  Chlorwasserstoffsäure  bis  zur 
Austreibung  der  Kohlensäure  unterscheidet  sich  mikroskopisch 
nicht  wesentlich  von  dem  Aufgeschlämmten  selbst.  Hat  man  das 
Aufgeschlämmte  wiederholt  mit  concentrirter  Chlorwasserstoffsäure 
eingedampft,  das  gelöste  mit  Wasser  aufgenommen  und  die  frei 
gewordene  Kieselsäure  durch  Digestion  mit  Sodalösung  entfernt, 
so  besteht  der  Rückstand  aus  Glimmerblättchen,  Knöllchen- 
aggregaten und  Knöllchen,  die  jedoch  völlig  farblos  und  klar 
geworden  sind.  Die  Glimmerblätter  sind  jedoch  entschieden  ver- 
kleinert und  die  nierförmigen,  traubigen  und  oolithischen,  ihnen  vor 
der  Digestion  anhaftenden  Aggregate  fast  spurlos  verschwunden. 

Die  später  sinkenden,  feineren  Theile  des  Aufgeschlämmten 
unterscheiden  sich  von  den  zuerst  sinkenden,  gröberen  Theilen 
nicht  durch  andere  Formen,  sondern  nur  durch  weitere  Verthei- 
lung  und  Verkleinerung  der  Glimmerblätter,  durch  Abtrennung 

O O j o 

der  nierförmigen  u.  s.  w.  Aggregate  von  ihnen,  sowie  durch  Ver- 
einzelung der  Knöllchen. 

Die  Resultate  der  Gesammtanalysen  der  bezeichneten  drei 
Mergelproben  sind  unter  No.  3,  4 und  5 der  nach  der  Be- 
schreibung der  Hornsteine  eingeschalteten  Tabelle  I zusammen- 
gestellt.  Sie  stimmen  unter  sich  ziemlich  nahe  überein,  begründen 
ein  günstiges  Urtheil  über  den  Werth  der  Rötlnnergel  bei  der 


E.  E.  Schmid  , das  osttliüringiscbe  Röth. 


115 


Bodenbildung,  stehen  aber  zu  den  Resultaten  der  mikroskopischen 
Analysen  noch  nicht  in  einer  bestimmten  Beziehung.  Eine  solche 
wird  erst  durch  Hinzunahme  der  Partialanalysen  mittels  Chlor- 
wasserstoffsäure vermittelt,  wie  es  dieselben  Nummern  der  Tabelle  II 
zeigen.  Aus  derselben  ersieht  man  zuerst,  dass  von  einer  durch 
die  ganze  Reihe  der  Mergel  übereinstimmend  hindurchgehenden 
isomorphen  Mischung  von  Calcium-  und  Magnesium  - Carbonat 
nicht  die  Rede  sein  kann,  und  findet  in  Uebereinstimmuug  mit 
der  leichten  Zersetzbarkeit  durch  Chlorwasserstoffsäure,  die  An- 
nahme einer  bloss  mechanischen  Mischung  zwischen  beiden  Carbo- 
naten  als  die  wahrscheinlichere  begründet.  Auf  die  in  Chlor- 
wasserstoffsäure aufschliesslichen  Silicate  entfällt  ein  nicht  unbe- 
trächtlicher Theil  der  Talkerde,  ein  ansehnlicher  Theil  der  Alkalien 
und  des  Wassers.  Qualität  und  Quantität  der  dazu  gehörigen 
Elemente  gestatten  sehr  wohl,  diese  Silicate  als  ein  Gemenge  von 
Glimmern  wahrscheinlich  der  Biotit  reihe  mit  Kaolin - 
artigen  Abkömmlingen  derselben  aufzufassen.  Zu  den 
letzten  würden  namentlich  die  nierförmigen , traubigen  und  ooli- 
thischen  Aggregate  zu  stellen  sein,  welche  demnach  als  Glimmer- 
kaoline zu  bezeichnen  sein  würden.  Die  in  Chlorwasserstoff- 
säure nicht  aufschliesslichen  Silicate  enthalten  sehr  wenig  Kalkerde, 
wenig  Talkerde , aber  mehr  als  drei  Viertheile  des  Alkaligehaltes 
und  einen  ansehnlichen  Theil  des  Eisenoxydes.  Qualität  und 
Quantität  der  zugehörigen  Elemente  weisen  auf  ein  Gemenge  von 
trisili catisclien  Feldspath,  mit  einem  minder  Kieselsäure- 
reichen  Silicate,  etwa  einem  Gliede  der  Glimmerreihe  und  mit  Kaolin- 
artigen  Abkömmlingen  derselben  namentlich  der  Feldspathe  hin. 
Auf  diese  Letzten  sind  wohl  die  Knöllchen  und  Knöllchenaggre- 
gate zu  beziehen,  deren  gegen  die  Kaoline  der  aufschliesslichen 
Silicate  scharf  contrastirende  Form  einen  anderen  Ursprung  be- 
dingt; — und  welcher  wäre  dann  wahrscheinlicher,  als  der  aus 
Feldspath?  Bezeichnet  man  die  Knöllchen  und  ihre  Aggregate 
als  Felds pathkaoline,  so  hat  man  mindestens  einen  hohen 
Grad  von  Wahrscheinlichkeit  für  sich. 

Als  selbständig  auftretendes  Eisenoxyd  ist  das  in  der  Chlor- 
wasserstoffsäurelösung enthaltene  Eisen  genommen.  Diese  An- 

8 * 


116 


E.  E.  Schmid  , das  ostthüringisclie  Roth. 


nähme  ist  eher  zu  hoch,  als  zu  niedrig,  da  etwas  davon  auch 
dem  leicht  aufschliesslichen  Glimmer  angehören  kann.  Indem  ich 
bisher  stets  von  Ferrit  gesprochen  habe,  meine  ich  damit,  dass 
neben  Eisenoxyd,  wohl  auch  Eisenoxydhydrat  auftreten 
mag,  wie  sich  aus  der  oft  braunen  Färbung  der  Ferritein- 
lagerungen ergiebt. 

Das  vorkommende  Eisenoxydul  kann  ebensowohl  den  Carbo- 
naten,  wie  den  leicht  aufschliesslichen  Silicaten  angehören.  Ohne 
darüber  entscheiden  zu  können  und  zu  wollen,  habe  ich  der  Ein- 
fachheit wegen  zur  Sättigung  der  Kohlensäure  nur  Kalk-  und 
Talkerde  verrechnet. 

Die  Angabe  der  Procentzahlen  für  Apatit  und  Gyps  beruht  auf 
der  Bestimmung  des  Phosphorsäure-  und  Schwefelsäuregehaltes  unter 
Zutheilung  der  erforderlichen  Menge  von  Kalkerde  und  Wasser. 

Die  Carbonatreichen  Mergel  enthalten  sehr  selten,  die  Thon- 
reichen  nie  organische  Ueberreste. 


II.  Letten. 

Zwischen  Mergel  und  Letten  ist  eine  scharfe  Grenze  nicht 
zu  ziehen.  Die  Mergel  gehen  mit  allmäliger  Abnahme  des 
Carbonatgehaltes  fast  stetig  in  die  Letten  über.  Diese  Letzten 
sind  recht  weich,  brechen  fein  erdig  bis  glatt,  eben  bis  flach- 
muschelig, werden  beim  Reiben  mit  einem  harten  glatten  Körper 
glänzend  und  fühlen  sich  fettig  an.  Schon  im  trocknen  Zustande 
sind  sie  zähe,  im  nassen  plastisch,  plastischer  als  die  Mergel. 
Ihre  Farbe  ist  vorwaltend  grau  ins  Grüne,  Blaue  und  Rothe, 
seltener  ziegelroth,  verhält  sich  aber  übrigens  wie  diejenige  der 
Mergel. 

Ihre  Schieferung  ist  dünner,  als  diejenige  der  Mergel,  und 
nicht  in  gleichem  Grade  mit  Bröcklichkeit  verbunden. 

Die  Letten  saugen  Wasser  noch  begieriger  auf,  als  die  Mergel, 
werden  noch  schlüpfriger  und  quellen  stärker  auf,  zerweichen  aber 
doch  nicht  so  leicht,  und  zergehen  auch  nach  längerer  Erwärmung 
bis  zum  Sieden  ohne  nachhelfenden  Druck  nicht  zu  einem  gleich- 
förmigen Teig.  Beim  Schlämmen  und  beim  Witterungswechsel  im 
Freien  verhalten  sie  sich  fast  ebenso,  wie  die  Mergel. 


E.  E.  Schmid  , das  ostthüringische  Roth. 


117 


Wasser  entzieht  den  Letten  nach  anhaltender  Digestion  nur 
Spuren  von  Calciumsulphat  und  Chlornatrium. 

Unter  Chlorwasserstoffsäure  entwickeln  sie  wenig  bis  keine 
Kohlensäure;  im  Uebrigen  verhalten  sie  sich  wie  die  Mergel. 

Als  ein  typisches  Beispiel  wurde  ein  dunkelröthlich  grauer 
Letten  vom  Abhange  des  Kugelberges  über  Gumperda  bei  Cahla 
untersucht. 

Durch  anhaltende  Digestion  mit  Wasser  und  Zerdrücken 
mittels  eines  hölzernen  Pistills  wird  er  in  einen  zähen  Teig  über- 
geführt, welcher  sich  vollständig  aufschlämmen  lässt  und  aus  dem 
Wasser  nach  eintägiger  Ruhe  wieder  vollständig  absetzt. 

Die  mikroskopische  Analyse  des  Aufgeschlämmten  führt,  wie 
es  nicht  anders  zu  erwarten  ist,  zu  denselben  Resultaten,  welche 
die  Mergel  ergeben  haben;  der  Unterschied  zwischen  den  Mergeln 
und  den  Letten  liegt  eben  allein  im  Carbonatgehalte  der  ersten, 
und  die  Carbonate  sind  mikroskopisch  nicht  bemerkbar;  Quarz- 
körnchen sind  nicht  nachweisbar. 

Die  chemischen  Gesammt-  und  Partialanalysen  dieses  Lettens 
sind  unter  No.  6 der  nach  der  Beschreibung  der  Hornsteine  ein- 
geschalteten Tabellen  aufgeführt.  Der  durch  Chlorwasserstoffsäure 
aufschliessliche  Tlieil  der  Silicate  bietet  die  Bestandteile  eines 
Magnesiaglimmers  dar  mit  einem  Ueberschusse  von  Eisenoxyd, 
könnte  also  als  ein  Gemenge  von  Glimmer  und  Ferrit  aufge- 
fasst werden;  ein  kaolinischer  Gemengt  heil  ist  jedoch  da- 
durch nicht  ausgeschlossen.  Der  durch  Chlorwasserstoffsäure  nicht 
aufschliessliche  Theil  der  Silicate  kann  auf  ein  Gemenge  von  tri- 
si  1 i catischem  Kalifeldspath,  Kaliglimmer  und  Kaolin 
berechnet  werden.  Die  Berechnung  beider  Theile  kann  jedoch 
ohne  willkürlich  eingeschobene  Hypothesen  nicht  ausgeführt  werden. 

Der  Gehalt  an  Apatit  und  Gyps  ist  ebenso  berechnet  wie 
bei  den  Mergeln. 

Von  organischen  Ueberresten  sind  die  Letten  frei. 


III.  Tlionige  Dolomite. 

Wie  die  Mergel  bei  abnehmendem  Carbonatgehalt  in  die 
Letten  übergehen,  so  bei  zunehmenden  in  die  Dolomite.  Manche 


118 


E.  E.  Schmid  , das  ostthüringische  Roth. 


Mengungsverhältnisse  zwischen  Carbonat  und  Silicat  nehmen  jedoch 
desshalb  eine  gewisse  Selbständigkeit  in  Anspruch,  weil  sie 
nicht  mehr  mit  dem  Vermögen  der  mechanischen  Aufsaugung:  des 
Wassers  und  des  Erweichens  im  Wasser  verbunden  sind,  sondern 
bei  makroskopischer  Homogene'ität  einen  höheren  Härtegrad  be- 
dingen und  noch  keine  Spur  von  krystallinischer  Körnigkeit  er- 
kennen lassen,  vielmehr  völlig  dicht  sind.  Ich  bezeichne  sie  als 
thonige  Dolomite,  ohne  mich  ausführlich  darüber  zu  recht- 
fertigen,  wesshalb  ich  die  z.  B.  von  Kenngott  *)  aufgeführten 
Namen  »verhärtete  Mergel,  Steinmergel,  Mergelsteine«,  die  ohne 
Zweifel  darauf  angewendet  werden  dürften,  zur  Seite  schiebe;  in- 
sonderheit den  auch  neuerdings  von  fränkischen  Geologen  mehr- 
fach auf  Keupergesteine  bezogenen  Namen  Steinmergel  halte  ich 
eben  für  sprachwidrig.  Mögen  die  Resultate  der  Untersuchung 
von  zwei  solcher  thonigen  Dolomite  hier  eine  Stelle  finden. 

Die  eine  Probe  entstammt  dem  oberen  Röth  am  östlichen 
Abhange  des  Jenzigs  bei  Jena  und  zeichnet  sich  nicht  nur  durch 
feine,  oft  mehr  als  0,2  Meter  betragende  Mächtigkeit  aus,  sondern 
auch  durch  seinen  Reichthum  an  organischen  Ueberresten,  nament- 
lich dicht  an  einander  gedrängten  Abdrücken  einer  kleinen  Corbula- 
art  und  sparsam  dazwischen  vertheilten  der  Myophoria  costata  Zenk, 
Fischschuppen  und  Zähnen,  meist  zerbrochenen,  auch  Pflanzen- 
abdrücken. 

Das  Gestein  ist  grau  mit  grünen  von  Malachit  herrührenden 
Flecken,  sehr  cavernös  von  resorbirten  Muschelschalen.  Von 
Chlorwasserstoffsäure  wird  es  schon  in  der  Kälte  angegriffen,  bei 
Erwärmung  rasch  gelöst  bis  auf  einen  mässigen  Rest.  In  der 
Lösung  sind  ausser 

Kalkerde  30,3  °/o 
Talkerde  22,6  °/o 

durch  welche  die  vorhandene  Kohlensäure  gerade  zu: 

Calcium  - Carbonat  47,8  °/o 

Magnesium -Carbonat  39,1  °/o  — 


B Kenngott,  Elemente  der  Petrographie  1868,  S.  215. 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


119 


gesättigt  wird,  viel  Thonerde,  wenig  Eisenoxyd  u.  A.  übergangen. 
Der  ungelöste  Rest  beträgt  9,9  °/o ; im  nassen  Zustande  schlüpfrig 
bis  schleimig,  trocknet  er  zu  einem  staubigen  Pulver  ein,  welches 
unter  dem  Mikroskope  als  ein  Gemenge  von  Glimmerblättchen 
und  Quarz  körne  hen  mit  wenigen  anderen  Krystallbrocken 
besteht.  Der  Glimmer  ist  theils  breit-,  theils  schmalblätterig,  mit 
schuppig  abgeriebenen  oder  scharf  abgebrochenen  Rändern,  farb- 
los bis  blassgrün ; zwischen  den  Blätterdurchgängen  sind  mit- 
unter schmale  Leisten,  häufig  nierförmige,  traubige  und  oolithische 
Aggregate  eingelagert.  Die  schmalen  Leisten  (s.  Fig.  1)  erscheinen 
bei  schwacher  und  mittlerer  Vergrösserung  als  feine  schwarze 
Linien  und  Nadeln  und  zeigen  erst  bei  starker  Vergrösserung 
zwischen  scharfen  dunkeln  Umrissen  klare  Zwischenräume,  die 
sich  optisch  ganz  gleich  verhalten,  mit  dem  umgebenden  Glimmer. 
Die  nierförmigen,  traubigen  und  oolithischen  Aggregate 
(s.  Fig.  6 und  7)  gleichen  in  Allem  den  bereits  besprochenen 
Glimmerkaolinen.  Der  Quarz  ist  kleinbröckelig;  er  umschliesst 
zahlreiche  aber  sehr  kleine  Cavernen.  Die  Krystallbrocken  sind 
theils  doppelbrechende  farblose,  gelbe,  braune  bis  opake  Aggregate, 
theils  einfachbrechende  Körnchen,  zwischen  denen  als  Seltenheiten 
die  oben  beschriebenen  Mikros chörlite  (Fig.  14)  und  Mikro- 
zirkone (Fig.  15)  Vorkommen. 

Eine  andere  Probe  stand  am  Gehänge  über  der  Unstrutaue 
zwischen  Nebra  und  Metzendorf  an.  Ich  nahm  sie  in  Begleitung 
mehrerer  geologischer  Fachgenossen  auf,  von  denen  sie  bestimmt 
als  Thonquarz,  von  dem  nachher  die  Rede  sein  soll,  in  Anspruch 
genommen  wurde.  Dieselbe  bricht  splitterig;  die  Bruchfläche  ist 
feinkörnig  und  schimmert  schwach.  Ihre  Dichte  beträgt  2,82. 
Sie  ist  makroskopisch  homogen  und  schwerer  ritzbar,  als  die  ge- 
wöhnlichen Kalksteine.  Unter  verdünnter  kalter  Chlorwasserstofl- 
säure  braust  sie  stark  und  anhaltend  auf  und  löst  sich  bis  auf 
einen  geringen  Rest.  Die  Auflösung  enthält  neben  Thonerde, 
Eisenoxyd  und  Alkalien  30,3  °/o  Kalkerde  und  22,6  °/o  Talkerde, 
das  Gestein  also  muthmaasslich : 

Calcium- Carbonate  64,1  °/o 
Magnesium  -Carbonate  24,9  °/o  — 


120 


E.  E.  Schm td  , das  ostthüringische  Roth. 


kann  also  nach  diesem  Mischungsverhältniss  bereits  als  ein  Dolo- 
mit und  zwar  als  ein  dichter  Dolomit  angesehen  werden.  Der 
unlösliche  Rest  beträgt  1,1  °/o,  ist  schmutzig  weiss,  schlämmt  sich 
leicht  und  vollständig  auf  und  erhält  sich  lange  schwebend.  Unter 
dem  Mikroskope  zeigt  er  erst  bei  mittlerer  Vergrösserung  deut- 
liche Einzelformen,  nämlich  abgerundete,  klare,  dunkele,  aber  scharf 
umsäumte  Blättchen,  die  auf  zerfallenen  Glimmer  hinweisen. 

Das  Gestein  umschliesst  nur  undeutliche  Spuren  von  organi- 
schen Ueberresten. 


IV.  Dolomite. 

Die  Carbonate  des  Röth  treten  nicht  in  gleichem  Maasse 
selbständig  auf,  wie  die  thonigen  Silicate,  vielmehr  sind  sie  in 
qualitativ,  wie  quantitativ  mannichfaltiger  Weise  mit  thonigen 
Silicaten,  Ferriten,  Quarz  und  Chalcedon,  auch  Gyps  gemengt. 
Sie  enthalten  stets  Calcium  und  Magnesium  nach  nahe  gleichem 
Aequivalentverhältnissen  neben  einander,  während  das  Eisen  nur 
untergeordnet  auftritt,  auch  häufig  unter  Bildung  von  Eisenoxyd- 
hydrat aus  dem  Carbonat  ausgeschieden  ist;  sie  sind  auch  meist 
krystallinischkörnig , wenn  auch  äusserst  feinkörnig  entwickelt; 
insofern  bezeichnet  man  sie  mit  Fug  und  Recht  als  Dolomite. 
Allein  sie  lösen  sich,  worauf  schon  wiedei'holt  aufmerksam  ge- 
macht wurde,  bereits  bei  gewöhnlicher  Temperatur  in  massig  con- 
centrirter  Chlorwasserstoffsäure  so  leicht  und  vollständig  auf,  dass 
man  geneigt  wird,  sie  eher  für  mechanische  Gemenge,  als  für 
isomorphe  Mischungen  zu  halten. 

Diese  Dolomite  haben  vorwaltend  graue,  in  das  Gelbliche, 
Röthliche  und  Bräunliche  übergehende  Farben;  sie  sind  schwer 
zersprengbar  und  brechen  in  feinkörnigen,  rauhen  bis  unebenen 
Flächen.  Makroskopisch  erscheinen  sie  homogen  mit  Einschlüssen 
von  Gypslamellen , Cölestin-  und  Bleiglanzkörnchen , seltener 
Quarzbröckchen  und  Glimmerblättchen.  Cavernen  sind  häufig; 
sie  rühren  gewöhnlich  von  resorbirten  Muschelschalen  her. 

In  Chlorwasserstoffsäure  löst  sich  ihr  carbonatischer  Antheil 
— wie  bereits  bemerkt  — leicht  auf,  der  silicatische  wird  durch 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


121 


Eindampfen  mit  concentrirter  Chlorwasserstoffsäure  wenig  ange- 
griffen. 

Zur  detaillirten  Untersuchung  wurden  zwei  homogene  ver- 
steinerungsreiche, namentlich  das  Relief  von  Rhizocorallium  jenense 
tragende  Gesteine,  das  eine  vom  Abhange  des  Kugelberges,  über 
Gumperda  bei  Cahla,  das  andere  vom  westlichen  Abhange  des 
Jenzigs  bei  Jena  ausgesucht.  Die  Resultate  der  chemishen  Ana- 
lyse sind  in  den  der  Beschreibung  der  Hornsteine  nachfolgenden 
Tabellen  I und  II  aufgeführt,  jedoch  vollständig  nur  für  das  Vor- 
kommen vom  Jenzig.  Die  Partialanalyse  deutet  auf  Glimmer 
und  kaolinische  Glimmerabkömmlinge  als  die  in  Chlor- 
wasserstoffsäure aufschliessliehen  Silicate,  auf  Quarz,  Feldspat h 
und  kaolinische  Fe  1 dsp  athabkömmlinge,  als  die  in 
Chlorwasserstoffsäure  nicht  aufschliessliehen  Silicate.  Damit  steht 
die  mikroskopische  Analyse  der  in  Chlorwasserstoffsäure  unlös- 
lichen Reste  im  Einklang;  sie  lässt  keine  anderen,  als  die  in  den 
Mergeln  vorkommenden  Formelemente  wahrnehmen. 

Die  Dolomite  sind  dem  Röth  in  einzelnen  Schichten  bis  zu 
10  Centimeter  Mächtigkeit  untergeordnet,  die  häufig  sehr  weit, 
aber  nie  beständig  fortstreichen.  Sie  zeigen  deutlich  concorclante 
Schieferung,  werden  aber  rechtwinkelig  gegen  die  Schichtung  noch 
deutlicher  von  Klüften  durchsetzt,  und  dadurch  bei  der  Verwitterung 
häufig  in  oblonge  Tafeln  und  Prismen  abgetheilt.  Durch  Anschlägen 
lassen  sie  sich  weit  leichter  nach  der  Klüftung,  als  nach  der 
Schieferung  trennen.  Parallel  der  Klüftung,  aber  nicht  ausschliess- 
lich in  Richtung  derselben  ziehen  sich  namentlich  am  Hausberge 
bei  Jena  späthige  Gypsaggregate  durch  das  Gestein. 

Die  Dolomite  bergen  einen  Reichthum  von  organischen  Ueber- 
resten,  namentlich  von  Muscheln,  deren  resorbirte  Schalen  das 
Gestein  cavernös  machen;  aber  auch  — so  am  westlichen  Ab- 
hange des  Hausberges  bei  Jena  — der  umgekehrte  Fall  tritt  ein, 
nämlich  der  der  Erhaltung  der  Muschelschalen  ohne  dazwischen 
eingelagertes  Gestein.  Dann  entsteht  aus  dem  Dolomit  eine  dolo- 
mitische Aluschell  »reccie;  denn  das  Carbonat  der  Muschelschalen 
ist  nicht  minder  Magnesium  reich,  wie  dasjenige  des  dolomitischen 
Gesteins;  die  Mehrzahl  der  Muschelschalen  ist  zerbrochen,  aber 


122 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Rötk. 


die  Bruchstücke  sind  wenig  abgerieben.  Der  wichtigste  organische 
Ueberrest  ist  Rhizocorallium  jenense  Zenk.,  dessen  zierliches  Relief 
oft  über  die  Breite  mehrerer  Kilometer  die  untere  Schichtfläche 
einnimmt.  Rechtfertigt  sich  damit  der  von  Zenker1)  eingeführte 
Name  Rhizocorallium-Dolomit,  so  sind  doch  keineswegs  alle  Do- 
lomiteinlagerungen und  alle  Stellen  ein  und  derselben  Einlagerung 
mit  diesem  Relief  versehen. 

V.  Oolithisclier  Dolomit  mit  Quarz. 

In  derjenigen  Region  des  Rothes,  innerhalb  deren  sich  die 
mächtigsten  Rhizocorallium-Dolomite  vorfinden,  soweit  es  die  wenig 
ausgiebigen  Aufschlüsse  zu  entscheiden  gestatteten,  als  ein  Aequi- 
valent  des  Rhizocorallium- Dolomites  erscheint  nördlich  neben  der 
Chaussee  von  Jena  nach  Eisenberg  zwischen  Droschka  und  dem 
Gehöfte  »Trotz«,  und  zwar  nur  an  dieser  einen  Stelle  ein  sehr 
eigenthümliehes  Gestein,  zusammengesetzt  aus  Dolomit  und  Quarz, 
mit  einem  durch  Chlorwasserstoffsäure  aufschliesslichen  Thonerde- 
reichen Silicat.  Der  Dolomit  ist  tlieils  dicht,  theils  schalig;  die 
Schalen  umschliessen  meist  runde  Kerne  und  bilden  Kügelchen 
von  1/4 — 1//2  Millimeter  Durchmesser,  seltener  breitgedrückte  Linsen 
oder  gestreckte  Cylinder.  Mit  organischen  Bildungen  haben  sie 
auch  nicht  eine  entfernte  Aehnlichkeit.  Der  Dolomit  löst  sich 
leicht  in  Chlorwasserstoffsäure  auf,  der  Quarz  bleibt  als  Lösungs- 
rückstand in  makroskopischen  Bröckelten  mit  rauher,  nirgends 
krystallinischer  Oberfläche. 


VI.  Sandige  Dolomite. 

Im  Fortstreichen  einzelner  Schichten  entwickeln  sich  durch 
Ueberhandnalime  der  Quarzeinstreuung  Uebergänge  aus  Dolomit 
in  Sandsteine,  die  eine  abgesonderte  Stellung  nicht  bedingen  und 
einer  speciellen  Beschreibung  nicht  bedürfen.  Wohl  aber  treten 
ähnliche  Gemenge  hin  und  wieder  in  untergeordneten  Gesteins- 


) Zenker,  Taschenbuch  von  Jena.  1836.  S.  202. 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


123 


schichten  auf,  die  man  als  eigenthümliche  Gesteinsarten  aufgefasst 
hat.  Dieselben  erscheinen  makroskopisch  homogen,  lassen  sich 
nicht  viel  leichter  ritzen,  als  Feldspath,  und  halten  sehr  stark  zu- 
sammen. Einige  der  Fachgenossen,  welche  an  der  neuen  geolo- 
gischen Aufnahme  des  Königsreichs  Preussen  und  der  thüringischen 
Staaten  mitarbeiten,  erkennen  in  ihnen  dieselben  Gesteine,  die  im 
oberen  Keuper  Norddeutschlands  nicht  eben  selten  sind  und  schon 
von  Eieinr.  Credner1)  unter  dem  Namen  »Thonquarze«  aufgeführt 
wurden.  Dieser  Name  rührt  von  Hausmann2)  her  und  bezieht 
sich  auf  die  Vorkommnisse  des  oberen  Keupers  der  Lippe’schen 
Fürstenthümer,  die  H offmann3)  sachgemässer  als  Thonsteine4) 
oder  kieselreiche  Thonmergel  bezeichnete.  Sieht  man  indess  die 
chemische  Analyse  dieser  Gesteine  durch  Brandes5)  als  maass- 
gebend an,  so  gehören  diese  Lippe’schen  Keupergesteine  mit  den 
in  Rede  stehenden  Ostthüringischen  Röthgesteinen  gar  nicht  zu- 
sammen, da  sie  wenig,  bis  keine  Carbonate  enthalten,  und  darin 
nur  Spuren  von  Magnesium,  auch  keine  Alkalien  in  ihnen  Vor- 
kommen. 

Ich  untersuchte  eine  Probe  solchen  sandigen  Dolomites,  welche 
von  der  Kniebreche,  einem  steilen  Anstieg  von  der  Unstrutaue 
bei  Carsdorf  zu  der  Hochebene  bei  Steigra  stammt5,  und  welche 
ebenfalls,  wie  die  oben  erwähnte  Probe  von  thonigen  Dolomiten 
in  Begleitung  einiger  geologischer  Fachgenossen  als  Thonquarz 
aufgenommen  worden  war. 

Sie  erscheint  makroskopisch  homogen,  zeigt  unebene  fein- 
körnige, schimmernde,  rauh  anzufühlende  Bruchflächen,  hat  die 
Härte  des  Feldspathes,  und  ist  blassgrünlich.  Unter  verdünnter, 
kalter  Chlorwasserstoffsäure  braust  sie  lebhaft  auf  und  löst  sich 


:)  Siehe  Credner,  Uebersicht  der  geognostischen  Verhältnisse  Thüringens 
und  des  Harzes.  1843.  S.  88. 

2)  Hausmann,  Uebersicht  der  Flötzgebilde  im  Flussgebiete  der  Weser,  in: 
Studien  des  Vereins  bergmännischer  Freunde. 

3)  Pogg.  Ann.  3,  17  (1825). 

4)  Hoffmann,  Uebersicht  der  orographischen  und  geognostischen  Verhältnisse 
vom  nordwestlichen  Deutschland.  Leipzig.  S.  445  (1830). 

5)  Pogg.  Ann.  25,  318  (1825). 


124  E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Röth. 

bis  auf  einen  ansehnlichen  Rest.  In  die  Lösung'  sind  iibcrge- 

o o 

gangen 

Kalkerde  1 5,8  °/0 

Talkerde  7,9  °/0 

der  ungelöste  Rest  beträgt  58,1  °/o;  er  ist  nach  dem  Trocknen  fein 
pulverig,  aber  doch  schwer  aufsclilämmbar.  Unter  dem  Mikroskope 
erweist  er  sich  als  ein  Gemenge  von  viel  Quarzkörnchen,  theils 
rauh  abgeriebenen,  theils  uneben  abgebrochenen  mit  wenig  Glirn- 
m e r blättchen,  welche  im  Zerfall  zu  kleinen  Linsen  begriffen  sind, 
sehr  ähnlich  denjenigen,  welche  unter  den  Gemengtheilen  der  Mergel 
als  oolithisch  aggregirte  Glimmerkaoline  bezeichnet  wurden. 


VII.  Sandsteine. 

Gesteine  deren  Hauptgemengtheil  Quai’z  in  kleinen  Körnchen 
ist,  die  man  deshalb  den  Sandsteinen  zuzuzählen  hat,  sind 
nicht  eben  Seltenheiten  im  Röth,  nehmen  aber  an  der  Bildung 
desselben  doch  nur  einen  untergeordneten  Antheil.  Mit  den  eigent- 
liehen  Buntsandsteinen  haben  sie  keine  grosse  Aehnlichkeit,  sie 
sind  weder  so  quarzreich,  noch  so  einfach  und  gleichförmig  zu- 
sammengesetzt. 

Sie  sind  bald  mürbe  und  schieferig,  bald  hart  und  dicht,  bald 
cavernös,  oder  vielmehr  nach  Art  der  Schaumkalke  des  oberen 
Wellenkalkes  blasig.  Neben  den  Quarzkörnchen  erkennt  man 
schon  makroskopisch  Gl  immer  blättchen  eingebettet  in  ein  car- 
bonatisches  Bindemittel.  Die  Bruchflächen  dieser  Gesteine 
sind  uneben,  fühlen  sich  sehr  rauh  an  und  schimmern  des  Glimmer- 
reichthums wegen  stark.  Ihre  Farbe  ist  vorherrschend  grau  in 
das  Grüne  und  Gelbe. 

In  Chlorwasserstoffsäure  brausen  diese  Sandsteine  stark  auf 
und  verlieren  den  Zusammenhang.  Die  Lösung  enthält  Kalk- 
und  Talkerde  gleich  reichlich,  ausserdem  Thonerde  und  Eisenoxyd, 
wohl  auch  Alkalien.  Das  ungelöste  besteht  aus  Quarzbrocken 
und  Quarzstaub  und  aus  Glimmerblättchen  und  Glimmer- 
flittern. 


E.  E.  Schmid  , das  osttküringiscke  Rotk. 


125 


Nimmt,  wie  am  Jenzig  bei  Jena,  der  Glimmer  überhand  und 
tritt  dann  als  Bindemittel  neben  oder  anstatt  des  Carbonates  Kiesel- 
säure ein,  so  entstehen  mürbe  bis  feste  Gesteine  vom  Aussehen 
carbonatischer  bis  quarzitisclier  Glimmerschiefer. 

Die  Sandsteine  sind  zwar  nicht  so  versteinerungsreich,  wie 
die  Dolomite,  enthalten  aber  doch  die  Mehrzahl  der  organischen 
Formen  des  Rothes. 


VIII.  Hornstein ■ Dolomit. 

Wie  in  den  oben  erwähnten  Sandsteinen,  so  auch  in  anderen 
Rötligesteinen , tritt  die  Kieselsäure  nicht  ausschliesslich  in  der 
secundären  Form  von  Quarzbrocken  als  Gemengtheil  auf,  sondern, 
obgleich  seltener,  auch  in  der  primären  Form  von  Chalcedon 
als  Ausfüllungs-  oder  Grundmasse,  wohl  richtiger  ausgedrückt,  als 
Cäment  oder  Umschluss.  Als  solche  erzeugt  sie  mit  Dolomit 
eine  mannichfaltige,  wenn  auch  wenig  verbreitete  Reihe  von  Ueber- 
gängen  aus  Dolomit  zu  Hornstein.  Diese  Uebergänge  sind  bereits 
recht  hart  und  fest,  meist  sehr  licht. 

Als  Beispiel  dazu  wurde  ein  Vorkommen  des  oberen  Rothes 
vom  westlichen  Abhange  des  Jenzigs  bei  Jena  in  Untersuchung 
genommen.  Dasselbe  braust  mit  Chlorwasserstoffsäure  lebhaft  auf, 
löst  sich  aber  zum  kleineren  Theile  und  zerfällt  dabei  nicht  in 
feinen  Gruss.  In  der  Auflösung  findet  sich  ausser  Kalk-  und 
Talkerde  auch  Thonerde  und  andere  Bestandtheile  aufschliesslicher 
Silicate.  Da  sich  das  Gestein  leicht  dünn  schleifen  lässt,  so  giebt 
die  mikroskopische  Analyse  über  die  Natur  der  Gemengtheile  und 
ihrer  Verbindungsweise  ausreichende  Aufschlüsse.  Wie  schon  in 
den  Mergeln,  so  auch  hier  macht  sich  der  Dolomit  nicht  durch 
krystallographisch  und  optisch  ausgezeichnete  Charaktere  geltend, 
sondern  erscheint  als  eine  griesige  graubraune  Masse.  Daneben 
liegt  der  Quarz  als  ein  Aggregat  durchaus  nicht  krystallinisch  be- 
grenzter, eng  zusammenschliessender,  keilförmig  in  einander  ver- 
zinkter Stücke,  entsprechend  dem  Chalcedon.  Ausser  Dolomit 
und  Quarz  sind  mikroskopisch  Feldspathformen  zu  erkennen, 
und  als  Seltenheiten  Apatitprismen. 


126 


E.  E.  Schjiid,  das  ostthüringische  Röth. 


IX.  Hornsteine. 

Dem  Rötli  sind  mehrorts  Schichten  eines  quarzharten  Gesteins 
eingelagert,  dessen  Dichte  von  2,6  nicht  weit  abweicht,  und  welches 
von  Chlorwasserstoffsäure  nur  wenig  angegriffen  wird,  demnach  als 
II  ornstein  bezeichnet  worden  ist. 

Dieses  Gestein  steht  selbständig  entwickelt  an,  namentlich 
am  Jenzig  und  Hausberge  bei  Jena  und  am  Kugelberge  zwischen 
Gumperda  und  Eichendorf  bei  Cahla,  mit  einer  Stärke  gewöhn- 
lich nur  von  2 Centimeter,  die  jedoch  mitunter  bis  auf  10  Centi- 
meter  steigt.  An  den  genannten  Orten  beschränkt  sich  das  Vor- 
kommen  auf  eine  einzige  Schicht,  deren  Brocken  sich  aber  weit 
über  die  Flächen  und  Abhänge  ausbreiten,  weil  sie  sich  wegen 
ihrer  Härte  und  Unverwitterbarkeit  sehr  langsam  zertrümmern  und 
abreiben,  während  die  Mergel,  denen  sie  untergeordnet  sind,  den 
mechanischen  und  chemischen  Angriffen  schwachen  Widerstand 
leisten  und  leicht  fortgeführt  werden.  Aus  dieser  weiten  Verbrei- 
tung der  Trümmer  hat  man  auf  ein  häutigeres  und  mächtigeres 
Anstehen  dieser  Gesteine,  wie  auch  der  Rhizocorallium-Dolomite 
geschlossen,  als  es  nach  Maassgabe  guter  Aufschlüsse  in  der  That 
ist.  Ihre  Schichtungsflächen  sind  wellig  gebogen  und  überdies 
häufig  mit  netzförmig  zusammenstossenden  wulstigen  Hervor- 
ragungen  versehen.  Diese  Gesteine  'sind  leicht  zersprengbar,  so- 
wohl parallel  der  Schichtung,  also  concordant  schieferig,  als 
auch  quer  dagegen.  Die  Schieferungsflächen  sind  ziemlich  glatt, 
häufig  mit  Glimmerblättchen  bedeckt,  die  Querbrüche  uneben  bis 
splitterig,  glatt  bis  feinkörnig,  mitunter  von  dünnen  Gypsblättern 
überzogen.  Cavernen  von  geringem  Umfang,  meist  breitgedrückt 
nach  der  Schieferung,  kommen  häufig  vor.  Die  Farbe  dieser 
Hornsteine  ist  lichtgrau  in  das  Grüne,  Blaue,  Rothe,  Violette 
und  Gelbe ; auf  dem  Querbruche  wechseln  verschiedenfarbige, 
oder  helle  und  dunkele  Streifen ; in  Richtung  sehr  dunkeier 
und  dann  sehr  schmaler  Streifung  ist  die  Schieferung  besonders 
vollkommen.  Makroskopische  Einschlüsse  von  Glimmer  sind 
häufig,  von  Quarz,  Cölestin,  Malachit  und  Rothkupfererz 
seltener. 


E.  E.  Schmid  , das  ostthüringisclie  Roth. 


127 


Im  Gläskölbchen  geben  diese  Gesteine  schwach  bituminös 
riechendes  Wasser  aus. 

Vor  dem  Löthrohr  schmelzen  sie  nicht  sowohl  schwer,  sondern 
vielmehr  sie  überziehen  sich  mit  einer  dünnen,  blasigen  Schmelz- 
kruste und  geben  ein  gelbrothes  Glühlicht. 

Wasser  zieht  aus  ihrem  feinen  Pulver  gewöhnlich  etwas  Calcium- 
sulphat  und  eine  Spur  von  Chlorid  ans. 

Chlorwasserstoffsäure  erzeugt  damit  eine  bis  zur  Unbemerk- 
barkeit schwache  und  kurze  Gasentwickelung,  färbt  sich  aber  nach 
längerer  Digestion  gelb  und  hat  dann  Eisenoxyd,  Thonerde,  etwas 
Kalk-  und  Talkerde,  gewöhnlich  auch  Alkalien,  Phosphorsäure, 
mitunter  auch  Kupferoxyd  aufgenommen. 

Auch  unfühlbar  feines  Pulver  giebt  an  erwärmte  Kalilauge 
keine  Spur  von  Kieselsäure  ab. 

Als  Beispiele  recht  verschiedenartiger  Entwickelung  wurden 
zwei  Hornsteinproben,  die  eine  vom  westlichen  Abhange  des 
Jenzigs  bei  Jena,  die  andere  vom  ostnordöstlichen  Abhänge  des 
Kugelberges  zwischen  Gumperda  und  Eichenberg  bei  Cahla 
untersucht. 

Die  Grundmasse  des  Hornsteins  vom  Jenzig  ist  feinkörnig 
bis  makroskopisch  homogen,  grünlichgrau;  sie  umschliesst  kleine 
Cavernen,  späthigen  Gyps  in  Nestern  und  Lamellen,  lebhaft  grüne 
Malachitnesterchen  mit  Kernen  von  Rothkupfererz , fleischrothe 
Cölestinkörnchen,  Glimmerblättchen,  Ferritflittern  und  kaum  ma- 
kroskopisch wahrnehmbare  Quarzkörnchen.  Parallel  der  concor- 
danten  Schieferungsflächen  liegen  Ferritflittern,  auch  Glimmer- 
blättchen dicht  nebeneinander  und  erzeugen  ebensowohl  leichte 
Spaltbarkeit  in  bis  zu  1 Millimeter  dünne  Schieferblätter  parallel 
der  Schichtung,  als  scharfe,  dunkele  Streifung  der  Querbrüche. 
Die  letzten  erfolgen  besonders  leicht  in  Richtung  der  lamellaren 
Gypseinlagerungen. 

Die  Grundmasse  des  Hornsteins  vom  Kuuelberge  ist  graup-elb; 

O O O O 7 

sie  umschliesst  zahlreichere  und  grössere  Cavernen,  Glimmer-  und 
Ferritschuppen,  ist  aber  sehr  arm  an  Gyps  und  frei  von  Malachit 
und  Cölestin.  Die  Cavernen  sind  linsenförmig  oder  wenigstens 
breitgedrückt  und  in  nahe  übereinander  streichenden  Lagen  parallel 


128 


E.  E.  Schmid,  das  ostthürio gische  Roth. 


der  Schichtung  eng  zusammengedrängt.  Dadurch  wird  zugleich 
leichte  Spaltbarkeit  parallel  der  Schichtung  — concordante  Schie- 
ferung — und  grobe  Streifung  der  Querbrüche  bedingt. 

Dünnschliffe  lassen  sich  sehr  vollkommen  herstellen,  ebenso- 
wohl parallel,  als  rechtwinkelig  gegen  die  Schichtung  und  Schie- 
ferung. Der  Unterschied  zwischen  diesen  beiden  Arten  von 
Schliffen  zeigt  sich  hei  schwacher  Vergrösserung  noch  deutlich, 
verschwindet  aber  hei  mehr  als  lOOfacher  Vergrösserung  voll- 
ständig. Derselbe  beruht  hauptsächlich  auf  der  dichteren  Zu- 
sammendrängung  des  dunkelbraunen  Ferrites,  nebensächlich  auf 
der  Lage  der  Glimmerblättchen,  die  im  Parallelschliff  häufiger  als 
Tafeln,  im  Querschliff  häufiger  als  gestreifte  Leisten  erscheinen. 

Von  den  makroskopischen  Einschlüssen  erscheint  der  Gyps 
in  recht  auffälliger  Weise  als  Ausfüllung  unregelmässig  vieleckiger 
Räume,  mit  deutlicher  Spaltbarkeit,  häufiger  Polysynthese  und 
Neigung  zu  faseriger  Aggregation.  Er  ist  farblos  und  klar,  mit 
lebhaft  chromatischer  Polarisation  begabt.  Seine  Blätter  und 
Fasern  sind  häufig  gebogen,  wie  gestaucht. 

Viel  weniger  auffällig  stellt  sich  der  Malachit  dar,  zwar  mit 
Doppelbrechung  begabt  und  tief  grün  gefärbt,  aber  ohne  kry- 
stallinische  Struktur  oder  Andeutung  derselben  durch  faserige 
Aggregation.  Die  Rothkupfererzsterne  erhalten  wohl  zackige,  aber 
nicht  krystallinische  Umgrenzung  und  bleiben  opak. 

Ein  Cölestinkorn  hat  zufällig  keiner  meiner  Dünnschliffe 
dargehoten. 

Im  Uebrigen  und  namentlich  im  Bezug  auf  die  mikroskopi- 
schen Gemengtheile  unterscheiden  sich  die  beiden  Hornsteinvor- 
kommnisse nicht  wesentlich  von  einander.  Umschlossen  von 
Chalcedon  bieten  sie  ein  Gemenge  von  Feldspath  und,  wie  die 
chemische  Analyse  heraussteilen  wird,  Pseudomorphosen  nach 
Feldspath,  mit  Quarz,  Glimmer,  Ferrit,  wenig  Apatit  und  einigen 
Mikrolithen. 

Die  Feldspathe  oder  Pseudomorphosen  nach  Feld- 
spath erscheinen  in  rhombisch  tafelförmigen  oder  oblong  pris- 
matischen Stücken  (s.  Fig.  10  und  11)  bei  deren  Bildung  regel- 
mässige Spaltung  viel  wirksamer  war,  als  zufälliger  Bruch.  Die 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


129 


Spaltbarkeit  ist  durch  dunkele  Linien  und  durch  röhrenartig  in 
Richtung  der  sich  schneidenden  Blätterdurchgänge  langgestreckte 
Cavernen  angezeigt.  Bei  schwacher  Vergrösserung  haben  die 
Feldspathe  braune,  bald  weniger,  bald  mehr  dunkele  Farbe,  die 
sich  bei  stärkerer  Vergrösserung  theilweise,  aber  auch  bei  stärk- 
ster nicht  vollständig  in  Durchstäubung  auflöst.  Ihre  Doppel- 
brechung hat  die  den  Feldspathen  alter  Gesteine  gewöhnliche 
Störung  erlitten,  welche  zwischen  gekreuzten  Nikols  bei  keiner 
Stellung  vollständige  Verdunkelung  eintreten  lässt.  Trotzdem  ist 
schwache  chromatische  Polarisation  noch  vorhanden,  zeigt  aber 
nie  Polysynthese  an. 

Quarz  als  Einschluss  ist  viel  seltener,  als  Feldspath.  Sein 
Umfang  ist  selten  ganz,  mitunter  theilweise,  gewöhnlich  an  keiner 
Stelle  geradlinig.  Grössere  Cavernen,  theils  dunkel-  und  breit- 
umsäumt  und  dann  nach  innen  verwaschen,  theils  fein-,  aber  scharf- 
umrissen,  dann  gewöhnlich  mit  Libellen,  sind  in  ihm  sparsam  ver- 
theilt. Kleinste  Cavernen,  die  sich  bei  schwacher  Vergrösserung 
nur  als  schwarze  Punkte  darstellen,  in  Richtung  gewundener 
Flächen  neben  einander  angeordnet,  sind  sehr  häutig.  Mitunter 
werden  die  Quarzkörner  von  nahe  rechtwinklig  gegen  ihren  Um- 
fang gerichteten,  desshalb  häufig  concentriscli - aggregirten  Stäb- 
chen, oder  auch  dicht  zusammengedrängten  Körnchen  um- 
geben bis  umschlossen;  Stäbchen  und  Körnchen  sind  blassgelb 
gefärbt. 

Die  Glimmer  zeigen  abgesehen  von  der  Hauptspaltungs- 
fläche  keine  krystallinische  Begrenzung,  sondern  glatte,  selten  ab- 
geriebene Abbrüche,  wie  diejenigen,  welche  durch  Abschlämmen 
aus  den  Mergeln  erhalten  werden  und  bereits  beschrieben  wurden. 
Auch  hier  tritt  die  Aelmlichkeit  mit  Scherben  dünner  Glastafeln 
sehr  entschieden  hervor.  Die  Abbrüche  können  mitunter  erst 
während  der  Bildung  oder  Erstarrung  des  Gesteins  eingetreten 
sein,  wie  daraus  hervorgeht,  dass  man  die  Bruchstücke  nur  wenig 
aus  einander  gerückt  übersieht,  wie  es  der  in  Fig.  9 dargestellte, 
allerdings  nur  einmal  beobachtete  Fall  zeigt.  Die  Glimmerblätter 
sind  nicht  immer  eben,  sondern  mitunter  auch  so  gebogen,  wie 
es  die  in  Fig.  8 dargestellten,  quer  gegen  die  Hauptspaltungs- 


9 


130 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


richtung  durchschnittenen  Blätter  zeigen,  d.  h.  wie  gestaucht. 
Mit  der  Biegung  verbindet  sich  häufig  Aufblätterung,  noch  auf- 
fallender, als  die  in  Fig.  8 dargestellte.  Parallel  der  Haupt- 
spaltungsrichtung finden  sich  mitunter  — jedoch  selten  — Ein- 
lagerungen, die  bei  schwacher  Vergrösserung  als  feine,  schwarze 
Linien  erscheinen,  sich  aber  bei  starker  Vergrösserung  als  schwarz  - 
umrissene  Leisten  darstellen  (Fig.  2).  Diese  legen  sich  büschelig, 
ohne  bestimmte  Richtung  zusammen.  Ihre  Farbe  und  ihr  optisches 
Verhalten  stimmt,  abgesehen  von  unwesentlichen  Brechungs-  und 
Spiegelungserscheinungen , die  von  den  Seitenrändern  ausgehen, 
mit  der  umgebenden  Glimmersubstanz  überein.  Die  Glimmer 
sind  farblos  und  farbig,  gelb  bis  braun,  zeisiggrau  bis  grasgrün; 
die  farbigen  Glimmer  sind  mit  dem  gewöhnlichen  Dichroismus 
begabt.  Die  Glimmer , namentlich  die  farbigen  sind  häufig 
von  Ferrit  uriilagert  und  imprägnirt,  bis  zur  vollständigen  Er- 
setzung. 

Gelbbrauner,  rothbrauner,  schwarzbrauner  bis  opaker  Ferrit 
in  feinem  Staubtheileken  bis  zu  groben  Flocken,  Fetzen  und 
Körnern  ist  durch  das  Gestein  ziemlich  gleichmässig  verbreitet. 
Nur  selten  nimmt  er  Stabform  an  und  neigt  sich  zu  margariti- 

O Ö 

schein  Zerfall. 

Apatit  in  seinen  gewöhnlichen  kurzprismatischen  rundlich 
endenden  Formen  ist  zwar  im  Ganzen  selten,  im  Einzelnen  aber, 
d.  h.  an  besonderen,  wie  an  der  in  Fig.  12  dargestellten,  Stellen 
liegen  mehrere  grössere  und  kleinere,  tlieils  zwischen  den  Feld- 
spathen,  theils  im  Umschluss;  auch  die  Quarzbrocken  scliliessen 
ihn  häufig  ein. 

Ausser  den  Mikrolithen,  von  deren  strahligen  und  körnigen 
Aggregaten  die  Quarze  umschlossen  sind,  finden  sich  noch  andere 
durch  die  Gesteinsmasse  verstreut,  ohne  gerade  zu  ihren  Eigen- 
thümlichkeiten  zu  gehören. 

Das  Cäment,  oder  der  Umschluss  dieser  Gemeintheile  besteht 
aus  einer  zwischen  Nikols  buntscheckig  gefärbten  Quarzmasse, 
dereu  krystallinische , einheitlich  orientirte  Theilclien  jedoch  recht 
klein  sind  und  sowohl  unter  sich,  als  mit  den  Einschlüssen  in 
innigster  Berührung  stehen.  Man  kann  sich  nicht  wohl  denken, 


E.  E.  Schmid,  das  osttlnmngisclie  Roth. 


131 


dass  eine  solche  durch  mechanische  Zusammendrückung  bewirkt 
worden  sei;  wohl  aber  erklärt  sich  dieselbe  leicht  durch  die 
Annahme  der  Ausscheidung  aus  einer  Flüssigkeit,  die  alle 
Zwischenräume  erfüllt  hatte.  Die  gegenseitige  Abgrenzung  der 
einzelnen  Individuen  ist  so  viel  gestaltig  und  ordnungslos,  wie  bei 
der  Mehrzahl  der  Chalcedone.  Auch  die  traubigen  bis  Gallert- 
und  Gummiähnlichen,  für  den  Chalcedon,  als  selbständiges 
Mineral , charakteristischen  Formen  stellen  sich  häufig  ein,  als 
Auskleidungen  der  kleineren  und  grösseren  Cavernen. 

Die  chemischen  Analysen  der  Hornsteinproben  vom  Jenzig 
bei  Jena  und  vom  Kugelberg  bei  Cahla  hat  zu  den  in  nachstehenden 
Tabellen  unter  No.  7 und  8 angegebenen  Resultaten  geführt.  Zur 
Vereinfachung  der  Berechnung  waren  die  Pulver  vorher  mit 
Wasser  ausgelaugt  worden.  Dabei  hatte  die  Probe  vom  Jenzig 
4,27  % an  Gyps  mit  einer  Spur  Chlorid  verloren,  diejenige  vom 
Kugelberge  nur  eine  Spur  Gyps.  Ein  geringer  Gehalt  (0,22  °/o) 
an  Malachit  in  der  ersten  Probe,  eine  Spur  Carbonate  in  der 
zweiten  blieb  unberücksichtigt.  Auch  eine  kleine  Menge  von 

Eisenoxydul  — 0,34  °/o  — die  sich  in  dem  chlorwasserstoff- 
sauren Auszug  der  Kugelbergprobe  vorfand,  ist  ausser  Acht 
gelassen. 

Schon  die  Gesammtanalysen  erlauben  nicht  mehr,  diese  Horn- 
steine als  amorphe  Formen  der  Kieselsäure  allein  zu  betrachten, 
da  sie  nur  zu  vier  Fünftheilen  daraus  bestehen,  noch  weniger 
erlauben  es  die  Partialanalysen  in  vollkommenster  Ueberein- 
stimmung  mit  den  mikroskopischen  Analysen.  Allerdings  beträgt 
der  in  Chlorwasserstoffsäure  aufschliessliche  Theil  sehr  wenig, 
gestattet  aber  doch  eine  gut  abschliessende  Berechnung.  Hat  man 
nämlich  Phosphorsäure  auf  Apatit  berechnet  und  zu  ihr  die  er- 
forderliche Menge  von  Kalkerde  hinzugefügt,  so  bleibt  nur  noch 
so  wenig  von  der  letzteren  übrig,  dass  man  es  vernachlässigen  kann. 
Scheidet  man  ferner  das  Eisenoxyd  als  Ferrit  ab,  so  stehen  die 
noch  übrigen  Bestandtheile  in  Verhältnissen,  welche  Gemengen 
von  Glimmer  und  Kaolin  entsprechen.  Berechnet  man  die  Alkalien 
des  in  Chlorwasserstoffsäure  nicht  aufschliessli  dien  Theiles  von 
Hornstein  des  Jenzigs  auf  trisilicatische  Feldspathe,  so  betragen 

9* 


132 


E.  E.  Schmid  , das  osttliiiringisclie  Roth. 


diese  26,8  °/o  und  bleiben  ausser  geringen  Mengen  von  Talkerde, 
Thonerde  und  Wasser,  noch  56,4  °/o  Kieselsäure;  die  ersten  hat 
man  sich  füglich  mit  etwas  von  der  letzten  zu  Kaolin  und  Glimmer 
vereinigt  zu  denken,  die  zweite  zumeist  als  freie  Quarz-Kieselsäure 
in  Anspruch  zu  nehmen.  Der  nicht  aufschliessliche  Theil  des 
Hornsteins  vom  Kugelberge  ist  nach  sorgfältiger  und  wiederholter 
Prüfung  Alkali -frei;  von  Feldspath  als  Gemengtheil  kann  nicht 
die  Rede  sein,  wohl  aber  von  Kaolin  und  daneben  von  einer 
ansehnlichen  Menge  Quarz;  das  Mengungsverhältniss  lässt  sich 
jedoch  bei  der  Unbestimmtheit  der  Zusammensetzung  des  Kaolins 
kaum  annäherungsweise  auf  Zahlen  bringen.  Die  schwächere 
Trübung  der  Feldspathformen  im  Hornstein  des  Jenzigs,  die 
stärkere  derselben  im  Hornsteine  des  Kugelberges  ist  dennoch  von 
nicht  geringem  Belange.  Die  ersten  sind  echte  Krystalle,  die 
zweite  Pseudomorphosen. 

Es  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  beide  Hornsteine  ebenso  viele 
Analogien  zu  Phorphyrtufien  darbieten,  als  zu  gewöhnlichen  Sedi- 
menten. 

Der  Hornstein  vom  Hausberge  bei  Jena  steht  dem  soeben 
eingehend  betrachteten  vom  Jenzig  so  nahe,  dass  er  nicht  mehr 
von  ihm  verschieden  ist,  als  verschiedene  Proben  derselben  Fund- 
stätte von  einander.  Beide  Fundstätten  gehören  entschieden  dem- 
selben geologischen  Horizonte  und  höchst  wahrscheinlich  einer 
ursprünglich  zusammenhängenden , erst  durch  die  Erosion  des 
zwischen  Jenzig  und  Hausberg  gelegenen  Geinbde- Thaies  von 

o o o o 

einander  getrennten  Einlagerung  an. 


Tabelle  I. 

G esammtanalysen. 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


133 


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E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  *Röth. 


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Ausgeführt  von:  Dr.  Prauss-  Dr.  Popp  Dr.  Prauss-  Dr.Popp  Dr.  Popp  Dr.  Prauss-  Dr.  Popp  Dr.  Prauss- 

nitz  nitz  nitz  nitz 


E.  E.  Schmid  , das  osttlniringische  Rötli. 


135 


Gyps. 

Gypsgesteine  nehmen  sehr  massenhaft  Theil  an  der  Bildung 
des  Rothes.  Sie  bestehen  theils  aus  Gyps  für  sich  ganz  allein, 
oder  doch  nur  mit  accessorischen  Spuren  anderer  Gemengtheile  — 
reine  Gypse  — theils  aus  Gemengen  von  Gyps  mit  thonigen 
Silicaten  und  dolomitischen  Carbonaten  oder  Mergel , zu  denen 
Ferrite  und  Quarz  accessorisch  hinzutreten  — Gyps m ergeh  — 
Sie  treten  ebensowohl  in  mächtigen  Schichtenfolgen,  als  auch  in 
untergeordneten  einzelnen  Schichten  und  als  Ausfüllungsmassen 
von  Klüften  auf. 


X.  Reiner  Gyps. 

Die  reinen  Gypse  sind  theils  kurz-  und  schmalspäthig, 
schuppig  bis  grobkörnig  entwickelt,  theils  faserig,  theils  bestehen 
sie  aus  einem  weissen  bis  grauen,  feinkörnigen,  bis  makroskopisch 
dichten  Umschlusse,  und  grauen  bis  braunen,  breitspäthigen,  zwar 
nicht  krystallinisch  umgrenzten,  aber  krystallinisch  einheitlichen 
bis  rosettenförmig  aggregirten  Einschlüssen.  Diese  letzten  Gesteine 
sind  für  das  thüringische  Röth  besonders  charakteristisch.  Sie 
gewinnen  häufig  ein  porphyrartiges  Aussehen,  welches  durch 
Schliff'  und  Politur  sehr  gehoben  wird;  man  hat  sie  desslialb  vor- 
dem zur  architektonischen  Ornamentik  im  Innern  der  Gebäude  be- 
nutzt. Die  schuppigen,  grobkörnigen  und  porphyrartigen  Gypse 
sind  meist  dickbänkig  und  stets  compact  d.  h.  ohne  jede  Spur  von 
sedimentärer  Struktur  und  concordantschieferigem  Gefüge.  Auch 
Cavernen  gehören  zu  den  Seltenheiten;  wenn  sie  gelegentlich  in 
Gypsbrüchen,  z.  B.  denen  unterhalb  Ziegenhain  bei  Jena  Vor- 
kommen, sind  sie  mit  drüsig  aggregirten  linsenförmigen  Gyps- 
krystallen  ausgekleidet. 

Den  grobkörnigen  Gypsen  ist  mitunter  Dolomit  oder  auch 
dolomitischer  Mergel  in  feinster  Vertheilung  eingestreut,  welche 
beim  Einlegen  in  Chlorwasserstoffsäure  schwache,  aber  sehr  lang 
andauernde  Gasentwickelung  und  bei  der  Verwitterung  die  Bildung 
von  Bittersalz  und  dessen  Ausblühung  an  freien  Felsenwänden 
veranlassen  (s.  oben  unter  Bittersalz). 


136 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


Durch  stärkere  Einstreuung  von  dolomitischen  Carbonaten  und 
thonigen  Silicaten  und  Ferriten  entsteht  eine  Mannichfaltigkeit 
verschieden  harter,  verschieden  farbiger  und  verschiedenartig  der 
Verwitterung  und  Erosion  widerstehender  Gesteine,  durch  welche 
ein  Uebergang  aus  dem  reinen  in  den  Gypsmergel  vermittelt  wird. 

In  den  Gypsflötzen  herrscht  porphyrartiger,  grobkörniger 
und  schuppiger  Gyps  vor. 

Den  Mergeln  untergeordnete,  einzelne  Gypsschichten  sind 
theils  schuppig,  theils  faserig.  Jedoch  springen  die  faserigen  Gyps- 
schichten nicht  selten  aus  einem  niederen  in  einen  höheren  Hori- 
zont über  und  bekunden  dadurch  eine  spätere  Einführung  in  die 
schon  abgesetzten  Röthgesteine. 

Dadurch  werden  die  einzelnen,  untergeordneten  Gypsschichten 
mit  den  Ausfüllungsmassen  der  Schwindungsklüfte,  die  das  Röth 
durchsetzen,  in  Verbindung  gebracht.  Diese  bestehen  fast  aus- 
schliesslich aus  faserigem  Gyps,  der  ganz  frei  ist  von  Accessorien, 
jedoch  mitunter  Röthbrocken  umschliesst. 

In  den  reinen  Gypsen  sind  keine  organischen  Ueberreste  ge- 
funden worden,  mit  Ausnahme  eines  von  Zenker  Q wohl  litholo- 
gisch und  paläontologisch  genan  beschrieben,  aber  nicht  ebenso 
topographisch  genau  bezeichneten,  wahrscheinlich  in  der  Umgehung 
der  Teufelslöcher  hei  Jena  aufgefundenen  Falles  der  Erfüllung 
späthigen  Gypses  mit  calcinirten  Schalen  von  Myophoria  costata 
und  Mytilus  arenararius  Zenker  — welcher  letzte  Name  auf  Mo- 
cliola  triquetra  v.  Seeb.  zu  beziehen  sein  dürfte  — und  von  kleinen 
Schnecken,  die  wahrscheinlich  zu  Natica  gehören,  auch  wohl  Oolith- 
körnchen.  »Das  Aussehen  des  Gesteins«,  sagt  Zenker,  »lässt  sich 
mit  einem  Zuckerguss  vergleichen.« 

XI.  Gypsmergel. 

Durch  reichlichere  Beimengung  von  dolomitischem  Carbonat 
und  thonigem  Silicat,  häufig  auch  Ferrit  und  Quarzkörnchen  zu 
Gyps  entstehen  Gypsmergel.  Obgleich  manche  von  ihnen  noch 
deutlich  spaltbar  sind  nach  den  Blätterdurchgängen  des  Gypses, 


*)  Zenker,  Hist.-topograph.  Taschenbuch  v.  Jena,  S.  199. 


E.  E.  Schmid,  das  ostthiiringische  Roth. 


137 


so  tragen  doch  die  meisten  die  Kennzeichen  des  sedimentären  Ab- 
satzes kleinster  Theilchen  an  sich  und  werden  locker. 

Die  Gypsmergel  sind  in  meist  dünnen  und  concordant  schief- 
rigen Schichten  den  übrigen  Röthgesteinen  und  auch  den  Gyps- 
flötzen  untergeordnet. 

Organische  Reste  aus  ihnen  liegen  nicht  vor. 

Schluss. 

Die  Gesteine,  welche  das  Röth  zusammensetzen,  sind  mit  Aus- 
nahme der  Gypse  dieselben,  welche  den  mittleren  und  unteren 
Buntsandstein  bilden;  sie  stehen  aber  in  einem  durchaus  anderen 
Verhältnisse  zu  einander.  Im  ersten  walten  die  Mergel  vor,  in 
den  letzten  die  Sandsteine,  im  ersten  treten  Dolomite  ganz  selb- 
ständig auf,  in  den  letzten  ganz  untergeordnet. 


Die  organischen  Ueberreste  des  ostihüringischen  Röth. 

Die  organischen  Ueberreste  im  Röth  sind  nicht  zahlreich,  aber 
doch  mannichfaltig  und  deshalb  interessant,  weil  sie,  als  unmittel- 
bare Vorgänger,  zur  Entwickelung  der  Muschelkalk -Fauna  und 
-Flora  wesentliche  Beiträge  in  Erwartung  stellen. 

Nicht  alle  Gesteine  des  Röth  enthalten  Versteinerungen;  die 
grosse  Mehrzahl  der  letzteren  findet  sich  in  den  Dolomiten,  einige 
werden  von  den  Sandsteinen  eingeschlossen,  sehr  wenige  von  den 
Gypsen. 

1)  Ueber  die  Saurierreste  hat  Zenker1)  in  seinen  1836 
erschienenen  Beiträgen  zur  Naturgeschichte  der  Urwelt  Einiges 
berichtet.  Das  Material  zu  diesem  Berichte  hatte  er  einem  Sand- 
steinbruche am  westlichen  Abhänge  des  Jenzigs  bei  Jena  entnom- 
men,  der  jedenfalls  nur  kurze  Zeit  betrieben  worden  und  dessen 
Stelle  schon  im  Jahre  1844  nicht  mehr  aufzufinden  war.  Ich  habe 


x)  Zenker,  Historisch-topographisches  Taschenbuch  von  Jena,  S.  205,  237. 


138 


E.  E.  Schmid  , das  ostthürin gische  Röth. 


dasselbe  in  Zenker’ s Nachlass,  der  leider  sehr  zerstreut  worden 
ist,  noch  gesehen  und  mich  von  der  grossen  Aehnlichkeit  des- 
selben und  demjenigen,  welches  ich1)  aus  den  den  untersten  ebenen 
Kalkschiefern,  dem  untersten  Gliede  des  Muschelkalks,  zugehörigen 
Cölöstingruben  von  Wogau  bei  Jena  bezogen  hatte,  überzeugen 
können. 

Ich  habe  noch  für  die  Ueberführung  desselben  in  die  Samm- 
lung des  Grafen  Münster  in  Bayreuth  Sorge  getragen,  mit  welcher 
es  wahrscheinlich  nach  München  gekommen  sein  wird.  Die  Zahl 
der  Stücke  war  nicht  gering  und  ihr  Erhaltungszustand  ausge- 
zeichnet. Auf  mehreren  Sandsteinplatten  lagen  sie  dicht  neben 
einander.  Ihre  Grösse  stand  unter  dei’jenigen  der  Wogauer  Vor- 
kommnisse. Mir  ist  kein  derartiger  Fund  wieder  vorgekommen, 
obgleich  die  Sandsteinbank,  auf  welche  sich  kaum  zweifelhaft 
der  Steinbruch  bezogen  hat,  breit  ansteht  und  von  mir  häutig  und 
sorgfältig  durchsucht  worden  ist.  Der  Zenker  sehe  Name2)  Saurier- 
sandstein gehört  demnach  zu  den  Reminiscenzen. 

2)  Fischreste  sind  weiter  verbreitet  als  Saurierreste,  nament- 
lich auch  über  die  Dolomite.  Die  meisten  sind  Schuppen  mit 
glänzender,  brauner,  wulstig  gestreifter  Emailfläche,  wie  sie 
Agassiz  zu  der  Gattung  Gyrolepis  stellt;  Knöchelchen,  gewöhnlich 
zerbrochene,  sind  nicht  viel  seltener;  Zähnchen  treten  dagegen 
zurück  und  bieten  weniger  sicher  bestimmbare  Erhaltungszustände. 
So  erklärt  es  sich,  warum  diese  Fischreste  eine  zusammenfassende 
Beschreibung  noch  nicht  gefunden  haben. 

Der  einzige  Cephalopodenrest  des  ostthüringischen  Röth  ist: 

3)  Goniatites  tenuis  v.  Seeb.  Er  wurde  nach  einem  Bruchstücke 
charakterisirt,  welches  v.  Seebach3)  selbst  bei  Gross -Kochberg, 
nahe  Rudolstadt,  nach  seiner  Angabe,  in  einem  auf  Röth  auf- 
liegenden, aber  nicht  anstehenden,  sondern  von  einer  höher  aus- 
streiclienden,  aber  wohl  immer  noch  dem  Röth  zugehörigen  Car- 
bonatbank abgebrochenen  »Kalkblock«  zugleich  mit  » Myophoria 

1)  Schmid  und  Schleiden,  die  geognostischen  Verhältnisse  des  Saalthaies 
bei  Jena,  5,  20  und  35. 

2)  Zenker,  Historisch-topographisches  Taschenbuch  von  Jena,  S.  205. 

3)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  13,  S.  24,  Jahrg.  1861. 


E.  E.  Schmid,  das  osttliiirin gisclie  Rötli. 


139 


Goldfussi « gefunden.  Ist  das  nicht  zu  bezweifeln,  so  ist  wohl 
zunächst  der  Name  M.  Goldfussi  v.  Alb.  durch  M.  fallax  v.  Seeb. 
zu  ersetzen  und  vor  diesem  letzten  hat,  wie  sogleich  gezeigt  werden 
wird,  der  Name  M.  costata  Zenk.  sp.  den  Vorzug  der  Priorität 
voraus,  und  dürfte  zugleich  der  Gerölleblock  nicht  sowohl  ein 
Kalkblock,  als  vielmehr  ein  Dolomitblock  gewesen  sein.  Eine 
Abbildung  dieses  Fundes  gab  v.  Seebach  in  seiner  Abhandlung 
über  die  Conchylienfauna  der  Weim arischen  Trias1 2).  Später  wurde 
dieselbe  Form  von  Speyer3)  als  ein  Vorkommniss  der  Röthdolomite 
vom  Katzenbergre  bei  Nebra  a.  d.  U.  aufareführt. 

Die  Gasteropoden  sind  durch  drei  Arten  des  Geschlechtes 
Natica  vertreten,  nämlich: 

4)  Natica  gregaria  v.  Schl.  sp.  und 

5)  Natica  Gaillardoh  v.  Schl.  sp. 

Beide  Arten  fand  Speyer3)  im  Dolomite  des  Katzenberges 
bei  Nebra. 

6)  Natica  sp.  Eine  dritte  Art,  kaum  von  der  Grösse  einer  ge- 
wöhnlichen Farnkrautkapsel,  fand  Zenker4)  sehr  zahlreich  in  der 
Conchylienbreccie  des  Gypses,  wahrscheinlich  der  Teufelslöcher 
bei  Jena  (s.  oben).  Die  von  Zenker  gegebene  Beschreibung 
könnte  jedoch  auch  auf  Oolithkörnchen  bezogen  werden. 

Zahlreicher  sind  die  Pelecypoden  vertreten: 

7)  Corbula  sp.  Eine  thonige  Dolomitbank,  welche  dem 
oberen  Rötli  am  westlichen  Abhange  des  Jenzigs  untergeordnet 
ist,  wimmelt  von  Abdrücken  einer  kleinen  Muschel  von  6—7  Milli- 
meter Länge  und  5 — 6 Millimeter  Höhe;  der  Wirbel  derselben 
ist  der  Vorderseite  genähert,  ihr  Umfang  ist  abgerundet-dreieckig. 
Das  Schloss  hat  nach  vorne  und  nach  hinten  je  eine  scharf  ausge- 
prägte Leiste  und  dazwischen  einen  stumpfen  Zahn;  Muskel-  und 
Manteleindrücke  sind  nicht  wahrnehmbar,  Zuwachsstreifung  sehr 
deutlich.  Die  Schale  ist  stets  resorbirt,  war  aber  sehr  dünn. 


x)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bel.  13,  S.  650,  Taf.  XV,  Fig.  11  (1861). 

2)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  29,  S.  205  (1877). 

3)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  29,  S.  205  (1877). 

4)  Zenker,  Historisch-topographisches  Taschenbuch  von  Jena,  S.  200. 


140 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


Diese  Muschel  ist  jedenfalls  neu,  aber  nicht  exact  bestimmbar. 
Ihre  Unterordnung  unter  Corbula  dürfte  wahrscheinlich  sein. 

8)  Myophoria  costata  Zenk  sp.  Diese  wichtige  Art  wurde 
zuerst  von  Zenker  *■)  als  Donax  costata  beschrieben  und  abge- 
bildet und  etwas  später 1  2)  als  der  den  Grenzdolomiten  des  Keupers 
eigenthümlichen  Trigonia  Goldfussi  v.  Ziet  für  sehr  ähnlich  be- 
zeichnet. v.  Seebach3)  irrt,  indem  er  den  Namen  Donax  costata 
als  den  von  Zenker  ursprünglich  auf  das  Keupervorkommniss 
bezogenen  ansah  und  deshalb  der  ähnlichen  Röthmyophorie  den 
neuen  Namen  Myophoria  fallax  beilegen  zu  müssen  glaubte.  Diese 
Art  ist  bekanntlich  nicht  nur  die  eigentliche  Leitform  für  das 
thüringische  Röth , sondern  für  den  oberen  Bnntsandstein  der 
europäischen  Trias  überhaupt.  In  den  Dolomiten  des  thüringischen 
Röth  ist  sie  überall  häufig,  aber  auch  in  den  Sandsteinen  desselben 
findet  sie  sich  und  selbst  den  Gypsen  fehlt  sie  nicht  ganz. 

9)  Myophoria  elongata  Gieb.  sp.  Auf  diese  von  Giebel  4) 
an  der  oberen  Grenze  des  unteren  Muschelkalkes  (Schaumkalk) 
bei  Lieskau  nahe  Halle  a.  S.  aufgefundene,  beschriebene  und  abge- 
bildete Form  bezog  v.  Seebach  5)  Vorkommnisse  ans  dem  Röth 
der  Umgebung  von  Weimar.  Dieselbe  findet  sich  sehr  häufig 
und  wohlerhalten  in  einer  Conchylienbreccie,  welche  sich  an  den 
oberen  Rhizocorallium  - Dolomit  (s.  weiter  unten)  des  westlichen 
Abhanges  vom  Hausberge  bei  Jena  anschliesst. 

10)  Myophoria  laevigata  v.  Sciil.  sp.  fand  Speyer6)  in  einer 
mächtigen  Dolomitbank  des  Röth  am  Katzenberge  bei  Nebra. 

11)  Myophoria  vulgaris  v.  Schl.  sp.  fand  v.  Seebach7) 
im  Röth  der  Umgebung  Weimars,  Speyer8)  in  schon  unter 


1)  Zenker,  Beiträge  zur  Naturgeschichte  der  Urwelt,  S.  55,  Taf.  VI,  Fig.  A 
(1836). 

2)  Zenker,  Hist.-topogr.  Taschenbuch  v.  Jena,  S.  226  ( 1836). 

3)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  13,  S.  600,  Taf.  XIV,  Fig.  10  (1861). 

4)  Giebel,  die  Versteinerungen  im  Muschelkalk  von  Lieskau  bei  Halle,  S.  42, 
Taf.  5,  Fig.  3. 

5)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  13,  S.  616,  Taf.  XIV,  Fig.  13  (1861). 

6)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  29,  S.  205. 

7)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  13,  S.  613. 

8)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  29,  S.  205. 


E.  E.  Schmid,  das  osttliüringische  Roth.  141 

10)  erwähnten  Dolomitbank  des  Rötlis  am  Katzenberge  bei 
Nebra. 

1 2)  Myophoria  orbicularis  Br.  fand  Speyer  *)  mit  der  vorigen 
zusammen. 

13)  Cucullaea  nuculiformis  Zenk.  begleitet  häufig  die  Myo- 
phoria costata  in  den  Dolomiten  namentlich  am  westlichen  Ab- 
hange des  Hausberges  bei  Jena.  Zenker *  2)  gab  nur  eine  kurze 
Beschreibung  von  ihr,  ich3)  eine  Abbildung  davon.  Nach  einer 
brieflichen  Mittheilung:  v.  Seebach’s  ist  sie  zu  Protocardium  zu 
stellen. 

14)  Modiola  triquetra  v.  Seeb.  Diese  durch  v.  Seebacii4) 
aus  dem  Röth  der  Umgebung  Weimars  bekannt  gewordene  Form, 
findet  sich  von  recht  verschiedener  Grösse  und  nicht  immer  ganz 
gleichem  Habitus  in  den  Dolomitbänken  des  Röth  an  den  west- 
lichen Abhängen  des  Hausberges  und  des  Jenzigs  bei  Jena,  ferner 
recht  zahlreich,  eine  Dolomitbank  fast  erfüllend,  in  kleinen  dicht 
an  einander  gedrängten,  fest  mit  Gesteinsmasse  verbundenen 
Exemplaren  bei  Pölitz  nahe  Stössen. 

15)  Gervillia  socialis  v.  Schl.  sp.  Diese  horizontal,  wie 
vertical  weit  durch  die  Trias  verbreitete  Form  ist  von  mir,  v.  See- 
bach 5)  und  Speyer  6)  auch  im  Röth  reichlich  aufgefunden  worden. 
Namentlich  ist  es  eine  ungewöhnlich  grosse,  aber  sehr  dünnschalige 
Varietät,  deren  Abdrücke  — die  Schale  ist  ohne  Ausnahme 
resorbirt  — in  einer  der  unteren  Grenze  des  Röth  sehr  nahe  an- 
genälirten  Dolomitbank  bei  Gross-  und  Klein -Bockedra  zwischen 
Jena  und  Calila  gesellig  auftreten. 

16)  Gervillia  costata  v.  Schl,  sp.,  welche  bereits  von  v.  See- 
bach 7)  als  ein  Vorkonnnniss  des  Röths  bei  Weimar  aufgeführt 


*)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  29,  S.  205. 

2)  Zenker,  Hist.-topogr.  Taschenbuch  v.  Jena,  S.  227. 

3)  Schmid  und  Schleiden,  die  geologisch.  Verhältnisse  des  Saalthaies  bei  Jena. 
Taf.  IV,  Fig.  3. 

4)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  13,  S.  599. 

5)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  13,  S.  589. 

6)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  29,  S.  205. 

7)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  13,  S.  591. 


142 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringisehe  Rötli. 


wurde,  findet  sich  auch,  obwohl  seltener  in  den  Dolomitbänken 
des  Röths  vom  Jenzig  und  Hausberge  bei  Jena. 

17)  Pecten  Älbertii  Goldf.  ist  nicht  nur  in  den  Dolomiten, 
sondern  auch  in  den  Sandsteinen  des  Rötli  bei  Jena,  Weimar1) 
und  Nebra2),  zwar  nicht  häufig,  aber  doch  sehr  wohl  erhalten 
gefunden  worden.  Will  man  Giebel’s3),  von  v.  Seebach  aufge- 
nommene Unterscheidung  zwischen  P.  Älbertii  und  P.  tenuistriatus 
aufrecht  erhalten,  so  dürften  die  Schalen  des  ostthüringischen 
Röths  alle  zu  P.  inaequistriatus  gehören.  Von  einer  Gabelung 
der  Radialrippen  sieht  man  nämlich  nichts,  wohl  aber  schalten 
sich  neue , zuerst  schmale , niedrige  Rippen  zwischen  die  alten 
breiteren,  stärkeren  ein;  eine  gewisse  Unregelmässigkeit  lässt  sich 
ebenfalls  nicht  verkennen. 

Die  Brachiopoden  sind  sehr  spärlich  vertreten. 

18)  Discina  sp.  Nahe  kreisrunde  Schalen  von  7- — 10  Milli- 
meter Durchmesser  mit  einer  excentrisch  erhabenen  Spitze,  um 
welche  herum  scharf  hervorragende  Zuwachsstreifen  ziehen,  gelb- 
lich weiss,  schwach  hornartig  glänzend,  gehören  ebenso  bestimmt 
zu  dem  Formenkreis  der  Orbicula  discoides  v.  Schl.  , wie  so 
Manches  von  dem  was  Quenstedt  4)  dazu  stellt;  dieselben  sind 
deutlich  niedergedrückt,  verbogen  oder  gebrochen,  sie  fanden  sich 
nur  einmal  im  Dolomit  einer  knapp  über  der  unteren  Grenze  dem 
Rötli  eingelagerten  Dolomitbank  bei  Gross-  und  Klein -Bockedra, 
zwischen  Jena  und  Calila. 

19)  Lingula  sp.  Eine  ovale  Schale  von  ellipsoidischem  Um- 
riss, 16  Millimeter  im  längsten,  7 Millimeter  im  kürzesten  Durch- 
messer haltend,  mit  deutlichen  Zuwachsstreifen,  bräunlichgelb, 
hornartig  glänzend,  fand  sich  in  derselben  untersten  Dolomitbank 
des  Röths  bei  Gross-  und  Klein  - Bockedra , wie  die  vorige.  Sie 
steht  jedenfalls  der  Lingula  tenuissima  Br.  sehr  nahe,  wohl  ebenso 


x)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  13,  S.  573. 

2)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  29,  S.  205. 

3)  Giebel,  die  Versteinerungen  im  Muschelkalk  von  Lieskau  bei  Halle,  p.  21. 

4)  Quenstedt,  Brachiopoden,  S.  644,  Taf.  60,  Fig.  117. 


E.  E.  Sciimid  , das  ostthüringische  Roth. 


143 


nahe,  wie  L.  calcarea  Zenk. * 2 3  4)  und  L.  kenperea  Zenk.  2),  welche 
von  Bronn  3)  wieder  mit  L.  tenuissima  vereinigt  wurden. 

20)  Rhizocorallium  jenense  Zenk.  wurde  kurz  aber  treffend 
von  Zenker4)  beschrieben  und  von  mir5)  abgebildet.  »Es  er- 
leidet keinen  Zweifel«  — äusserte  sich  Zenker  — »dass  dies 
problematische  Fossil  einen  organischen  Ursprung  hat.  Wahr- 
scheinlich gehört  es  zu  den  Spongien , oder  vielmehr  zu  den 
eigentlichen  Corallen,  vielleicht  zu  den  Rindencorallen.«  Bronn6) 
wies  ihm  bestimmt  seine  Stelle  unter  den  Seeschwämmen  an, 
Zittel  7)  noch  bestimmter  unter  den  Geraospongien.  Zu  den  ge- 
wöhnlichen Schlingen-  und  Walzenformen  treten  mitunter  auch 
gerade  und  flache  hinzu.  Struktur  habe  ich  weder  durch  Aetzung 
mit  Säuren,  noch  durch  Dünnschliff  wahrnehmbar  machen  gekonnt. 
Uebrigens  ist  dieses  eigenartige  Gebilde  auf  der  unteren  Schicht- 
fläche nicht  nur  eines,  sondern  mehrerer,  aber  nicht  aller  Röth- 
dolomite  zu  finden.  Dasselbe  breitet  sich  zunächst  über  den 
weiten  Kaum  der  Umgebung  Jena’s  zwischen  Freiburg  a.  U., 
Bürgel  und  Rudolstadt  aus;  seine  Ausbreitung  ist  aber  durch  die 
Bearbeiter  der  neuen  geologischen  Specialkarte  des  Königreichs 
Preussen  und  der  thüringischen  Staaten  bereits  über  einen  noch 
viel  weiteren  Raum  nachgewiesen;  namentlich  wird  sein  Vor- 
kommen erwähnt  von  Giebelhausen  in  den  Erläuterungen  zu  dem 
Blatte  Gross -Keula,  von  Laspeyres  zu  dem  Blatte  Peters- 
berg, von  v.  Seebacii  zu  den  Blättern  Bleicheroda  und  Nieder- 
Orsclila. 

21)  Pflanzliche  Ueberreste  fehlten  dem  Röth  bis  vor 
Kurzem  ganz  und  beschränken  sich  auch  jetzt  noch  auf  einen 


J)  Leonhard  v.  Bronn,  Jahrb.  f.  Min.  1834,  S.  394. 

2)  Ebend.  S.  390. 

3)  Bronn,  Letliaea  geognostica , dritte  Aufl.,  Bd.  II,  S.  51. 

4)  Zenker,  Hist.-topogr.  Taschenbuch  v.  Jena,  S.  202  und  219. 

5)  Schmid  und  Schleiden,  die  geognost.  Yerhältn.  des  Saalthaies  bei  Jena, 
S.  45,  Taf.  N.,  Fig.  9. 

6)  Bronn,  Lethaea  geognostica , dritte  Aufl.,  Bd.  III,  S.  44. 

7)  Zittel,  Handbuch  der  Palaeontologie,  Bd.  I.,  S.  143. 


144 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Röth. 


einzigen  Fund  in  demjenigen  tlionigen  Dolomit,  der  nach  der  von 
ihm  eingeschlossenen  Corbula  sp.  (s.  oben)  als  Corbuladolomit 
bezeichnet  werden  kann.  Dieser  Fund  besteht  in  einem  flach- 
gedrückten Stengelstück  von  2 Centimeter  Breite  und  10  Centi- 
meter  Länge ; in  den  Hohlräumen  zwischen  der  inneren  Ausfüllung 
und  der  äusseren  Umhüllung  ist  eine  Spur  kohliger  Substanz  ein- 
gestreut; das  Relief  der  Umhüllung,  sowie  der  Ausfüllung  ist  zu 
unbestimmt,  um  über  den  vegetabilischen  Ursprung  hinaus,  etwas 
kundzugeben. 


Schluss. 

Uebersieht  man  das  vorstehende  Verzeichniss  der  organischen 
Ueberreste  des  Röth,  so  bietet  dasselbe  keine  Reminiscenzen  an 
die  obere  Dyas,  die  freilich  von  ihm  durch  die  mächtige  Schichten- 
folge des  mittleren  und  unteren  Buntsandsteins,  die  so  überaus 
wenige  und  seltene  organische  Ueberreste  enthalten,  dass  sie  über 
die  Entwickelung  weder  der  Faima  noch  der  Flora  genügende 
Aufschlüsse  geben  können,  getrennt  ist.  Um  so  näher  stehen 
dieselben  denjenigen  des  Muschelkalkes  und  Keupers,  und  zwar  in 
jeder  Beziehung. 

Die  Saurierreste,  soweit  ich  sie  aus  eigener  Anschauung 
kenne  und  mir  ein  Urthe.il  darüber  erlauben  darf,  tragen  den 
Nothosaurus-Typus,  der  bekanntlich  im  ostthüringischen  Muschel- 
kalk zu  eiuer  holieu  Entwickelung  kommt. 

Die  dürftigen  Fischreste  gehören  zu  den  Ganoiden  mit  rhoin- 
bischen,  knochigen,  Schmelz  bedeckten,  randlich  an  einander 
stossenden  Schuppen,  welche  Agassiz  unter  dem  Genus  Gyrolepis 
zusammenfasste;  sie  sind  durch  alle  Glieder  des  Muschelkalkes 
und  Keupers  verbreitet. 

Der  einzige  Cephalopodenrest  des  Röth  nimmt  allerdings 
eine  Sonderstellung  ein,  beruht  aber  auf  zu  wenigen  und  zu  frag- 
mentarischen Funden,  um  maassgebend  zu  sein.  Von  Gasteropoden 
ist  nur  Natica  in  Rede  zu  stellen  mit  solchen  Arten,  die  auch  im 
Muschelkalke  Vorkommen  oder  wenigstens  den  da  vorkommenden 
sehr  nahe  stehen. 


E.  E.  Schmid  , das  osttliüringisehe  Roth. 


145 


Unter  den  Pelecypoden  sind  Myophoria  costata  Zenk.  und 
Cucullaea  nuculiformis  Zenk.  dem  Röth  eigentliümlich.  Aber 
Myophoria  costata,  die  eigentliche,  wenn  auch  nicht  die  einzige  Leit- 
form  des  Röth,  steht  der  Myophoria  Goldfussi  v.  Ziel,  der  Leit- 
fonn  des  Grenzdolomites,  so  nahe,  dass  ein  so  sachkundiger  und 
sorgfältiger  Beobachter  wie  Zenker,  allerdings  nach  etwas  ab- 
geriebenen Exemplaren  der  letzteren  — wie  ich  mich  sehr  wohl 
erinnern  kann  — , beide  für  identisch  halten  konnte.  Cucullaea 
nuculiformis  ist  ein  zu  wenig  besagender  Steinkern,  als  dass  man 
weit  greifende  Schlüsse  aus  ihm  ziehen  könnte.  Alle  übrigen 
Formen,  namentlich  Germllia  socialis , Myophoria  vulgaris,  M.  laevi- 
gata  und  Pecten  Albertii  halten  durch  den  ganzen  Muschelkalk 
bis  über  den  unteren  Keuper  aus. 

Die  wenigen  Brach  iopodenreste  setzen  sich  in  denselben  oder 
nahe  verwandten  Arten  durch  den  Muschelkalk  fort. 

Rhizocorallium  jenense  ist  neben  Myophoria  costata  die  zweite 
Leitform  des  Röth  und  in  seiner  vollkommenen  Entwickelung 
darauf  beschränkt.  Allein  nahe  Verwandte  dazu,  oder  vielmehr 
ähnliche  Erhaltungszustände  finden  sich  unter  den  zahlreichen 
sogenannten  wurmförmigen  Concretionen  des  Muschelkalks ; nament- 
lich im  Schaumkalke,  dem  obersten  Gliede  des  unteren  Muschel- 
kalks, beobachtet  man  sehr  ähnliche  Schlingen  und  Wülste  mit 
netzförmigem  Relief,  wenn  auch  in  viel  grösserem  Maassstabe,  und 
daran  scliliessen  sich  noch  massenhafter  entwickelt,  nicht  immer 
gewunden,  viele  andere  an  und  zeugen  für  eine  stetige  Fortbil- 
dung der  Ceraospongien  während  des  Absatzes  der  Muschelkalk- 
schichten. 

Pflanzenreste  sind  ebenso  wie  im  Muschelkalk,  auch  im  Röth 
zu  wenig  bedeutsam,  um  hier  in  Rede  gestellt  zu  werden. 

In  wenige  Worte  zusammengefasst  lautet  das  Schlussresultat: 
das  Röth  ist  paläontologisch  dem  Muschel  kalke  ebenso  nahe  ver- 
wandt, wie  lithologisch  dem  mittleren  und  unteren  Buntsandstein. 


10 


146 


E.  E.  Schmid  , das  ostthüringische  Röth. 


Gliederung  des  ostthüringischen  Röth. 

Der  allgemeinen  Schilderung  der  Gliederung  des  ostthürin- 
gischen Röth  mag  die  Einzelbeschreibung  örtlicher,  besonders  aus- 
giebiger Aufschlüsse  als  Grundlage  dienen. 

Die  erste  Stelle  mag  der  westliche  Abhang  des  Hausberges 
bei  Jena  einnehmen.  Soweit  die  Saale  den  Fuss  desselben  be- 
spült, steht  mittlerer  Buntsandstein  an.  In  diesen  schneidet  ein 
Hohlweg  zwischen  Jena  und  Ziegenhain  ein,  der  sogenannte  Burg- 
weg,  dessen  Einschnitt  sich  mittels  eiuer  tiefeu  und  breiten  Regen- 
furclie  bis  in  ein  90  uucl  einige  Meter  höheres  Niveau  aufwärts 
zieht  und  die  Schichten  zusammenhängend  entblösst.  Nahe  der 
höchsten  Stelle  des  Burgwegs  wird  der  Sandstein  unmittelbar  von 
Gyps  überlagert,  der  dünnschieferig  bis  dickbänkig,  späthig,  schup- 
pig, faserig,  feinkörnig,  auch  porphyrartig,  rein  oder  gemengt  mit 
Dolomit  und  Letten,  die  ihm  auch  in  dünnen  Zwischenschichten 
untergeordnet  sind,  ein  56  Meter  mächtiges  Flötz  bildet.  Die 
Schichten  sind  an  den  meisten  Stellen  stark  wellenförmig  gebogen 
und  werden  von  den  höheren  Schichten  des  Röth  durch  eine  Kluft 


abgeschnitten,  an  welchen  eine  Abrutschung  derselben  stattgefunden 
hat,  um  einen  zwar  nicht  genau  angebbaren,  aber  keinesfalls  über 
5 Meter  hinausgehenden  Betrag.  Die  neben  und  über  dem  Gypse 
anstehenden  Schichten  siud  der  Reihe  nach: 

hellgraugrüne  Mergel,  bald  mehr  lettig,  bald  mehr 


Meter 

0,50 

0,80 


0,70 


sandig ; 

^ lockere,  glimmerreiche  graue  Sandsteine;  wenige  or- 
^ ganische  Reste,  unter  denen  nur  Myophoria  costata 
v bestimmbar,  einschliessend ; 
lichte  Mergel; 

Dolomit  mit  Mergel  wechsellagernd,  die  reinen  Do- 
l lomitschicliten  bis  10  Centimeter  stark  und  darüber 
] hinaus,  reich  an  organischen  Ueberresten,  besonders 
resorbirten  Muschelschalen,  namentlich  von  Myo- 
J phoria  costata , auf  der  unteren  Schichtfläche  gewöhu- 
f lieh  das  Relief  von  Rhizocorallium  jenense  tragend 
(mittlerer  Rhizocorallium-Dolomit) ; 
lichte  Mergel; 


0,80—1,50 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Roth. 


147 


Meter 

0,50—0,60 


150,60 


Dolomit,  Mergel,  Letten  und  Gyps;  Dolomit  nimmt 
häufig  die  ganze  Bank  ein,  ist  reich  an  resorbirten 
Muschelschalen  und  desshalb  sehr  cavernös;  seine 
auf  Mergel  aufliegende  Unterseite  ist  reichlich  mit 
[ Rhizocorallium  jenense  besetzt;  er  geht  mitunter  in 
I ein  Haufwerk  von  weniger  oder  mehr  abgeriebenen 

1 O o 

1 und  zerbrochenen  Muschelschalen  über,  die  bald 
[ ziemlich  locker  zusammenhaftend,  eine  Muschelbreccie 
bilden,  bald  durch  Gyps  verkittet  ein  Muschelcon- 
/ glomcrat  — das  Carbonat  der  Muschelschalen  ist 
übrigens  in  gleicher  Weise  dolomitisch,  wie  dasjenige 
des  Gesteins,  aus  dem  sich  ihre  Haufwerke  ent- 
i wickeln.  Durch  Aufnahme  von  Thon  und  Sand,  auch 
I Gyps  entstehen  mannichfaltig  gemengte  unreine  Do- 
I lomite,  Mergel,  Sandsteine  und  Letten,  die  theils 
I mit  dem  reineren  Dolomit  wechsellagern,  theils  breit- 
klüftige  Zwischenräume  in  ihm  erfüllen,  ihn  bald  in 
einzelne  Stücke  spalten,  bald  auch  völlig  ersetzen 
und  an  seine  Stelle  Mergel  und  Gyps  treten  lassen 
' (Oberer  Rhizocorallium  - Dolomit). 

I Fast  unmittelbar  darüber,  an  einer  Stelle,  wo  sich 

Idie  Wasserfurche  verflacht  und  von  dem  sogenannten 
Oberwege  von  Jena  nach  Ziegenhain  gekreuzt  wird, 
lagert  das  Sandstein  ähnliche  Gemenge  von  Mergel 

o O o 

mit  Quarz  und  Gyps,  auf  dessen  Oberfläche  die  oben 
beschriebenen  Afterkrystalle  nach  Steinsalz  Vorkommen. 

I Die  höheren  Schichten  sind  vorwaltend  mergelig  mit 
/ untergeordneten  Einschaltungen  von  sandigen  und 
\ thonigen  Dolomiten  und  Gyps.  Eine  Hornstein- 

I Schicht  findet  sich  erst  über  dem  äussersten  Aus- 
läufern der  Regenfurche;  über  ihr  nimmt  das  Gestein 
allmälig  hellgraue  Färbung  an,  wird  Carbonatreicher 
und  geht  in  Muschelkalk  über,  den  man  von  da  an 
abgegrenzt  sein  lassen  kann,  wo  die  Schichten  dicker 
werden  und  im  frischen  Zustande  nicht  mehr  schiefe- 
\ rig  sind. 


10 


148 


E.  E.  Schmid,  das  ostthiiringische  Rötk. 


Als  zweites  Beispiel  mag  der  westliche  Abhang  des  Jenzigs 
seine  Stelle  finden.  Die  Schichtenfolge  ist  hier  durch  keinerlei 
Verwerfung  gestört,  aber  obgleich  man  auch  hier  einer  Regen- 
furche folgen  kann,  bei  weitem  weniger  entblösst.  Zwischen  Haus- 
berg und  Jenzig  ist  das  weite  und  tiefe  Gembdethal  bis  in  den 
mittleren  Buntsandstein  hinein  erodirt.  Die  Entfernung  beider 
Profile  beträgt  in  der  Luftlinie  ziemlich  genau  eine  Viertelmeile. 

Der  Fuss  des  Jenzigs  berührt  unmittelbar  die  Saale;  der 
steile  Uferabhang,  die  sogenannte  hohe  Saale  entblösste  vordem  — 
jetzt  ist  diese  Entblössung  in  Folge  eines  Ufer-  und  Wege-Baues 
verschüttet  — bis  auf  4 Meter  über  den  mittleren  Saalspiegel  die 
obersten  Schichten  des  mittleren  Buntsandsteins.  Dieselben  be- 
standen aus  dickplattigen  Sandsteinen,  welche  wegen  einer  Mehr- 
zahl von  Fährtenabdrücken,  deren  Beschreibung  Koch  und  ich 
schon  im  Jahre  1841  gaben  *),  das  wissenschaftliche  Interesse 
schon  einmal  auf  sich  zogen. 

Unmittelbar  diesem  Sandstein  aufffelagert  folgt  ein 
mächtiges  Gypsflötz  von  derselben  Beschaffenheit,  wie 
am  Hausberge.  Dann: 

Lichte  Mergel; 

Dolomit,  reich  an  organischen  Resten,  namentlich  an 
Myophoria  costata  und  Rliizocorallium  jenense.  — Un- 
terer Rhizocorallium  - Dolomit;  Mergel; 

Sandstein,  glimmerreich,  versteinerungsführend,  na- 
mentlich Myophoria  costata  und  Pecten  Albertii , mit- 
unter in  glimmerreichen  Quarzitschiefer  übergehend; 

22  ( Mergel; 

j Dolomit,  reich  an  organischen  Resten,  namentlich  an 
I Myophoria  costata  mit  Rhizocorallium  jenense.  — Mittler 
I Rhizocorallium-Dolomit ; 

I Mergel; 

! Dolomit,  reich  an  Versteinerungen,  namentlich  an 
\ Myophoria  costata  mit  Rhizocorallium  jenense.  — 
Oberer  Rhizocorallium  - Dolomit. 

*)  S.  Koch  und  Schmid,  die  Fährtenabdrücke  im  bunten  Sandstein  bei 
Jena.  S.  3—6. 


Meter 

31, Va 


E.  E.  Schmid,  das  osttlmringische  Röth. 


149 


Meter 

47 


97a 


/ Bunte  Mergel,  dolomitisch,  thonig,  sandig,  thonige 
^ Dolomite,  Hornsteindolomite,  bei  einem  grösseren 
\ Gehalt  an  dolomitischen  Carbonatschalen  von  Myo- 
I phoria  costata  einschliessend , Gyps  in  Zwischen- 
' schichten  und  Kluftausfüllungen; 

/ Hornschicht; 

] Mergel  hell  und  carbonatreich  werdend,  immer  noch 
j dünnschieferig,  aber  seiner  Mengung  nach,  dem  unter- 
l sten  Muschelkalk  sehr  nahe  stehend. 


Nicht  unwesentlich  anders  gestalten  sich  die  Verhältnisse  am 
östlichen  Abhange  des  Jenzigs,  oder  entlang  dem  Fahrwege  zwi- 
schen Gross  - Löbichau  und  Jenalöbnitz  bis  auf  die  höchste  Stelle 
desselben  und  von  da  aus  nach  der  Höhe  des  Jenzigs. 

I Auch  bei  Gross-Löbichau  ist  ein  Gypsflötz  unmittel- 
\ bar  auf  den  mittleren  Buntsandstein  aufgelagert,  hat 
Meter  ; nahe  dieselbe  Mächtigkeit  wie  am  westlichen  Abhange; 

30  ) seine  litholoerische  Entwickelung  ist  wohl  im  Ganzen 

(o  o 

die  gewöhnliche,  jedoch  so,  dass  die  porphyrartigen 
Gypse  besonders  dickbänkig  und  breitblättrig  sind. 

Ueber  dem  Gypsflötze  folgen  sehr  vorwaltend  helle,  nicht 
bunte,  durchaus  nicht  rothe  Mergel,  dann  treten  an  einem  steilen 
Absturz  hervor: 


Meter 

0,40 


, Dolomit,  zuckerkörnig,  wenige  Versteinerungen  ein- 
i schliessend,  von  denen  nur  Myophoria  costata  be- 
| stimmbar  ist;  auf  der  Unterseite  ist  ein  Relief  be- 
^ merkbar,  welches  allerdings  dem  Rhizocorallium  jenense 
j nicht  vollkommen  gleicht  , sondern  aus  gestreckteren 
I und  flacheren  Hälften  zusammengesetzt  ist,  aber  doch 
ein  ähnliches  Netzwerk  darstellt; 


0,90  Mergel; 

q | Dolomit  von  gleicher  Beschaffenheit,  wie  der  vorige, 

( aber  ohne  netzförmiges  Relief  auf  der  Unterseite; 
3,00  Mergel; 

0,36  Dolomit. 


E.  E.  Schmid,  das  ostthiiringische  Roth. 

Die  höheren  Schichten  werden  bunt  besonders  in 
Folge  der  Wechsellagerung  rother  Mergel  und  licht 
graulichgrüner , thoniger  und  sandiger  Dolomite. 
Zwischen  den  obersten  dieser  Mergel  stellt  sich  eine 
schwache  Hornsteinplatte  mit  welligen  Schichtungs- 
flächen ein. 

Darüber  folgt  eine  Bank  thonigen  Dolomites,  recht 
reich  an  resorbirten  Muschelschalen  und  deshalb 
0,20 — 0,30  ! cavernös ; die  meisten  Schalenabdrücke  gehören  zu 
I der  oben  angeführten  Corbula  nov.  sp. , verhältniss- 
\ massig  wenige  zu  Myophoria  costata. 

^ Die  Mergel  zwischen  diesem  Corbula  - Dolomit  und 

28  ■ der  Grenze  des  unteren  Muschelkalkes  sind  je  weiter 

aufwärts,  um  so  gleichfarbiger  und  lichter. 

Die  directe  Entfernung  zwischen  dem  westlichen  Fusse  des 
Jenzig  an  der  Saale  und  dem  östlichen  am  Fahrwege  von  Gross- 
Löbichau  nach  Jenalöbnitz  beträgt  drei  Viertel  Meilen.  Wie  sich 
die  beiden  Profile  am  westlichen  und  östlichen  Abhange  mit  ein- 
ander verknüpfen,  ist  nicht  in  das  Einzelne  zu  verfolgen,  weil 
längs  des,  allerdings  sehr  geraden  und  steilen  Südabhanges  vom 
Jenzig  gegen  das  Gembdethal  zu  das  Röth  meist  stark  überrollt  ist. 

Als  viertes  Beispiel  wähle  ich  den  Kugelberg  zwischen  Gum- 
perda  und  Eichenberg  bei  Cahla;  er  bietet  eine  Mehrzahl  von 
Rhizocorallium-Dolomiten,  erlaubt  aber  wegen  wechselnden  Fallens 
und  Streichens  keine  durchaus  exacten  Angaben  der  Mächtigkeit. 

Auch  hier  ist  ein  starkes  Gypsflötz  vorhanden;  zwischen  ihm 
aber  und  dem  Buntsandstein  ist  lichter  Viergel  und  Letten  ein- 
geschaltet.  Ueber  ihm  folgen  bunte  Viergel  und  diesen  sind  nicht 
weniger  als  sechs  Dolomitbänke  untergeordnet,  deren  Unterseite 
in  bald  grösserer,  bald  geringerer  Breite  das  Relief  von  Rhizoco- 
rallium  jene7ise  trägt. 

Ein  steiler,  lö1/^  Meter  hoher  Absturz  innerhalb  einer  Regen- 
furche, die  sich  nach  Eichenberg  hinabzieht,  entblösst  die  sechs 
Dolomitbänke,  der  Reihe  nach  von  unten  nach  oben  durchschnitt- 
lich 0,20,  0,16,  0,70,  0,52,  0,11  und  0,60  Vleter  stark,  also  zu- 


150 


Meter 

241/2 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringische  Röth. 


151 


sammen  1,10  Meter,  während  auf  die  mergeligen  Zwischenmittel 
14,40  Meter  entfallen.  Die  zwischen  liegenden  Dolomitbänke 
machen  also  nur  7°/o  von  der  Mächtigkeit  der  ganzen  Schichten- 
folge aus.  So  wenig  würde  man  nicht  erwartet  haben  mit  allei- 
niger Rücksicht  auf  die  Masse  der  über  den  Boden  verstreuten 
Dolomitbrocken ; wie  aber  schon  in  dem  Abschnitte  über  die 
Gesteine  des  Röth  hervorgehoben  wurde,  bleibt  der  Dolomit  in 
grossen  Brocken  liegen,  während  die  Mergel  rasch  zerkrümelt  und 
fortgeführt  werden;  deshalb  schützt  auch  eine  schwache  Dolomit- 
bank den  Boden  gegen  rasche  Erosion.  Gerade  die  oberen  flach- 
geneigten  Abhänge  des  Kugelberges  bieten  Gelegenheit  zu  beob- 
achten, dass  solche  Dolomitbänke  breite  Stufen  bilden,  die  wie 
gepflastert  anssehen,  indem  die  einzelnen  durch  Querklüfte  ge- 
trennten Dolomitplatten  gegen  ihr  Ausgehen  zu  auseinanderweichend 
und  in  den  zeitweise  erreichten  Untergrund  einsinkend,  wohl  weiter 
ausgebreitet,  aber  nicht  ganz  fortgeführt  werden.  Dieser  Umstand 
ist  in  praktischer  Beziehung  beachtenswerth ; da  nämlich  das  Aus- 
streichen der  Dolomitbänke  des  Röth  meist  nach  zerstreuten 
Brocken  benrtheilt  werden  muss,  so  erklärt  sich  aus  ihm,  dass  die 
Mächtigkeit  desselben  häufig  zu  hoch  geschätzt  worden  ist.  Die 
in  der  Regenfurche  über  Eichenberg  anstehenden  Rhizocoralliuin- 
Dolomitbänke  lassen  sich  um  die  Abhänge  des  Kugelberges  herum 
ziemlich  zusammenhängend  verfolgen,  namentlich  auf  der  Südseite. 
Jedoch  hat  man  sich  nicht  weit  zu  entfernen,  um  ihre  Mächtigkeit 
nicht  nur,  sondern  auch  ihre  Zahl  sich  verändern,  auch  gerade 
südlich  von  Gumperda,  zwischen  der  dritten  und  vierten  Dolomit- 
bank eine  bis  0,30  Meter  starke,  aber  nicht  weit  fortstreichende 
Gypslinse  sich  einlagern  zu  sehen. 

Knapp  über  dem  obersten  Rhizocorallium  - Dolomit  bildet  die 
ausgezeichnete  Hornsteinschicht,  welche  im  vorigen  Abschnitt 
ausführlich  beschrieben  wurde,  den  Boden  einer  Stufe,  über  welche 
der  Fahrweg  von  Gumperda  nach  Eichenberg  führt. 

Darüber  reicht  das  Röth  noch  56 ^ Meter  hoch  hinauf.  Diese 
oberen  Schichten  sind  besonders  bunt  in  Folge  häufiger  Einschal- 
tung thoniger  und  sandiger  Dolomite;  sie  schliessen  auch  noch 
ein  nirgends  über  3 Meter  starkes  und  kaum  1/8  Meile  weit  fort- 


152 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringisclie  Roth. 


streichendes  linsenförmiges,  dünnschieferiges  Gypsflötz  ein,  dem 
Dolomit,  Mergel  und  Sandstein  reichlich  untergeordnet  ist. 

Die  beschriebenen,  vier  vollständigen  Profile  lassen  noch  nicht 
die  volle  Mannichfaltigke.it  der  Entwickelung  des  ostthüringischen 
Röth  übersehen,  namentlich  nicht  in  Bezug  auf  die  Einlagerungen 
von  Gyps  und  von  Dolomit. 

Ausser  dem  Hauptgypsflötz  an  oder  nahe  über  der  unteren 
Grenze  des  Röth  finden  sich  starke  Flötze  auch  in  der  Mitte  und 
an  der  oberen  Grenze  des  Röth. 

Entlang  der  Unstrut  bei  Nebra  ziehen  sich  etwa  45  Meter 
über  dem  Hauptflötz  noch  zwei  höhere  Gypsflötze  in  einem  Ab- 
stand von  etwa  8 1/-2  Meter  durch  die  Mitte  des  Röth. 

Nördlich  über  Tiefengruben  bei  Berka  a.  d.  J.  schliesst  ein, 
allerdings  aus  reinem  und  mergelreichen  Gyps  zusammengesetztes, 
meist  dünnschieferiges,  nur  auf  eine  Erstreckung  von  etwa  600 
Schritt  ausdauerndes  Flötz  das  Röth  gegen  den  Muschelkalk  ab. 

Wiederum  an  anderen  Stellen  ist  das  Röth  im  Gegensatz  zu 
den  bisher  beschriebenen  ganz  frei  von  Gyps;  so  am  östlichen 
Abhange  des  Riechheimer  Berges  nahe  Kranichfeld,  und  am  west- 
lichen Abhange  des  Lohmaer  Berges  nahe  Blankenhain. 

Eine  über  0,3  Meter  starke  Dolomitbank,  ebenfalls  reich  an 
organischen  Ueberresten,  namentlich  an  Schalen  von  Myophoria 
costata , Gervillia  socialis , G.  costata , Pecten  Albertii  u.  A. , aber 
ohne  das  Relief  Rhizocorallium  jenense  auf  der  unteren  Schicht- 
fläche ist  bei  Gross-  und  Klein -Bockedra  am  Wege  von  da  nach 
Oelknitz  a.  S.  zwischen  Jena  und  Cahla  den  lichten  Letten  und 
Mergeln  zwischen  dem  mittleren  Buntsandstein  und  dem  Haupt- 
gypsflötz eingeschaltet. 

Sehr  starke  Dolomitbänke  bietet  das  Röth  zu  beiden  Seiten 
der  Saale  unterhalb  Naumburg,  zur  linken  Seite  bei  Eulau  gegen 
das  Gerodig  zu,  zur  rechten  Seite  bei  Pölitz  nahe  Stössen;  an 
beiden  Orten  sind  die  Aufschlüsse  unvollkommen. 

Allein  auch  diese  Vorkommnisse  werden  überboten  durch 
dasjenige  am  Katzenberge  bei  Nebra,  welches  durch  einen  weiten 
Steinbruch  auf  mehr  als  3 Meter  aufgeschlossen  ist.  Dasselbe  ist 


E.  E.  Schmid  , das  ostthiiringisclie  Roth. 


153 


zugleich  sehr  reich  an  organischen  Ueberresten,  die  Speyer1)  auf- 
geführt hat. 

Fasst  man  die  vorstehenden  Darstellungen  einzelner  Locali- 
täten  zusammen,  so  erhält  man  die  nachfolgenden  allgemeinen 
Resultate. 

Die  Mächtigkeit  des  ostthüringischen  Röth  sinkt  selten  unter 
60  Meter  und  steigt  selten  über  1 50  Meter.  Mächtigkeiten  unter 
60  Meter  beobachtet  man  nur  da,  wo  die  Röthschichten  steil  auf- 
gerichtet und  gebogen  sind  zufolge  starker  Faltungen  der  Erdrinde; 
sie  kommen  vielorts  auf  Verquetsclnmg  hinaus.  Mächtigkeiten 
über  150  Meter  beobachtet  man  eigrenthümlicher  Weise  gerade  am 
östlichen  Rand  der  Ausbreitung  des  Röth  zwischen  Jena  und 
Bürgel,  z.  B.  bei  Löberschütz  163  Meter. 

Die  Gypseinlagerungen  im  ostthüringischen  Röth  sind  ebenso 
massenhaft,  als  unbeständig.  Sie  nehmen  mitunter  mehr  als  den 
dritten  Theil  der  gesammten  Mächtigkeit  ein,  mitunter  fehlen  sie 
ganz.  Mächtige  Röthentwickelungen  sind  gewöhnlich,  aber  doch 
nicht  immer,  mit  starken  Gypseinlagerungen  verbunden.  Eigent- 
liche Gypsflötze  sind  vorzugsweise  dem  unteren  Röth  eigen,  fehlen 
aber  auch  dem  oberen  nicht  ganz;  Gypsführung  in  untergeordneten 
Schichten  und  Kluftausfüllungen  ist  durch  das  ganze  Röth  ver- 
breitet. Starke  Bänke  reinen  und  besonders  porphyr artigen  Gypses 
linden  sich  fast  nur  im  unteren  Röth;  die  Gypse  des  oberen  Röth 
sind  vorwaltend  mergelig,  dünnschieferig  und  faserig.  Die  Scheidung 
in  ein  unteres  gypsführendes  und  in  ein  oberes  gypsfreies  Röth 
ist  für  Ostthüringen  unthunlich. 

Die  Dolomitbänke  nehmen  einen  nur  selten  mehrere  Procente 
betragenden  Theil  von  der  Mächtigkeit  des  Röthes  in  Anspruch, 
einen  so  kleinen  Theil , dass  ihre  kartographische  Darstellung  im 
Maassstabe  von  1 : 25  000  ohne  willkürliche  Hinzunahme  der  han- 
genden und  liegenden  Mergel  mit  Ausnahme  einiger  Stellen  tech- 
nisch gar  nicht  ausführbar  ist.  Selbständige  und  zugleich  ver- 
steinerungsreiche Dolomitbänke  erscheinen  besonders  in  den  Pro- 
filen, in  denen  sich  das  Hauptgypsflötz , dasjenige  des  unteren 


*)  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  29,  S.  205;  Jahrg.  1877. 


154 


E.  E.  Schmid,  das  ostthüringisclie  Roth. 


Röth  geltend  macht.  Sie  drängen  sich  über  ihm  am  dichtesten 
zusammen,  ohne  auf  eine  bestimmte  Zahl  und  auf  eine  bestimmte 
Höhenzone  beschränkt  zu  sein.  Sie  fehlen  auch  unter  dem  Haupt- 
gypsflötz  nicht;  sie  sind  auch  dem  oberen  Röth  nicht  fremd.  Von 
den  Versteinerungen  ist  Myophoria  costata  allen  Dolomiten  gemein- 
schaftlich , während  sich  Rhizocorallium  jenense  auf  die  mittleren 
beschränkt  und  sehr  ungleichmässig  vertheilt  ist. 

Die  einzige  Sandsteinbank,  welche  mit  einer  gewissen  Selb- 
ständigkeit auftritt  — Zenker's  Saurier-Sandstein  — , liegt  zwischen 
den  unteren  Rhizocorallium-Dolomitbänken.  Es  dürfte  der  Mühe 
werth  sein,  sie  weiter  aufzusuchen  und  sorgfältiger  zu  untersuchen, 
namentlich  auf  ihren  organischen  Inhalt. 

Die  Hornsteine  sind  bis  jetzt  nur  aus  dem  oberen  Röth  be- 
kannt geworden,  nehmen  aber  entschieden  am  Hausberge  und 
Jenzig  bei  Jena  einen  höheren  Horizont  ein,  als  am  Kugelberge 
bei  Cahla. 

Endlich  die  Hauptmasse  des  Röth,  die  Mergel  werden  gewöhn- 
lich nach  unten  fett  und  licht,  d.  h.  thonreich  und  ferritarm,  gehen 
auch  wohl  in  lichte  Letten  oder  schieferige  Thone  über  und  zwar 
namentlich  da,  wo  die  Gypsc  sich  ausgekeilt  haben,  als  Aequi va- 
lente derselben.  Die  Mergel  werden  gewöhnlich  nach  oben  mager 
und  licht,  d.  h.  thonarm,  ferritarm  und  carbonatreich.  Das  ist 
aber  doch  nicht  immer  der  Fall;  die  Mergel  verdienen  vielmehr 
den  Namen  der  bunten  im  vollsten  Sinne,  nicht  blos  mit  Rück- 
sicht auf  die  Farbe,  sondern  auch  auf  den  mineralogischen  Bestand. 

Aus  alledem  dürfte  mit  genügender  Sicherheit  hervorgehen, 
dass  eine,  auch  nur  durch  das  östliche  Thüringen  durchgreifende 
Gliederung  des  Röth  weder  auf  lithologischer,  noch  auf  paläou- 
tologischer  Grundlage  möglich  ist.  Sollen  die  verschiedenen 
Farben  und  Signaturen  geologischer  Karten  nicht  sowohl  litholo- 
gische Uebereinstimmung  — wie  das  bezüglich  der  Gypse  nun 
einmal  angenommen  worden  ist  — , sondern  vielmehr  gleichzeitige 
Bildung  bezeichnen,  so  wird  man  das  Röth  mit  Ausschluss  der 
Gypse  als  ein  Ganzes  zusammenfassen  müssen. 

Gegenüber  der  grossartigen  Gleichförmigkeit  und  Einförmig- 
keit des  mittlern  Buntsandsteins  und  des  unteren  Muschelkalks 


E.  E.  Schmid  , das  ostthüringische  Roth. 


155 


hat  man  wechselvolle  Mannichfaltigkeit  als  die  Regel  der  Gesteins- 
folge  des  Roth  anzuerkennen. 

Das  Röth  vermittelt  eben  den  Uebergang  zweier  Absatz- 
perioden in  einander,  die  unter  scharf  contrastirenden  Bedingungen 
standen.  Das  Meer  des  Röths  war  bald  von  klarem,  bald  von 
trübem  Wasser  eingenommen,  seine  Absätze  waren  vorwaltend 
bald  chemische,  bald  mechanische  Bildungen.  Die  chemischen 
Bildungen  beruhen  auf  der  Ausscheidung  bald  von  Carbonat  — 
bald  von  Kieselsäure,  bald  von  Sulphat,  die  mechanischen  Bildungen 
auf  dem  Sinken  bald  von  mehr  thonigem,  bald  von  mehr  sandigem 
Schlamm.  In  dem  klaren,  oder  doch  nur  wenig  getrübten  Meer- 
wasser, aus  dem  chemische  Absätze  carbonatischer  und  kieseliger 
Natur  erfolgten,  gedieh  organisches  Leben,  namentlich  überzog 
sich  der  Meeresboden  mit  Schwämmen,  der  Absatz  des  Gypses 
erfolgte  aus  einem  wahrscheinlich  so  salzreichen  Meere , dass  in 
demselben  keine  Organismen  bestehen  konnten.  Das  trübe  Meer- 
wasser des  Röth  war  so  schlammig  wie  dasjenige  des  mittleren 
Buntsandsteins  und  liess  desshalb  organisches  Leben  nicht  auf- 
kommen.  Aus  der  Seltenheit  pflanzlicher  Ueberreste  hat  man  auf 
das  Fehlen  eines  nahe  gelegenen,  vollkommen  entwickelten,  d.  h. 
von  Vegetation  eingenommenen  Festlandes  zu  schliessen. 


E rkl ä r n n g cl e r A b bil d u n gen. 

Fig.  1.  Farltose'r  Glimmer  mit  farblosen,  feinumrissenen  Einlagerungen ; 

aus  dem  in  Chlorwasserstoffsäure  unlöslichen  Theile  eines  mer- 
geligen Dolomites  vom  östlichen  Abhang  des  Jenzigs  bei  Jena; 
Vergrösserung  350  fach. 

Fig.  2.  Grüner  Glimmer  mit  gleichfarbigen  Einlagerungen,  scharf  und 
dunkel  Umrissen;  aus  dem  Hornstein  vom  östlichen  Abhänge  des 
Jenzigs  bei  Jena;  Vergrösserung  350faeh. 

Fig.  3.  Glimmerblatt,  farblos  glatt  abgebrochen  mit  nierförmigen , trau- 
bigen  und  oolithischen  Einlagerungen;  aus  dem  schwerer  auf- 
schlämmbaren  Theile  eines  grünlichgrauen  Mergels  vom  Abhange 
des  Kugelberges  über  Gumperda  bei  Cabla;  Vergrösserung 
1 15  fach. 


156 


E.  E.  Schmid  , das  ostthüringische  Rötli. 


Fig.  4. 
Fig.  5. 
Fig.  6. 

Fig.  7. 

Fig.  8. 

Fig.  9. 
Fig.  10. 


Fig.  1 1. 


Fig.  12. 


Fig.  13. 
Fig.  14. 


Fig.  15. 


Glimmerblatt,  farblos,  glatt  abgebrochen  mit  traubigen  Einlage- 
rungen; aus  den  schwerer  aufschlämmbaren  Theilen  eines  grün- 
lichgrauen Mergels  vom  Abhange  des  Kugelberges  über  Gum- 
perda  bei  Cahla;  Vergrösserung  115  fach. 

Glimmerblatt,  farblos  mit  oolithischen  Einlagerungen;  aus  dem 
schwerer  aufschlämmbaren  Theile  eines  grünlichgrauen  Mergels 
vom  Abhange  des  Kugelberges  über  Gumperda  bei  Cahla;  Ver- 
grösserung 115  fach. 

Traubiges  Aggregat,  aufgelagert  auf  einem  Glimmerblatt,  quer 
gegen  die  Blattfläche  des  Glimmers  gerichtet;  aus  dem  in  Chlor- 
wasserstoffsäure unlöslichen  Rückstände  eines  mergeligen  Dolo- 
mites vom  östlichen  Abhange  des  Jenzigs  bei  Jena;  Vergrösse- 
rung 225  fach. 

Oolithisches  Aggregat,  aufgelagert  auf  einem  Glimmerblatt,  quer 
gegen  die  Blattfläche  des  Glimmers  gerichtet;  aus  dem  in  Chlor- 
wasserstoffsäure unlöslichen  Rückstände  eines  mergeligen  Dolo- 
mites vom  östlichen  Abhänge  des  Jenzigs  bei  Jena;  Vergrösse- 
rung 225  fach. 

Glimmer  grün;  quer  durch  den  Blätterdurchgang  durchschnitten, 
gebogen,  aufgeblättert;  von  opakem  Ferrit  umhüllt;  aus  Hornstein 
vom  Jenzig  bei  Jena;  Vergrösserung  115  fach. 

Glimmer  fast  farblos,  gebrochen;  aus  dem  Dünnschliffe  eines 
Hornsteines  vom  Jenzig  bei  Jena;  Vergrösserung  115  fach. 
Feldspathbroclcen  oder  -Reste;  aus  dem  Dünnschliffe  eines  Horn- 
steins vom  Hausberge  bei  Jena;  Vergrösserung  125  fach. 
Feldspathbrocken  oder  -Reste;  aus  dem  Dünnschliffe  eines  Horn- 
steins vom  östlichen  Abhange  des  Jenzigs  bei  Jena;  Vergrösse- 
rung 115  fach. 

Feldspathbrocken  oder  -Reste,  Chalcedon,  Apatit,  brauner  bis 
opaker  Ferrit;  aus  dem  Dünnschliffe  eines  Hornsteins  vom 
Kugelberge  über  Gumperda  bei  Cahla,  parallel  zur  Schieferung; 
Vergrösserung  125  fach. 

Knüll chenaggregate ; aus  aufgeschlämmtem  Mergel  vom  Kugel- 
berge über  Gumperda  bei  Cahla;  Vergrösserung  350  fach. 
Mikroschörlit ; aus  dem  in  Chlorwasserstoffsäure  unlöslichen 
Rückstände  eines  mergeligen  Dolomites  vom  östlichen  Abhange 
des  Zenzigs  bei  Jena;  Vergrösserung  125  fach. 

Mikrozirkon;  aus  dem  in  Chlorwasserstoffsäure  unlöslichen  Rück- 
stände eines  mergeligen  Dolomites  vom  östlichen  Abhange  des 
Jenzigs  bei  Jena;  Vergrösserung  225  fach. 


Terebratula  Ecki  nov.  sp. 
und  das  Lager  dieser  Versteinerung  bei  Meiningen. 
Von  Herrn  W.  Frantzen  in  Meiningen. 


Schon  seit  längerer  Zeit  sind  in  der  hiesigen  Gegend  auch 
unter  den  durch  ihren  Reichthum  an  Terebrateln  ausgezeichneten 
und  nach  ihnen  benannten  Terebratelnbänken  im  unteren  Wellen- 
kalk Terebrateln  aufgefunden  worden,  welche  nach  den  bisher 
veröffentlichten  Beobachtungen  in  demselben  zerstreut  und  nur  in 
seltenen  Exemplaren  vorzukommen  schienen. 

So  machte  H.  Pröscholdt  ])  einen  solchen  Fund  in  einer 
nach  seiner  Messung  5,5  Meter  unter  dem  Oolith  liegenden  Schicht 
in  der  Weissbach  bei  Meiningen.  Eine  zweite  Terebratel  fand  er 
in  seiner  angeblichen  »Bank  mit  Myophoria  curvirostris « bei  Wel- 
kershausen, deren  Höhe  über  den  Modiolaschichten  er  zu  13  bis 
15  Meter  angiebt.  Ich  bin  nach  diesen  Angaben  nicht  zweifelhaft, 
dass  der  Fund  in  der  Weissbach  aus  der  Oolithbank  a stammt, 
und  vermuthe  dasselbe  auch  bei  der  Terebratel  von  Welkershausen, 
obwohl  mit  dieser  Ansicht  die  angegebene  Höhe  der  Fundstelle 
über  der  unteren  Wellenkalkgrenze  allerdings  nicht  gut  überein- 
stimmt, will  jedoch  die  Möglichkeit,  dass  die  Versteinerung  auch 
in  einem  tieferen  Horizonte  gelegen  haben  könne,  nicht  als  ganz 
und  gar  ausgeschlossen  bezeichnen. 

Wenn  dagegen  II.  Emmrioh 1  2)  im  Jahre  1868  seine  Oolith- 
bank zur  Terebratelzone  rechnete,  so  scheint  dies  mir  in  Folge 

1 ) Programm  der  Realschule  zu  Meiningen  vom  Jahre  1879. 

2)  Desgleichen  vom  Jahre  1868. 


158 


W.  Frantzen,  Terebratula  Ecki  nov.  sp. 


eines  Irrthums  geschehen  zu  sein;  denn  im  Jahre  1873  trennte  er 
sie  wieder  davon  ab  *)  und  sagte  seihst,  dass  er  die  Oolithbank 
bei  Abfassung  des  Programmes  von  1868  noch  mit  den  Terebratel- 
bänken »zusammengeworfen«  habe,  und  erst  durch  Einträgen  ihrer 
Verbreitungslinien  in  die  Specialkarte  im  Maassstabe  von  1 : 25  000 
auf  ihre  scharfe  Sonderung'  geführt  worden  sei.  Von  Terebrateln 
im  unteren  Weilenkalk  erwähnt  er  selbst  in  seinen  Schriften  nichts. 

Ebenso  wie  von  H.  PröSCHOLDT  waren  auch  von  mir  in  den 
letzten  Jahren  hie  und  da  Terebrateln  in  den  Wellenkalkschichten 
unter  den  Terebratelbänken  beobachtet  worden.  Selten  und  nur 
in  wenigen,  leicht  aufzuzählenden  Exemplaren  fand  ich  sie  in 
Emmrich's  Oolithbank,  und  zwar  ein  solches  Exemplar  in  einem 
Steinbruche  der  Gemeinde  Melkers,  ein  Paar  andere  südwestlich 
von  Rohr,  ferner  bei  demselben  Orte  am  Lambertsberge  eine  Platte 
aus  dem  unmittelbaren  Hangenden  der  Oolithbank  ß mit  vier 
Exemplaren  auf  ihrer  Oberfläche,  und  endlich  einige  Terebrateln 
südlich  von  Kühndorf,  auch  bei  diesem  Orte  in  einem  dünnen 
Kalkplättchen  gleich  über  der  eigentlichen  Oolithbank.  Viel  häufiger, 
als  in  diesem  Horizonte,  wurden  sie  an  verschiedenen  Punkten  in 
der  Umgegend  von  Meiningen  auch  in  einer  harten,  blauen  Kalk- 
bank, an  anderen  Orten  in  einer  Bank  von  mehr  oder  weniger 
oolithischer  Beschaffenheit,  stets  in  einem  Niveau,  nicht  besonders 
tief  unter  der  Oolithbank  Emmrich's  von  mir  angetroffen. 

Alle  diese  Funde  gewannen  an  Bedeutung,  als  durch  H.  Eck's 
Arbeiten*  2)  im  schwäbischen  unteren  Muschelkalk  die  Existenz 
zweier  Schichten  mit  Terebrateln  in  grossem  Abstande  von  einander 
und  ferner  eine  Verschiedenheit  der  Form  der  letzteren  je  nach 
ihrem  Lager  nachgewiesen  worden  war.  Es  lag  die  Vermuthung 
nahe,  dass  die  Verhältnisse  bei  Meiningen  ähnliche  sein  möchten. 
Meine  Untersuchungen  über  diesen  Gegenstand  führten  zu  dem 
Resultate,  dass  alle  mir  früher  bekannt  gewordenen  Fundstellen 
unter  der  Oolithbank  ß sämmtlieh  einer  und  derselben  Bank, 
nämlich  der  Oolithbank  a angehören,  und  dass  Terebrateln  hier 


x)  Programm  der  Realschule  zu  Meiningen  vom  Jahre  1873. 

2)  H.  Eck,  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XXXII,  Heft  II. 


und  das  Lager  dieser  Versteinerung  bei  Meiningen. 


159 


gar  nicht  selten  sind,  vielmehr  überall  darin  Vorkommen,  an  ein- 
zelnen Stellen  selbst  in  recht  grosser  Zahl,  so' dass  man  die  Oolith- 
bank  a.  in  der  That  geradezu  als  das  untere  Hauptlager  von  Tere- 
brateln, aus  welchem  sie,  wie  oben  schon  angegeben  wurde,  nur 
in  wenigen  Exemplaren  auch  in  die  Oolithbank  ß hinaufgehen, 
bezeichnen  kann.  Ferner  konnte  ich  constatiren,  dass  die  er- 
wähnten Petrefacten  in  ihrer  Beschaffenheit  mit  den  gleichen  Ver- 
steinerungen aus  dem  unteren  schwäbischen  Terebratelhorizonte 
Eck’s  genau  übereinstimmen. 

Obwohl  bereits  durch  den  eben  genannten  Forscher  auf  die 
Verschiedenheit  der  Form  der  Terebrateln  in  verschiedenen  Ho- 
rizonten des  Muschelkalks  hingewiesen  worden  ist,  so  möchten 
doch  weitere  Mittheilungen  über  diese  Verhältnisse  in  der  hiesigen 
Gegend  nicht  ganz  ohne  Interesse  sein. 

Alle  bis  jetzt  von  mir  untersuchten  Terebrateln  aus  den 
hiesigen  Oolithbänken  a und  ß zeigen  ebenso  wie  die  Terebrateln 
aus  der  unteren  Terebratelschicht  Eck’s  im  schwäbischen  unteren 
Muschelkalk  keine  Spur  von  Rinne  unter  dem  Wirbel  der  Rücken- 
schale,  während  dieselbe  auch  bei  Meiningen  den  Terebrateln  der 
oberen  Abtheilung  des  unteren  Muschelkalks  niemals  fehlt,  weder 
den  jungen  noch  den  alten.  Ueber  die  Beschaffenheit  der  Tere- 
brateln im  oberen  Muschelkalk  in  Bezug  auf  die  Rinnenbildung 
hat  H.  Eck  in  seiner  bereits  citirten  Arbeit  hervorgehoben,  dass 
sich  hier  die  Rinne  gewöhnlich  ebenfalls  vorfindet  und  nur  bei 
alten  Exemplaren  zuweilen  blos  in  Spuren  oder  kaum  vorhanden 
ist.  Es  existirt  also  nach  TI.  Eck  zwischen  den  Terebrateln  des 
oberen  Muschelkalks  und  den  Terebrateln  seiner  unteren  Terebratel- 
schicht im  württembergischen  unteren  Muschelkalk  in  Bezug  auf 
die  Rinne  der  Unterschied,  dass,  während  dieselbe  bei  den  Exem- 
plaren aus  dem  oberen  Muschelkalk  wenigstens  in  der  Jugend 
immer  ausgebildet  ist,  sie  bei  den  Terebrateln  des  unteren  Tere- 
bratelhorizontes überhaupt  in  keinem  Stadium  der  Lebensdauer 
vorkommt.  Dieselben  Verhältnisse  zeigen  auch  die  Terebrateln 
der  hiesigen  Gegend.  Sehr  ausgezeichnet  finde  ich  die  Rinne 
auch  an  der  Meinen  Terebratula  vulgaris  var.  cycloides  aus  den 
Nodosenschichten. 


160 


W.  Frantzen,  Terebratula  Ecki  nov.  sp. 


In  gleicher  Weise,  wie  in  Württemberg  im  unteren  Muschel- 
kalk die  Terebrateln  der  unteren  Terebratelschicht  sich  durch  ihre 
geringe  Grösse  von  den  Exemplaren  aus  der  oberen  Terebratel- 
schicht unterscheiden,  ist  dies  auch  bei  Meiningen  bei  den  Tere- 
brateln aus  den  Oolithbänken  und  den  gleichen  Versteinerungen 
aus  der  oberen  Abtheilung  des  Wellenkalks  der  Fall.  Die  letzteren 
sind  mit  den  Terebrateln  aus  der  oberen  Terebratelschicht  Württem- 
bergs vollständig  identisch. 

Indem  ich  umstehend  in  einer  Tabelle  die  Maasse  verschie- 
dener Terebrateln  aus  dem  unteren  Terebratelhorizonte  bei  Mei- 
ningen und  aus  Württemberg  beifüge,  bemerke  ich  über  die  Grösse 
dieser  Versteinerungen  weiter,  dass  das  grösste  Exemplar,  welches 
ich  hier  in  der  Oolithbank  « aufgefunden  habe,  nur  19  Millimeter 
Länge  hat,  während  bei  den  Terebrateln  des  oberen  Wellenkalks 
in  hiesiger  Gegend  Längen  von  30  Millimeter  keine  Seltenheiten 
sind.  Gewöhnlich  erlangen  die  Terebrateln  der  Oolithbänke  nur 
eine  Grösse  von  15  bis  17  Millimeter. 

Das  Verkältniss  der  Länge  des  Gehäuses  zur  Breite  ist  bei 
diesen  Versteinerungen  sehr  variabel.  Man  findet  bei  einem  grossen 
Theile  derselben  Formen,  welche  viel  länger  als  breit,  einen  ovalen 
oder  seltener  auch  wohl  einen  abgerundet  - pentagonalen  Umriss 
zeigen,  so  besonders  Lei  den  Terebrateln  mit  Wülsten  auf  der 
Rückenschale.  Zu  solchen  Typen  gehören  die  Exemplare  unter 
der  No.  1 und  2 der  Tabelle.  Ein  anderer  Theil  hat  breite  Ge- 
häuse, wie  das  Exemplar  unter  No.  4.  Die  Breite  wird  bei  ihnen 
der  Länge  fast  gleich.  Der  Unterschied  zwischen  breiten  und 
schlanken  Formen  ist  jedoch  kein  durchgreifender;  vielmehr  gehen 
sie  in  einander  über.  Die  Terebratel  unter  No.  3 der  Tabelle 
gehört  zu  solchen  Uebergangsformen. 

Aus  der  mitgetheilten  Tabelle  ist  zu  ersehen,  dass  mit  der 
verhältnissmässig  grösseren  Breite  im  Allgemeinen  auch  der  Schnabel- 
winkel wächst.  Während  er  bei  einem  meiner  schlankesten  Gehäuse 
aus  hiesiger  Gegend  bis  auf  61  Grad  herabsinkt,  wird  er  bei  den 
breiten  Terebrateln  zu  einem  rechten. 

Eine  ganz  extreme  Gestalt  zeigen  die  Exemplare,  deren  Maasse 
unter  No.  6 und  7 angegeben  sind;  die  beiden  Stücke  stammen 


und  das  Lager  dieser  Versteinerung  bei  Meiningen, 


161 


11 


Bemerkungen.  Die  Exenrplare  unter  No.  1 bis  5 incl.  stammen  aus  der  Oolithbank  a bei  Meiningen,  die  unter  No.  6 
und  7 aufgeführten  aus  der  unteren  Terebratelschicht  des  unteren  Muschelkalks  bei  Aach  unweit  Freudenstadt  in  Württemberg. 

Die  ersten  6 Ziffern  bei  jeder  No.  geben  in  der  oberen  Horizontalreihe  die  Maasse  in  Millimeter,  in  der  unteren  die 
Verhältnisszahlen  der  übrigen  Dimensionen  zur  Länge  der  Bauchschale,  diese  gleich  100  gesetzt. 


162 


W.  Fkantzen,  Terebratula  Ecki  nov.  sp. 


allerdings  nicht  aus  dem  hiesigen,  sondern  aus  dem  süddeutschen 
unteren  Muschelkalk  bei  Aach.  Bei  einem  massig  grossen  Schnabel- 
winkel werden  sie  in  den  äusseren  Umrissen  einem  an  den  Ecken 
abgerundeten  gleichseitigen  Dreieck  ähnlich.  Die  Breite  übert rillt 
bei  dem  Exemplare  unter  No.  7 sogar  die  Länge  des  Gehäuses, 
wenn  auch  nur  wenig.  Auch  darin  weichen  die  erwähnten  beiden 
Stücke  von  dem  gewöhnlichen  Habitus  der  in  Rede  stehenden  Te- 
rebrateln ab,  dass  bei  ihnen  die  grösste  Dicke  ungewöhnlich  weit 
vom  Wirbel  ab  gegen  den  Stirnrand  hin  gerückt  erscheint.  Bei 
den  meisten  Exemplaren  liegt  dieselbe  nicht  in  der  Mitte  des  Ge- 
häuses, sondern  etwas  näher  zum  Schnabel  hin.  Hierdurch  unter- 
scheiden sich  diese  Terebrateln  von  der  Terebratula  vulgaris  des 
oberen  Wellenkalks,  bei  welcher  die  grösste  Dicke  in  der  Mitte 
des  Gehäuses  liegt. 

Die  grösste  Breite  desselben  befindet  sich  an  den  bisher  von 
mir  in  den  Oolithbänken  aufgefundenen  Terebrateln  zuweilen  in 
der  Mitte,  gewöhnlich  aber  etwas  davon  entfernt  nach  dem  Stirn- 
rande hin. 

Ueber  den  bei  manchen  Terebrateln  an  der  Rückenschale  aus- 
gebildeten  Wulst  bemerkt  H.  Eck  in  seiner  bereits  citirten  Ab- 
handlung,  dass  bei  den  meisten  Terebrateln  des  unteren  Horizontes 
davon  nichts  zu  finden  sei.  Auch  in  dieser  Hinsicht  gleichen  die 
Terebrateln  der  hiesigen  Oolithbänke  den  schwäbischen  vollkommen; 
sie  sind  aussergewöhnlich  ganz  glatt.  Von  allen  meinen  aus  hiesiger 
Gegend  stammenden  Exemplaren  hat  nur  ein  einziges  von  1 5 1/2  Milli- 
meter Länge  einen  gut  ausgebildeten  Wulst.  Man  kann  ihn  vom 
Stirnrande  ab  auf  6 Millimeter  Länge  nach  dem  Schnabel  hin  ver- 
folgen. Die  Bauchschale  zeigt  dagegen  keine  Spur  einer  der  Auf- 
wulstung der  Rückenschale  entsprechenden  Depression;  sie  bleibt 
völlig  glatt. 

Auch  im  unteren  Terebratelhorizonte  des  württembergischen 
unteren  Muschelkalks  sind  Exemplare  mit  einem  Widste  an  der 
Rückenschale  nicht  häufig.  Unter  293  Stück,  welche  ich  in  der 
Umgegend  von  Aach  und  Rohrdorf  in  Württemberg  sammelte, 
befinden  sich  nur  6,  welche  einen  deutlichen  Wulst  haben  und 


und  das  Lager  dieser  Versteinerung  bei  Meiningen. 


163 


nur  ein  Paar  andere,  an  denen  noch  schwache  Andeutungen  von 
Kanten  zu  sehen  sind. 

Das  Vorhandensein  des  Wulstes  ist  unabhängig  von  der  äusse- 
ren Form;  ich  finde  ihn  an  schmalen  und  breiten,  an  grösseren 
oder  kleineren  Exemplaren.  Die  Kanten,  welche  in  Folge  der 
Aufwulstung  auf  der  Rückenschale  entstehen,  lassen  sich  zuweilen 
vom  Stirnrande  bis  hart  an  den  Wirbel  verfolgen.  Bei  einer  Te- 
rebratel von  17,2  Millimeter  Länge  sieht  man  sie  vom  Stirnrande 
convereirend  nach  dem  Wirbel  hin  laufen  und  bei  etwa  11,8  Milli- 

<D  ' 

meter  Abstand  verschwinden.  Alan  darf  aus  diesen  Verhältnissen 
scliliessen,  dass  die  Ausbildung  des  Wulstes  zuweilen  schon  in 
ganz  früher  Jugend  begann,  bei  anderen  Individuen  erst  viel  später, 
bei  den  meisten  aber  gar  nicht. 

Der  Winkel,  unter  welchem  die  Seitenkanten  des  Wulstes 
convergiren,  ist  verschieden;  bei  den  breiten  Exemplaren  ist  er 
breiter,  bei  den  schlanken  schmäler.  So  zeigt  z.  B.  ein  schmales 
Gehäuse  einen  Winkel  der  Wulstkanten  von  18,  ein  ganz  breites 
aber  einen  solchen  von  34  Grad. 

Ich  habe  bereits  oben  erwähnt  , dass  das  einzige  in  hiesiger 
Gegend  von  mir  im  unteren  Terebratelhorizonte  aufgefundene  Exem- 
plar mit  Wulst  keine  demselben  entsprechende  Depression  der 
Bauchschale  zeigt.  Bei  meinen  in  Württemberg  gesammelten 
Terebrateln  ist  es  gewöhnlich  ebenso.  Nur  ein  einziges  grosses 
Exemplar  von  20  Millimeter  Länge,  an  welchem  die  Kanten  des 
Wulstes  bis  auf  6 Millimeter  Entfernung  vom  Deltidium  besonders 
scharf  ausgebildet  sind,  hat  auf  der  Bauchschale  2 mit  den  Kanten 
des  Wulstes  correspondirende,  ziemlich  tief  eingeschnittene  Furchen, 
innerhalb  welcher  die  Schale  sich  jedoch  nicht  senkt.  Ich  be- 
merke dazu,  dass  eine  Terebratula  vulgaris  aus  dem  Trochitenkalke 
bei  Rohr  (Section  Aleiningen)  bei  ungewöhnlich  starker  Ausbildung 
des  Wulstes  an  der  Rückenschale  ebenfalls  tiefe  Furchen  auf  der 
Bauchschale  besitzt. 

Den  verschiedenen  äusseren  Formen  der  Klappen  entspricht 
auch  ein  verschiedener  Verlauf  des  äusseren  Randes  derselben. 
Die  schlanken  Exemplare  zeigen  gewöhnlich  eine  sanfte  Aufbiegung 
des  Stirnrandes  der  Rücken  klapp  e , an  deren  Seiten  sich  da,  wo 

11* 


164 


W.  Frantzen,  Terebratula  Ecki  nov.  sp. 


bei  den  Terebrateln  mit  Wulst  die  Seitenkanten  desselben  auf 
den  Stirnrand  treffen,  eine  geringe  Depression  des  Randes  der 
Rückenklappe  vorfindet.  Die  eben  erwähnte  und  bei  den  meisten 
Exemplaren  vorhandene  Aufbiegung  des  Stirnrandes  der  Rücken- 
klappe nimmt  bei  anderen  sehr  ab,  verschwindet  bei  einzelnen 
auch  wohl  ganz  und  gar,  so  dass  der  Stirnrand  dann  mit  den 
Seitenwänden  in  einer  Ebene  liegt. 

Die  bereits  wegen  ihrer  ungewöhnlichen  Gestalt  und  grossen 
Breite  erwähnte,  unter  No.  7 der  Tabelle  aufgeführte  Terebratel 
von  Aach  ist  auch  durch  eine  ungewöhnlich  grosse  Breite  und 
Höhe  der  Aufbiegung  des  vorderen  Stirnrandes  ausgezeichnet. 

Der  Bau  des  Gerüstes  im  Innern  der  Schale  lässt  sich  zwar 
nicht  genau  untersuchen,  möchte  aber  von  demjenigen  der  gewöhn- 
lichen Terebratula  vulgaris  schwerlich  verschieden  sein.  H.  Eck 
sali  an  württembergischen  Stücken  hie  und  da  das  Septum  durch- 
schimmern; bei  den  hiesigen  kann  man  es  ebenfalls  zuweilen  be- 
obachten, daneben  die  kurzen  Zahngrubenwände.  Bei  dem  Exem- 
plar No.  1 der  Tabelle  sieht  man  die  letzteren  in  einer  Länge 
von  2,  das  erstere  in  einer  Länge  von  6,3  Millimeter  sehr  deutlich. 

Wird  die  Schale  der  Klappen  abgesprengt  , wie  dies  beim 
Zerschlagen  des  harten  Gesteines  der  Oolithbank  a sehr  oft  ge- 
schieht, so  bemerkt  man  zuweilen  an  einzelnen  dieser  Steinkerne 
in  der  Medianebene  der  Rückenklappe  eine  äusserst  schwache  Ein- 
senkung an  derselben  Stelle,  wo  die  Terebrateln  des  oberen  Wellen- 
kalks aussen  die  Rinne  unter  dem  Wirbel  zeigen.  Sie  hat  jedoch 
mit  der  letzteren  nichts  zu  thun  und  ist  lediglich  eine  Folge  der 
Verdeckung  der  Schale  in  der  Nähe  des  Septums. 

Von  den  Gefässen  des  Tliicres  herrührende  Eindrücke  finde 
ich  an  den  meisten  Exemplaren  aus  der  Oolithbank  « nicht;  nur 
ein  einziger  Steinkern,  von  welchem  jedoch  blos  die  obere  Hälfte 
erhalten  ist,  zeigt  in  der  Medianebene  der  Bauchschale  eine 
schmale  Rinne,  welche  sich  von  der  abgebrochenen  Stelle  bis  halb- 
wegs zum  Wirbel  verfolgen  lässt.  Die  württembergischen  Tere- 
brateln eignen  sich  zu  solchen  Beobachtungen  wenig,  weil  ihre 
Schale  gewöhnlich  erhalten  ist  und  sich  auch  nicht  leicht  entfernen 
lässt.  — 


und  das  Lager  dieser  Versteinerung  bei  Meiningen. 


165 


Es  ist  bemerkenswerth,  dass,  an  der  Terebratula  vulgaris  aus 
dem  oberen  Terebratelhorizonte  des  Wellenkalks  mehr  oder  weniger 
deutlich  solche  Rinnen  sehr  häufig,  vielleicht  immer  Vorkommen. 
Schlecht  erhalten  finde  ich  sie  an  einem  solchen  Exemplare  von 
Aach;  sehr  deutlich  und  oft  vom  Wirbel  bis  zum  Stirnrande  laufend 
an  einer  ganzen  Reihe  von  Steinkernen  aus  der  hiesigen  Gegend. 
Neben  der  Rinne  in  der  Medianebene  liegt  an  jeder  Seite  vom 
Wirbel  der  Bauchschale  noch  eine  kurze,  so  dass  beide  gegen 
den  Wirbel  hin  etwas  convergiren.  Diese  Seitenrinnen  sind  eben- 
falls schmal,  nicht  tief  und  erreichen  vom  Wirbel  nur  etwa  ^4  der 
Schalenlänge. 

Es  ist  bereits  von  H.  Eck  darauf  hingewiesen  worden,  dass, 
falls  die  dort  von  ihm  erörterten  Verhältnisse  sich  auch  für  andere 
Gegenden  bestätigen  sollten,  er  eine  Auszeichnung  der  Terebratel 
des  unteren  Terebratelhorizontes  im  unteren  Muschelkalk  als  Va- 
rietät der  Terebratula  vulgaris  für  erlaubt  halte.  Nachdem  von  mir 
hier  in  so  weiter  Entfernung  von  den  württembergischen  Fund- 
stellen dieselbe  Versteinerung  in  grosser  Zahl,  in  besonderem  Lager 
und  unter  ähnlichen  Verhältnissen  aufgefunden  worden  ist,  möchte 
es  sich  empfehlen,  der  von  Herrn  Eck  zuerst  unterschiedenen  und 
beschriebenen  kleinen  Terebratel  aus  dem  unteren  Muschelkalk 
einen  besonderen  Namen  zu  geben.  Ich  erlaube  mir  daher  den 
Vorschlag,  dieselbe  zu  Ehren  des  um  die  Kenntniss  des  Muschel- 
kalks so  hoch  verdienten  Forschers  Terebratula  Ecki  zu  nennen. 

Ob  man  die  Terebratula  Ecki  nur  als  Varietät  der  Terebratula 
vulgaris , wie  es  anfangs  von  Herrn  Eck  selbst  geschah,  aufzufassen 
habe,  oder  ob  man  bei  unserer  erweiterten  Kenntniss  der  Verhält- 
nisse nicht  noch  einen  Schritt  weiter  gehen  und  sie  als  besondere 
Species  auffassen  müsse,  hierüber  äussert  sich  Herr  Eck  in  einer 
an  mich  gerichteten  brieflichen  Mittheilung , aus  welcher  ich  den 
betreffenden  Passus  zum  Abdruck  bringe,  sehr  treffend  in  folgender 
W eise  : 

»Was  die  Frage:  Varietät  oder  Art?  betrifft,  so  bin  ich  heute 
durchaus  nicht  mehr  zweifelhaft  darüber,  dass  man  es  mit  einer 
selbstständigen  Form  zu  thun  hat.  Als  ich  dieselbe  beschrieb, 
kannte  man  sie  mit  Sicherheit  nur  von  liier,  und  wenn  sie  sich 


166 


W.  Fp.antzbn,  Terebratula  Ecki  nov.  sp. 


auch  hier  dem  Lager  nach  von . der  Terebratula  vulgaris  getrennt 
hielt,  wäre  es  doch  möglich  gewesen,  dass  sie  sich  anderswo  mit 
der  letzteren  zusammen  gefunden  hätte;  deshalb  bezeichnete  ich 
sie  vorsichtigerweise  vorläufig  mit  Terebratula  vulgaris  var.  Nach- 
dem sie  sich  jedoch  mit  den  nämlichen  Charakteren  und  in  ähn- 
lichem Lager  anderswo  gleichfalls  getrennt  von  Terebratula  vulgaris 
gefunden  hat,  kann  man  sie  wohl  nicht  mehr  als  Varietät,  d.  h. 
als  gleichzeitig  lebende  Abänderung,  sondern  (die  Gleichheit  des 
innereren  Gerüstes  vorausgesetzt)  höchstens  die  Terebratula  vul- 
garis als  Mutation  jener,  d.  h.  als  verschiedenartige  Abänderung 
auffassen,  und  in  solchem  Falle  hat  man  bis  jetzt  und  mit  Recht 
immer  eine  selbstständige  Bezeichnung  gewählt « . 

Um  das  Lager  der  Terebratula  Ecki  mit  dem  gleichen  Hori- 
zonte an  anderen  Orten  vergleichen  zu  können,  erscheint  es  zweck- 
mässig, zunächst  auch  über  die  Beschaffenheit  der  beiden  Oolith- 
bänke  a und  ß und  ihre  Lage  im  Schichtenverbande  einige  Mit- 
theilungen zu  machen. 

Die  Oolithbank  ß,  der  »Oolith«  Emmrich’s  ist  eine  von  zahl- 
reichen kleinen  Oolithkörnern  angefüllte  mächtige  Kalkbank.  Die 
einzelnen  Oolithkörner  zeichnen  sich  ebenso  wie  die  Oolithkörner 
der  unteren  Schaumkalkbank  im  oberen  Wellenkalk  durch  ihre 
Kleinheit  und  durch  die  grosse  Gleichmässigkeit  der  gewöhnlich 
runden  oder  doch  der  Kreisform  sich  nähernden  Körner  aus.  Sie 
unterscheiden  sich  dadurch  auffällig  von  den  Oolithen  der  Tere- 
bratelbänke , die  sehr  gewöhnlich  neben  mehr  oder  weniger  runden 
Körnern  in  grosser  Zahl  auch  solche  enthalten,  welche  sehr  viel 
mal  länger  als  breit  sind,  und  zuweilen  nur  wenig  durch  Wellen- 
schlag  abgerundeten  Gesteinsfragmenten  gleichen.  Die  Farbe  des 
Gesteins  ist  in  Folge  der  Umwandlung  des  kohlensauren  Eisen- 
oxyduls in  Eisenoxydhydrat  über  Tage  überall  ockergelb. 

Wie  alle  Oolithe  des  unteren  Muschelkalks  zeigen  auch  die 
einzelnen  Oolithkörner  dieser  beiden  Bänke  keine  radialfaserige 
Zusammensetzung,  während  sie  auffallender  Weise  bei  den  Oolithen 
in  der  Oolithzone  des  Trochitenkalks  im  oberen  Muschelkalk  Regel 
ist  und  weit  verbreitet  zu  sein  scheint.  Ich  beobachtete  die  radial- 
faserige Structur  der  Oolithkörner  in  dieser  Zone  nicht  blos  hier, 


und  das  Lager  dieser  Versteinerung  bei  Meiningen. 


167 


sondern  auch  in  der  Rhön,  ebenso  nördlich  vom  Thüringer  Walde, 
z.  B.  am  Horstberge  bei  Mihla  (Section  Berka). 

Jedes  Oolithkorn  der  Oolithbank  ß besteht  aus  einem  oder 
mehreren  Krystalloiden  mit  verschiedener  Lage  der  Krystallaxen. 
Die  Kryställchen  der  Oolithkörner  sind  sehr  oft  erheblich  grösser, 
als  diejenigen,  welche  die  Grundmasse  bilden.  Die  Grösse  der 
Oolithkörner  beträgt  gewöhnlich  0,18  bis  0,24  Millimeter  im  Durch- 
messer. 

Die  Oolithbank  ß gehört  zu  den  mächtigsten  Bänken  des 
Wellenkalks  in  hiesiger  Gegend  und  wird  in  dieser  Hinsicht  nur 
durch  die  untere  Terebratelbank  und  durch  die  untere  Schaum- 
kalkbank im  oberen  Wellenkalk  übertroffen.  Das  Liegende  der 
eigentlichen  Oolithbank  besteht  gewöhnlich  aus  einer  oder  mehreren 
festen,  harten,  blauen  Kalkbänken  von  bedeutender  Mächtigkeit. 
Sie  eignen  sich  daher  zu  Bausteinen  und  werden  zu  diesem  Zwecke 
mit  dem  Gesteine  der  oolithischen  Schichten  zuweilen  gebrochen, 
so  bei  Melkers  und  Helba.  Aehnliche  feste,  blaue,  ebenflächige 
Kalkbänke  bilden  bei  Meiningen  gewöhnlich  auch  das  Liegende 
der  übrigen  oolithischen  oder  schaumigen  Schichten  des  Wellenkalks. 
Wo  die  Oolithbank  verdrückt  erscheint  , oder  wie  dies  auch  wohl 
vorkommt,  einmal  ganz  verschwindet,  wie  es  hie  und  da  am  rechten 
Ufer  der  Werra  zwischen  Grinnnenthal  und  Meiningen  der  Fall 
ist,  sind  gewöhnlich  die  liegenden  blauen  Bänke  vorhanden  und 
können  dann  bei  der  Aufsuchung  der  Bank  leiten.  Nur  an  wenigen 
Stellen,  so  an  den  Thonköpfen  bei  Meiningen  scheinen  auch  diese 
zu  fehlen.  Als  ein  Beispiel  ihrer  gewöhnlichen  Mächtigkeit  gebe 
ich  eine  Messung:  der  Bank  in  dem  Steinbruche  der  Gemeinde 
Melkers  an  dem  zwischen  Eutel  und  den  Melkerser  Felsen  von 
der  Hassfurt  nach  Melkers  führenden  Wege.  Die  eigentliche, 
zahlreiche  Oolithkörner  enthaltende  gelbe  Oolithbank  besteht  hier 
aus  2 Packen;  der  obere  0,34,  der  untere  0,55  bis  0,65  Meter 
stark,  beide  getrennt  durch  eine  0,015  Meter  dicke  Thonlage. 
Darunter  folgt,  durch  ein  Lösen  oder  einen  Thonstreifen  von  der 
Oolithbank  geschieden,  eine  Bank  von  0,48  Meter  aus  hartem,  eben- 
flächigem, blauem  Kalk  bestehend ; darunter  noch  eine  zweite  von 
derselben  Beschaffenheit  und  von  0,40  Meter  Dicke. 


168 


W.  Frantzen,  Terebratula  Ecki  nov.  sp. 


An  Petrefacten  ist  die  Oolithbank  ß nicht  besonders  reich, 
weder  an  Arten  noch  an  Individuen.  Neben  der  sehr  seltenen 
Terebratula  Ecki  bildet  sich  der  Pecten  Albertii  öfters  darin;  ausser- 
dem sind  besonders  noch  die  Myophoria  elegans,  deren  schöne  Er- 
haltung in  dieser  Bank  schon  Emmrich  rühmt,  und  in  gleicher 
Beziehung  auch  Myophoria  laevigata  als  häufiger  vorkommende 
Petrefacten  zu  nennen.  Encrinitenstiele  sind  in  der  Bank  gewöhn- 
lich nicht  vorhanden;  doch  kommen  sie  an  anderen  Orten  zuweilen 
sparsam  darin  vor  und  nur  an  wenigen  Stellen  auch  in  grösserer 
Zahl,  wie  z.  B.  südlich  von  Kühndorf  (Section  Wasungen). 

Eine  Messung  in  der  Weissbach  bei  Meiningen  ergab  eine 
Höhe  der  Unterkaute  der  Oolithbank  ß über  den  gelben  Kalken 
an  der  Basis  des  Wellenkalks  von  119  preussischen  Decimalfuss 
oder  von  44,80  Meter. 

Die  Oolithbank  7 liegt  bei  Meiningen  gewöhnlich  20  Dec.- 
Fuss  — 7,53  Meter  unter  der  Unterkante  der  Oolithkante  der 
Oolithbank  ß.  Emmrich  erwähnt  sie  auf  pag.  6 des  Programmes 
der  Realschule  zu  Meiningen  vom  Jahre  1873  lediglich  als  eine 
feste,  blaue  Kalkbank.  In  solcher  Gestalt  erscheint  sie  bei  Meiningen 
an  vielen  Stellen;  an  anderen  wird  wenigstens,  und  zwar  sehr 
häufig,  ihr  oberster  Theil  oolithisch,  so  am  Eschberg  bei  Walldorf, 
am  Schneeberg  bei  Metzels  und  an  zahlreichen  Punkten  der  Hass- 
furt.  In  der  ganzen  Mächtigkeit  von  Oolithkörnern  angefüllt,  findet 
man  sie  nur  selten,  so  in  den  Bergen  bei  Neubrunn,  an  mehreren 
Punkten  der  Section  Helmershausen  und  besonders  ausgezeichnet 
an  dem  bereits  oben  erwähnten  Fusswege  durch  die  Hassfurt  nach 
Melkers.  An  letzterer  Stelle  lagert  10  Meter  unter  der  Oolith- 
bank ß,  tiefer  als  ich  sie  sonst  hier  irgendwo  traf,  auf  einer  festen 
blauen  Kalkbank,  von  gelben  Oolithkörnern  ganz  angefüllt  die 
Oolithbank  7 in  einer  Mächtigkeit  von  0,62  Meter;  darüber  folgen 
Wulstkalke,  ebenfalls  etwas  oolithisch,  wechselnd  mit  thonigen 
Mergelstreifen,  0,32  Meter  mächtig;  noch  höher  0,42  Meter  feste 
ebenflächige  Sandbänkchen.  Eine  so  grosse  Mächtigkeit  erreicht 
die  Bank  gewöhnlich  aber  nicht ; gewöhnlich  ist  sie  nicht  viel  über 
Fuss  dick.  Am  Eschberg  (Section  Wasungen)  besteht  sie  z.  B. 
aus  einer  0,38  Meter  starken,  blauen,  oben  in  Oolith  übergehenden 


und  das  Lager  dieser  Versteinerung  bei  Meiningen. 


169 


Kalkbank.  Darüber  liegen  0,17  Meter  dicke,  gelbliche,  mürbere 
Kalkschiefer,  welche,  wie  an  vielen  anderen  Orten  von  festen  blauen, 
geradschiefrigen  Kalkbänkchen,  hier  von  0,45  Meter  Gesammt- 
mächtigkeit  bedeckt  werden. 

Die  eben  erwähnten  gelblichen,  oft  festeren,  oft  aber  auch 
ziemlich  mürben,  wenig  mächtigen  Schichten  unmittelbar  im  Han- 
genden der  Oolithbank  a sind  dadurch  ausgezeichnet,  dass  in  ihnen 
die  Terebratula  Ecki  ebenso  vorkommt  , wie  auch  in  der  Oolith- 
bank 7.  selbst;  man  findet  an  ihnen  diese  Versteinerung  zuweilen 
sogar  in  viel  grösserer  Zahl,  als  in  der  letzteren,  und  kann  sie  da, 
wo  die  gelben  Schichten  mürber  werden,  leichter  in  unbeschädig- 
tem Zustande  daraus  sammeln. 

Die  Oolithkörner  der  Oolithbank  a sind  ebenfalls  gewöhnlich 
ockerfarbig,  wie  diejenigen  der  oberen  Bank;  nur  an  wenigen 
Stellen  werden  sie  etwas  lichter.  Zuweilen  findet  man  unter  einer 
gelben  oolithischen  Verwitterungsrinde  auch  wohl  noch  den  unver- 
witterten blauen  Kern.  Die  Grösse  der  einzelnen  Körner  mag 
etwa  0,20  Millimeter  betragen;  sie  sind  gewöhnlich  rund  und 
gleichinässig , wie  in  der  oberen  Oolithbank.  An  anderen  Orten 
jedoch,  wie  z.  B.  am  Eschberge,  sind  neben  den  runden  zuweilen 
auch  solche  Körner  in  mehr  oder  weniger  grosser  Zahl  vorhanden, 
welche  erheblich,  sogar  4 oder  5 mal  länger  als  breit  sind. 

An  Petrefacten  ist  neben  der  Terebratula  Ecki  besonders  das 
häutige  Vorkommen  von  Limen,  in  den  beiden  Formen  der  Lima 
Uneata  und  radiata , in  breiten  oder  schmäleren  Exemplaren  zu  er- 
wähnen. Ausserdem  findet  man  darin  öfters  den  Turbo  gregorius , 
sparsamer  Tellinites  anceps , Chemnitzia  obsoleta  und  andere  im 
Wellenkalk  weit  verbreitete  und  darum  auch  ziemlich  gleichgültige 
Dinge.  Encrinitenstiele  kommen  oft  darin  vor;  einzelne  Platten 
sind  auf  ihrer  Oberfläche  zuweilen  ganz  davon  bedeckt.  Von 
solchen  Fundpunkten,  wo  ich  in  dieser  Bank  die  Terebratida  Ecki 
in  grösserer  Zahl  traf,  erwähne  ich  beispielsweise  die  Stelle  bei 
Grenzstein  No.  37  in  den  »Diemar’schen  Schlägen«  in  der  Hass- 
furt,  eine  andere  Stelle  bei  Stein  No.  72  in  der  Streitleite,  die  Um- 
gebung des  Walldorfer  Kopfes  und  besonders  auch  die  Berge  bei 
Neubrunn.  An  anderen  Orten  ist  die  Versteinerung  jedoch  zu- 


170 


W.  Frantzejj,  Terebratula  Ecki  nov.  sp. 


weilen  nur  spärlich  vorhanden,  so  z.  B.  in  den  Bergen  zwischen 
Walldorf  und  Metzels  (Sect.  Wasungen);  doch  habe  ich  noch 
nirgends  vergeblich  nach  ihr  gesucht.  Allerdings  macht  es  bei 
Meiningen  mehr  Mühe,  wie  in  Württemberg,  sich  eine  grössere 
Anzahl  guter  Exemplare  zu  verschaffen;  denn  einmal  ist  das  Bänk- 
chen nur  dünn  und  daher  nur  an  nackten  Felsen  gut  aufgeschlossen; 
dann  aber  ist  das  Gestein  gewöhnlich  auch  sehr  hart,  so  dass  die 
herausgeklopften  Terebrateln  gewöhnlich  nur  Bruchstücke  bilden 
oder  auch  nur  als  Steinkerne  aus  dem  festen  Materiale  heraus- 
springen. Ausgewitterte,  ganz  unbeschädigte  Exemplare  habe  ich 
nur  in  wenigen  Stücken  finden  können.  Wären  die  Verhältnisse 
hier  wie  in  Württemberg  und  zerfiele  die  Oolithbank  a hier  eben- 
so in  mergelige  Erde,  wie  dies  bei  der  unteren  Terebratelschicht 
bei  Aach  und  Rohrdorf  der  Fall  ist,  so  würde  man  die  in  Rede 
stehende  Versteinerung  hier  gewiss  in  eben  so  grosser  Anzahl  wie 
dort  sammeln  können;  auch  wäre  in  diesem  Falle  ihr  Lager  sicher- 
lich nicht  so  lange  verborgen  geblieben. 

o O O 

Das  Zwischenmittel  zwischen  den  Oolithbänken  v.  und  ß ist 
bei  Meiningen  gewöhnlicher  blauer  Wellenkalk.  Nur  die  gelb- 
lichen, zuweilen  etwas  mürben  und  mergeligen  Kalke  im  unmittel- 
baren Hangenden  der  Oolithbank  a,  welche  sich  etwas  höher  hie 
und  da  in  Spuren  wiederholen,  erinnern  an  die  durch  Eisenoxyd- 
hydrat gefärbten  Schichten,  welche  diesen  Horizont  nördlich  vom 
Thüringer  Walde  kennzeichnen1). 

D ie  Bezeichnung  der  beiden  Oolithbänke  mit  den  Buchstaben 
o.  und  ß habe  ich  den  von  der  Königl.  Preussiselien  geologischen 
Landesanstalt  herausgegebenen  geologischen  Karten,  auf  welchen 
nördlich  vom  Thüringer  Walde2)  die  untersten  beiden  Schaum- 
kalkbänke mit  den  gleichen  Buchstaben  bezeichnet  sind,  entnommen. 
Ueber  die  Identität  der  genannten  Schichten  kann  bei  dem  gleich- 
förmigen Aufbau  aller  oder  doch  fast  aller  mächtigeren  Bänke  im 
unteren  Muschelkalk,  überall  mit  gleichen  Eigenschaften  und  Pe- 
trefacten,  kein  Zweifel  sein.  Die  Oolithbank  a liegt  bei  Meiningen 


x)  Fr.  Moesta,  Erläuterungen  zu  Blatt  Netra. 

2)  Blatt  Netra. 


und  das  Lager  dieser  Versteinerung  bei  Meiningen. 


171 


in  demselben  Abstande  von  der  Oolithbank  ß , in  welchem  auch 
nördlich  vom  Thüringer  Walde  die  Schaumkalkbank  ß über  die. 
Schaumkalkbank  a vorkommt.  So  liegt  z.  B.  bei  Kreuzburg  an 
der  Werra  die  letztere  nach  meiner  Messung  20,6  Dec. -Fuss  = 
7,7  Meter  unter  der  ersteren.  Die  ganze  Differenz  in  der  Ent- 
wickelung der  Oolithbank  a hier  und  dort  ist  nur  die,  dass  die 
Bank  hier  gewöhnlich  etwas  dünner  ist,  und  meistens  weniger 
Oolithkörner  enthält,  wie  nördlich  vom  Thüringer  Walde. 

Wenn  Id.  Proscholdt1)  dagegen  die  Behauptung  aufstellt, 
dass  die  »im  Werrathale,  in  der  dihön,  in  Hessen  und  bei  Arnstadt 
vorkommende  Oolithbank«  sich  im  westlichen  Nordthüringen  durch 
Einlagerung  von  Wellenkalk  in  2 oolithische  Bänke  spalte  und  auf 
diese  Weise  »ein  25  Fuss  breites  Band«  entstehe,  so  muss  ich 
dieselbe  als  thatsächlich  unbegründet  und  irrig  bezeichnen. 

Wenn  auch  mit  gleicher  Bestimmtheit  die  Identität  der  un- 
teren Terebratelschicht  im  unteren  Muschelkalk  Württembergs  mit 
der  Oolithbank  a nicht  bewiesen  werden  kann,  weil  die  Terebratula 
Ecki  bei  Meiningen  nicht  blos  in  einer  einzigen  Schicht  gefunden 
wird,  sondern  auch,  wenn  auch  nur  in  wenigen  Exemplaren,  nach 
oben  hin  in  die  Oolithbank  ß hinaufreicht,  und  ihr  Horizont  auch 
nach  unten  hin  vielleicht  noch  erweitert  werden  müsste,  wenn  die 
von  H.  Loretz  2)  bei  Schalkau  am  südlichen  Thüringer  Walde 
8 bis  10  Meter  über  der  unteren  Wellenkalkgrenze  aufgefundenen 
Terebrateln  mit  Terebratula  Ecki  identisch  sein,  und  ihr  Lager 
noch  unter  der  Oolithbank  a liegen  sollte,  so  ist  sie  doch  sehr 
wahrscheinlich.  Dafür  spricht  neben  der  Häufigkeit  der  erwähnten 
Versteinerung  in  der  Oolithbank  a und  in  der  unteren  württem- 
bergischen  Terebratelschicht  auch  die  Lage  der  beiden  Bänke  im 
Schichtenverbande.  In  Württemberg  liegt  nach  II.  Eck  die  untere 
Terebratelschicht  fast  genau  in  der  Mitte  zwischen  der  unteren 
Grenze  des  Muschelkalks  und  der  Schicht  mit  Terebratula  vulgaris 
in  der  oberen  Abtheilung  desselben.  Hier  in  Meiningen  ist  dies 


B Programm  der  Realschule  zu  Meiningen  1879,  pag.  9 ff. 

2)  H.  Loretz,  Notizen  über  Buntsandstein  und  Muschelkalk  in  Südthüringen, 
abgedruckt  im  Jahrbuche  der  Königl.  preuss.  geol.  Landesanstalt  pro  1880. 


172 


W.  F rantzen , Terebratala  Ecki  noy.  sp. 


ebenso;  denn  die  Oolithbank  a.  liegt  99  Dec.-Fuss  = 37,27  Meter 
über  der  unteren  Wellenkalkgrenze  und  91  Dec.-Fuss  = 34,26  Meter 
unter  der  unteren  Terebratelbank. 

Für  die  Untersuchung  der  vorliegenden  Frage  ist  ferner  das 
Vorkommen  des  Ammonites  Buchi  in  dem  Mittel  zwischen  den 
beiden  Oolithbänken  nicht  ohne  Bedeutung.  In  diesem  Niveau 
fand  ich  den  erwähnten  Ammoniten  in  43/4  Meter  Höhe  unter  der 
Oolithbank  ß,  allerdings  nur  ein  einziges  Exemplar.  Wenn  nun 
diese  Versteinerung,  immer  einzeln  und  selten  hier  auch  in  den 
Schichten  des  unteren  Wellenkalks  unter  der  Oolithbank  a und 
von  II.  I jORETZ  *)  am  südlichen  Thüringer  Walde  sogar  schon  in 
den  Rötlikalken  beobachtet  worden  ist,  so  hat  der  Fund  bei  Wel- 
kershausen doch  aus  dem  Grunde  einige  Wichtigkeit,  weil  auch 
an  anderen  Orten  der  Ammonites  Buchi  über  der  untersten  Schaum- 
kalkbank vorkommt.  So  ist  er  nach  II.  Eck* 2)  bei  Rüdersdorf  nur 
wenige  Fuss  über  der  untersten  Schaumkalkbank  beobachtet  worden. 
Die  letztere  liegt  dort  246  Fuss  über  der  unteren  Muschelkalk- 
grenze und  170  Fuss  4 Zoll  unter  den  Schichten  mit  Terebratula 
vulgaris , also  auch  nicht  übermässig  weit  von  der  Mitte  zwischen 
beiden  Horizonten  entfernt.  In  Württemberg  liegt  die  Schicht  mit 
Ammonites  Buchi  nach  demselben  Forscher3)  nur  wenige  Fuss  über 
der  Schicht  mit  Terebratula  Ecki. 

Aus  diesen  Untersuchungen  über  die  Petrefacten,  über  die 
stratigraphischen  und  petrographischen  Verhältnisse  der  betreffen- 
den Bänke  geht  hei'vor,  dass  man  mit  genügender  Sicherheit  die 
hiesige  Oolithbank  a,  welches  die  unterste  der  sogenannten  Schaum- 
kalkbänke im  hiesigen  Wellenkalk  ist,  die  unterste  Schaumkalk- 
bank im  unteren  Muschelkalk  bei  Rüdersdorf  und  in  Norddeutsch- 
land überhaupt  und  endlich  die  untere  Terebratelschicht  im  unteren 
Muschelkalk  Württembergs  als  gleichzeitige  Ablagerungen  betrach- 
ten darf. 

Mit  diesem  Horizonte  fällt  in  Norddeutschland  die  zur  Glie- 
derung des  unteren  Muschelkalks  in  eine  obere  und  untere  Ab- 


x)  H.  Loretz,  a.  a.  0.  S.  144. 

H.  Eck,  Rüdersdorf  und  Umgegend  S.  62. 

3)  H.  Eck,  a.  a.  0.  S.  42. 


und  das  Lager  dieser  Versteinerung  bei  Meiningen. 


173 


theiluns:  gezogene  Grenze  zusammen,  während  sie  für  die  geolo- 
gische  Kartimng  an  der  Ostseite  des  Thüringer  Waldes  bei  Jena, 
und  an  seiner  Westseite  bei  Meiningen  erst  bei  der  ersten  Bank 
mit  Terebratula  vulgaris  in  viel  höherem  Niveau  angenommen 
wird.  Wenn  auch  bei  einer  geologischen  Landesuntersuchung? 
welche  speciellere  Zwecke,  wie  rein  wissenschaftliche  Untersuchun- 
gen zu  verfolgen  hat,  es  unthunlich  sein  mag,  überall  denselben 
Horizont  zur  Gliederung  eines  Schichtensystems  zu  benutzen,  schon 
aus  dem  Grunde,  weil  nur  mächtigere  Bänke  und  leicht  in  die 
Augen  fallende  Schichten  - Complexe  mit  genügender  Sicherheit 
verfolgt  werden  können,  so  wäre  es  zur  Vermeidung  von  Miss- 
verständnissen doch  sehr  wünschenswerth,  wenn  wenigstens  in  der 
Literatur  eine  gleichförmigere  Theilung  des  unteren  Muschelkalks, 
als  bisher  angenommen  und  die  Grenze  überall,  wo  es  angeht,  bei 
der  untersten  schaumigen  oder  oolitliischen  Bank  gezogen  würde. 
Seitdem  der  gleiche  Horizont  auch  in  Süddeutschland  mit  ge- 
nügender Sicherheit  feststeht,  würde  durch  Verlegung  der  übrigens 
auch  durch  Herrn  Eck  nur  als  provisorisch  bezeichneten  Grenze 
zwischen  der  oberen  und  unteren  Abtheilung  des  unteren  Muschel- 
kalks in  Süddeutschland  nach  der  Schicht  mit  Terebratula  Ecki 
eine,  wenn  auch  vielleicht  nicht  ganz  genaue,  aber  doch  genügende 
Uebereinstimmung  in  der  Gliederung;  des  Wellenkalks  in  den  ver- 
schiedenen  Gegenden  erzielt  werden  können. 


Erklärung  der  Tafel  5. 

Fig.  1.  Terebratula  Ecki  sp.  n.  (schmaler  Typus)  aus  der  Oolith- 
bank  u von  der  Streitleite  bei  Meiningen  in  natürlicher  Grösse. 
Original  in  der  Sammlung  der  Königlichen  Bergakademie  zu 
Berlin. 

a)  Ansicht  gegen  die  Rückenklappe. 

b)  Ansicht  gegen  die  Bauchklappe. 

c)  Ansicht  von  der  Seite. 

d)  Ansicht  gegen  den  Stirnrand. 


174 


W.  Fisantzen 


Terebratula  Ecki  nov.  sp.  und  das  Lager  etc. 


Fig.  2.  Terebratula  Ecki  sp.  n.  (breiter  Typus)  aus  der  Oolithbank  « 
von  der  Streitleite  bei  Meiningen  in  natürlicher  Grösse.  Original 
ebendaselbst. 

a)  Ansicht  gegen  die  Rückenklappe. 

b)  Ansicht  gegen  die  Bauchklappe. 

c)  Ansicht  von  der  Seite. 

d)  Ansicht  gegen  den  Stirnrand. 

Fig.  3.  Terebratula  Ecki  sp.  n.  aus  der  unteren  Terebratelschicht  des 
Muschelkalks  von  Aach  in  Württemberg  in  natürlicher  Grösse. 
Original  ebendaselbst. 

Das  Exemplar  hat  einen  Wulst  auf  der  Rückenschale  und 
correspondirende  Furchen  auf  der  Bauchschale. 

a)  Ansicht  gegen  die  Rückenklappe. 

b)  Ansicht  gegen  die  Bauchklappe. 

c)  Ansicht  von  der  Seite. 

d)  Ansicht  gegen  den  Stirnrand. 

Fig.  4.  Terebratula  vulgaris  Schl.  Ausgewachsenes  Exemplar  aus  der 
oberen  Terebratelschicht  des  unteren  Muschelkalks  von  Aach  in 
Württemberg.  Original  ebenda. 

a)  Ansicht  gegen  die  Rückenklappe. 

b)  Ansicht  gegen  die  Bauchklappe. 

c)  Ansicht  von  der  Seite. 

d)  Ansicht  gegen  den  Stirnrand. 


Beitrag’  zur  geologischen  Kenntniss 
der  cambrisch  - phyllitischen  Schieferreihe 
in  Thüringen. 

Von  Herrn  H.  Loretz  in  Frankfurt  a.  M. 


Einleitendes. 

Wie  in  anderen  Ländern,  so  hat  sich  auch  in  Thüringen  das 
alte  Schiefergebirge,  oder  das  Grauwacken-  und  Uebergangsge- 
birge  der  altern  Geologen  in  die  uns  nunmehr  geläufigen  Systeme 
des  Cambrium,  Silur,  Devon  etc.  aufgelöst,  nachdem  solche  zuerst 
in  England  durch  die  bahnbrechenden  Arbeiten  hervorragender 
Geologen  als  klar  gesonderte  Einheiten  aus  dem  Dunkel  hervor- 
getreten waren,  das  bis  dahin  allenthalben  über  der  Gesammtheit 
der  alten  Schieferschichten  gelegen  hatte;  und  wie  anderswo,  sind 
auch  in  Thüringen  und  den  geognostisch  gleich  beschaffenen  Nach- 
bargebirgen in  der  schärfern  Trennung  und  Unter abtheilung  der 
alten  Schicht  en  Systeme  durch  die  fortgesetzten  Untersuchungen 
hochverdienter  Forscher  gar  manche  Fortschritte  zu  verzeichnen 
gewesen. 

Es  kann  liier,  wo  wir  uns  ein  enger  begrenztes  Thema  gesetzt 
haben,  nicht  unsere  Absicht  sein,  die  Entwickelung  der  gesammten 
alten  Formationen  im  thüringischen  Gebirge  vorzuführen,  wie  sie 
sich  uns  aüf  Grund  der  genannten  Forschungen  nun  als  eine  Reihe 
sichergewonnener  Resultate  darstellt;  auch  müssen  wir  darauf  ver- 
zichten, eine  geschichtliche  Darlegung  der  sich  nach  und  nach 
erweiternden  und  vertiefenden  Kenntniss  unseres  Schiefergebirges 


176 


H.  Lohetz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


zu  geben  und  den  Wechsel  der  Auffassungen  vorzuführen,  welche 
hierbei  geltend  gemacht  wurden.  Wir  können  von  dieser  Dar- 
legung  um  so  eher  absehen,  als  schon  Gümbel  in  der  »geogno- 
stischen  Beschreibung  des  Fichtelgebirges«  S.  417  ff.  (in  den 
einleitenden  Worten  zur  Silurformation)  die  Arbeiten  und  An- 
schauungen der  Geologen  kurz  vorführt,  welche  in  den  letzten 
Jahrzehnten  bis  zur  Gegenwart  die  geologische  Erkenntniss  des 
Thüringischen  Schiefergebirges,  wie  der  benachbarten,  bildungs- 
verwandten Gebirge  gefördert  haben x).  — Was  die  Darstellung 
der  einzelnen  Formationen  selbst  betrifft,  so  enthält  das  genannte 
Werk  auch  in  dieser  Beziehung  die  reichhaltigste  Belehrung. 

Unserem  Thema  näher  tretend,  möchten  wir  vorher  aus  der 
ganzen  Reihe  stratigraphisch  und  paläontologiscli  bedeutsamer  Ho- 
rizonte unseres  Schiefergebirges  nur  einige  wenige  kurz  hervorheben, 
welche  in  der  unzweifelhaftesten  Weise  das  Vorhandensein  ächter 
Silur bil düngen  in  demselben  haben  erkennen  lassen;  wir  denken 
hier  zunächst  an  die  dunkelen,  kohlereichen,  theils  als  Kieselschiefer, 
tlieils  als  erdige  Schiefer  ausgebildeten  Graptolithenschiefer, 
welche  nach  Gestein  wie  nach  ihren  organischen  Resten  ganz  so 
im  Silur  anderer  Länder  wiederkehren;  wir  erwähnen  dann  ferner 
die  merkwürdigen,  verzerrten,  zu  Ogygia  oder  Asaphus  gehörigen 
Trilobiten  eines  tieferen  Horizontes,  des  Steinadler  Griffel- 
schiefers; und  jene  eigenthümliche,  den  Griffelschiefer  unter- 
lagernde Eisensteinbildung,  den  Thurin git- Horizont,  welcher 
wenn  auch  nicht  in  Thüringen,  so  doch  weiter  östlich,  wohin  er 
deutlich  zu  verfolgen  ist,  zahlreiche  Exemplare  einer  kleinen 
Orthis  enthält,  deren  nächststehende  Verwandten  in  den  schwe- 
dischen Paradoxidesscliichten  liegen.  Ein  Horizont  mit  einer 
eigentlichen  Primordialfauna  hat  sich  bisher  in  Thüringen  etc.  nicht 
nachweisen  lassen ; aber  wir  sind  durch  die  letztgenannten  Hori- 
zonte schon  in  die  tieferen  Regionen  des  Silur  verwiesen. 

Wenden  wir  uns  nun  von  diesem  Standpunkte  abwärts  zu 
dem  älteren  Schiefer,  so  treten  wir  in  ein  Gebiet  ein,  wo  uns 


1 ) Vergl.  auch  Richter,  Das  thüringische  Schiefergebirge,  Zeitschr.  d.  D.  geol. 
Ges.  1869,  im  Eingang. 


der  cambrisch - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


177 


sichere  paläontologische  Kennzeichen  verlassen1);  noch  eine  äusserst 
mächtige  Schichtenreihe,  Thonschiefer  mit  anderweitigen  Einlage- 
rangen,  haben  wir  hier  zu  durchschreiten,  bis  jenseits  in  den  ersten, 
deutlicher  krystallinischen  Schiefern  wieder  eine  Orientirungsmarke 
erscheint,  welche  das  Reich  der  eigentlich  archäischen  oder  kry- 
stallinischen Schiefer  Systeme  ankündigt. 

Wenn  eine  grosse  Mächtigkeit  und  eine  grosse  räumliche 
Verbreitung  im  Verein  mit  gewissen  gemeinsamen,  durch  das  Ganze 
gehenden  lithologischen  Charakteren  Grund  sein  können,  eine  ge- 
wisse Schichtenfolge  als  »Formation«,  oder  »System«  im  neuern 
Sinne  gelten  zu  lassen,  zumal  in  Regionen  des  Gesammtschichten- 
gebäudes,  wo  Versteinerungen  fehlen,  oder  zu  fehlen  beginnen: 
so  trifft  ein  solcher  Grund  gewiss  für  die  bezeichnete  Schichtenfolge 
zwischen  Silur  und  Archäisch  in  Thüringen,  dem  Fichtelgebirge 
und  Vogtlande  zu.  Und  wie  in  England  ein  ähnlicher  Sachverhalt 
wesentlich  mit  bestimmend  war  zur  Aufstellung  der  c am bri sehen 
Formation,  unter  der  sibirischen,  so  liegen  die  Verhältnisse  in  unserem 
Gebirge  ganz  so,  dass,  nachdem  einmal  die  sibirische  Formation 
in  dasselbe  eingeführt  war,  die  der  cambrischen  uns  als  noth- 
wendige  Folge  erscheint. 

Solche  Erwägungen  sind  es,  auf  Grund  deren  bereits  in  einer 
Anzahl  neuerer  Publicationen  über  die  genannten  Gebirgsländer 
seitens  verschiedener,  um  die  geologische  Kenntniss  derselben  hoch- 
verdienter  F orscher,  das  cambrische  System  als  solches  in  Be- 
schreibung und  Kartendarstellung  erscheint;  und  wir  können  uns 
in  dieser  Beziehung  nur  dieser  Festsetzung  anschliessen  2). 


x)  Auf  die  wenigen  auch  hier  noch  vorhandenen  organischen  Reste  kommen 
wir  später  zu  sprechen. 

2)  S.  besonders: 

Richter,  das  thüringische  Schiefergebirge,  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  1869,  Bd.  XXI. 
Liebe,  Lieferung  13  der  geolog.  Specialkarte  von  Preussen  und  den  thüringischen 
Staaten,  Karten  und  Erläuterungen,  1878. 

Gümbel,  Geognostische  Beschreibung  des  Fichtelgebirges  (3.  Abth.  der  geog. 

Beschreibg.  d.  Königr.  Bayern)  nebst  Atlas,  Gotha  1879. 

Liebe,  Erläuterung  zu  Blatt  Zeulenroda  der  geologischen  Specialkarte  von 
Preussen  etc.  1881. 

Schon  Murchison  hat  sich  auf  Grund  eigener  Anschauung  für  die  Selbstän- 

12 


178 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


Dürfen  wir  somit  die  Selbständigkeit  einer  cambrischen  For- 
mation in  unserem  und  dem  benachbarten  Scliieferg’ebirg'e  als  eine 
wohl  begründete  anseben,  so  ist  es  andererseits,  wie  in  so  vielen 
ähnlichen  Fällen  nicht  leicht,  deren  obere  und  untere  Grenze  an- 
zugeben. Am  besten  gelingt  dies  noch  mit  der  obern  Grenze, 
obgleich  auch  liier  über  die  Zutheilung  einiger  Grenzschichten  nach 
oben  oder  unten  Zweifel  entstehen  können;  schwieriger  aber  ist 
es  anzugeben,  wo  das  cambrische  Gebiet  abwärts  aufhört  und  das 
eigentlich  archäische  Gebiet  der  Phyllite  beginnt;  hier  ist  der 
Uebergang,  wenigstens  in  gewissen  Gebirgspartieen  so  allmählich, 
dass  es  nicht  Wunder  nehmen  kann,  wenn  die  Auffassungen  zweier 
in  verschiedenen  Gebieten  arbeitenden  Geologen  sich  nicht  decken, 
und  der  Eine,  indem  er  von  den  archäischen  Systemen  sich  aufwärts 
begiebt,  Vieles  zum  Pliyllit  zieht,  was  der  Andre,  abwärts  schreitend, 
noch  cambriscli  nennt.  Indess  kann  man  diese  unvermeidliche 
Unsicherheit  nicht  als  Grund  für  das  Nichtvorhandensein  einer 
der  beiden  Formationen  (Systeme)  vorführen  wollen;  wiederholt 
sich  doch  dieser  allmähliche  Uebergang  so  oft  zwischen  zwei 
geologischen  Systemen  und  namentlich  auch  in  diesen  tiefem 
Regionen  des  Schichtengebäudes. 

Besonders  hervorheben  müssen  wir  aber  an  dieser  Stelle,  dass 
wir  neben  dem  cambrischen  System  ein  solches  der  ph yl li- 
tis chen  Schiefer  im  Thüringischen  Gebirge  als  selbständig  an- 
nehmen, was  später  näher  zu  begründen  sein  wird;  diese  Trennung 
ist  in  den  bisherigen  Beschreibungen  und  Kartendarstellungen  des 
Thüringischen  Schiefergebirges  noch  nicht  durchgeführt  worden. 

W enn  wir  unser  cambrisclies  System,  wie  es  sich  in  Thüringen, 
dem  Fichtelgebirge  und  Vogtlande  darstellt,  mit  den  cambrischen 


digkeit  einer  cambrischen  Formation  in  Thüringen  ausgesprochen.  (Gümbel, 
1.  c.  S.  105.) 

Schon  ehe  das  Vorhandensein  der  uns  jetzt  geläufigen  Formationen  oder 
Systeme  im  Schiefergebirge  Thüringens  und  der  Nachbargebiete  erkannt  war, 
musste  den  älteren  Geologen  das  die  eigentliche  cambrische  Partie  hauptsächlich 
ausmachende  Schiefergestein,  die  »grüne  oder  graugrüne  Grauwacke«,  als  ein 
durch  Mächtigkeit,  Verbreitung  und  gemeinsame  lithologische  Charaktere  hervor- 
ragendes Gebirgsglied  des  gesammten  »Grauwackengebirges«  erscheinen. 


der  cambrisch-phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


179 


Systemen  anderer  Länder  vergleichen,  so  werden  wir  kaum  er- 
warten dürfen,  ganz  analoge  Bildungen  wiederzufinden.  Macht 
sich  doch  auch  bei  den  paläolithischen  Systemen  die  verschieden- 
artige Entwickelung  in  getrennten  Bildungsräumen  bemerklieh; 
und  zudem  sind  die  organischen  Reste  dieser  ältesten  der  Ver- 
steinerungen führenden  Schichtenfolgen  so  dürftig  und  z.  Th.  auch 
zweifelhafter  Natur,  dass  auch  in  dieser  Hinsicht  eine  Parallelisirung 
auf  Grund  einer  Anzahl  identischer  Species  nicht  verlangt  werden 
kann.  Was  speciell  die  organischen  Reste  unseres  Cambriums 
betrifft,  so  wird  sich  weiter  unten  Gelegenheit  finden,  Einiges 
über  dieselben  anzuführen;  bemerkt  sei  hier  nur,  dass  bis  jetzt 
vegetabilische  Reste,  sowie  gewisse  Brachiopoden  und  Bivalven 
gefunden  worden  sind,  während  Trilobiten  noch  fehlen.  Abgesehen 
von  diesen  organischen  Resten  und  unbeschadet  der  hieraus  sich 
etwa  ergebenden  Analogien,  muss  immerhin  das  Hauptgewicht  auf 
die  Stellung  dieser  mächtigen  Schieferreihe  zwischen  Repräsen- 
tanten der  obersten  archäischen  Bildungen  und  Untersilurbildungen 
gelegt  werden  1). 

D Eine  nähere  Vergleichung  des  eambrischen  Systemes  in  Thüringen  mit  den 
cambrischen  Bildungen  des  Auslandes  ist  besonders  auch  deswegen  erschwert, 
weil,  wie  bemerkt,  Schichten  mit  der  Primordialfauna  in  Thüringen  u.  s.  w.  nicht 
vorhanden  sind,  wenigstens  noch  nicht  gefunden  sind.  Die  tiefste  der  Versteine- 
rungen führenden  Schichtengruppen  von  Süd -Wales,  die  Longmynd  oder  Harlech 
Group,  welche  hier  zum  Vergleich  herangezogen  werden  könnte,  und  welche  von 
H.  Hicks,  der  in  neuerer  Zeit  die  stratigraphisch-paläontologische  Erforschung  der 
alten  Schiefersysteme  jener  Gegenden  sich  ganz  besonders  hat  angelegen  sein 
lassen,  zusammen  mit  der  überlagernden  Menevian  Group  zum  Lower  Cambrian 
gestellt  wird,  enthält  immerhin  schon  ca.  16  Gattungen  aus  dem  Thierreich,  da- 
runter 6 von  Trilobiten. 

Auch  in  Schweden,  wo  Schichten  mit  der  Primordialfauna  (Paradoxides- 
Schichten)  vorhanden  sind,  und  die  Decke  des  cambrischen  Systemes  (Fucoiden- 
Sandstein,  Eophyton- Sandstein)  bilden,  enthält  das  letztere  nach  den  Angaben 
von  Tokell  und  Linnarsson  eine  grössere  und  mannichfaltigere  Reihe  von  z.  Th. 
allerdings  schwer  zu  deutenden,  organischen  Resten  als  in  Thüringen;  während 
wenigstens  darin  eine  Aehnlichkeit  besteht,  dass,  wie  in  Thüringen,  noch  keine 
Trilobiten  Vorkommen. 

Richter  (Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  1869,  Bd.  XXI,  S.  359)  erwähnt  allerdings, 
es  haben  sich  im  cambrischen  Schiefer  Thüringens  einige  Pleurenfragmente  eines 
Trilobiten  (? Paradoxides)  gefunden;  dies  dürfte  aber  bis  jetzt  die  einzige  derartige 
Spur  geblieben  sein. 


12 


180 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


[lebersicht  der  Schieferreihe  nebst  Einlagerungen  und  ihrer 
Lagerung.  Phyllitisches  und  cambrisches  System. 

Die  im  Folgenden  niedergelegten  Beobachtungen  beruhen  auf 
den  im  Auftrag  der  Direction  der  Königl.  geologischen  Landes- 
anstalt vorgenommenen  Specialaufnahmen  im  Bereich  der  Sectionen 
1.  Masserberg,  2.  Breitenbach,  3.  Gräfeuthal,  4.  Eisfeld,  5.  Stein- 
heid, 6.  Spechtsbrunn;  von  welchen  1 und  3 bis  jetzt  nur  theil- 
weise  aufgenommen  worden  sind.  Wiewohl  dieses  Gebiet  nur 
einen  Theil  (allerdings  den  grösseren)  des  Gesammtgebietes  umfasst, 
welcher  in  Thüringen  vom  phyllitisch  - cambrischen  Schiefersystem 
eingenommen  wird,  glauben  wir  doch,  dass  für  die  meisten  nach 
Gestein  und  Lagerung  im  Gesammtgebiet  möglichen  Beobachtungen 
das  nöthige  Material  auch  schon  in  dem  bezeichneten  Theilgebiete 
vorliege  und  die  folgenden  Mittheilungen  rechtfertige.  Dieselben 
beruhen  grösstentheils  auf  den  Studien  in  der  Natur  selbst;  petro- 
graphisches  Detail , soweit  solches  nur  durch  Mikroskop  und 
chemische  Analyse  zu  gewinnen  ist,  umfassen  sie  nicht. 

In  der  langen  Schichtenfolge  von  Schiefern,  welche  älter  sind 
als  das  Silur,  haben  wir  folgende  Gruppen  oder  Zonen  unter- 
schieden und  kartographisch  dargestellt: 

1)  eine  Zone,  deren  Schiefer  starken  pliyl  litis  dien  Glanz 
besitzen,  dabei  vielfach  mit  Quarz  in  dünn  interponirten  Lamellen 
oder  in  Linsen  und  Knauern  verwachsen  sind,  und  durchweg  enge 
Faltung  bis  Fältelung  der  Strafen  aufweisen,  keinen  oder  nur 
wenig  Thonschiefer  von  der  Art,  wie  er  die  Hauptmasse  des 
weiter  östlich  liegenden  Gebirges  constituirt,  als  Zwischenschichten 
enthalten.  Wir  finden  diese  phyllitischen  Schiefer,  wenn  wir  im 
SW.  beginnen,  in  der  Gegend  des  Biberthaies,  N.  von  Waffenrod 
bei  Eisfeld,  und  von  da  hinüber  zum  Schleusethal  bei  Ernstthal 
und  Unterneubrunn;  sie  zieht  NÖ.-wärts,  unter  dem  Bothliegend- 
Porphyrit  von  Neustadt  a.  B.  und  Masserberg,  nach  dem  Oelzetlial, 
und  über  Breitenbach  und  Böhlen  weiter  nach  NO. 

2)  eine  Zone  ganz  eigentümlicher , anscheinend  feldspath- 
haltiger  Schiefer,  nämlich  solcher,  deren,  einem  gewöhnlichen 


der  cambrisch -politischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


181 


dunkeln  Thonschiefer  am  nächsten  stehende  Hauptmasse  mit  Par- 
tikeln, Flasern  und  Schmitzen  feldspathiger,  z.  Th.  vielleicht  mehr 
felsitischer  Substanz  verwachsen  ist;  neben  welcher  sich  aber  auch 
sehr  gewöhnlich  Quarzkörner  und  auch  wohl  Schmitzen  und  Fla- 
sern etwas  differenter  thonschieferiger  bis  quarzitischer  Masse  gel- 
tend machen:  Schiefer,  welche  in  dieser  ihrer  Zusammensetzung 
einen  ganz  eigentümlichen  Habitus  erlangen,  der  sehr  oft,  be- 
sonders wenn  neben  zahlreichen  eine  rauhe  Beschaffenheit  des 
Gesteins  bedingenden  Quarzkörnern  auch  noch  weisse  Glimmer- 
schüppchen auftreten,  oder  die  Schiefermasse  wenig  homogen  er- 
scheint, dem  Habitus  gewisser  klastischer  Gesteine,  etwa  aus  der 
Grauwackengruppe  ähnelt,  ohne  dass  man  darin  eine  innere  Ver- 
wandtschaft finden  könnte;  denn  andrerseits  können  diese  Schiefer 
durch  stärker  pliyl  litis  che  Entwickelung  ihrer  Schiefermasse  sich 
auch  den  Gesteinen  der  phyllitischen  Gruppe  nähern,  und  ausser- 
dem wird  ihre  nächste  Verwandtschaft  und  eigentliche  Bedeutung 
dann  erst  klarer,  wenn  man  gewisse  schieferige  Abänderungen  jener 
bemerkenswerten , als  » Schieferporphyroide  « bezeichxieten 
Gesteine  kennen  gelernt  hat,  welche  in  nicht  unbeträchtlicher 
Verbreitung  als  Einlagerungen  der  verschiedenen  Schiefersysteme 
unseres  Gebirges  Vorkommen.  Ferner  ist  hier  besonders  noch  her- 
vorzuheben, dass  diese  eigentümlichen  Schiefer  der  in  Rede 
stehenden  Zone  in  regelmässiger  Weise  mit  ganz  gewöhnlichem 
dunkelem  Thonschiefer,  wie  er  auch  in  der  nächstfolgenden,  jün- 
geren Schichtengruppe  vertreten  ist,  wechsellagern,  so  dass  auch 
solcher  Thonschiefer  wesentlich  mit  zur  Zusammensetzung  der 
Zone  gehört.  — Sie  schliesst  sich  beiderseits  an  die  phyllitische 
Zone  an. 

3)  eine  Zone,  deren  überwiegende  Hauptmasse  von  eigent- 
lichem Thonschiefer  gebildet  wird;  seine  Färbung  ist  gewöhn- 
lich grau,  graugrün,  wird  aber  strichweise  auch  dunkler  bis  blau- 
schwarz;  sehr  gewöhnlich  ist  der  Thonschiefer  aus  Lagen  von 
etwas  wechselnder  Beschaffenheit  nach  Färbung  und  Härte  zu- 
sammengesetzt, was  auf  den  in  der  Richtung  der  secundären 
Schieferung  liegenden  Spaltflächen  ein  streifiges  Ansehen  bewirkt  ; 
und  es  macht  sich  dies  Verhalten  besonders  auch  bei  dem  vor- 


182 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


herrschenden  Schiefergestein  dieser  Zone  geltend,  dem  grauen  oder 
graugrünen  Thonschiefer,  der  so  recht  eigentlich  die  Hauptgebirgs- 
masse  des  » cambrischen « Systems  des  Thüringischen  Schiefer- 
gebirges ausmacht.  — Es  hat  nicht  gelingen  wollen,  hier  noch 
weitere  Unterabtheilungen  oder  Zonen  deutlich  zu  erkennen  und 
zu  verfolgen;  nur  Einlagerungen  besonderer  Gesteine  oder  Schiefer- 
varietäten lassen  sich  unterscheiden  und  abgrenzen  und  unter 
diesen  sind  in  erster  Linie  die  Quarzite  so  entwickelt  und  ver- 
breitet, dass  sie  fast  als  wesentliche  Glieder  des  Systems  erscheinen. 
Es  schliesst  sich  diese  Zone  nach  O.  und  SO.  an  die  vorigen 
an  und  ist  bei  weitem  breiter  und  mächtiger  als  die  älteren. 
Andererseits  kommt  sie  weniger  entwickelt  ganz  im  NW.  zum 
Vorschein. 

Während  nun  eigentliche  Quarzite  auf  den  Bereich  der  unter 
3)  angeführten  Zone  beschränkt  bleiben,  sind  innerhalb  der  ge- 
nannten drei  Zonen  noch  anderweitige  Gesteine  als  Einlagerungen 
vorhanden,  deren  Lagerung  und  Verband  mit  den  umgebenden 
Hauptschieferschichten  sie  als  normale,  schichtige  Zwischenlagen 
oder  Lagerkörper  erkennen  lässt,  welche  sich  also  dem  Streichen 
und  Fallen  der  sie  einschliessenden  Schichten  anpassen  und  auch 
bezüglich  ihrer  Entstehung  mit  letzteren  nach  Stoff  und  Zeit  in 
Verbindung  zu  stehen  scheinen.  Es  sind  dies: 

Einlagerungen  von  Kieselschiefer  und  mit  solchem  ver- 

o o 

wandten,  weicheren,  schwarzen  und  abfärbenden  Schiefern  (Alaun - 
schiefer).  Sie  machen  sich  besonders  innerhalb  der  phyllitischen 
Zone  geltend,  können  aber  auch  in  den  folgenden  Zonen  Vor- 
kommen : 

Einlagerungen  von  gneiss-  und  granitartigen  Gesteinen, 
sowie  solche  von  amphibolischen  Gesteinen,  von  theils  mehr 
schieferiger,  theils  mehr  krystallinisch  massiger  Struktur;  diese 
Zwischenschichten  sind  besonders  in  den  beiden  erstgenannten 
Zonen  zu  finden,  der  dritten  indess  auch  nicht  ganz  fremd;  so- 
dann noch  Einlagerungen  von  porphyroidis chen  Gesteinen 
(Porpliyroiden,  Schieferporphyroi den)  von  ebenfalls  theils 
massigem , theils  schieferigem  Habitus ; sie  sind  sehr  verbreitet, 
wiederholen  sich  in  den  verschiedenen  Zonen  in  ganz  gleicher 


der  cambrisch  - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


183 


Weise  und  umfassen  eine  ganze  Reihe  bemerkenswerther  und 
eigenthümlicher  Gesteinsvarietäteu. 

Betrachtet  man  die  Folge  und  Ordnung  jener  Zonen,  wie  sie 
sich  aus  der  geologischen  Detailaufnahme  des  Gebietes  ergiebt, 
so  stellen  sich  die  Zonen  als  die  ohne  irgend  welche  scharfe 
Grenze  aneinandergereihten  und  in  continuirlich  fortschreitender 
Gesteinsbildung  auf  einander  geschichteten  grösseren,  unterscheid- 
baren Theile  einer  sehr  langen  Reihe  von  Schieferschichten  dar; 
und  diese  Reihe  endigt  oben,  in  ihren  jüngsten  Lagen,  an  der 
Grenze  zum  Untersilur,  und  verliert  sich,  abwärts  gesehen,  in 
Schichten  von  durchaus  pliyllitischem  Habitus.  Dieser  untere, 
phyllitisehe  Theil  nun  bietet  so  viel  Analogien  mit  jenen  Schiefern, 
welche  man  anderwärts,  in  benachbarten  Gebirgen,  als  der  Phyllit- 
formation  angehörig  betrachtet,  dass  wir  nicht  anstehen  auch 
unsere  phyllitisehe  Zone  als  der  Phyllitformation , dem  jüngsten 
Gliede  der  archäischen  Formationen  angehörig  zu  betrachten; 
wenn  auch  in  unserer  Zone  nur  ein  Theil  der  gesammten  Phyllit- 
formation repräsentirt  sein  mag.  Was  ausserhalb  des  Bereichs 
derselben  liegt,  würde  dann  schon  dem  camb rischen  Systeme 
zuzurechnen  sein,  und  unsere  zweite  Zone,  wie  wir  sie  in  der 
Partie  des  Schwarzathaies,  und  andererseits  NW.  über  Breitenbach 
hinaus  finden,  würde  eine  eigenthümliehe , anderswo  in  dieser 
Weise  vielleicht  nicht  noth wendig  wiederkehrende  Entwickelung 
der  untersten,  azoischen,  z.  Th.  schon  halb  phyllitischen,  cambri- 
schen  Schieferreihe  darstellen  1). 

Die  phyllitisehe  Zone  würde  nach  unserer  gegenwärtigen  Auf- 
fassung einen  Sattel  bilden,  dem  sich  beiderseits  die  Schiefer  der 
zweiten  Zone  anschliessen ; auf  diese  folgen  die  eigentlichen  Thon- 

!)  Wenn  wir  irgend  einen  Theii  des  cambrischen  Systemes  als  speciell 
»untercambrisch«  bezeichnen  sollten,  so  wäre  es  eben  diese  unter  2)  ange- 
führte, auch  als  halb phyllitisch  anzuführende  Zone.  Wir  bemerken  indess 
ausdrücklich  hier,  dass  wir  in  der  Folge  im  cambrischen  System  kein  ober- 
cambrisch  und  untercambrisch  unterscheiden  wollen,  sondern  als  cambrisch 
die  ganze  Schieferreihe  bis  zu  den  deutlich  phyllitischen  Gesteinen  annehmen 
wollen  (also  Zone  2 und  3).  — In  der  »geognostischen  Beschreibung  des  Fichtel- 
gebirges« hat  Gümbel  die  Unterscheidung  in  ober-  und  untercambrisch  in  etwas 
anderem  Sinne  gebraucht,  1.  c.  p.  114,  37D. 


184 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


schiefer  mit  ihren  Quarziten.  In  der  That  erscheinen  ganz  in 
NW.,  in  der  Gegend  von  Gillersdorf  etc.  wieder  ächte  Thonschiefer 
von  ganz  demselben  Habitus  wie  wir  ihn  SO.-wärts  gegen  die 
höhere  cambrische  Partie  zu  finden,  nebst  Quarziten,  welche  am 
Langen  Berge  eine,  auch  anderswo  wiederkehrende  eigenthümlich 
grobklastische  Beschaffenheit  haben.  Dass  bei  dieser  Wiederholung 

O o 

der  Schichtenfolge  beiderseits  der  Sattelbildung  im  Einzelnen  Ab- 
weichungen oder  Nicht-Correspondenzen  bezüglich  der  Mächtigkeit, 
und  der  Natur  und  Anordnung  der  Einlagerungen  Vorkommen, 
kann  nicht  befremden,  und  ebenso  wenig  liegt  etwas  Wider- 
sprechendes darin,  dass  das  Einfallen  nicht  etwa  beiderseits  vom 
Sattel  abfallend  sich  zeigt,  sondern  über  grössere  Strecken  con- 
stant  bleibt  und  nur  local  oder  strichweise  wechselt. 

Wir  behandeln  nun  zunächst  die  einzelnen  Zonen  von  unten 
aufwärts , nach  ihrem  hauptsächlichen  Schiefergestein  und  ihren 
besondern  Eigentümlichkeiten  Q ; alsdann  die  Einlagerungen  be- 
sonderer Natur,  welche  in  den  verschiedenen  Zonen  wiederkehren. 
Hieran  hat  sich  eine  Besprechung  der  Lagerungsverhältnisse  zu 
schliessen;  welcher  sich  einige  Worte  in  Betreff  der  Bildungsvor- 
ffänge  dieser  Sedimente,  sowie  über  die  äussere  Erscheinung;  des 
Schiefergebirges  zum  Schlüsse  anreihen  würden. 


Schiefer  der  pfoylütischen  Zone. 

Die  Gesteine  unserer  phyllitischen  Schieferreihe  sind  zunächst 
Phyllit  an  sich,  und  sodann  verschiedene  Modificationen,  welche 
hervorgehen  aus  einer  schichtigen  Verwachsung  von  Phyllit  mit 
Quarz  und  Quarzit;  Schiefergesteine,  welche  wir  als  Quarz- 

*)  Bezüglich  der  vielen  Analogien,  welche  hierbei  mit  den  entsprechenden 
Schieferzonen  des  Fichtelgebirges,  des  Vogtland  es  und  Sachsens  hervor- 
treten, können  wir  ganz  im  Allgemeinen  auf  die  geognostische  Beschreibung  cles 
Fichtelgebirges  von  Gümbee  und  die  Erläuterungen  zu  den  betreffenden  Sectionen 
der  neuen  Specialkarte  von  Preussen  mit  den  thüringischen  Staaten,  und  vom 
Königreich  Sachsen  verweisen. 


der  cambrisch- phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


185 


Phyll it,  Pliyll  i t-Quarzit  und  Pliyllit-Quarzitsch iefer  be- 
zeichnen wollen.  Diese  kieselreichen  Phyllite  überwiegen  in 
unserem  Schiefergebirge  vor  dem  einfachen  Phyllit,  mit  dem  sie 
übrigens  in  engem  Wechsel  verbunden  und  verwachsen  Vorkommen 
können.  Die  meisten  hierhergehörigen  Schiefer  sind  enggefaltet 
und  gefaltet  und  erlangen  hierdurch,  wie  durch  ihren  phyllitischen 
Glanz  und  ihre  sonstigen  petrographischen  Eigenthümlichkeiten 
einen  Habitus,  der  sie  im  Handstück  und  Fragment,  wie  im  an- 
stehenden Fels  von  den  jüngeren  cambrischen  Thonschiefern  unter- 
scheiden lässt. 

Wir  gebrauchen  die  Bezeichnung  Phyllit- Quarzit  und  bei 
stärker  vortretender  schieferiger  Structur  Phyllit-Quarzitschiefer 
für  jene  kieselreichen  phyllitischen  Schiefer,  bei  welchen  fettglänzen- 
der oder  weisser  Quarz  als  solcher  nicht  deutlich  hervortritt,  und 
deren  Zusammensetzung  also  auf  Phyllit  und  Quarzit  in  äusserst 
feinem  Wechsel  herauskommt1);  die  Bezeichnung  Quarz-Phyllit 
dagegen  für  jene  sehr  verbreitet  auftretenden  Varietäten,  welche 
fettglänzenden  oder  weissen  Quarz  kenntlich  enthält.  Hier  bildet 
der  Quarz  dickere  und  dünnere  Platten  und  Lagen,  und  solche 
dem  Phyllit  schichtig  eingeschaltete  Quarzitzwischenmassen  haben 
gewöhnlich  die  Tendenz  anzuschwellen  und  seitwärts  abzunehmen 
und  sich  zu  verlieren,  wodurch  sie  die  Form  flacher  bis  sehr 
flacher  Sphäroide  oder  Linsen  annehmen,  die  auf  dem  Querbruch 
als  Adern,  Schnüre,  Knoten,  Flammen  etc.  erscheinen,  und  wie 
die  einschliesseuden  Phyllitstraten  mannichfach  gebogen  und  ge- 
knickt sind.  Ausserdem  noch  findet  sich  der  Quarzgehalt  auch 
vielfach  in  dickem  bis  sehr  dicken  Linsen  und  Knauern  ange- 
häuft; sie  sind  meist  flaust-  bis  kopfgross,  können  aber  noch 


Q Derartige  Phyllit  - Quarzite  oder  -Quarzitschiefer  stehen  z.  B.  wiederholt 
an-  der  S. -Seite  des  ßiberthales  an,  so  besonders  an  dem  Wege  von  der  Crocker 
Schneidmühle  nach  der  Höhe  W.  vor  Waffenrod;  sie  sind  hier  eben-  und  dünn- 
schieferig. Je  nach  der  mehr  oder  minder  enge  sich  wiederholenden  Interposition 
der  immer  dünnen  Phyllitlagen  zwischen  den  Quarzitlagen  giebt  sich  auf  dem 
Querbruch  eine  wechselnde  Bänderung  oder  Streifung  zu  erkennen.  — Aus  dem 
Umstande,  dass  gerade  diese  Strecke  sich  durch  sehr  guten  Waldbestand  aus- 
zeichnet, möchte  man  fast  auf  die  Beimengung  fein  vertheilter  feldspathiger  Sub- 
stanz schliessen. 


186 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


bedeirtendere  Dimensionen,  etwa  bis  1 Meter  Durchmesser  er- 
reichen. 

Die  genannten  phyllitischen  Varietäten  gehen  indess  sehr  in 
einander  über. 

Die  Quarzmasse  der  dicken  Linsen  und  Knauer  ist  fest 
mit  Phyllitschalen  umwachsen  und  vielfach  auch  von  Phyllit  flaserig 
durchzogen  (reiner  Phyllit  oder  kieselreicher  Phyllit,  je  nach  der 
Umgebung).  Sehr  gewöhnlich  ist  die  Vergesellschaftung  dieses 
Linsenquarzes  mit  mehr  oder  minder  reichlich  vorhandenem  Feld- 
spath  von  noch  zu  untersuchender  Natur;  der  Quarz  ist  dabei  in 
trum  - oder  breccienartiger  Weise  vom  Feldspath  durchwachsen, 
auch  dringt  der  letztere  wohl  in  die  anhaftenden  phyllitischen  Scha- 
len ein;  auch  kommt  es  vor,  dass  Quarz  und  Feldspath  mehr 
schichtweise  oder  in  unregelmässig  in  einander  verschwimmenden 
Lagen  wechseln,  wodurch  ein  Ansehen  entsteht,  welches  dem 
mancher  Porphyroide  sich  nähert.  Chlorit,  wohl  secundärer  Ent- 
stehung ist  ebenfalls  ein  fest  constanter  Begleiter  der  genannten 
Mineralien;  man  bemerkt,  dass  er  besonders  an  der  Grenze  von 
Quarz  mit  dem  einschliessenden  oder  in  Flasern  durchziehenden 
Phyllit  angehäuft  ist.  Wiederholt  wurde  auch  in  diesen  Quarz- 
knauern das  Vorkommen  von  weissem  Glimmer  beobachtet,  der 
zum  Theil  individualisirt,  zum  Theil  in  zusammenhängende  Häute 
verwoben  erschien;  da  letztere  sich  auf  unregelmässig  verlaufenden 
Fugen  der  Quarzknauer  vorfanden,  an  denen  Ablösung  stattfand, 
so  kann  an  secundäre  Entstehung  dieses  Glimmers  gedacht  werden. 
Im  eigentlichen  Phyllitgestein  jedoch  scheinen  weisse  Glimmer- 
blättchen, die  mit  blossem  Auge  sichtbar  wären,  zu  fehlen  Q. 

x)  Bei  ganz  frischem  Zustand  des  Gesteins  ist  der  Quarz  dieser  Linsen  und 
Knauer  des  Phyllits  stark  fettglänzend,  rauchgrau  und  durchscheinend.  Vielleicht 
nur  durch  Vermehrung  der  ihn  durchsetzenden  Sprünge  erscheint  er  beim  ab- 
gewitterten Gestein  mehr  weiss.  Auch  der  Phyllit  selbst  erscheint  in  ganz  fri- 
schem Zustand  um  mehrere  Nuancen  dunkeier  als  nach  Einwirkung  der  Atmo- 
sphärilien. Unter  den  primären  Bestandtheilen  dieser  Quarzeinschlüsse  des 
Quarz-Phyllites  ist  auch  der  Schwefelkies  zu  nennen ; auf  ihn  sind  die  Eisenrost- 
flecken und  -putzen  zurückzuführen,  welche  sich  alsbald  einstellen,  wenn  frisch 
gebrochenes  Gestein  eine  Zeit  lang  an  der  Luft  gelegen  hat.  ■ — Die  Quarzknauer 
und  sonstigen  Quarzeinschlüsse  des  Phyllits  bilden  einen  ansehnlichen  Theil 
seiner  Residuen  im  Verwitterungsboden. 


der  cambrisch- phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


187 


Gute  Aufschlüsse  in  den  Schichten  der  phyllitischen  Zone, 
besonders  des  Quarz  - Phyllits  bieten:  das  Oelzethal  vom  Ausgang 
des  Bocksbaches  aufwärts,  an  der  Landstrasse  (Sectionen  Masser- 
berg  und  Breitenbach);  die  Landstrasse  von  Oelze  nach  Breiten- 
bach, die  Strasse  an  der  Mühlleite  von  Schwarzmühl  nach  Böhlen 
(beide  auf  S.  Breitenbach);  das  Biberthal,  im  Thalgrund  an  der 
Landstrasse  und  aufwärts  an  den  Gehängen  der  N. -Seite,  nach 
Schnett  und  Heubach  zu  (Section  Eisfeld);  ausgezeichnet  und 
typisch  stehen  auch  diese  Gesteine  an  bei  Ernstthal  im  Schleuse- 
thal, besonders  am  Bach  selbst  (Section  Masserberg).  — Das  Ge- 
stein ist  in  seiner  quarzreichen  Ausbildung  zu  Felsbildungen  ge- 
neigt-, wie  z.  B.  an  mehreren  Stellen  des  Biberthaies. 

Bis  jetzt  nur  an  einigen  wenigen  Stellen  dicht  bei  Ernstthal 
(Bl.  Masserberg)  wurde  eine  ganz  besondere  phyllitische  Gesteins- 
modification  beobachtet,  die  darin  besteht,  dass  in  enggefälteltem, 
quarzfreiem  Phyllit  krystallinisch  aussehende  Calcitkörnchen  ent- 
halten sind;  durch  Verwitterung  verschwinden  sie  und  hinterlassen 
dunkel  rostbraune  Poren;  also  eine  Art  Kalk -Phyllit  (entspre- 
chend einem  Kalk  - Glimmerschiefer)  Q. 

x)  Anmerkungsweise  seien  liier  noch  die  bis  jetzt  nur  vom  Kirchberg  bei 
Böhlen  (Bl.  Breitenbach)  bekannten  Kupfererz  haltigen  Einlagerungen  des 
Quarz  - Phyllites  erwähnt.  Soviel  sich  an  den  wenigen  noch  zugänglichen  Auf- 
schlüssen erkennen  lässt,  besteht  das  Vorkommen  in  grossen  Knauern  oder  un- 
regelmässig linsenförmig  gestalteten  Massen  von  Quarz  und  einem  Carbonat  in 
inniger  Verwachsung,  welche  Kupferkies  und  vielleicht  noch  anderes  Kupfererz 
eingesprengt  enthalten,  daneben  auch  von  Flasern  und  Häuten  eines  seric.itischen 
Minerals  durchzogen  sind.  Nach  aussen  sind  sie  mit  phyllitischen  Schalen  ver- 
wachsen und  durch  diese  mit  dem  sie  einschliessenden  Phyllit  und  Quarz -Phyllit 
verbunden.  Solcher  Knauer  und  Linsen  scheinen  sich  in  derselben  Schichtfläche 
oft  viele  gedrängt  aneinander  zu  schliessen  und  in  einander  zu  verschmelzen ; 
doch  ist  das  ganze  Vorkommen  auf  eine  nur  einige  hundert  Schritt  breite  Zone 
an  der  Südseite  des  genannten  Berges  beschränkt,  innerhalb  deren  eine  gewisse 
Anzahl  solcher  Kupfer  führenden  Schichten  enthalten  sind.  Das  erwähnte  Car- 
bonat bewirkt  beim  Verwittern  eine  ockerfarbige  Rinde,  hiernach  und  nach  dem 
Verhalten  zu  Säure  scheint  es  eisenhaltiger  Dolomit  zu  sein,  wenigstens  zum 
Theil.  Das  Kupfererz  findet  sich  meist  in  Malachit  verwandelt.  Ausserdem 
kommt,  ebenfalls  wohl  secundär  aus  der  Zersetzung  des  Kupferkieses  entstanden, 
Rotheisen  und  Eisenglanz,  vielfach  als  Anflug,  Rinden  etc.  vor.  Wiederholt  sind 
auf  dieses  Kupfervorkommen  ohne  lohnenden  Erfolg  bergmännische  Unternehmun- 
gen gegründet  worden. 


188 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


Wir  ergänzen  unsere  Mittheilnngen  über  die  Schiefergesteine 
der  phyllitischen  Zone  noch  durch  die  Bemerkung,  dass  sich  auch 
innerhalb  dieser  Zone  an  manchen  Orten  solche  Schiefer  vorfinden, 
welche  mehr  denen  der  nächstfolgenden  Zone  (der  halbphylliti- 
schen  und  zum  Tlieil  feldspathhaltigen  Schiefer)  gleichen,  als  den 
normalen  phyllitischen;  und  dass  an  der  südöstlichen  wie  nordwest- 
lichen Grenze  der  Phyllitzone  ein  sehr  allmählicher  U ebergang  zur 
folgenden  Zone  und  Wechsellagerung  der  beiderseitigen  Schiefer 
auf  längere  Erstreckung  stattfinden  kann  (so  in  der  Gegend  von 
Waffenrod  u. s. f.  bei  Eisfeld;  ebenso  bei  Altenfeld  und  Breitenbach). 

Engfaltung  der  phyllitischen  Schiefer.  In  weit  höhe- 
rem Grade  als  dies  bei  den  cambrischen  Thonschiefern  der  Fall, 
erscheinen  die  Strafen  der  phyllitischen  Zone  unseres  Gebirges 
zusammengebogen  und  gefaltet,  und  zwar  prävalirt  im  Ansehen 
des  Gesteins  meisthin  Engfaltung  und  Kleinfaltung  in  auffälliger 
Weise,  während  weiter  ausholende  Falten  fast  weniger  als  bei  dem 
Thonschiefer  zu  Gesicht  kommen.  Die  Faltung  stellt  sich  öfters 
so  dar,  dass  man  verschiedene  Grade  oder  Ordnungen  unter- 
scheiden kann,  von  den  grösseren  Biegungen  derart  abwärts  bis  zu 
kleinsten  Fältchen  und  feiner  Fältelung:  auf  eine  grössere  Falte 
kommen  mehrere  kleinere  und  so  fort.  Besonders  tritt  diese  Aus- 
bildung da  in  ausgeprägtester  Weise  hervor,  wo  die  Falten  im 
Allgemeinen  flach  verlaufen;  der  Gesammteindruck , den  solche 
phyllitische  Strafen  machen,  ist  der  eines  fortgesetzten  Wellen- 
verlaufes, einer  Wellung,  Kräuselung  und  Runzelung  bis  in 
die  kleinsten  Theile. 

Hierbei  kann  sich  auch  noch  das  Verhalten  geltend  machen, 
dass  die  flach  verlaufenden  Falten  fast  durchweg  einer  gewissen 
Einfallebene  folgen  (resp.  mit  einem  grösseren  Theile  ihrer  Fläche 
eine  solche  tangiren,  so  dass  sich,  wenn  man  letztere  substituirt, 
für  diese  Schiefer  trotz  der  fortgesetzten  Faltung  doch  ein  be- 
stimmtes Einfallen  angeben  lässt x).  Sehr  schön  sind  phyllitische 

x)  Man  kann  bei  diesen  Schiefern  bei  der  hundertfältig  wiederholten  Faltung 
und  Fältelung  eigentlich  nicht  mehr  von  einem  Streichen  und  Fallen  der  Straten, 
sondern  nur  von  einem  Streichen  der  Faltenrichtungen  und  einem  Streichen  und 
Fallen  der  Axenebenen  der  Falten  reden. 


cler  cambrisch - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


189 


Schiefer,  welche  sich  in  erwähnter  Weise  verhalten,  aufgeschlossen 
im  Oelzethal,  abwärts  von  Altenfeld  (Section  Masserberg).  Das 
Einfallen,  in  angegebener  Weise  zu  verstehen,  ist  hier,  wie  in  der 
ganzen  umgebenden  Gebirgspartie,  steil  nordwestlich.  Man  beob- 
achtet hier  ferner,  dass  Falten  und  Fältchen  verschiedener  Ord- 
nung, besonders  die  feineren  einen  ziemlich  parallelen  Verlauf  ein- 
halten,  der  gewöhnlich  nach  der  einen  oder  andern  Seite,  doch 
nicht  viel,-  von  der  Horizontalen  ab  weicht.  Die  feinsten  Falten, 
oder  diejenigen  letzter  Ordnung  sind  zugleich  das,  was  meistens 
als  Fältelung  bezeichnet  wird. 

Am  vollkommensten  zeigt  sich  diese  bis  in’s  Feinste  ausge- 
bildete Faltung  bei  den  rein  phyllitischen,  weichen  Schiefern, 
denen  sich  die  aus  wechselnden  Phyllit  - und  äusserst  dünnen 
Quarzlagen  zusammengesetzten  Quarz-Phyllite  und  Phyllit-Quarzite 
anschliessen ; auch  diese  können  zum  Theil  noch  sehr  eng  gefaltet 
sein,  wie  z.  B.  an  der  oben  bezeichneten  Localität  und  sehr  schön 
auch  bei  Unterneubaum  und  Ernstthal  im  Schleusethal.  Ueber- 
haupt  pflegt  bei  den  Quarz  - Phylliten  die  Zusammenfaltung  schon 
recht  eng  zu  werden,  wie  dies  namentlich  bei  jener  Gesteins- 
modification  so  häufig  zu  sehen  ist,  wo  der  in  Form  von  dickem 
und  dünnem,  vielfach  sich  auskeilenden  Platten  und  flachen  Linsen 
vorhandene  Quarz  auf  dem  Querbruch  als  hin  und  her  gebogene 
und  gestauchte,  anschwellende  und  abnehmende  Adern,  Schnüre 
und  Flammen,  hell  zwischen  der  dunkeln  phyllitischen  Masse  her- 
vortritt, deren  mannichfaclie  Biegungen  und  Faltungen  mitmachend. 

Ein  und  dieselbe  Faltenbieguna:  lässt  sich  bei  den  dünn- 
schichtigen  Modificationen  der  phyllitischen  Schiefer  oft  durch  eine 
ganze  Reihe  von  S traten  hindurch  mit  dem  Auge  verfolgen.  — 
Uebrigens  sind  die  Strafen  der  phyllitischen  Schiefer  sehr  gewöhn- 
lich, wie  auch  die  Thonschiefer,  doppelt  gekrümmt,  so  dass  nicht 
nur  in  senkrechten,  sondern  auch  in  horizontalen  Durchschnitten 
F altenbiegungen  erscheinen. 

Wenn  auch  Transversalschieferung  in  dem  Complex 
dieser  phyllitischen  Schiefer  nicht  gänzlich  abwesend  ist,  so  tritt 
sie  doch  im  Allgemeinen  sehr  wenig  hervor  und  fehlt  oft  ganz; 
und  es  bedingt  gerade  dieses  Verhalten  neben  den  petrograplii- 


190 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


sehen  Eigentümlichkeiten  und  der  engen  Zusammenfaltung  einen 
nicht  unwichtigen  und  unwesentlichen  Unterschied  dieser  Schiefer- 
zone von  den  höhern  cambrischen  Thonschiefern.  Es  bezeichnet 
in  der  That  ein  völliges  Fehlen  transversaler  Schieferung,  wenn 
sich,  wie  es  mitunter  beim  Phyllit  und  Quarz  - Phyllit  möglich 
ist,  wellenförmig  gebogene  Schalen  und  Scherben  ganz  aus  dem 
Gesteinsverbande  herauslösen  lassen. 

Dennoch  findet  sich  gar  nicht  selten  eine  unverkennbare  An- 
deutung, ein  Beginn  von  Transversalschieferung  bei  den  Phylliten 
und  Quarz -Phylliten  in  der  Erscheinung,  dass  die  geraden  Stücke 
oder  Schenkel  enger,  gewöhnlich  einer  ganzen  Anzahl  aufeinander 
folgender  Strafen  ungehöriger  Falten  und  Fältchen  von  einer  oder 
mehreren  kleinen  Verwerfungen  und  Verschiebungen  betroffen  sind, 
welche  in  der  Richtung  der  Faltenaxen  liegen  und  somit  ein  ge- 
wisses Verlängern  und  Ausziehen  der  Falte  in  dieser  Richtung 
bedingen.  (Kleine  Faltenverwerfungen.)  Es  ist  diese  Erschei- 
nung offenbar  der  Ausdruck  eines  seitlichen  Ausweichens  vor  dem- 
jenigen Drucke,  welcher  zunächst  die  Faltung  und  Engfaltung 
bewirkte  und  in  letzter  Instanz  bei  fortgesetzter  Wirksamkeit,  als 
keine  weitere  Zusammenfaltung  mehr  möglich  war,  ein  ausweichen- 
des Gleiten  der  Gesteinsmasse  zuwege  brachte;  gerade  wie  bei 
der  eigentlichen  Transversalschieferung,  nur  dass  bei  dieser  das 
Gleiten  in  unendlich  nahe  gelegenen  Parallelebenen  stattfand, 
dort  aber  nur  in  einer  geringeren  Zahl  von  Parallelflächen.  An 
abgewitterten  Wänden  derartiger  phyllitischer  Schiefer  wird  er- 
wähnte Erscheinung  manchmal  noch  besonders  deutlich  dadurch, 
dass  ein  Ablösen  der  Gesteinsmasse  längs  solcher  Verschiebungs- 
flächen  stattgefunden  hat. 

o 


Schiefer  der  älteren  cambrischen  (halbphyllstischen)  Zone. 

Allgemeine  Andeutungen  über  diese  Zone,  die  sich  zwischen 
der  deutlich  phyllitisclien  Reihe  einerseits  und  den  cambrischen 
Thonschiefern  und  Quarziten  andererseits  hinzieht,  sind  schon  oben 


der  cambriscli  - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


191 


gegeben,  und  ist  auch  bereits  bemerkt  worden,  dass  von  den 
eigentlmmlichen  Schiefergebilden  derselben  viele  am  meisten  Ver- 
wandtschaft zu  besitzen  scheinen  mit  gewissen  extremen  Modi- 
ticationen  der  schieferigen  Porphyroide.  Letztere  Anschauung  hat 
sich  erst  allmählich,  nach  länger  fortgesetzten  Specialaufnahmen 
befestigt.  Sie  gilt  zunächst  für  gewisse  grobgemischte  Varietäten 
der  in  Rede  stehenden  Schiefer,  deren  Bestandtheile  leicht  zu  er- 
kennen sind;  aber  die  Uebergänge  von  den  groben  zu  den  feinem 
und  feinsten  Mischungen  sind  so  zahlreiche  und  allmähliche,  dass 
auch  letztere  unter  denselben  Gesichtspunkt  fallen  dürften. 

Ein  gewisses,  klastisch  erscheinendes  Ansehen  ist  sehr  vielen 
dieser  Schiefer  eigen;  manche  feiner  gemischte  erinnern  an  Grau- 
wacke und  Grauwackenschiefer  Q ; und  wenn  nun  auch,  wie  bereits 
angedeutet,  chemischen  Einwirkungen  oder  Umwandlungen  auf 
diagenetischem  (oder  wenn  man  vorziehen  sollte  metamorphischem 
Wege)  bei  der  endlichen  Ausbildung  dieser  Gesteine  ein  noch  so 
grosser  Spielraum  vergönnt  wird,  so  möchten  wir  doch  nach  näherer 
Prüfung  einer  Reihe  von  Proben  einen  klastischen  Zustand  für 
viele  ihrer  Bestandtheile  annehmen,  in  welchem  sie  in  die  Gesteins- 
mischung eingetreten  sind;  eben  dies  wiederholt  sich  auch  bei 
manchen,  halb  felsitischen,  halb  schieferigen  porphyroidischen  Bil- 
dungen, worauf  wir  weiter  unten  zurückkommen  werden. 

In  grob  gemischten  hierhergehörigen  Schiefern  lassen  sich  er- 
kennen: Quarz,  zum  Theil  in  Körnern  von  anscheinend  mehr  oder 
minder  abgerollter  Form,  zum  Theil  aber  auch  in  etwa  flach  linsen- 
förmigen Partieen  und  Schmitzen;  Trümmer  von  Quarzit  und  von 
quarzitischem  und  phyllitischem,  gelegentlich  auch  wetzsteinartigem 
Schiefergestein,  denen  sich  hie  und  da  wohl  ein  Fragment  eines 
deutlich  feldspathführenden  Gesteins  (?  Porphyroid)  beimengt;  alles 
Elemente,  welche,  soweit  sie  wirklich  das  Wesen  von  Trümmern 

Einige  könnten  auch,  besonders  im  angewitterten  Zustand,  an  gewisse 
Tuffe,  Tuffseliiefer,  erinnern.  — 

Richter  »Thüringische  Porphyroide«  Programm  der  Realschule  zu  Saalfeld 
1871,  p.  7 gedenkt  ebenfalls  dieser  Schiefer  und  ihres  anscheinend  klastischen 
Habitus ; auch  er  deutet  auf  eine  Verwandtschaft  derselben  mit  porphyroidischen 
Gesteinen  hin. 


192 


H.  Louetz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


besitzen,  und  nicht  etwa  linsen-  oder  schmitzenförmig  gestaltete, 
oder  undeutlich  flaserig  angeordnete  Theile  des  Schiefers  sind, 
aus  nicht  weit  zurückliegenden  altern  Schichten  abgeleitet  werden 
können.  Nach  ihrer  Grösse  und  Form,  Mischung  und  Vertheilung 
besteht  selbst  bei  einzelnen  Vorkommnissen,  ja  Handstücken,  eine 
grosse  Maunichfaltigkeit.  Sehr  gewöhnlich  sind  diese,  wie  gesagt 
klastisches  Ansehen  besitzenden  Theile  durch  dunkele,  fast  schwarze 
Thonschiefermasse  gebunden,  welche  sich  einigermaassen  flaserig 
anlegt 1). 

Fundpunkte  solcher  grobgemischten  hierhergehörigen  Schiefer- 
gesteine sind  u.  a. : Der  Eggersberg  und  der  Grendel , auch  der 
Heuberg  (Blatt  Eisfeld);  Kalte  Herberge  (besonders  gegen  den 
Ivieslerstein  zu)  und  einige  andere  Punkte  der  Umgegend  von 
Katzhütte  im  Schwarzathal  (Blatt  Breitenbach),  u.  s.  f.  — In  den 
Seitenflächen  des  Gr.  Langenbachgrundes  (Blatt  Eisfeld)  wurden 
grobflaserig  struirte  Varietäten  als  Bachgeschiebe  gefunden,  die 
schon  mehr  an  gewisse  Schieferporphyroide  erinnern. 

Wie  gesagt,  ist  indess  bei  vielen,  hierhergehörigen  Schiefern 
die  Mischung  so  fein,  dass  sie  sich  mit  blossem  Auge  schwer 
erkennen  lässt.  Sie  dürfte  ihrer  Natur  nach  keine  andere  sein, 
als  da,  wo  sie  leichter  zu  erkennen  ist. 

Soweit  nun  wirklich  klastische  Bestandtheile  vorhanden  sind, 
muss  in  Betreff  der  Bildung  dieser  Gesteine  doch  wohl  an  Zer- 
störung älterer  oder  Wiederaufbrechen  frisch  abgelagerter  Schich- 
ten gedacht  werden,  deren  Trümmer  in  den  neuen  Verband  ein- 
gingen; dieselbe  Frage  wirft  sich  bei  einigen  breccieuartig  struir- 
ten  porphyroidischen  Vorkommnissen  auf;  überhaupt  kann,  wie 
gesagt,  unseres  Erachtens  die  Frage  nach  der  Entstehung  gewisser 
Schieferporphyroide  von  der  nach  der  Entstehung  obiger  Gesteine 
nicht  getrennt  werden. 

Im  Vorstehenden  ist  indess  nur  die  eine  Seite  des  eigenthüm- 
liehen  petrographischen  Charakters  der  Schiefer  der  in  Bede 

J)  Die  heterogenen  schieferigen  Theile  liegen  meist  flach  in  der  Schieferungs- 
richtung im  dunkeln  Thonschiefer;  möglich,  dass  durch  secundäre  Schieferung 
diese  Lagerung  noch  befördert  resp.  noch  etwas  modificirt  worden  ist,  besonders 
an  solchen  Stellen,  wo  beiderlei  Substanzen  etwas  in  einander  einzugreiien  scheinen. 


der  cambrisch - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen.  193 

stehenden  Zone  berührt  worden.  Die  andere  liegt,  wie  bereits 
eingangs  bemerkt,  darin,  dass  sich  sozusagen  das  phyl  litis  che 
Element,  welches  in  der  eigentlich  phyllitischen  Zone  erst  zum 
vollen  Ausdruck  gelangt,  schon  hier  in  grösserem  oder  geringerem 
Grade  geltend  macht.  Dadurch  gestaltet  die  Zone  sich  wahrhaft 
zu  einer  Uebera-anus-  oder  Vermittelungszone , von  der  der  cam- 
krischen  Thonschiefer  zu  jener  der  Phyllite  und  Quarzphyllite ; 
der  eigenthümliche  Habitus  der  oben  erwähnten,  feiner  gemischten 
Schiefer  wird  eben  vielfach  noch  durch  die  Interposition  dünner 
phyllitischer  Lagen  oder  Flasern  modificirt,  so  dass  sich  dem,  wie 
gesagt,  öfters  fast  klastisch  erscheinenden  Ansehen  im  Gegensatz 
dazu  ein  halb  phyllitisches  Ansehen  zugesellen  kann.  Dazu  kommt 
dann  noch  der  vielfache  Wechsel  mit  duukelem  Thonschiefer;  denn 
es  muss  wiederholt  werden,  dass  solcher,  von  ganz  gewöhnlicher 
Beschaffenheit,  normale  Zwischenschichten  jener  andern  Schiefer 
bis  weit  nach  unten  bildet , wie  dies  an  zahlreichen  Stellen  im 
Verlauf  der  Zone  deutlich  zu  sehen  ist. 

Im  Gebiet  des  oberen  Schwarzathaies  (Gegend  von  Goldis- 
thal,  Katzhütte  etc.)  grenzt  sich  die  Zone  nach  oben  und  unten 
besser  ab,  als  dies  im  Gebirge  nächst  Eisfeld  der  Fall  ist;  hier 
ist  es  in  der  That  nicht  möglich,  das  was  zwischen  den  unzweifel- 
haft noch  als  achter  Thonschiefer  mit  Quarzitzwisehenlagen  zu 
bezeichnenden  Schieferpartien  des  Werragrundes  und  den  Quarz- 
phylliten  des  Bibergrundes  liegt,  durch  irgendwie  sichere  Grenz- 
linien abzuscheiden  1). 

Wenn  wir  die  Quarzphyllite  und  Phyllite  unserer  phyllitischen 
Zone  dem  jüngsten  der  krystallinischen  Schiefersysteme  einreihen, 
so  dürfen  wir  vielleicht  für  die  in  Rede  stehende  Zone,  respective 
für  manche  Schichten  derselben  — wie  sie  z.  B.  im  Grossenbacli- 
thal,  im  Grossen  und  Kleinen  Lauterbachgrund,  auf  den  Höhen 
bei  Waffenrod  u.  s.  w.  in  der  Eisfelder  Gegend  vorliegen  — den 
Ausdruck  » halbkr  ystal  linisch « oder  » semikrystallinisch  « 
brauchen,  den  man  schon  öfters  für  solche,  eine  Zwischenstellung 

x)  Auch  im  NW.,  in  der  Gegend  von  Breitenbach  und  Altenfeld  ist  die 
Grenze  zwischen  vorliegender  und  der  phyllitischen  Zone  nur  ganz  approximativ 
anzugeben. 


13 


194 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


einnehmende  Schiefergebilde  gebraucht  hat.  Man  könnte  für 
manchen  derselben  in  der  That  sagen,  dass  sie  »in  ihrem  petro- 
graphischen  Habitus  zwischen  Glimmerschiefer  und  Grauwacken- 
schiefer, zwischen  krystallinischem  und  klastischem  Wesen  schwan- 
ken,« wie  sich  Naumann  bei  der  Besprechung  der  ältesten  Sediment- 
formationen ausdrückt,  oder  dass  sie  etwas  vom  Ansehen  eines 
Phyllitcjuarzitschiefers  und  von  dem  eines  Grauwackeschiefers  be- 
sitzen 1). 

Mit  Zunahme  des  phyllitischen  Antheils  in  der  Zusammen- 
setzung: der  Schiefer  dieser  Zone  kann  sich  auch  im  äussern  An- 
sehen  der  Schichtung  und  der  Felsbildung  eine  Annäherung  an 

1 ) Lehrbuch  der  Geognosie,  II.  Aufl.  Bd.  II,  p.  44.  — Der  Ausdruck  »halb- 
krystallinisch«  erscheint  um  so  mehr  statthaft,  als  ja  auch  die  Gegenüberstellung 
der  »krystallinischen«  (archäischen)  und  der  nicht  krystallinischen,  paläozoischen 
Schiefer  auf  keinen  ganz  durchgreifenden  Unterschied  gegründet  ist,  und  letztere 
thatsächlich  kr y stallin ische  Elemente  besitzen.  » Halbkrystallinisch « bezeichnet 
eben,  dass  der  krystallinische  Habitus  für  das  Auge,  ohne  Zuhülfenahme  weiterer 
Untersuchungen  schon  zugenommen  hat. 

Der  phyllitische  Antheil,  welcher  diese  Zunahme  bei  unseren  Schiefern  be- 
dingt, ist  meist  in  sehr  dünnen,  zusammenhängenden  Lamellen  vorhanden,  welche 
sich  etwas  flaserig  um  die  vorwiegend  durch  Quarz  gebildeten  und  durch  kry- 
stallinisch  kieseliges  Bindemittel  verbundenen  körnigen  Gemengtheile  herumlegen; 
manchmal  ist  sie  auch  nur  in  schwächerer  Entwickelung  zwischen  durch  vorhan- 
den. Mitunter  mengen  sich  auch  feine  Flasern  dunkelen  Thonschiefers  ein  (ab- 
gesehen von  den  in  Wechsellagerung  zwischengeschichteten  Thonschieferlagen), 
so  dass  dieses  nebeneinander  Erscheinen  von  Phyllit  und  Thonschiefer 
für  diese  Zone  sehr  bezeichnend  wird.  So  erscheinen  denn  auch  innerhalb  dunkeier 
Thonschieferlagen  hier  manchmal  phyllitisch  aussehende  Zwischenhäute.  — Feine 
weisse  Glimmerblättchen,  wohl  zu  unterscheiden  von  der  phyllitischen  Zwischen- 
masse sind  bald  nur  sparsam,  bald  etwas  reichlicher  ebenfalls  vorhanden,  ganz 
wie  in  den  höheren  cambrischen  Thonschiefern  und  Quarziten;  vielleicht  gehören 
sie  zu  den  ursprünglich  klastischen  Bestandtheilen , ebenso  wie  die  öfters  sich 
beimengenden,  anscheinend  abgerollten,  meist  etwas  grösseren  und  anders  gefärb- 
ten Quarzkörner.  (Vorkommnisse  der  Gegend  von  Waffenrod  und  Einsiedel,  z.  B. 
am  Blassenberg.)  Deutlichere  Beimengung  feldspathiger  Partikel  bewirkt  einen 
Uebergang  zu  gneissartigem  Gestein  (z.  B.  der  Schiefer  der  Höhe  W.  beim 
trigonom.  Signal,  bei  Hinterod,  welcher  sich  etwa  als  »dünnschieferiger  Phyllit- 
gneiss«  bezeichnen  lässt).  — 

Vielleicht,  dass  sich  in  den  von  Gümbel  1.  c.  p.  878  aus  der  untersten  cam- 
brischen, respective  Uebergangszone  zum  Phyllit,  im  Fichtelgebirge,  erwähnten 
Schiefergesteinen  Analogien  zu  den  eigenthümlichen  Schiefern  unserer  Ueborgangs- 
zone  wiederlinden. 


der  cambrisch  - phyllitischen  Schiefer  reihe  in  Thüringen. 


195 


die  Zone  der  Phyllite  und  Quarzphyllite  anbahnen,  wie  sich  dies 
in  dem  Gebirge  nächst  Eisfeld  geltend  macht.  Die  Schichtung 
nimmt  daselbst  mehr  und  mehr  das  enggefaltete,  zusammengestauchte 
Wesen  an,  welches  in  der  rein  phyllitischen  Zone  erst  völlig  zur 
Geltung  kommt;  und  wie  dort  fehlt  Transversalschieferung  oder 
ist  in  ihrer  Unabhängigkeit  vom  Schichtenverlauf  nur  unter  be- 
sonders günstigen  Umständen  zu  beachten. 

In  der  Partie  des  oberen  Schwarzathaies  zeigen  die  Schiefer 
dieser  Zone  durchweg  mehr  ebenen  als  gewundenen  Schichten- 
verlauf und  scheinen  nicht  von  Transversalschieferung  afficirt.  In 
dem  schichtigen  Wechsel  mit  dunkelem,  öfters  etwas  stärker  glän- 
zenden Thonschiefer  tritt  mitunter  eine  gewölbt  sclialige,  grosse 
und  sehr  flach  flaserige  Anordnung  hervor.  Schichtignormale 
Einschlüsse  von  weissem  Quarz  sind  in  dieser  Gegend  sehr  ver- 
breitet; sie  haben  die  Gestalt  grosser,  flacher  Linsen  oder  an  den 
Rändern  sich  ausspitzender  unregelmässiger  Scheiben,  welche  con- 
fonn  der  Schichtung  zwischen  dem  Schiefer  liegen  und  fest  mit 
demselben,  d.  h.  zunächst  mit  dunkelen,  glänzenden  Thonschiefer- 
schalen verwachsen  sind.  Sie  werden  1 und  mehrere  Meter  lang 
und  sind  im  Verhältniss  zum  Durchmesser  immer  sehr  dünn, 
können  aber  abwechselnde  Anschwellungen  und  Zusammenziehun- 
gen zeigen.  Sie  sind  eine  analoge  Erscheinung  wie  die  Quarz- 
knauer etc.  des  Quarzphyllits  und  die  gleichfalls  als  schichtige 
Zwischenlagen  auch  im  höheren  cambrischen  Thonschiefer  wieder- 
kehrenden Quarzmassen.  Im  Gegensatz  zu  den  Quarzknauern  des 
Quarzphyllits  wurde  bei  diesen  grossen  flachen  Quarzeinschlüssen 
kaum  einmal  die  Anwesenheit  von  Feldspatli  neben  dem  Quarz 
beobachtet. 

Im  Vergleich  zu  den  höheren  cambrischen  Thonschiefern  sind 
die  Schiefer  dieser  Zone  meistens  fester  und  leisten  der  Verwitte- 
rung grösseren  Widerstand.  Wo,  wie  in  der  Gegend  von  Katz- 
liütte  beiderlei  Zonen  ziemlich  gut  auseinanderzuhalten  sind,  macht 
sich  dies  Verhalten  im  Bereich  des  Kulturbodens  sehr  bemerklich, 
durch  die  grosse  Menge  von  Feldsteinen  und  Lesesteinhaufen, 
welche  die  halbkrystallinischen  Schiefer  im  Vergleich  zum  weichen 
cambrischen  Thonschiefer  liefern. 


13 


196 


H.  Lorutz  , Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


Es  muss  schliesslich  betont  werden,  dass  das  Vorkommen  der 
oben  kurz  beschriebenen  ei o-enthümli chen  Schieferefebilde  keines- 
wegs  ausschliesslich  auf  die  in  Rede  stehende  Zone  beschränkt 
ist;  sie  reichen  im  Gregentheil  als  vereinzelte  Zwischenschichten, 
z.  Th.  sogar  in  stärkeren  Folgen  einerseits  in  den  Bereich  der  cam- 
brischen  Thonschiefer  hinauf,  andererseits  in  den  der  pliyllitischen 
Zone  hinab1). 


Cambrischer  Thonschiefer. 

Wie  bereits  angedeutet  sind  die  Wechsel  in  Färbung  und 
sonstiger  Beschaffenheit,  welche  sich  in  verschiedenen  Strichen  des 
Gesammtbereiches  der  cambrischen  Thonschiefer  geltend  machen, 
immerhin  so  wenig;  durchgreifend  und  constant,  und  noch  weniger 
in  durchlaufenden  Zonen  der  Streichrichtung  nach  anhaltend,  dass 
es  nicht  möglich  war,  bestimmte  Unterabtheilungen  darauf  hin  zu 
unterscheiden. 

So  z.  B.  stellt  sich  im  südlichen  Theil  unseres  Gebietes,  in 
der  Gebirgspartie,  die  zwischen  dem  obersten,  in  OW.-  Richtung 
verlaufenden  Schwarzathal  und  dem  südwestlichen  Schiefergebirgs- 

o o 

rande  gelegen  ist,  vom  Saargrund  oder  schon  vom  Blessberg  bis 
zum  Werragrund  und  darüber  hinaus  vorherrschend  dunkeiere  bis 

O 

ganz  dunkele  Färbung  des  Thonschiefers  und  z.  Th.  auch  seiner 


x)  So  finden  sich  in  einigen  Seitentliälern  des  oberen  Schwarzatlials,  zwischen 
Scheibe  und  Langenbach,  z.  Th.  schon  vereinzelt  ganz  dieselben  grobgemischten 
Schiefermodificationen  wie  an  den  oben  genannten  Bergen  bei  Eisfeld  ( Grendel, 
Eggersberg  etc.)  zwischen  grauem  Thonschiefer.  Für  das  Auftreten  als  verein- 
zelte Zwischenschichten  spricht  hier  der  Umstand,  dass  man  solche  Gesteine  kaum 
einmal  anstehend,  gewöhnlich  als  Bachgeschiebe  oder  im  Gehängeschutt  findet, 
was  übrigens  z.  Th.  auch  noch  im  Bereich  der  älteren  Zone  zutrifft.  (Bachge- 
schiebe der  Seitenbäche  im  Gr.  Langebachgrund  z.  B.) 

An  der  Kohlleite  und  bei  Rauenstein,  sowie  noch  an  anderen  Stellen  des 
südwestlichen  Schiefergebirgsrandes,  besonders  an  ersterer  Localität  (Section 
Steinheid),  finden  sich  feiner  gemischte  hierhergehörige  Varietäten  im  Bereich  der 
graugrünen  cambrischen  Thonschiefer. 


der  cambrisck - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


197 


Quarzitzwischenschichten  ein  1 ) ; daneben  aber  findet  sich  im 
ganzen  Habitus  des  Gesteins  und  in  vielen  Einzelheiten  (Art  des 
Zerfallens,  Beschaffenheit  der  Schichtflächen  etc.)  soviel  Verwandt- 
schaft mit  dem  mehr  verbreiteten  graugrünen  Schiefer,  dass  schliess- 
lich eben  nur  die  dunkele  Färbung  als  unterscheidendes  Merkmal 
übrig  bleibt,  und  selbst  diese  kann  local  wieder  fehlen;  so  dass 
der  Versuch,  aus  dieser  Partie  eine  besondere  Zone  zu  construiren, 
zu  keinem  Resultate  führt.  Schreiten  wir  in  NO. -Richtung,  im 
Streichen  weiter,  so  kommen  wir  ans  genannter  Partie  wieder  in 
Regionen,  wo  der  gewöhnlichere,  hellere  Schiefer  herrscht  (Wurzel- 
herg2),  Lindig),  und  dies  bleibt  so  auch  weiterhin  nach  NO.  So 
wenig  wie  die  genannte  und  andere  noch  geringere  Farbennüancen, 
kann  auch  ein  stellenweise  stärker  hervortretender  phyllitischer 
Glanz  des  Thonschiefers  zn  irgend  einer  Unterscheidung  bestimmter 
Untergruppen  verwerthet  werden. 

Die  weitaus  vorherrschende  Schieferart  des  cambrischen  Ge- 
bietes ist,  wie  gesagt,  der  graugrüne  — theils  mehr  grau,  theils 
mehr  grün  erscheinende  — Thonschiefer,  mit  seiner  so  gewöhnlich 
etwas  streifigen  Beschaffenheit  und  hie  und  da  hervortretender 
Tendenz  etwas  rauh  oder  quarzitisch  zu  werden.  In  grosser  Con- 
stanz  ist  derselbe  z.  B.  im  südlichen  Theil  des  Gebietes  von  der 
oberen  Grenze  des  Systems  bei  Augustenthal , Steinach,  Lauscha 
abwärts  bis  zu  einer  Linie  vom  Blessberg  über  Siegmundsburg 
entwickelt,  in  einer  Breite  von  3/4  bis  1 Meile3).  Nicht  anders 


*)  Besonders  dunkeier  Thonschiefer  steht  an : am  Rennsteig  zwischen  Friedrichs- 
höhe und  der  sog.  Ausspanne,  im  Werragrund  unterhalb  Sophienau  und  weiter 
aufwärts  (Frohnberg  und  Pechleite),  am  Weissberg,  im  Langenbachgrund  und  am 
Teichskopf  etc.  An  den  letztgenannten  Stellen  wird  der  dunkele  Thonschiefer 
z.  Th.  ein  wenig  dachschieferartig ; wirklicher,  hierhergehöriger  Dachschiefer 
von  jedoch  unbedeutender  Ausdehnung  befindet  sich  am  Grossenbach,  zunächst 
W.  vom  Werragrund,  nahe  dem  Thalausgang,  unweit  Eisfeld.  — Vergl.  Gümbel, 
1.  c.  p.  378. 

2)  Graugrüner  Thonschiefer,  ganz  von  der  Art,  wie  er  in  der  obersten  cam- 
brischen Schichtenfolge,  den  Phycodenschiefern,  entwickelt  ist,  kommt  auch  noch 
an  verschiedenen  Stellen  des  Wurzelberges  vor,  zum  Theil  nahe  der  Grenze  zur 
älteren  Schieferzone. 

3)  Doch  kann  auch  hier  local  die  Färbung  mehr  graublau,  ja  viel  dunkeier 
werden,  wie  im  Steinbachgrund,  einem  östlichen  Seitenthal  des  Theuerner  Grundes. 


198 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


verhält  es  sich  weiter  nordöstlich,  wo  sich  sein  Gebiet  von  der 
oberen  Grenze,  östlich  von  Lauscha,  Ernstthal,  Piesan  nach  NW. 
erstreckt,  über  Igelshieb  und  die  Partie  des  Cnrsdorfer  Forstes  bis 
zur  Grenze  der  nächst  älteren  Schieferzone,  etwa  h/j  Meilen  breit. 
Derselbe  Schiefer  reicht  dann  weiter  NO.-wärts  und  ist  in  den 
Gebirgspartien  bei  Weisbach,  im  Lichtethal  und  dem  unteren 
Schwarzathal  entwickelt1).  Zwischendurch  machen  sich  nur  gering- 
fügige Aenderungen  geltend:  so  ist  in  der  Partie  des  Neuhauser 
Forstes,  zwischen  dem  Rennsteig  und  Mittelbachsheide  die  Färbung 
mehr  lichtblaugrau,  ähnlich  wie  an  vielen  Stellen  der  Wurzelberg- 
partie, und  auch  sonst  mehrfach  wiederkehrend.  Wo,  wie  am 
Findig,  im  Frauenbach-  und  Katzethal,  viel  Quarzitlagen  schichtig 
mit  Thonschiefer  wechseln,  nimmt  die  Färbung  des  letzteren  meist 
einen  noch  dunkeieren  Ton  an2). 

Die  beim  cambrischen  Thonschiefer  so  gewöhnliche  Streifung 
oder  Bänderung  (sie  liegt  natürlich  in  der  Schichtrichtung  und 
tritt  auf  den  transversal  spaltenden  Schieferplatten  deutlich  hervor) 
wird  dadurch  bewirkt,  dass  weichere  Thonschiefermasse  mit  härterer 
etwas  mehr  quarzitischer  Masse  lagenweise  wechselt;  erstere  bildet 
die  meist  dunkeieren,  breiten,  letztere  die  helleren,  schmalen  Streifen. 

Diese  härtere  und  meist  lichter  gefärbte  quarzreichere  Zwischen- 
masse des  eigentlichen  Thonschiefers  erscheint  nun  nicht  immer 
in  parallelen  Bändern,  sondern  auch  in  knoten-  und  wulstartigen 

— Ganz  fremd  ist  ferner  dieser  Partie  auch  nickt  die  Zwischenschichtung  von 
Quarzitbänken  zwischen  Thonsckiefer , so  gegen  den  SW. -Rand,  in  der  Strecke 
von  Rauenstein  nach  Melchersberg. 

Q Auch  der  Schiefer  der  weiter  östlich  liegenden,  halbinselartig  zwischen 
jüngeren  Schiefern  auftretenden  cambrischen  Partie  von  Gräfentlial  und  Lauen- 
stein gehört  hierher. 

3)  Die  grünliche  Färbung  des  Schiefers  dürfte  chloritischer  Natur  sein;  mit- 
unter enthält  das  Gestein  kleine  grüne  Pünktchen  und  Knötchen,  wohl  stärkere 
Anhäufungen  dieser  Substanz.  Weisse,  leicht  sichtbare  Glimmerschüppchen  sind 
in  allen  hierhergehörigen  Schiefermodificationen  eine  gewöhnliche  Erscheinung. 
Sie  liegen  nicht  nur  auf  den  Schichtflächen,  sondern  auch  im  Innern  der  Gesteins- 
masse. Namentlich  sind  sie  auch  in  den  quarzitischen  Abänderungen  verbreitet. 

— Verschieden  von  diesen  Glimmerschüppchen  sind  die  hautartigen  Ueberzüge 
eines  Glimmerminerals  auf  Dislocationsflächen,  an  denen  Ablösung  stattfindet; 
dieser  Glimmer  scheint  secundärer  Entstehung  zu  sein. 


der  cambrisch-phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


109 


Formen,  welche  seitlich  in  Thonschiefer  übergehen  können,  in 
anderen  Fällen  sich  scharf  von  jenem  unterscheiden  und  loslösen 
lassen;  solch  eigenthümlich  knotige  und  wulstige  Beschaffenheit 
besonders  der  Schichtoberflächen  ist  für  viele  Lagen,  namentlich 
des  oberen  und  obersten  cambrischen  Schiefers  recht  charakte- 
ristisch und  tritt  besonders  beim  Zerfallen  des  Gesteins  hervor; 
sie  wiederholt  sich  indess  auch  noch  öfters  weit  ins  Liegende 
hinein 1). 

Schichtflächen  der  obersten  cambrischen  Thonschiefer,  der 
Phycodenschiefer,  wie  sie  nicht  selten  in  Steinbrüchen  entblösst 
werden,  zeigen  oft  die  Erscheinung  der  durch  Wellenwirkung  zu 
Stande  gekommenen  parallelen  Kippen  oder  Wülste  in  ausgezeich- 
neter Weise;  meist  sind  es  zwei  unter  spitzem  Winkel  sich  schnei- 
dende Systeme;  auf  den  grösseren  Wülsten  sind  meist  noch  klei- 
nere Fältchen  oder  Rippchen  und  unregelmässige  Knötchen  zu  be- 
merken 2). 

Mitunter  ist  auch  discordante  Paral  lelstructur  (diago- 
nale Schichtung)  in  den  einzelnen  Lagen  und  Bänken  an  der  An- 
ordnung der  verschiedenfarbigen  Streifen  in  mehreren,  gegenseitig 
sich  abschneidenden  Parallelsystemen  deutlich  zu  erkennen,  eine 
Structur,  die  übrigens  auch  sonst  wiederholt  in  sehr  alten  Schichten- 


*)  Dass  die  härtere,  quarzreiche  Zwischenmasse  des  Thonschiefers  bald  in 
Streifen,  bald  in  Knoten  erscheint,  liegt  z.  Th.  wohl  nur  in  geringen  Modificationen 
in  der  Art  der  Sedimentirung ; vielleicht,  dass  die  letzteren  aus  der  Umgestaltung 
von  gleichmässiger  ausgebreiteten  Sedimentlagen  unter  Vermittelung  von  Wellen- 
bewegung hervorgingen;  es  dürfte  dies  insbesondere  von  den  auf  der  Oberfläche 
der  Bänke  vortretenden  derartigen  Körpern  gelten.  — Wie  aber  in  vielen  Fällen 
ähnliche  Körper,  besonders  von  linsenförmiger  Gestalt,  rein  nur  auf  mechanischem 
Wege,  durch  Druck  von  zwei  Seiten  her  zu  Stande  gekommen  sind,  zeigt  Liebe 
sehr  klar  in  der  »Erläuterung  zu  Blatt  Zeulenroda«  der  geol.  Specialkarte  von 
Preussen  u.  d.  Thüring.  Staaten,  Berlin  1881,  p.  4. 

3)  Der  Vergleich  mit  ripple  mcirks  erscheint  hier  durchaus  zutreffend.  Diese 
welligen  Schichtoberflächen  setzen  jedenfalls  eine  gewisse  Unterbrechung  in  der 
Sedimentirung  voraus.  Sie  sind  insofern  von  den  genannten  härteren  resp.  mehr 
quarzitischen  Wülsten  und  Knoten  verschieden,  als  sie  aus  derselben  Thonschiefer- 
masse bestehen  können , wie  die  übrige  Masse  der  Schicht  oder  Bank.  Durch 
den  Einfluss  der  Transversalschieferung  kann  die  holperige  und  geriffelte  Be- 
schaffenheit der  Schichtoberfläche  noch  vergrössert  worden  sein. 


200 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


complexen  verschiedener  Gegenden  beobachtet  worden  ist1).  Diese 
und  die  übrigen  erwähnten  Erscheinungen  dürften  für  die  in  Rede 
stehenden  obercambrischen  Schichten  wohl  auf  Ablagerung  in  wenig 
tiefem,  massig  bewegtem  Wasser  gedeutet  werden. 

Die  Phycoden  — Phy codes  circinnatum  Richter  — jener 
für  die  oberste  cambrische  Schichtenpartie  Thüringens,  und  der 
Gebirge  weiter  ostwärts,  so  besonders  wichtige  Einschluss,  dem 
organischer  Ursprung  zugeschrieben  wird,  finden  sich  als  stein- 
kernartige, aus  derselben  Masse  wie  der  umgebende  Schiefer  be- 
stehende Körper,  welche  sich  nicht  vollständig  aus  dem  Gestein 
herauslösen,  sondern  reliefartig,  als  erhabene  Gebilde  in  Form  sich 
verzweigender  Stämmchen  zum  Vorschein  honunen.  Sie  erinnern 
sehr  an  verwandte  Formen,  die  z.Th.  unter  ähnlichen  Namen  aus  ver- 
schieden alterigen  paläozoischen  Schichtensystemen  verschiedener 
Länder  beschrieben  worden  sind.  Uebrigens  sind  die  Phycoden 
im  Ganzen  selten;  wahrscheinlich  kommen  sie  nur  auf  bestimmten 
Schichtflächen  vor,  was  man  daraus  schliessen  möchte,  dass  sie 
sich  an  gewissen  Localitäten  häufiger  wiederholen,  an  vielen  anderen 
bei  allem  Suchen  nicht  zu  finden  sind;  und  überdies  sind  sie  bis 
jetzt  nur  in  der  obersten  cambrischen  Thonschiefer-  und  Quarzit- 
zone aufgefunden  worden.  Phycodensehiefer,  resp.  typische  oberste 
cambrische  Schiefer  stehen  beispielsweise  an:  im  Thalgrund  ober- 
halb Augustenthal , im  Steinachthal  und  Göritzgrund  zwischen 
Steinach  und  Lauscha,  und  weiter  NO.  in  der  Gegend  von  Ernst- 
thal und  Piesau2). 

x)  Naumann,  Lehrb.  cl.  Geognosie,  II.  AufL,  Bd.  I,  S.  474.  — K.  v.  Fritsch 
beobachtete  sie  am  Gneiss  der  Gegend  des  Piz  Lucendro.  (Beiträge  z.  geol.  Karte 
d.  Schweiz,  15.  Lief.  1873,  S.  50.) 

2)  Wenn  auch  den  Phycoden,  als  Ganzes  betrachtet,  eine  durchaus  selb- 
ständige und  leicht  zu  erkennende  Gestalt  zukommt,  so  kann  man  bei  manchen 
Vorkommnissen  im  Zweifel  bleiben,  ob  man  es  mit  einem  isolirten  Zweig  oder 
Fragment  eines  Phycoden  oder  einer  jener  oben  genannten  wulstförmigen  Ein- 
lagerungen des  Schiefers  zu  thun  hat. 

Weiteres  über  den  Phycodes  circinnatum  Richter,  und  seine  Verglei- 
chung mit  ähnlichen  Vorkommnissen  aus  cambrischen  und  sibirischen  Schichten 
anderer  Länder,  s.  besonders  Gümbel,  1.  c.  p.  380.  Die  thüringische  Form  wird 
für  vielleicht  identisch  gehalten  mit  Brongniart’s  und  Hisinger’s  Fucoides  circin- 
natus,  der  neben  anderen  vegetabilischen  Resten  im  schwedischen  Cambrium 


der  cambriscli-phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


201 


Das  cambrische  Thonschiefersystem  ist  durchgehends  trans- 
versal gesch iefert,  und  wenn  auch  diese  Schieferung  meist 
nicht  sehr  vollkommen  ist,  lässt  sich  doch  behaupten,  dass  sie  das 
System  geradezu  beherrscht  und  gewöhnlich  viel  deutlicher  hervor- 
tritt als  die  Lage  der  ursprünglichen  Schichtung;  so  dass  stets 
natürliche  oder  künstliche  ebenflächige  Spaltstücke  in  der  Schiefe- 
rungsrichtung liegen  und  das  erwähnte  streifige  Ansehen  besitzen. 
Selbst  bis  in  die  Quarzitlager  hinein  macht  sich  der  Einfluss  der 
Schieferung  deutlich  geltend ; und  nicht  minder  kommen  zwischen- 
gelagerte porphyroidische  Lagen  transversal  geschmiert  vor,  soweit 
solche  überhaupt  für  Transversalschieferung  zugänglich  und  nicht 
ganz  massig  krystallinisch  sind. 

Die  Transversalschieferung  zeigt  in  diesem  gesammten  Gebiete 
fast  durchgängig  ein  steiles  bis  sehr  steiles  Einfolien  nach  NNW. ; 
locale  Ausnahmen  kommen  vor.  Neben  der  Schieferung  macht 
sich  Parallelklüftung  geltend,  öfters  nach  zwei  bis  drei  Rich- 
tungen hin,  die  auf  eine  gewisse  Erstreckung  constant  bleiben 
können 1).  Das  Zusammentreffen  von  Schichtung,  Schieferung  und 
Klüftung  im  Verein  mit  der  oben  erwähnten,  eigentliümlichen, 
wulstigen  Beschaffenheit  des  Gesteins  in  der  ersten  Richtung  be- 
dingt bei  den  Phycodenscliiefern  und  diesen  im  Habitus  sich  nähern- 
den älteren  Schiefern  öfters  ein  charakteristisches  Zerfällen  in  un- 
regelmässig stengelige  Fragmente.  Gewöhnlicher  als  das  steil- 
gelige  oder  scheitartige  Zerfällen  ist  das  platten  förmige, 
welches  durch  etwas  gleichartigere  Gesteinsbeschaffenheit  im  Ver- 

(Eophyton-Sancl, stein)  vorkommt.  Vergl.  Richter,  Zeitsclir.  d.  D.  geol.  Ges.  1869, 
S.  359.  Doch  sind  auch  die  sibirischen  Analoga  z.  Th.  recht  ähnlich,  z.  B.  der 
IJcrophycus  Otawaensis  Bii.ling’s  aus  dem  Trentonkalk.  — Feine  Querstreifung, 
wie  sie  Richter,  Zeitsclir.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  11,  1850,  p.  206  von  Phycocles 
circinnatum  erwähnt,  und  die  zu  Gunsten  seiner  organischen  Herkunft  gedeutet 
werden  kann,  habe  ich  an  einem  der  aufgefundenen  Exemplare  ebenfalls  bemerkt. 
— Abbildungen  des  P/rycodes  circinnatum  s.  Richter  i.  c.  Taf.  IX;  Gümbel  1.  c. 
p.  376. 

')  Beispielsweise  zu  sehen  in  der  Gegend  des  Steinachthals,  Göritzgrundes 
und  Göritzberges  zwischen  Steinach  und  Lauscha. 

Die  drei  Lagen  der  Schichtung,  Transversalschieferung  und  Hauptklüftung 
bedingen  öfters  die  Grundform  oder  Kerngestalt  der  Felsbildungen;  z.  B.  bei 
Schwarzburg  (Trippstein). 


202 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


ein  mit  genügend  starker  Schieferung  bewirkt  wird.  — In  der 
untern  Schwarzagegend,  von  Weisbach  ab,  ist  die  transversale 
Schieferung  des  grünlichen  Schiefers  local  so  ausgebildet,  dass  er 
als  Dachschiefer  gewonnen  wird. 

Die  Ve  r wittern  11g  bringt  an  den  cambrischen  Thonschiefern, 
besonders  den  graugrünen,  bräunlichgelbe  und  rothe  Farbentöne 
hervor.  Die  weichem  Schiefer  derart  können  endlich  eine  fast 
ockergelbe  Erde  als  Residuum  hinterlassen.  Die  quarzitischen 
Abänderungen  verwittern  meist  mehr  röthlich.  In  ansgedehnten 
Strichen  werden  besonders  unter  Mitwirkung  genügender  Feuchtig- 
keit oder  von  Quellwasser  die  weicheren  cambrischen  Schiefer  zu 
völlig  lehmigem,  weichem  Boden  zersetzt,  z.  B.  vielfach  im  Bereich 
das  Cursdorfer  Forstes. 

An  einigen  Stellen  enthält  der  cambrisehe  Thonschiefer 
Zwischenschichten  von  Wetzschiefer,  die  indess  nicht  gerade 
häufig  und  gewöhnlich  auch  in  geringer  Mächtigkeit,  lagenweise, 
auftreten.  Das  bekannteste  Vorkommen  derart  ist  das  vom  Hiften- 
berg  bei  Siegmundsburg,  welches  besonders  in  früherer  Zeit  Steine 
von  vorzüglicher  Qualität  lieferte1).  Aehnliche  Schiefer  sind  im 
Als!  lachgrund  (S.  von  Scheibe)  und  an  der  S.- Seite  des  Göritz- 
berges vorgekommen.  In  grösserer  Menge  finden  sich  die  Wetz- 

O O O o 

schiefer- Zwischenlagen  auf  der  Höhe  des  Gehegberges  zwischen 
Gräfenthal  und  Lauenstein,  etwas  östlich  von  unserem  Gebiete. 
Am  Wurzelberg  (Höhe  östlich  von  Goldisthal)  findet  sich  Wetz- 
schiefer als  Zwischenschicht  eines  Quarzitlagers,  oder  bildet  viel- 
mehr einzelne  Lagen  eines  stärkeren  thonschieferigen  Zwischen- 
mittels des  Quarzitlagers. 

Ueber  locale  Wiederholungen  zwischen  cambrischem  Thon- 
schiefer, jener  eigenthümlichen  Schiefer  von  z.  Th.  klastischem 
Habitus,  wie  sie  besonders  der  älteren  Schieferzone  angehören,  ist 
weiter  oben  schon  berichtet  worden ; und  auf  die  porphyroidischen 
Zwischenschichten  kommen  wir  später  zu  sprechen. 

!)  Vergl.  Richter,  das  thüringische  Schiefergebirge,  Zeitschi',  d.  D.  geol.  Ges. 
1S69,  S.  353. 


der  cambriscli-phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


203 


Cambrischer  Quarzit. 

Von  den  Einlagerungen  der  cambrischen  Thonschieferzone 
sind  die  an  Masse  und  Verbreitung  weitaus  bedeutendsten  die 
Quarzite.  Sie  treten  entweder  in  deutlich  abzugrenzenden  Lagern, 
oder  auch  als  durchgehender  Schichtenzug  auf,  oder  aber  sie 
gehen,  in  anderen  Strichen  des  Gebirges,  dergestalt  mit  Thon- 
schiefer  durcheinander,  dass  dies  Verhalten  nur  ungefähr  kar- 
tographisch ausgedrückt  werden  kann.  In  letzterem  Fall  erscheinen 
sie  eigentlich  nicht  mehr  als  Einlagerungen,  sondern  als  mit  Thon- 
schiefer  alternirende  wesentliche  Schichtenelemente  des  Systems. 
Uebrigens  sind  auch  selbst  manche  geschlossene,  resp.  gut  abzu- 
grenzende Quarzitlager,  wie  die  am  Wurzelberg,  oder  vielleicht 
alle,  nicht  frei  von  Thonschiefer,  sondern  es  findet  sich  solcher 
bald  mehr  bald  weniger  in  Verwachsung  und  Wechsellagerung  mit 
den  Quarzitbänken. 

Der  cand irische  Quarzit  ist  meist  feinkörnig;  mitunter  er- 
scheint er  fast  dicht1).  Die  Färbung  ist  in  der  Regel  licht,  weiss, 
grau,  gelblich,  röthlich;  etwas  dunkeier  wird  sie  in  gewissen  Partieen 
der  tieferen  cambrischen  Gebirgspartie  (Gegend  des  Werragrundes, 
Saargrundes  u.  s.  w.,  gegen  den  SW.- Rand  des  Gebirges  zu),  wo 
auch  die  Thonschiefer  dunkeier  sind  und  meist  ein  enger  Wechsel 
zwischen  letzteren  und  Quarzit  stattfindet.  — Ausscheidungen  von 
Quarz,  Eisenglanz  und  Rotheisen  (Eisenrahm)  auf  Klüften  sind, 
wie  in  den  meisten  Quarziten,  auch  hier  sehr  verbreitet2). 

Das  Quarzitgestein  erscheint  entweder  homogen,  oder  seltener 
ist  auch  eine  die  Schichtung  andeutende  heterogene  Beschaffen- 
heit wechselnder  Lagen  zu  erkennen,  welche  bis  zu  schieferiger 
Ablösung  in  dünneren  Platten  gehen  kann.  Weisse  Glimmer- 
schüppchen sind  nicht  selten  der  Gesteinsmasse  beigemengt  oder 
auf  Ablösungsflächen  angehäuft.  Die  so  häufig  vorkommenden 

')  In  den  Quarzitlagern  des  Wurzelberges  z.  B.  kommen  hie  und  da  sehr 
dichte,  fast  porcell  an  artig  aussehende,  muschelig  brechende  Quarzitlagen  und 
-Platten  vor. 

2)  Nur  einmal  (Thal  der  Weissen  Schwarze)  bei  Katzhütte  wurde  etwas  Schwer- 
spath  als  Kluftmineral  beobachtet. 


204 


H.  Lobetz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


Eisenoxydpünktchen  sind  z.  Th.  wohl  auf  Magneteisen,  z.  Th.  aber 
auch  auf  Schwefelkiespartikel  oder  -Kryställchen  zurückzuführen; 
letztere  können  aber  auch  rostgelbe  Pünktchen  oder  Flecke  ver- 
ursachen, wie  sie  in  manchen  Quarzitvarietäten,  z.  B.  am  Wurzel- 
berg in  grosser  Menge  Vorkommen,  und  durch  Auswittern  den 
Quarzit  porös  machen  können1).  Weitere  Vertheilung  und  Ver- 
breitung des  Eisengehaltes  durch  die  Gesteinsmasse  in  Folge  Ein- 
Wirkung  der  Atmosphärilien  kann  dieselbe  völlig  röthen. 

Die  Schichtung  des  Quarzites  kann  in  bereits  angegebener 
Weise  sehr  deutlich  werden;  in  anderen  Fällen  wird  sie  dies  durch 
Zwischenschichtung ' von  Thonschiefer,  oder  schon  durch  die 
Schichtungsfugen  zwischen  den  Bänken.  Sind  letztere  nicht  scharf 
angedeutet  und  ist  zugleich  die  Zerklüftung  sehr  vorgeschritten, 
so  kann  allerdings  die  Lage  der  Schichtung  völlig  verwischt  sein; 
es  kommt  dies  bei  massigen,  schieferiger  Zwischenlagen  fast  ent- 
behrenden Quarzitlagern  in  der  That  vor,  wie  bei  denen  der  Stein- 
heicler  Gegend.  In  anderen  Fällen  sind  zwar  die  Quarzitbänke 
äusserst  mächtig,  so  dass  sie  als  Felsmassen  vortreten,  deuten  aber 
ihre  Lage  durch  dünne  schieferige  Zwischenlagen  an.  (Z.  B.  im 
Thal  der  Weissen  Schwarze,  unweit  Katzhütte.) 

Weitgehende  Zerklüftung2)  im  Verein  mit  der  Unzerstör- 
barkeit dieses  Gesteins  an  sich  bringen  es  mit  sich,  dass  im  Aus- 
strich mancher  Quarzitlager  Gehänge  und  z.  Th.  auch  die  Kuppen 

B Der  Quarzit  des  Lagers  am  Frohnberg,  bei  dem  Werragrund  (Blatt  Eis- 
feld) enthält  eine  Menge  kleiner  krystallinischer  Partikel  und  Concretionen  von 
Schwefelkies,  welche  bis  zu  äusserst  dünnen,  in  der  Schichtungsrichtung  liegenden 
Häuten  oder  Anflügen  herabgehen;  sie  verwittern  leicht  und  haben  rothe  Flecke 
von  Eisenoxyd  im  Gefolge.  — Mitunter  kommen  grössere  Pyritwürfel  oder  -Con- 
cretionen zu  Brauneisen  verwittert  vor;  auch  solche,  die  in  Roth  eisen  übergegangen 
sind;  und  zwar  nicht  nur  in  den  Quarziten,  sondern  manchmal  auch  in  den 
Schiefern. 

2 ) Jener  Theil  der  allgemeinen  Zerklüftung,  welcher  das  schliessliche  Zerfallen 
in  Trümmer  herbeiführte,  mag  zunächst  nur  in  der  Anlage  vorhanden  gewesen 
sein,  sozusagen  latent,  oder  als  Spannungszustand  in  Folge  der  verschiedenen 
Kraftwirkungen,  denen  das  Gebirge  ausgesetzt  gewesen  ist,  und  erst  durch  äussere 
Einflüsse,  besonders  Temperaturwechsel  und  Frost  in  den  durch  die  Denudation 
der  Oberfläche  genäherten  Theilen  zur  völligen  Ausbildung  gelangt  sein.  Es  gilt 
dies  übrigens  auch  von  anderen  Gesteinen, 


der  cambrisch - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


205 


von  förmlichen  Quarzit-Trümmerhalden  mit  Ausschluss  jedes 
anderen  Gesteins  bedeckt  sind;  die  Erscheinung  wird  um  so  auf- 
fälliger, als  an  solchen  Stellen  Waldwuchs  und  sonstige  Vegetation 
auf  das  dürftigste  Maass  herabsinken,  ja  ganz  ausbleiben.  Durch 
solche  Quarzit-Trümmerhalden  zeichnet  sich  besonders  der  Theuer- 
ner  Grund  und  die  Umgebung;  von  Steinheid  und  Dimbach  am 
Rennsteig  und  Ober-Lauscha  aus.  Diese  Quarzitlager  enthalten 
kaum  oder  nur  wenig  Thonschiefer  als  Zwischenschichten  der 
Quarzitbänke.  Weniger  kommt  es  zur  Bildung  von  Trümmer- 
halden, wo  mehr  Thonschiefer  zwischen  dem  Quarzit  ist,  indem 
jener  einen  Verwitterungsboden  liefert;  so  am  Wurzelberg,  und 
auch  im  ganzen  Verlauf  des  Quarzitzuges  an  der  oberen  Grenze 
des  cambrischen  Systems. 

Wie  gesagt  finden  wir  den  Quarzit  einmal  in  geschlossenen 
resp.  ringsum  gut  abzugrenzenden  Lagern,  wie  dies  die  zahlreichen 
derartigen  Vorkommnisse  am  Theuerner  Grund,  bei  Steinheid, 
Lauscha,  Limbach,  im  obersten  Schwarzathal,  am  Werragrund  und 
am  Wurzelberg  darthun1).  Ferner  aber  bildet  Quarzit  einen  gleicli- 
mässig  durchgehenden  Zug  an  der  oberen  Grenze  des  cambrischen 
Systems;  wir  finden  ihn  hier  in  starken  Bänken,  welche  mit  grau- 
grünem Thonschiefer  wechsellagern;  im  Thonschiefer  und  auch  in 
ziemlich  cjuarzitischem  Gesteine  dieser  Zone,  wie  in  dem  zunächst 
im  Liegenden  folgenden  Thonschiefer,  sind  die  oben  genannten 
Phycoden  vorgekommen. 

*)  Ueber  clie  äussere  Gestalt  eines  solchen  Lagerkörpers  lässt  sich  nur  auf 
Grund  der  Umrisse  eine  beiläufige  Vorstellung  gewinnen.  — Oefters  verlieren  sie 
sich  nach  einer  oder  mehreren  Richtungen  mehr  und  mehr  in  Thonschiefer,  wie 
in  der  Gegend  des  Katzethals  und  des  Lindig  (Blatt  Breitenbach).  Möglich,  dass 
einzelne  benachbarte  Quarzitlager,  wie  am  Theuerner  Grund,  einen  durch  Denu- 
dation zerstörten  Zusammenhang  hatten;  möglich  ferner,  dass  die  ausgedehnte 
Quarzitpartie  der  Gegend  von  Steinheit  ein  und  dasselbe  hin-  und  hergebogene 
Lager  darstellt,  auf  dessen  Mächtigkeit  aus  der  vorliegenden  Verbreitung  gar  kein 
directer  Schluss  zu  ziehen  ist;  gewisses  lässt  sich  hierüber  nicht  aussagen.  Mit 
grösserer  Sicherheit  lässt  sich  behaupten,  dass  der  unvermittelte,  ziemlich  gerad- 
linige Abschluss  dieser  Quarzitin assen  nach  NO.  mit  jenen  Verwerfungserscheinungen 
im  Zusammenhang  stehe,  welche  auch  das  Auftreten  und  die  Lagerungsverhältnisse 
der  Zechstein-  und  Buntsandsteinpartieen  bedingen,  die  hier  ganz  unvermittelt 
inmitten  des  Schiefergebirges  erscheinen. 


206 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


Noch  etwas  anders  gestaltet  sich  das  Yerhältniss  von  Quarzit 
und  Thonschiefer  in  gewissen  Gebirgspartieen , nämlich  in  der 
Gegend  des  Illessberges,  Saargrundes  und  Werragrundes,  in  der 
Nähe  des  SW. -Randes  des  Schiefergebirges  und  von  da  NO.-wärts 
weiter  über  den  Rennsteig,  bei  Siegmundsburg  und  Friedrichshöhe 
und  das  oberste  Schwarzathal,  nach  der  Gegend  des  Frauenbachs 
(östlich  vom  Wurzelberg),  des  Lindigs  und  Katzethals.  Hier  hat 
man  es,  wie  oben  schon  angedeutet,  weder  mit  geschlossenen 
Quarzitlagern,  noch  mit  gleichmässig  durchlaufenden  Quarzitzügen 
zu  thun,  sondern  mit  einem  ganz  unbeständigen  Wechsel 
von  Quarzit  und  Thonschiefer,  wo  gewöhnlich  der  letztere  vor- 
waltet  und  der  Quarzit  in  Bänken  und  Lagen  zwischengeschichtet 
ist,  auch  in  engem,  dünnschichtigem  Wechsel  mit  Thonschiefer 
verwächst.  Man  kann  dies  Verhalten  nur  schwierig  auf  der  Karte 
wiedergeben.  In  der  Gegend  des  Katzethals  entwickelt  sich  hie 
und  da  aus  diesem  unbeständigen  Wechsel  ein  massigeres  Quarzit- 
lager, so  dass  beide  Arten  des  Auftretens  des  Quarzits  in  einander 
übergehen.  — Die  genannten  Gebirgsstrecken  sind  zugleich  die, 
wo  Thonschiefer  und  Quarzit  öfters  den  dunkelen  Farbenton  be- 
sitzen1); und  die  wo  die  Wirkungen  der  Transversalschieferung 
sich  sehr  deutlich  bis  in  den  engen  Thonschiefer- Quarzitwechsel, 
und  selbst  bis  in  geschlossene  Quarzitlager  hinein  wahrnehmen 
lassen;  denn  in  ihrer  Richtung  spaltet  stets  der  Thonschiefer,  und 
wo  er  mit  Quarzitlagen  verwachsen  ist,  schneidet  die  Spaltung  quer 
durch  letztere  hindurch  2). 

Mitunter  stellen  sich  im  Quarzit  dünne  Häute  und  Flasern 
eines  sericitisch  eil  Minerals  in  grösserer  oder  geringerer  Menge 
ein ; so  kann  der  Quarzit  in  einen  schieferigen  oder  schieferig  flase- 
rigen  Sericit-  Quarzitschiefer  übergehen.  Man  beobachtet  diese 

Q Starke  Bänke  eines  dunkelen  Quarzits  werden  z.  B.  im  Saargrund,  ober- 
halb der  kleinen  Ortschaft  gleichen  Namens  zur  Strassenbeschotterung  gebrochen. 
— Wie  im  nächsten  Abschnitt  näher  angeführt  wird,  nimmt  der  Quarzit  in  dieser 
Gegend  öfters  einen  grauwackeähnlichen  Habitus  an. 

2)  Es  kommen  selbst  Quarzitstücke  ohne  Thonschieferverwachsung  vor, 
welche  eine  allerdings  sehr  unvollkommen  entwickelte  secundäre  Schieferung  be- 
sitzen, neben  welcher  sich  die  anders  liegende  Schichtung  durch  geringe  Niian- 
cirungen  der  Färbung  etc.  zu  erkennen  giebt. 


der  cambrisch  - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


207 


Varietät  sehr  häufig  in  der  Gegend  des  Wurzelbergs,  des  Katzethals 
u.  s.  w.  An  anderen  Stellen  ist  sericitisehe  Zwischenmasse  mehr 
nur  auf  den  Schichtungsfugen  zwischen  den  Bänken  abgelagert 1). 
Beim  Quarzit  des  Frolmbergs,  am  Werragrund,  haben  die  schiefe- 
rigen Lamellen  und  Flasern  zum  Theil  mehr  das  Ansehen  eines 
dunkelen  Phyllits. 

Merkwürdig  sind  fast  conglomera tische  Abänderungen  des 
Quarzits,  wie  sie  z.  B.  am  Steinbiel  bei  Neuhaus  am  Rennstieg 
Vorkommen:  abgerundete  Trümmer  von  Quarz,  Schiefer  und,  wie 
es  scheint  auch  Quarzit,  sind  durch  quarzitische  Masse  verbunden, 
der  auch  die  sericitisehe  Zwischenflaser  nicht  fehlt.  Aehnlicher 
Quarzit  kommt  ganz  im  NW.  des  Schiefergebirges,  am  Langen 
Berge  vor2). 

An  der  westlichen  Seite  des  Wurzelberges  findet  sich  auch 
eine  anders  aussehende  Modification,  bei  welcher  die  Quarzitmasse 
einzelne  kleine,  flache,  abgerundete  Stücke  anscheinend  ganz  des- 
selben Quarzits  einschliesst.  Nicht  selten  findet  sich  auch  Breccien- 
structur  des  Quarzits.  Obwohl  dieselbe  in  der  Regel  nur  an  isolirten 
Trümmern  zu  sehen  ist,  möchten  wir  annehmen,  dass  sie  normalen 
Zwischenschichten  angehöre  und  ursprünglicher  Bildung  sei,  in 
der  Art  wie  auch  bei  manchen  Kalksteincomplexen  Schichten  mit 
Breccienstructur , andere  von  dichter  etc.  Structur  regelmässig 
zwischengelagert  Vorkommen. 

Sehr  verbreitet  ist  die  Durchtrümerung  des  Quarzites  mit 
Quarz,  der,  wie  er  einerseits  feinste  Adern  erfüllt,  so  auch  anderer- 
seits zu  bedeutenden  Massen  anschwellen  kann;  so  dass  nach  dem 
endlichen  Zerfall  seine  unverwüstlichen  Trümmer  als  Felsen  und 
Blöcke  von  allen  Dimensionen  übrig  bleiben;  die  grossem  derselben 
wurden  besonders  früher  zu  Mahlsteinen  für  die  vielen  Masse- 
mühlen der  thüringischen  Porcellanfabriken  zugerichtet.  Von  diesem 
Quarz  ist  jedenfalls  ein  grosser  Theil  als  Secretionsmasse  anzu- 
sehen, welcher  die  im  Quarzit  so  besonders  zahlreichen  secundär 
entstandenen  Klüfte  erfüllte.  — Von  wissenschaftlichem  und  histo- 

x)  Von  petrograpliiselien  Uebergangsstufen  zu  gewissen  porphyroidisehen 
Schiefern  wird  weiter  unten,  bei  letzteren  die  Rede  sein. 

2)  Vergl.  Richter  1.  c.  p.  349, 


208 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


rischem  Interesse  ist  die  zwar  sehr  minimale  Goldführung  des 
cambrischen  Quarzits  resp.  seines  Quarzes,  welche  in  alten  Zeiten 
Anlass  zur  Goldgewinnung  gegeben  hat;  am  bekanntesten  ist  diese 
von  den  Steinheider  Quarzitlagern;  aber  auch  an  andern  Stellen 
wurde  Gold  gewaschen,  so  an  der  westlichen  Seite  des  Wurzel- 
herges, wo  noch  jetzt  die  Namen  Raspis-,  Ronn-  und  Rothseifen- 
bach,  und  Goldisthal  an  diese  alte  Industrie  erinnern.  Noch  in 
neuerer  Zeit  ist  aus  der  Schwarza,  mehr  versuchsweise,  Gold  ge- 
waschen worden. 

Dass  die  cambrischen  Thonschiefer  öfters  etwas  rauh  und 
quarzitisch  werden,  wurde  schon  erwähnt;  es  können  förmliche 
Mittelgesteine  von  Thonschiefer  und  Quarzit  vorliegen,  welche 
ebenfalls,  wie  der  reine  Quarzit,  als  strichweise  vertheilte  Partieen 
oder  als  abgrenzbare  Einlagerungen  im  Thonschiefer  erscheinen; 
solche  wurden  bei  der  Detailaufnahme  besonders  auf  Section  Stein- 
heid als  » quarzitische  Schiefer«  angegeben,  und  zwar  in  der 
Gegend  von  Steinheid  und  Lauscha.  Diese  Modificationen  ver- 
halten sich  z.  Th.  mehr  wie  ein  Quarzit  , der  mit  grosser  Fein- 
körnigkeit einen  schichtigen  Wechsel  und  ein  stärkeres  Hervor- 
treten schieferigen  Gefüges,  ob  ursprünglich  oder  transversal,  ver- 
bindet; z.  Th.  verhalten  sie  sich  als  Quarzit,  der  mit  Flasern 
rauher  Thonschiefermasse  verwachsen  ist;  z.  Th.  auch  scheint  ein 
Thonschiefer,  der  nicht  viel  von  seiner  Spaltbarkeit  eingebüsst  hat, 
doch  einen  starkem  Quarzgehalt  durch  die  ganze  Masse  hindurch 
besitzt,  vorzuliegen. 


Das  Vorkommen  von  Versteinerungen  im  Quarzit 
von  Siegmundsburg. 

Der  Verfasser  kann  sich  hier  zunächst  auf  die  Mittheilung 
beziehen,  welche  er  bereits  an  einer  anderen  Stelle1)  über  dieses 
interessante  Vorkommen  gegeben  hat;  die  ersten  dieser  Ver- 
steinerungen sah  derselbe  bei  einem  Einwohner  von  Friedrichs- 


*)  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XXXII,  1880,  p.  682  ff. 


der  cambrisch - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


209 


liölie  am  Rennsteig,  in  der  Nähe  der  Fundstelle,  und  fand  in  der 
Folge  eine  grössere  Zahl  von  Exemplaren,  die  sich  jetzt  in  der 
Sammlung  der  geologischen  Landesanstalt  in  Berlin  befinden ; seit- 
dem sind  dieselben  Formen  noch  mehrfach,  aber  nicht  in  besseren 
Exemplaren  und  auch  keine  neuen  Formen  vorgekommen. 

In  unserer  früheren  Mittheilung  hatten  wir  noch  die  Unter- 
scheidung in  ober-  und  untercambrisch  festgehalten,  indem  wir 
ersteren  alle  die  von  den  obersten  cambrischen  Schiefern,  nämlich 
den  eigentlichen  Phycodenschiefern  nicht  zu  unterscheidenden 
Schiefer  zuzurechnen  geneigt  waren ; da  wir  aber  in  vorliegendem 
Artikel  diese  Unterscheidung  aus  weiter  oben  angegebenen  Gründen 
aufgegeben  haben,  wollen  wir  hier  nur  constatiren,  dass  die  petre- 
factenführende  Schicht  bei  Siegmundsburg  weit  im  Liegenden  von 
jener  obersten  Phycodenzone  erscheint,  und  dass  uns  die  gesammten 
Lagerungsverhältnisse  keine  Interpretation  zu  gestatten  scheinen, 
welche  ihr  ein  jüngeres  Alter  zuweisen  würde. 

Das  betreffende  Gestein  ist  ein  Quarzit  von  klastischem,  an 
Grauwacke  erinnernden  Habitus;  theilweise  ist  es  mehr  als  quarzi- 
tischer  oder  grauwackeartiger  Schiefer  zu  bezeichnen 1).  Der  be- 
treffende Steinbruch  liegt  einige  hundert  Schritt  vom  Westende 
von  Siegmundsburg  bei  Steinheid,  und  ebenso  weit  von  der  Post- 
strasse nach  Norden  im  Walde,  fast  auf  der  Wasserscheide  zwischen 
Weser  und  Main.  Die  Bänke  fallen  mit  40°  nach  NW.  ein;  die 
mit  diesen  Bänken  vorkommenden  Thonschieferzwischenlagen  sind 
grünlich  und  unterscheiden  sich  nicht  von  den  sonstigen  cam- 
brischen derartigen  Schiefern. 

Obwohl  an  verschiedenen  Stellen  der  Umgebung  ähnliches 
Gestein  ansteht2),  ist  das  Vorkommen  von  Petrefacten  bis  jetzt 
auf  die.  eine  Stelle  beschränkt  geblieben. 

Q Farbe  dunkelgraugrün,  Verwitterung  bewirkt  Röthung.  Das  blosse  Auge 
erkennt  Quarzkörner , verbunden  durch  ein  kieseligthoniges , zurücktretendes 
Carnent;  daneben  weisse  Glimmerschüppchen,  nicht  sehr  zahlreich,  sowie  Magnet- 
eisenpartikel,  an  welchen  öfters  dreieckige  Flächen  zu  sehen;  da  nicht  alle,  trotz 
äusserer  Gleichheit,  vom  Magnet  angezogen  werden,  dürfte  auch  Titaneisen  dabei 
sein.  Hie  und  da  auch  Schwefelkiespartikel. 

2)  In  derselben  Streichrichtung  wiederholt  sich  an  der  Landstrasse  im  Saar- 
grund noch  1 bis  2 mal  ganz  dasselbe  Gestein;  besonders  ähnlich  steht  es  an 

14 


210 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


In  meiner  früheren  Mittheilung  über  diesen  Gegenstand  wurde 
ausgesprochen,  dass  die  meisten  der  vorgekommenen  Formen  wohl 
auf  eine  Lingula,  die  durch  Streckung  meistens  verzerrt  sei,  sich 
zurückführen  lassen  dürften.  Etwas  zu  spät,  war  ich  auf  ein 
Exemplar  aufmerksam  geworden,  dessen  sehr  zum  dreiseitigen 
neigender  Umriss  sich  wohl  nicht  mehr  mit  dieser  Vorstellung  vertrug. 

o o o 

Bei  weiterer  Verfolgung  der  einschlägigen  Literatur  schien  mir  die 
genannte  Form  sich  am  besten  der  Davidia  vergleichen  zu  lassen, 
welche  Hicks  1)  aus  der  Tremadoc  Group  (an  der  oberen  Grenze  des 
Upper  Cambrian,  Hicks)  unweit  St.  Davids  beschreibt  und  abbildet. 

Wenn  daher  Herr  E.  Ivayser  in  einem  Referat2)  die  in 
meiner  früheren  Mittheilung  abgebildeten  Formen,  wenigstens  zum 
Theil,  als  Lamellibranchiaten  ansieht,  so  muss  ich  ihm  wohl  Recht 
geben;  glaube  indess  doch  noch,  dass  neben  diesen  auch  Lingula 
vorhanden  und  manches  sich  auf  diese  wird  zurückführen  lassen. 
Welche  der  bis  jetzt  schon  aus  den  alten  Schichten  bekannten 
Lingulaformen  indess  zum  Vergleich  herangezogen  werden  können, 
will  ich  nicht  entscheiden,  sondern  muss  dies  den  Paläontologen 
von  Fach  überlassen3). 

Bei  allem  Interesse,  welches  die  bei  Siegmundsburg  ge- 
fundenen Versteinerungen  bieten,  reichen  dieselben  doch  wohl,  wie 
mir  scheint,  noch  nicht  aus,  um  die  Vergleichung  unseres  Cam- 

genannter  Strasse  in  der  Höhe  2025  Dec.-Fuss  an,  es  erinnert  hier  sehr  an  Grau- 
wacke und  enthält  kleine  Schiefersplitter.  Aehnliches  Gestein  wiederholt  sich  an 
der  S.- Seite  des  Saargrundes.  Auch  in  der  entgegengesetzten  Richtung,  nach 
NO.  in  der  Gegend  der  Alsbach  berge  und  weiter  gegen  Scheibe  ist  ähnliches  Gestein. 
Nicht  sehr  viel  verschieden  ist  auch  der  Quarzit  in  NW. -Richtung  vom  Fundort. 
Oefters  kehrt  in  den  genannten  Partieen  der  an  Grauwacke  erinnernde  Habitus  wieder. 

Q Quarterly  Journal  u.  s.  w.  1873,  p.  39  ff.  — Wie  ich  etwas  später  bei 
einem  Besuch  der  Sammlungen  der  geolog.  Landesanstalt  in  Berlin  sah,  ist  auch 
von  Herrn  E.  Katser  eines  oder  einige  der  von  mir  eingesandten  Exemplare  als 
fragliche  Davidia  bezeichnet  worden. 

2)  Neues  Jahrbuch  etc.  1881,  Bd.  I,  Ref.  p.  431. 

3)  Bei  Durchsicht  der  einschlägigen  Literatur  schienen  mir  einige  Lingula- 
Arten,  Quebecensis  und  Cobourgensis , die  Billings,  geolog.  Survey,  Canada, 
Paläozoic  fossils.  I,  1865  abbildet,  äussere  Aehnlickkeit  zu  besitzen. 

Mit  der  von  Geinitz  (Sitzungsber.  naturwiss.  Ges.  Isis  1872,  p.  127)  abge- 
bildeten und  mit  Lingula  Rouaulti  Salter  verglichenen  Form  aus  der  Oberlausitzer 
Grauwacke  haben  unsere  Exemplare  keine  Aeknlichkeit. 


der  cambrisch- phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


211 


briums  mit  auswärtigen  paläozoischen  Bildungen  viel  weiter  zu 
fördern,  und  am  wenigsten  werden  sie  der  Hinzuziehung  des 
ganzen  betreffenden  Schichtensystems  zu  den  cambrischen  Bil- 
dungen Eintrao'  thun.  Ist  doch  Linffula  als  Gattung;  in  den  un- 
bezweifelt  cambrischen  Ablagerungen  Schwedens  und  Englands 
vorhanden,  und  könnte  es  wohl  nicht  befremden,  wenn  aus  einer 
Formengruppe  von  Eingula,  welche  im  Silur  Vertreter  hat, 
schon  im  Cambrium  ein  Vorläufer  erschiene;  und  sind  doch 
Lamellibranchiaten  in  Schichten  vorhanden,  welche  in  England 
wenigstens  von  vielen  Seiten  als  cambrisch  angesehen  werden. 

o o 


Oberste  cambrisclie  Zone  und  Grenze  zum  Silur; 
Thuringithorizont. 

Wir  erwähnten  bereits,  dass  das  cambrische  System  in  unserem 
Gebiete  oben  mit  einem  durchgehenden  Zug  von  Quarzitbänken  ab- 
schliesst,  welchem  graugrüne  Thonschiefer  (Phycodenschiefer) 
zwischengeschichtet  sind;  dieser  Complex  ist  ziemlich  mächtig. 
Aufwärts  nehmen  nun  diese  Tlionschieferzwischenlagen  eine  etwas 
andere  Beschaffenheit  an,  enthalten  keine  Phycoden  mehr  und 
nähern  sich  schon  mehr  den  Untersilurgriffelschiefern.  Sie  sehen 
blaugrau  oder  grau  aus,  röthen  sich  leicht  durch  Verwitterung, 
sind  z.  Th.  sogar  stark  eisenschüssig,  roth  abfärbend;  Eisenoxyd 
verbreitet  sich  auf  mechanischem  und  wohl  auch  chemischem  Wege 
allenthalben  durch  die  Masse,  auch  auf  Klüften  und  Fugen  des 
zwischengelagerten  Quarzits.  Stellenweise  ist  in  dieser  Zone  der 
Eisengehalt  so  sehr  angereichert,  dass  förmliche  Zwischenlager  von 
derbem  Rotheisenstein  vorliegen,  wie  namentlich  in  der  Gegend 
von  Hämmern,  wo  in  früherer  Zeit  auf  solchen  Eisenstein  am 
Reckberg  und  Saukopf  Bergbau  getrieben  wurde 1).  Bei  den 
Schiefern  dieser  Zone  kommen  manchmal  auch  sehr  klastische 

*)  Solche,  mehr  vereinzelt  vorkommende  Eisensteinlager  bilden  sozusagen 
die  Vorläufer  des  bald  zu  erwähnenden,  durchgehenden,  wichtigen  Thuringit- 
Eisenstein  - Horizonts. 


14 


212 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


Modificationen  vor,  welche  abgerollte  Fragmente  ähnlicher  Schiefer, 
in  eisenschüssiger  Schiefermasse  eingebacken,  enthalten. 

Gewöhnlich  gehen  solche  weiche,  rothe  oder  blaugraue  durch 
Verwitterung  sich  röthende  oder  marmorirt  aussehende  Thonschiefer 
über  die  obersten,  stärkeren  Quarzitbänke  hinaus  und  bilden  dann 
noch  einen  wenig  mächtigen  Complex  für  sich,  welchem  höchstens 
quarzitische,  glimmerreiche  Lagen,  doch  keine  stärkeren  Quarzit- 
bänke mehr  eingeschaltet  sind,  und  welcher  Complex  aufwärts  in 
die  dunkelblauschwarzen  Untersilurschiefer,  welche  in  unserer 
Gegend  fast  immer  als  Griffelschiefer  entwickelt  sind,  ohne 
scharfe  Grenze  übergeht;  in  der  That  nähern  sich  jene  obersten 
cambrischen  Schiefer  petrographisch  den  Griffelschiefern  schon 
sehr  und  zeigen  oft  dieselbe  parallel  faserige,  auf  Streckungsvor- 
gänge zurückzuführende  Structur,  wie  letztere1). 

Bei  diesen  allmählichen  Uebergängen  ist  die  Grenzlinie  zwischen 
dem  cambrischen  und  sibirischen  Theil  etwas  unsicher  zu  ziehen. 
Das  Bemerkenswertheste  nun  in  dieser  Grenzpartie  ist,  dass  sie 
den  Horizont  für  die  weithin  zu  verfolgende,  ganz  eigenthümliche 
Eisensteinbildung  des  Thuringits  abgiebt,  welche,  wenn 
auch  nicht  in  ununterbrochen  durchgehendem  Zug,  doch  von  Strecke 
zu  Strecke  in  Form  von  normal  den  Schichten  eingeschalteten 
Lagermassen  stets  in  diesem  stratigraphischen  Niveau,  an  der 
Basis  des  Silur  erscheint  2). 

Diese  Eisensteinbildung  nun  ist  auf  das  Innigste  dem  Material 
wie  der  Lagerung:  nach  mit  den  sie  einschliessenden , ohnehin 
eisenschüssigen  Schiefern  verbunden;  sie  erscheint  sozusagen  als 
eine  local  aus  ihnen  hervorgehende  Anreicherung  des  Eisengehal- 
tes. Der  Eisenstein  ist  vielfach  oolithiscli;  kleine  Oolithe  von 
flacher,  ellipsoidischer  Form,  anscheinend  ohne  innere  Structur,  von 
der  umgebenden  Masse  schalig  sich  ablösend,  mehr  oder  minder 

!)  Recht  verbreitet  sind  auch  bei  diesen  eisenschüssigen  Zwischenschichten 
phaneroklastische  Modificationen;  meist  sind  hier  kleine,  abgerundete  Schiefer- 
geschiebe, dem  Ansehen  nach  von  wenig  älteren  Schichten  herrührend,  in  der 
rothen  eisenschüssigen  Schiefermasse  eingebacken;  in  anderen  Fällen  ist  die 
Structur  mehr  breccienartig. 

3)  Auf  dem  Kärtchen  ist  diese  Zone  wegen  ihrer  geringen  Mächtigkeit  nicht 
besonders  ausgedrückt  worden. 


der  cambrisch-phyllitischen  Scliieferreihe  in  Thüringen. 


213 


dicht  gedrängt,  sind  durch  eine,  wie  es  scheint,  aus  demselben 
Stoff’  bestehende,  weiche,  schieferige  Masse  verbunden,  welche  sich 
auch  lagenweise  für  sich,  ohne  Oolithe  hindurchzieht;  das  Ganze 
stellt  so  einen  ziemlich  eisenreichen  Rotheisenoolith  dar,  dessen 
Farbe  aber  in  frischem  Zustand  ein  dunkeles  Grün  oder  schwarz- 
grün  ist.  Die  Bindemasse  der  Oolithe  kann  nun  aber  weiterhin 
übergehen  in  den  gewöhnlichen,  etwas  eisenschüssigen  Thonschiefer 
dieser  Zone,  wodurch  sich  eisenärmere  halboolithische  Varietäten 
ergeben ; auch  klastische  und  breccienartige  Structur  spielt  hinein 
und  so  ergeben  sich  eine  ganze  Anzahl  Modificationen,  die  nach 
petrographischer  Beschaffenheit , wie  durch  Verwachsung  und 
Wechsellagerung  untereinander  und  mit  dem  umgebenden  Schiefer 
verbunden  sein  können.  In  einer  etwas  anderen  Modification  er- 
scheint der  Eisenstein  als  chloritgrüne  Masse,  die  ebenfalls  ooli- 
thisch  oder  auch  breccienartig  wird,  nicht  roth,  sondern  braun 
verwittert  (Brauneisenoolith)  und  wie  angegeben,  mit  dem  gewöhn- 
lichen, thonigeren  Schiefer  verbunden  sein  kann. 

Unter  »Thuringit«  sind  eben  jene  reinsten,  mineralisch  homo- 
genen und  dem  Chlorit  verwandten,  in  frischem  Zustande  grünen 
und  vielfach  oolithischen  Partieen  zu  verstehen. 

Dieser  eigenthümliche  und  für  das  Thüringisch-Fichtelgebir- 
gische  Schiefergebiet  so  wichtige  Horizont  des  Thuringits  bezeich- 
net die  Grenze  von  Cambrium  und  Silur1). 

1)  Wir  bemerken,  dass  in  unserem  thüringischen  Gebiet  über  den  unter- 
silurischen  Griffelschiefern  nochmals  ganz  ähnliche  Eisensteinzwischenschichten  sich 
hie  und  da  wiederholen. 

Bei  der  Kartirung  wird  man  die  Thuringitschichten  schon  zum  Silur  ziehen, 
mit  Rücksicht  auf  die  in  denselben  gefundene  organische  Form. 

In  der  Thuringitschicht  des  Fichtelgebirges  nämlich  kommt  im  Leuchtholz 
bei  Joditz  unfern  Hof  in  einer  besondere  magneteisenreichen  und  quarzführenden 
Abänderung  des  Thuringitgesteins  eine  Orthis  in  zahlreichen,  doch  schlecht  er- 
haltenen Exemplaren  vor,  welche  Gümbee  (1.  c.  p.  415  und  420)  nach  Geinitz  als 
Orthis  aff.  Lindströmi  Linnarss.  anführt. 

Orthis  Lindströmi  Linnarss.  gehört  der  Primordialzone  an;  sie  gehört  zu  den 
Brachiopoden,  welche  Linnarsson  aus  den  schwedischen  Paradoxidesschichten  be- 
schrieben hat.  Eine  jener  Orthis  aff.  Lindste,  einigermaassen  ähnliche  Orthis 
{bavarica  Barr.)  kommt  in  der  Fauna  der  Schichten  von  Leimitz  bei  Hof  im 
Fichtelgebirge  vor,  welche  Fauna  an  der  Grenze  der  ersten  oder  Primordial-  zur 
zweiten  silurischen  Fauna  steht,  — TJebrigens  ist  eine  eigentliche  Primordialzone 


214 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


Einlagerungen  von  Kieselschiefer  und  Alaunschiefer. 

Kieselschiefer , Alaunschiefer  und  diesen  verwandte,  in  höhe- 
rem Grade  mit  Kohle  imprägnirte  und  daneben  wohl  auch  schwefel- 
kiesreiche Schiefer  kommen  als  Zwischenschichten  oder  Zwischen- 
lager vornehmlich  im  Bereich  unserer  phyllitischen  Zone  vor,  fehlen 
aber  auch  der  folgenden  Zone  nicht  ganz  und  wiederholen  sich 
hie  und  da  bis  in  die  cambrische  Thonschieferzone  hinein. 

Kieselschiefer  und  Alaunschiefer  der  phyllitischen 
Zone.  Sie  können  wohl  als  kohlereiche  Modificationen  der  quar- 
zigen hierhergehörigen  Schiefer  angesehen  werden.  Sie  stellen 
sich  besonders  nach  NW.  ein,  genauer  in  dem  nordwestlichen  Theil 
des  Sattels,  den  nach  unserer  Auffassung  die  phyllitischen  Schiefer 
zwischen  cambrischen  bilden;  obwohl  auch  nach  der  entgegenge- 
setzten Seite  und  wie  gesagt  bis  in  die  angrenzenden  Zonen  hinein 
solche  dunkele  Kiesel-  und  Alaunschiefer,  resp.  ihnen  höchst  ähn- 
liche nicht  fehlen.  Zu  bedeutenden  Schichtenfolgen  erheben  sich 
diese  in  stärkerem  Grade  kohlehaltigen  Schiefer  nicht ; wo  sie  etwas 
stärker  entwickelt  auftreten,  wie  in  der  Gegend  von  Breitenbach, 
sind  sie  ehedem  als  Alaunschiefer  technisch  benutzt  worden. 

Wie  die  Aufschlüsse  in  dieser  Gegend,  besonders  bei  der 
sog.  »Schwefelhütte«  oder  »Wallbrücke«  zeigen,  bestehen  diese 
stets  durch  voll  schwarze  Färbung  ausgezeichneten  und  meist  ab- 
färbenden Schiefer  aus  Kieselmasse  in  Verwachsung  mit  schwar- 
zem, nämlich  kohlereichem,  weichem,  phyllitisch  gefälteltem,  ab- 
färbendem Schiefer;  wobei  sich  denn  nach  Mengenverhältniss  und 
Vertheilung  dieser  Substanzen  entweder  ergiebt,  ein  sehr  dünn- 
schichtiger  Wechsel  von  Kiesel  mit  schwarzem,  abfärbendem  Schiefer, 
bei  welchem  ersterer  vielfach  nur  in  papierdünnen,  lichtfarbigen 
Zwischenlagen  erscheint  und  letzterer  vorwaltend  werden  kann  — 
oder  ein  dünn-  bis  dickplattiger  Kieselschiefer,  der  meist  etwas 

und  -Fauna  so  wenig  im  Fichtelgebirge  wie  im  Thüring.  Sckiefergebirge  bis  jetzt 
bekannt.  In  letzterem  sind  die  ersten  Versteinerungen  über  den  Phycoden  bis 
jetzt  die  Trilobiten  der  Steinadler  Griffelschiefer,  welche  als  der  Gattung  Asaphus 
oder  Ogygia  und  der  zweiten  sibirischen  Fauna  angehörig  erkannt  worden  sind. 
Näheres  s.  Gümbel  1.  c.  p.  414  und  428. 


der  cambrisch  - phyllitisehen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


215 


quarzitisch  erscheint,  resp.  in  feinkörnigen  Quarzitschiefer  über- 
geht, mehr  oder  weniger  mit  Kohlenstoff  imprägnirt  und  mit  an- 
thracitisch  glänzenden,  abfärbenden  Schieferhäuten  überzogen  ist. 
Durch  einen  hinlänglichen  Gehalt  an  Schwefelkies  werden  diese 
Schiefer  zu  Al  au  ns  chief  er.  Die  Verwitterung  solcher  Schiefer 
bewirkt  öfters  nässende  Stellen.  Mit  dem  Schwefelkiesgehalt 
hängt  auch  die  öfters  sich  wiederholende  rostfarbige  Färbung 
grösserer,  der  Atmosphäre  ausgesetzter  Partie en  zusammen1). 

Das  Vorkommen  von  Kieselschiefer  innerhalb  unserer  phylli- 
tischen  Schichtenreihe  ist  indess  nicht  speciell  an  die  genannten, 
besonders  kohlereichen  und  abfärbenden  Schiefer,  die  Alaunschiefer, 
gebunden,  sondern  besitzt  eine  grössere  Verbreitung  als  letztere 
Varietät.  Während  letztere  namentlich  in  der  Streichrichtung  von 
Gross-Breitenbach  entwickelt  sind,  verbreiten  sich  die  Kieselschiefer 
auch  weiter  südöstlich,  besonders  in  der  Partie  zwischen  Bocks- 
bach- und  Oelzethal.  Diese  Kieselschieferzwischenschichten  der 
phyllitisehen  Zone  machen  sich  ganz  besonders  durch  die  grosse 
Menge  von  hierhergehörigen  Blöcken  und  Felsen  bemerklich, 
welche  im  Verwitterungsboden  im  erwähnten  District  und  weiter- 
hin umherliegen. 

Bei  näherer  Untersuchung  zeigen  sich  diese  Kieselschiefer- 
blöcke meist  sehr  wenig  homogen : ihr  Körper  ist  theilweise  massig 
und  dicht,  an  anderen  Stellen  wohl  etwas  drüsig,  theilweise  aber 
mehr  schieferig  und  in  kieseligen  Thonschiefer  übergehend,  welch 
letzterer  durch  Verwitterung  ausbleicht  und  mehlig  wird,  während 
die  dichten,  massigen  Theile  nur  oberflächlich  oder  von  Klüften 
aus  ausbleichen;  dabei  pflegen  diese  Blöcke  und  Felsen  nach  allen 
Richtungen  von  weissen  Quarzschnüren  in  unregelmässigster  Weise 

*-)  Solche  schwarze  Alaunschiefer  im  Bereich  der  phyllitisehen  Schichtenreihe 
sind  in  früheren  Zeiten  namentlich  bei  Gross-Breitenbach  durch  bergmännischen 
Betrieb  in  nicht  unbeträchtlicher  Masse  gewonnen  und  verarbeitet  worden.  Das 
Material  wurde  geröstet  und  ansgelaugt;  noch  späterhin  ist  ein  zur  Wasserab- 
führung im  nächsten  Thalgrund  angesetzter  Stollen  der  Ockergewinnung  dienlich 
gewesen,  indem  das  auf  demselben  abfliessende  Grubenwasser  Ocker  absetzt. 
Von  Gross  - Breitenbach  lässt  sich  der  Zug  dieser  Alaunschiefer  einerseits  nach 
SW.  in  die  Gegend  der  Alaunhütte  und  Altenfeld,  andererseits  nach  Friedersdorf 
und  weiter  verfolgen. 


216 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


durchzogen  zu  sein,  ATon  denen  wenigstens  viele  gewiss  so  wenig 
secundärer  Entstehung  sein  mögen,  wie  bei  manchen  massigen 
Porphyroiden ; diese  verschieden  struirten  und  auch  sonst  differiren- 
den  Partieen  sind  nun  eng  verbunden  und  wie  zn  einem  Ganzen 
zusammengeschweisst,  doch  stellt  dieses  Ganze,  nämlich  der  Kiesel- 
schieferblock  oder  -fels  nur  den  festeren  Kern  dar,  welcher  zuletzt 
übrig  bleibt  und  vorragt,  nachdem  die  einschliessende,  stärker  zer- 
klüftete oder  auch  etwas  leichter  verwitternde  Gesteinsmasse  ab- 
gebröckelt und  z.  Th.  verwittert  ist.  Dieses  Verhalten  ist  an 
gewissen  Stellen,  z.  B.  an  der  rechten  Seite  des  Thalgrundes  SW. 
bei  Breitenbach  deutlich  zu  erkennen,  wo  die  festen  Kieselschiefer- 
felsen z.  Th.  noch  zwischen  dem  stärker  gelockerten  und  zu 
Trümmern  und  Schutt  zerfallenen  Materiale  anstehend  zu  finden 
sind;  so  zwar,  dass  sich  an  manchen  derselben  mit  Hülfe  ihrer 
theilweise  schieferigen  Structur  das  Streichen  nach  NO.  und  steile 
Einfallen  nach  NW.  — NNW.  recht  wohl  zu  erkennen  giebt.  Ein- 
mal freigelegt,  sind  solche  Kieselschieferfelsen  gleich  Quarzfelsen 
unverwüstlich;  sie  besitzen,  im  Ganzen  betrachtet,  eine  sehr  dunkele, 
fast  blauschwarze  Färbung1). 

Wie  aus  Obigem  hervorgeht,  sind  die  in  der  phyllitisclien 
Schiefergebirgszone  Thüringens  als  Einlagerungen  vorkommenden 
Kieselschiefermassen  von  ganz  anderer  Beschaffenheit  als  jene 
regelmässig  in  Form  dünner  Platten  aufeinandergelagerten  Kiesel- 
schieferschichten,  die  in  der  oberen  Silurbildung  Thüringens,  des 
Vogtlandes  und  Fichtelgebirges  eine  bestimmte  Zone  einnehmen. 
Die  erst eren  besitzen  in  ihrer  etwas  wechselnden  Structur  und 

x)  Von  Localitäten , wo  der  Kieselschiefer  auf  diese  Weise  vorkommt,  sind 
neben  der  genannten  Stelle  bei  Breitenbach  besonders  namhaft  zu  machen  das 
Oelzethal,  abwärts  von  Altenfeld,  namentlich  der  Abhang  der  rechten  Seite,  gleich 
unterhalb  Altenfeld;  der  Walddistrict  zwischen  dem  Oelzethal  und  dem  Bocks- 
bachthal bei  Breitenbach,  wo  der  Kieselschiefer,  besonders  in  der  westlichen 
Partie,  gegen  die  Breitenbach- Altenfelder  Landstrasse  zu,  abgesehen  von  den 
Felsblöcken  auch  in  schieferig  zerfallener  Form  stark  verbreitet  ist. 

Auch  in  der  SWh-Fortsetzung  der  phyllitischen  Zone  unseres  Schiefergebirges, 
jenseits  der  Rothliegenden  Porphyrite  von  Neustadt  und  Masserberg,  sind  in  der 
Gegend  des  Biberthals  und  von  da  hinüber  nach  Unterneubrunn  die  Kiesel- 
schiefervorkommnisse beobachtet  worden,  wenn  auch  lange  nicht  so  reichlich,  wie 
in  den  oben  bezeichneten  Strecken. 


der  cambrisch  - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


217 


Gesteinsbeschaffenheit  und  in  ihrem  Verhältniss  zum  phyllitischen 
Schiefercomplex , dem  sie  angehören,  eine  gewisse  Analogie  mit 
den  porphyroidischen  Einlagerungen.  Wie  bei  den  letzteren  und 
nicht  minder  den  Quarziten  der  cambrischen  Reihe,  so  wiederholt 
sich  auch  bei  einzelnen  Partieen  der  Kieselschiefereinlagerungen 
nicht  selten  jene  Bre  ccienstru  ctur,  der  wir  ursprüngliche  Ent- 
stehung zuzuschreiben  geneigt  sind. 

Diejenigen  kohlereichen  Schiefer,  welche  als  Einlage- 
rungen der  halb  phyllitischen  und  der  Thonschieferzone 
Vorkommen,  sehliessen  sich  denen  der  Phyllitzone  im  Allgemeinen 
an;  mehr  als  eigentlicher  Kieselschiefer  kommen  hier  weiche,  leicht 
spaltende  und  zerfallende,  schwarz  abfärbende  Schiefer  vor,  von 
mattem  oder  graphitisch  bis  anthracitisch  glänzendem  Ansehen, 
und  entweder  ebenschieferigem  oder  mehr  krummschaligem,  hie 
und  da  auch  wohl  etwas  faserigem  Gefüge.  Kleine  Discontinui- 

o o 

täten  der  Schiefermasse  werden  von  Quarztrümern  erfüllt.  So  am 
Zeupels-  und  Weissberg,  sowie  am  Meistergrund  in  der  Gegend 
des  oberen  Werragrundes,  auch  etwas  südlich  davon  am  Frohnberg 
(Blatt  Eisfeld);  ferner  im  Schwarzathal  oberhalb  Schwarzmühl; 
keine  dieser  Einlagerungen  ist  von  erheblichem  Umfang1). 

Wir  erwähnen  hier  noch  eine  andere  Scliiefermodification, 
die  ebenfalls  als  Zwischenlager  von  beschränkter  Erstreckung  im 
Bereich  der  tieferen,  dunkeier  gefärbten  cambrischen  Thonschiefer 
öfters  erscheint;  sie  besteht  eigentlich  nur  in  einer  Abänderung 
des  gewöhnlichen  weicheren  Thonschiefers,  dem  in  grosser  Menge 
feine  Schwefelkiespartikel  eingesprengt  sind;  diese  Schiefer  ver- 
wittern sehr  leicht  und  bewirken  nasse  Stellen,  was  übrigens  auch 
von  den  vorher  aufgeführten  Schiefern  gilt,  sobald  sich  dem  Kohlen- 
stoff  ein  gewisser  Schwefelkiesgehalt  zugesellt. 


Alte  Halden  am  Zeupelsberg,  im  oberen  Werragrund,  deuten  darauf  hin, 
dass  man  diese  Schiefer  ehedem  zu  verwerthen  gesucht  hat.  — In  einigen  Seiten- 
schluchten des  obersten  Schwarzathals,  oberhalb  Langenbach  finden  sich  An- 
deutungen eben  solcher  leicht  zersetzbarer  Schwefelkies-  (und  -Kohle?)  reicher 
Zwischenlager. 


218 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


Einlagerungen  von  Ämphibolgesteinen. 

Diese  treten  besonders,  wenn  auch  nicht  ausschliesslich,  in 
den  älteren  Zonen  unseres  Schiefergebirges  auf  und  umfassen  eine 
ganze  Reihe  von  Varietäten  und  Zwischenstufen,  welche  einerseits 
in  körnig  kristallinisches,  dioritisches  Gestein,  andererseits  in  ent- 
schiedene Schiefer  endigt.  Jenes  Endglied  kommt  geradezu  auf 
einen  Diorit,  resp.  Epidiorit  (Gümbel’s)  heraus,  wobei  immer 
noch  Wechsel  in  der  Korngrösse,  Beschaffenheit  und  Vertheilung 
des  amphibolischen  und  feldspathigen  Gemengtheils  zu  bemerken 
sind;  die  Schiefer  dagegen  verhalten  sich  z.  Th.  als  Hornblende- 
schiefer,  werden  aber  z.  Th.  auch  ganz  aphanitisch,  so  dass  man 
ihre  Zusammensetzung  — die  möglicherweise  sich  der  gewisser 
sog.  Grünschiefer  nähert,  wie  sie  anderwärts  als  Einlagerungen 
der  Phyllitformation  Vorkommen  — nicht  ohne  besondere  Hülfs- 
mittel  erkennen  kann.  Massig  krystallinisehe  und  schieferige  Ge- 
steine treten  zusammen  in  Verwachsung  auf;  so  zwar,  dass  die 
amphibolische  Lagermasse  eine  massig  krystallinisehe  Partie  be- 
sitzt, die  in  der  Regel  den  festem,  ohne  Schichtung  erscheinenden 
Kern  bildet,  und  eine  schieferige,  welche  schalenförmig  den  Kern  um- 
giebt  und  ihrerseits  in  die  gewöhnlichen  Schiefer,  welche  das 
Ganze  einschliessen,  übergeht1).  In  der  Regel  sind  freilich  die 
schieferigen  Partieen  oberflächlich  verwittert,  und  nur  die  festeren 
dioritischen  Partieen  widerstehen  in  Form  äusserst  fester  Blöcke 
oder  Felsen  auf  die  Dauer  den  Atmosphärilien  und  bekunden  das 
Vorhandensein  der  amphibolischen  Einlagerung.  Erblickt  man 
nur  diese,  so  könnte  an  das  Vorhandensein  eines  Lagerganges 
dioritischen  Eruptivgesteins  gedacht  werden ; allein  die  noch  vor- 
handenen Reste  des  amphibolischen  Schiefers,  die  grössere  Zahl 
unterscheidbarer  Varietäten  der  hierherffehöriffen  Gesteine,  die 
öfters  zusammen  Vorkommen,  und  abgesehen  hiervon  auch  die  Ge- 
stalt und  Umgrenzung  des  Ganzen,  wie  sie  die  Specialaufnahme 

*)  Solcher  an  sich  schon  zusammengesetzter  Körper  mögen  sich,  bei  grösseren 
derartigen  Vorkommnissen,  wieder  mehrere  zusammenschaaren  und  so,  mit  Zwischen- 
schaltung phyllitischen  etc.  Schiefers,  erst  die  ganze  amphibolische  Einlagerung 
bilden. 


der  cambrisch-  phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


219 


namentlich  für  die  grösseren  Vorkommnisse  (Waffenrod  bei  Eis- 
feld) ergiebt,  sowie  einige  sehr  günstige  Aufschlüsse  (Oelzethal) 
lassen  die  normale  Einlagerung  und  Einordnung  dieser  Lager- 
massen  in  das  betreffende  Schiefersystem  erkennen  — nicht  anders 
als  wie  dies  neuerdings  in  analogen  Fällen  in  archäischen  Schiefer- 
districten  anderer  Gegenden  gefunden  worden  ist 1). 

Hierhergehörige  Vorkommnisse  finden  sich  in  unserem  Gebiete: 
in  der  Gegend  von  Grossbreitenbach  und  des  oberen  Oelzethales, 
unterhalb  Altenfeld,  zahlreich  im  Bereich  der  phyllitischen  und 
nächstfolgenden  Schieferzone  (Section  Breitenbach  und  Masserberg); 
weiter  südwestlich  im  Gebirge  bei  Eisfeld,  im  Lauterbachgrund 
und  besonders  bei  Waffenrod,  im  Bereich  derselben  Schieferzone; 
Andeutungen  solcher  Vorkommnisse  wiederholen  sich  auch  im 
Quarzphyllit  zwischen  Biberschlag  und  Ernstthal  u.  s.  w. 

Einen  besonders  guten  Einblick  in  die  Lagerungs-  und  Ver- 
bandverhältnisse einer  solchen  Einlagerung  von  Amphibolgestein 
zwischen  Phyllit  resp.  Quarzphyllit,  gewährt  ein  Vorkommen  im 
Oelzethal , etwa  ^4  Meile  unterhalb  Altenfeld  (Blatt  Masserberg), 
welches  neuerdings  durch  eine  Strassenanlage  angeschnitten  wurde; 
wir  geben  im  Folgenden  eine  Beschreibung  desselben.  (Siehe  um- 
stehend Fig.  1.) 

Die  Kernpartie  verhält  sich  als  ziemlich  gleichförmig  be- 
schaffener, mittel-  bis  feinkörniger  Diorit,  bez.  Epidiorit;  sie  hat 
ganz  das  Ansehen  eines  krystallinischen  Massengesteins,  ist  unregel- 

B Wo  eine  amphibolische  Einlagerung  ohne  festere,  massig  krystallinische 
Partieen  entwickelt  ist,  oder  solche  erst  in  gewisser  Tiefe  oder  im  Fortstreichen 
sich  einstellen,  kann  sie  unter  Umständen  sich  der  Beobachtung  entziehen. 

Manchmal  finden  sich  an  isolirten,  festen,  dioritischen  Blöcken  noch  anhaf- 
tende schieferige  Schalen. 

Trotz  massiger  Blockanhäufung  kann  eine  solche  amphibolische  Einlagerung 
doch  von  beschränktem  Umfang  oder  kurzer  Erstreckung  sein,  wie  dies  die 
Specialaufnahme  in  verschiedenen  Fällen  übereinstimmend  ergeben  hat. 

Zum  Unterschied  von  den  nachher  zu  beschreibenden  Einlagerungen  granit- 
und  gneissartiger,  sowie  besonders  porphyroidischer  Gesteine  sei  hier  nur  hervor- 
gehoben, dass  eine  derartige  innige  Verwachsung  und  Verflaserung  grösserer  und 
kleinerer  Partien  mit  dem  umgebenden  Schiefer,  wie  sie  bei  diesen  vorkommt, 
bei  den  amphibolischen  Einlagerungen  nicht  beobachtet  wurde;  sie  sondern  sich 
im  Allgemeinen  schärfer  vom  umgebenden  Schiefer  ab,  als  jene. 


220 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 
Figur  1. 


Amphibolische  Einlagerung  im  phyllitischen  Schiefer  an  der 
Landstrasse  im  Oelzethal.  A krystallinisch  körniges  Gestein, 
aai  Uebergangsschiefer,  ph  phyllitische  Schiefer. 

Höhe  ca.  41/« — 5 Meter. 

massig  zerklüftet  und  könnte  an  einen  steil  stehenden  Eruptivgesteins- 
gang erinnern;  aus  ihrem  endlichen  Zerfall  würden  eben  solche 
grosse,  feste  Blöcke  hervorgehen,  wie  sie  thatsächlich  in  nächster 
Nähe  im  Walde  liegen  und  bei  anderen  solchen  Vorkommnissen 
aus  dem  Boden  vorragend  die  Anwesenheit  einer  solchen  Einlage- 
rung darthun.  Auf  abgewitterten  Flächen  der  Kernpartie  tritt  der 
Feldspath  weiss  gegen  die  dunkele  Hornblende  hervor;  andere 
wesentliche  Gemengtheile  machen  sich  dem  blossen  Auge  nicht 
bemerklich.  Dagegen  ist  Quarz  in  grösseren  Adern,  Trümern, 
Putzen  und  Knauern,  wenn  auch  nicht  sehr  reichlich,  ausgeschie- 
den vorhanden *).  Eine  nähere  Prüfung  geeigneter  Flächen  (ab- 
gewitterter Bruchflächen,  welche  quer  zur  allgemeinen  Streich- 
richtung liegen),  lässt  selbst  in  dieser,  auf  den  ersten  Blick  massig 
erscheinenden  Kernpartie,  eine  lagenförmige  Anordnung,  wenigstens 


Q Diese,  wohl  primären,  fest  mit  der  körnigen  Gesteinsmasse  verwachsenen 
Quarzausscheidungen  wiederholen  sich  auch  bei  benachbarten,  entsprechenden 
Vorkommnissen.  — Auf  eigentlichen  Klüften  ferner  kommt  ebenfalls  Quarz  und 
auch  Ivalkspath  und  Chlorit  vor,  letzterer  auch  so,  dass  er  die  Gesteinsmasse 
und  manchmal  sogar  den  Quarz  imprägnirt. 


der  cambrisch-  phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


221 


stellenweise,  erkennen,  welche  in  der  verschiedenen  Färbung  und 
Vertheilung  des  feldspatliigen  und  amphibolischeu  Gemengtheils 
begründet  ist  und  der  Schichtrichtung  des  umgebenden  Schiefers 
folgt,  Nach  aussen  ist  nun  beiderseits  dieser  Kerntheil  von  einer 
sch ali  g oder  schiebt  eu weise  geordneten  Uebergangszone 
umgeben,  welche  zum  umgebenden  phyllitischen  Schiefer  hinüber- 
führt. Der  Uebergang  ist  allmählich.  An  den  Kerntheil  schliesseu 
sich,  innig  mit  ihm  und  unter  sich  verwachsen,  sozusagen  allmäh- 
lich aus  ihm  hervorgehend,  die  ersten  Schalen  oder  Lagen  der 
Uebergangszone,  indem  für  die  körnige  Structur  successive  die 
schieferige  eintritt,  auswärts  zunimmt  und  dementsprechend  nach 
Färbung  und  mineralischem  Bestand  etwas  verschieden  aussehende 
dünnere  und  dickere  Lagen  sich  entwickeln:  auf  abgewitterten 

O 7 o 

Bruchflächen,  die  quer  zum  Streichen  liegen,  tritt  dies  deutlich 
hervor.  Die  Uebergangszone  ist  besonders  reich  an  Quarzaus- 
scheidungen in  Adern,  Trümern  und  Knauern,  von  rauchgrauer 
Färbung  in  frischem  Zustande;  viele  davon  liegen  als  unregelmässig 
gestaltete  Linsen  in  der  Schichtrichtung.  — Die  Kernpartie  erwies 
sich  im  Aufschluss  an  der  Strasse  3,5,  die  östlich  anliegende  Ueber- 
gangszone 0,70,  die  andere  0,80 — 0,90  Meter  stark1). 


Einlagerungen  gneiss-  und  granitartiger  Gesteine. 

Sie  machen  sich  wiederholt  im  Bereich  der  phyllitischen  und 
der  nächstfolgenden,  halbphyllitischen  resp.  tieferen  cambrischen 
Zone  geltend,  und  erreichen  mitunter  eine  etwas  grössere  Aus- 
delmung  (Vorkommen  N.  von  Böhlen  am  Milchberg;  hierherge- 
höriger Gesteinszug  aus  der  Gegend  des  Schwarzathals  unterhalb 
Katzhütte  über  Meuselbach  weiter  nach  NNO.;  Vorkommen  von 
Hinterod,  unweit  Eisfeld);  bleiben  in  anderen  Fällen  aber  auch 
klein  (verschiedene  Vorkommnisse  im  Schwarzathal,  bei  und  ober- 

')  Bei  einem  anderen,  durch  einen  Steinbruck  bewirkten  Aufschluss,  der  sich 
im  Wald,  in  der  Nähe  des  beschriebenen,  befand,  maass  die  ziemlich  gleichmässig 
beschaffene  Kernpartie  4,6  Meter,  die  Uebergangszonen  je  ca.  0,4  Meter.  Die 


222 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


halb  Katzhütte).  Stets  sind  sie  auf  das  Innigste  nach  Lagerung 
und  durch  Gesteinsübergänge  mit  dem  umgebenden  Schiefer  ver- 
blinden  und  verhalten  sich  hierin  wie  in  der  äusseren  Gestalt,  resp. 
dem  Grenzverlauf  des  Lagerkörpers,  welchen  sie  bilden,  ähnlich 
wie  eine  quarzitische  oder  porphyroidisclie  Einlagerung.  Nur  ihre 
reinsten  Partieen  erlangen  nach  mineralischer  Mischung  und  Struc- 
tur  das  Ansehen  eines  Granits,  oder  bei  der  meist  vorherrschenden 
schieferig-flaserigen  Structur,  eines  Gneisses;  doch  diese  Partieen 
sind  mit  anderen  verwachsen,  welche  die  Verbindung  mit  dem 
umgebenden  und  zwischendurchziehenden  phyllitischen  und  halb- 
phyllitischen  Schiefer  vermitteln. 

Die  Besonderheiten  dieser  Einlagerungen  mögen  an  einigen 
bestimmten  Beispielen  etwas  näher  erläutert  werden. 

Die  hierher  gehörigen  Gesteine  von  Hinterod  (Blatt  Eisfeld) 
lassen  Quarz,  Feldspat!)  und  meist  dunkelen  Glimmer  deutlich  neben 


erstere  ragte  als  fast  mannshohe  Felsbildung  über  den  Waldboden  hervor.  (Siehe 
nachstehende  Figur  2.) 

Figur  2. 


Amphibolische  Einlagerung  im  phyllitischen  Schiefer,  im 
Oelzethal , Steinbruch  im  Wald.  Krystallinisch  körnige 
4,6  Meter  starke  Mittelpartie,  durch  0,4  Meter  starke  Ueber- 
gangszonen  mit  dem  phyllitischen  Schiefer  verbunden. 
Höhe  ca.  6 Meter. 


der  cambrisch - phyllitischen  Scbieferreilie  in  Thüringen. 


223 


einander  erkennen,  meist  in  schieferiger,  in  kleinen  Partieen  auch 
gleiclnnässig  körniger  Structur,  so  dass  sie  geradezu  als  Gneiss 
und  als  Granit  (grob-  oder  feinkörniger)  zu  bezeichnende  Hand- 
stücke liefern  können.  Durch  die  Art  der  Anhäufung  und  Ver- 
theilung  des  Glimmerminerals  zwischen  den  übrigen  Gemengtheilen, 
mehr  noch  durch  den  Eintritt  phyllitisch  aussehender  Schieferflasern 
in  die  Gesteinsmischung  und  das  allmähliche  Ueberwiegen  der- 
selben bilden  sich  Verwachsungen  mit,  oder  Uebergänge  zu  dem  ein- 
schliessenden  phyllitischen  Schiefer,  eine  Art  Mittelgestein  zwischen 
Gneiss  und  fe ldspathführendem  Quarzphyllit.  Eben  durch 
diese  Veränderlichkeit  der  Mischung  und  Structur  entfernen  sich 
diese  Gesteine  von  den  eigentlichen,  vollkrystallinischen  Massen- 
gneissen  und  Graniten  der  archäischen  Systeme  und  verbinden 
sich  inniger  mit  dem  umgebenden  phyllitischen  Schiefer;  sie  er- 
scheinen als  Kerne,  welche  durch  Uebergangszonen  mit  letzterem 
Zusammenhängen1).  Bei  zurücktretendem  Feldspatli-  und  Glimmer- 
gehalt, in  Verbindung  mit  Feinkörnigkeit,  ergeben  sich  auch 
Modificationen,  die  einem  Quarzit,  oder  einem  Quarzitschiefer 
ähnlich  werden;  statt  des  dunkelen  Glimmerminerals  kommt  bei 
diesen  ein  sehr  lichtes  in  äusserst  dünnen,  schuppigen  Lamellen  vor. 

Ganz  ähnlich  dem  Vorkommen  von  Hinterod  verhält  sich 
jenes,  welches  N.  von  Böhlen  am  sog.  Milchberg  (Grenze  von 
Blatt  Breitenbach  und  Königsee)  innerhalb  der  phyllitischen  Zone, 
resp.  des  Quarzphyllits  eine  grössere  Verbreitung  gewinnt.  Auch 
hier  entsprechen  die  an  Masse  zurückstehenden  reinsten  Partieen 
einem  Granit  von  mittlerem  Korn,  oder  auch  einem  Gneiss,  da 
die  Structur  Neigung  zum  Schieferigen  und  Elaserigen  behält.  Von 


B Sie  erscheinen,  wenn  wir  uns  einmal  auf  den  Standpunkt  der  diagenetischen 
oder  auch  der  epigenetischen  Metamorphose  stellen  wollen , als  der  am  weitesten 
vorgeschrittene  Umwandhmgszustand  des  ursprünglichen  Sediments. 

Es  würde  in  keiner  Weise  angehen,  die  gneissartigen  Gesteine  dieses  Vor- 
kommens etwa  als  ein  zwischen  jüngeren  Systemen  inselartig  vorragendes  Stück 
eines  archäischen  Grundgebirges  aufzufassen.  Dagegen  würde  eine  Reihe  localer 
Gründe  sprechen,  deren  Aufzählung  hier  zu  weit  führen  würde.  Es  genügt,  die 
enge  Verbindung  hervorgehoben  zu  haben,  die  mit  dem  einschliessenden  Schiefer 
besteht.  — Ebenso  verhält  es  sich  bei  allen  anderen  Vorkommnissen,  soweit  die 
Specialaufnahmen  bis  jetzt  reichen. 


224 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


den  Bestandteilen  prävalirt  meist  der  Quarz,  der  überdies  viel- 
fach in  grösseren  Knauern  und  Putzen  ausgescliieden  ist,  ganz 
ähnlich  wie  bei  vielen  Porphyroiden  und  beim  Quarzphyllit1). 
Erreichen  diese  Quarzausscheidungen  einen  beträchtlichen  Umfang 
gegenüber  dem  feldspathigen  Bestandtheil,  so  unterscheiden  sich 
solche  Gesteinsmassen  wenig  mehr  von  den  feldspathhaltigen  Quarz- 
knauern des  Quarzphyllits.  Derartige  Gesteinspartieen  sind  es, 
welche  die  reine  granitische  Ausbildungsform,  mit  welcher  sie  durch 
allerlei  Uebergangsformen  verbunden  sind,  fast  nur  als  eine  weitere 
Entwickelungsstufe  der  feldspathhaltigen  Quarzausscheidungen 
und  -Knauern  des  Phyllits  erscheinen  lassen;  um  so  mehr,  als  es 
auch  an  phyllitischen  Schalen  und  an  Chlorit  nicht  fehlt,  welche 
mit  jenen  quarzreichen  und  dazu  meist  glimmerarmen  Partieen  der 
granitartigen  Gesteinsbildungen  verwachsen  sind;  wie  denn  Phyllit 
und  Quarzphyllit,  in  nichts  von  der  gewöhnlichen  und  typischen 
Beschaffenheit  abweichend,  sich  zwischen  all  diesen  granitischen 
Modificationen  hindurchziehen,  sei  es,  dass  sie  an  Masse  über- 
wiegen, oder  auch  gegen  jene  zurücktreten.  Eine  andere  Ver- 
knüpfung der  Gneisspartieen  mit  dem  Phyllit  ergiebt  sich  in  der 
Art,  dass  der  weisse,  mehr  oder  weniger  individualisirte  Glimmer 
der  ersteren  zurücktritt  und  verschwindet,  während  dafür  phyllitische 
Häute  und  Flasern  vorhanden  sind,  also  ein  Phyllitgneiss 
resultirt. 

Wie  eng  die  Verbindung  dieses  granitiseh-gneissischen  Ge- 
steins mit  dem  umgebenden  Phyllit  ist,  geht  z.  B.  auch  aus  der 
sicher  beobachteten,  in  ziemlich  dünnen  Lagen  wechselnden  Ver- 
wachsung der  granitischen  Masse  mit  phyllitiscli  - quarzitischem 
Schiefer  hervor,  welche  sich  als  besondere  Modification  zwischen 
den  übrigen  an  dieser  Lokalität  vorfand.  Ferner  sei  erwähnt, 
dass  im  Bereich  dieser  granitischen  Einlagerung  der  Quarzphyllit- 

Q Diese  starke  Verwachsung  mit  Quarz  kommt  auch  bei  den  entsprechenden 
Gesteinen  von  Hinterod  vor.  — Stärkere,  trumförmige  Quarzausscheidungen 
zwischen  dem  Quarz-Feldspathgemeng  bewirken  in  der  That  eine  gewisse  Analogie 
mit  manchen  Porphyroiden;  von  diesen  unterscheiden  sich  jedoch  jene  granit- 
artigen Massen  durch  das  reichliche  Vorhandensein  individualisirten  Glimmers, 
das  Fehlen  der  sericitischen  Flaser  und  des  felsitischen  Antheils,  sowie  das  Her- 
vortreten gleichmässig  körniger  Structur. 


der  cambrisch  - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


225 


Zone  auch  Kieselschiefer,  wie  er  sonst  in  letzterem  eingelagert  ist, 
vorkommt,  und  nicht  minder  ampliibolische  Zwischenschichten  mit 
ihren  erwähnten  festeren  Kernpartieen  dioritischen  Gesteins,  die 
überdies  Uebergänge  zu  Granit  (durch  Aufnahme  weisser  Glimmer- 
schüppchen) zeigen  1). 

Den  beschriebenen  Beispielen  ähnlich  verhalten  sich  denn 
auch  die  übrigen  derartigen  Vorkommnisse,  welche  bis  jetzt  im 
Speciellen  untersucht  wurden,  insbesondere  die  der  Gegend  von 
Katzhütte  im  Schwarzathale,  z.  B.  das  im  Amselgrund  nahe  bei 
diesem  Ort.  Aehnlich  auch  die  hierher  gehörige  Einlagerung, 
welche  in  der  Nähe  des  Ausganges  des  Laubthals  im  Schwarza- 
thal an  der  Landstrasse  ansteht.  Sie  verhält  sich  in  der  Haupt- 
sache als  Phyllitgneiss,  indem  die  Feldspath-  und  Quarzkörner 
flaserig  von  Phyllit  umgeben  sind,  und  bald  mehr  zurücktretend 
diesem  das  Uebergewicht  lassen,  bald  unter  stärkerem  Hervortreten 
rein  körnigen  Gefüges  die  Phyllitflaser  verdrängen,  die  sich  dann 
nur  noch  in  einzelnen  kleinen,  ausser  Zusammenhang  befindlichen 
Partieen  vorfindet  und  sozusagen  die  Rolle  des  Glimmers  in  ge- 
wöhnlichem Granit  übernimmt.  Grössere,  mit  zusammenhängender 
Phyllitsubstanz  überkleidete  Flächen  durchziehen  das  Gestein,  an 
ihnen  findet  leicht  Ablösung  der  Gesteinsmasse  statt.  Körnige 
Partieen  wechseln  mit  mehr  schieferigen  und  flaserigen  oder  sind 
von  solchen  wie  Kerne  umschlossen,  so  dass  auch  hier  der  Gesteins- 
körper ein  nichts  weniger  als  gleichartiges  Ganze  darstellt,  sondern 
sich  aus  den  genannten,  verschieden  struirten  Theilmassen  in 
eigenthüinlicli  angeordneter  Weise  zusammensetzt.  Sehr  feinkör- 
nige, phyllitarme  oder  -freie,  quarzitisch  beschaffene  und  von  reich- 
lichen Quarzausscheidungen  oder  - Trümern  durchzogene  Lagen 
finden  sich  an  der  äusseren  Grenze  nach  dein  Laubthale  zu,  gegen 

ZOO 

*)  Man  ist  bei  der  Untersuchung  dieser  Localität  auf  das  Studium  der  aller- 
dings in  Menge  vorhandenen  Lesesteinhaufen  angewiesen.  Nach  diesen  zu  ur- 
theilen,  nämlich  nach  dem  Mengenverhältniss  ihrer  granitischen  und  quarzphyl- 
litischen  Fragmente  scheint  die  granitische  Masse  sich  nach  der  ganz  flach  an- 
steigenden Höhe  hin  zu  verdichten,  nach  aussen  mehr  und  mehr  in  Quarzphyllit 
zu  verlieren.  Kieselschiefer  kommt  zwischendurch  besonders  auf  der  NW. -Seite 
vor,  wo  der  Breitenbacher  Kieselschieferzug  nach  Friedersdorf  hin  durchstreicht. 
Amphibolgestein  findet  sich  an  der  NW7.-  und  noch  mehr  an  der  0. -Seite. 


15 


226 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


das  umgebende  Schiefergestein.  Tn  ihrem  weiteren  Verlauf  nach 
NO.  ist  dieser  granitisch-gneissische  Gesteinszug:  noch  nicht  zur 
Specialaufnahme  gelangt;  wir  wollen  bei  dieser  Gelegenheit  nicht 
unerwähnt  lassen,  dass  gerade  dieses  Vorkommen  von  anderer 
Seite  in  einem  anderen  Sinne  gedeutet  worden  ist1). 


Einlagerungen  porphyroidischer  Gesteine  2). 

Eine  besondere  Gruppe  von  Einlagerungen  oder  Zwischen- 
schichten unserer  phyllitisch-cambrischen  Schieferreihe  bilden  jene 
merkwürdigen,  auch  aus  vielen  anderen  in  ähnlicher  Weise  des 
Vorkommens  bekannt  gewordenen  Gesteine,  welche  nach  Lossen 
als  Porphyroide,  Schiefer porpliyr oi de  bezeichnet  werden. 
Sie  sind  im  genannten  Schichtencomplex  Thüringens  von  grosser 
Verbreitung,  namentlich  in  der  phyllitischen  und  halbphyllitischen 
Zone,  sowie  auch  noch  der  tieferen  Partie  der  cambrischen  Thon- 
schiefer  und  Quarzite,  fehlen  aber  auch  in  der  höheren  Schichten- 
folge der  letzteren  nicht  ganz. 

Es  lässt  sich  eine  grosse  Reihe  von  Varietäten  oder  Modifi- 
c-ationen  dieser  bemerkenswerthen  Schichtgesteine  unterscheiden, 
welche  in  einzeln  herausgegriffenen  Proben  betrachtet,  nach  Mischung 
und  Mengenverhältniss  der  mineralischen  Componenten,  mehr  noch 
nach  der  Structur  verschieden  genug  aussehen  können;  doch  sind 
alle  diese  Varietäten  durch  Abstufungen  und  Uebergänge  eng  ver- 
bunden und  erscheinen,  was  wichtiger  und  besonders  hervorzuheben, 
in  der  Art  ihres  Vorkommens  so  innig;  zusammengehörig;  oder 
gegenseitig  sich  bedingend,  dass  kaum  einmal  nur  eine  solche 
Varietät  porphyroidischen  Gesteins  für  sich  auftritt,  sondern  fast 
immer  eine  Anzahl  solcher  Varietäten  in  engstem  Lagerungsverband 
unter  sich  und  mit  zugehörigem  und  einschliessendem  Schiefer- 

o o 

x)  Vergl.  H.  Credner  sen.  im  Neu.  Jahrb.  f.  Min.  etc.  1849,  p.  10  ff.  und 
in  »Versuch  einer  Bildungsgeschichte  der  geognost.  Verhältnisse  des  Thüringer 
Waldes«  Gotha  1855,  p.  21. 

2)  Vergl.  Richter:  Thüringische  Porphyroide.  Saalfeld.  4°.  1871.  (Programm 
der  Realschule.) 


der  cambrisch- phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


227 


gestern  gewöhnlicher  Art  — sei  es  Thonschiefer  oder  Phyllit  oder 
Quarzit  — den  Gesammtkörper  der  porphyroidischen  Einlagerung 
constituirt. 

Es  besteht  kein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  den 
Porphyroiden,  die  in  der  ältesten,  phyllitischen  Zone  unseres 
Schiefergebirges  als  Einlagerungen  erscheinen,  und  jenen,  die  in 
den  jüngeren  Schichtenfolgen  Vorkommen;  wenn  auch  gewisse 
Varietäten  mehr  dort,  andere  mehr  hier  vertreten  zu  sein  scheinen. 

Wie  sonst  wo,  ist  auch  bei  unseren  Porphyroiden  in  der 
Regel  eine  Art  Grundmasse  vorhanden,  deren  schieferige  Structur 
bei  vielen  Modificationen  sofort  hervortritt  , bei  anderen  aber  erst 
bei  der  Betrachtung  grösserer  Geste inspartieen  sich  kundgiebt, 
während  sie  im  Handstück  völlig  oder  so  gut  wie  ganz  fehlen 
kann,  woraus  eine  wahre  Porphyrstructur,  ähnlich  der  eines  erup- 
tiven Porphyrs  hervorgehen  kann.  Ihrer  mineralischen  Natur  nach 
verhält  sich  diese  Grundmasse  sehr  gewöhnlich  wie  ein  Felsit1), 
der  mitunter  etwas  ins  Quarzitische  geht;  die  felsitische  Grund- 
masse ist  entweder  massig  oder  schieferig,  letzteres  durch  schich- 
tigen Wechsel  in  chemisch  - physikalischen  Eigenschaften  allein, 
oder  gewöhnlicher,  durch  mehr  oder  minder  reichliche  Interposition 
von  sericitischen  oder  phyllitischen  Lamellen,  Häuten,  Flasern; 
bei  anderen  porphyroidischen  Modificationen  erscheint  aber  statt 
dieser  felsitischen  und  halbfelsitischen  Grundmasse  ein  wahrer 
Schiefer  von  meist  sericitischem  oder  phyllitischem  Habitus2). 


x)  Ob  und  wie  weit  bei  diesen  thüringischen  Porphyroiden  statt  Felsit  auch 
» Adinole«  im  Sinne  Lossen’s  betheiligt  ist  oder  nicht,  kann  natürlich  nur  durch 
genaue  Untersuchung  gefunden  werden;  wir  wollen  hier  bei  der  Bezeichnung  Felsit 
und  felsitisch  für  die  betreffende  Grundinasse  stehen  bleiben. 

2)  »Sericit«  und  »Phyllit«,  resp.  »sericitisck«  und  »phyllitisch«  sind  in  vor- 
liegender Mittheilung  immer  so  gebraucht,  dass  unter  ersterem  die  anscheinend 
reine  und  mineralogisch  einheitliche  Substanz  verstanden  wird,  wie  sie  z.  B.  im 
Quarzit  in  unendlich  dünnen,  fast  durchsichtigen  Flauten  und  Flasern  sich  einlegt, 
oder  stärker  werdend  jene  weissen  bis  gelblichen  oder  grünlichen  »talkähnlichen« 
Lagen  bewirkt,  in  ihren  bekannten  Eigenschaften  nach  Härte , Glanz , feinschup- 
piger bis  faseriger  Beschaffenheit;  unter  »Phyllit«  dagegen  ein  anscheinend  com- 
plexes  schieferiges  Aggregat,  zu  dessen  Aussehen  noch  andere  Beimengungen, 
namentlich  eine  solche  chloritischer  Natur,  beitragen  und  wie  es  in  der  » phylli- 
tischen« Schieferzone  zu  so  ansehnlicher  Verbreitung  gelangt. 


15 


228 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


Als  krystallinische  Ausscheidungen  sind  in  der  schieferigen  oder 
gleichmässig  dichten  Grundmasse  entwickelt:  Feldspath,  zumeist 
wohl  Orthoklas,  doch  nicht  mit  völligem  Ausschluss  eines  plagio- 
klastischen  Feldspaths  und  Quarz;  ersterer  meist  in  unvollkomme- 
nen Ivrystallen,  letzterer  in  kristallinischen  Körnern.  Ein  Glimmer- 
mineral, welches  allem  Anschein  nach  dem  Sericit  am  nächsten 
steht,  und  in  flaserigen  Lamellen  zugegen  ist,  gehört  wie  es  scheint 
wesentlich  mit  zur  Constitution  der  Porphyroide,  ist  aber  in  höchst 
wechselnder  Menge  zugegen;  selbst  in  massig-compacten,  gar  nicht 
mehr  an  Schiefer  erinnernden  Porphyroiden,  resp.  Partieen  einer 
porphyroidischen  Einlagerung  pflegen  sericitische  Flasern  nicht 
ganz  zu  fehlen. 

Die  krystalliuischen  Feldspath-  und  Quarzausscheidungen  in 
einer  Art  von  Grundmasse  bedingen  die  äussere  Aehnlichkeit  mit 
Porphyren,  welche  diesen  Gesteinen  in  wenigstens  sehr  vielen  ihrer 
Abarten  eigen  ist;  die  schieferige  Structur,  welche  entweder  schon 
im  Aussehen  der  Grundmasse,  mindestens  doch  in  dem  des  ganzen 
Porphyroidlagers  zum  Ausdruck  gelangt,  und  in  mineralogischer 
Hinsicht  schon  die  sericitische  Flaser  bedingen  die  innere  Ver- 
wandtschaft mit  Schiefer. 

In  dem  Mengenverhältniss  der  krystallinischen  Ausscheidungen 
unter  einander  und  zur  Grundmasse,  in  der  mineralischen  Be- 
schaffenheit der  letzteren,  in  der  stärkeren  oder  geringeren  Ent- 
wickelung des  sericitischen  Antheils,  in  der  Structur  finden  nun 
aber  wie.  gesagt  die  grössten  Mannichfaltigkeiten  statt;  daher  die 
grosse  Reihe  der  Varietäten.  Immerhin  bleiben  in  den  meisten 
Fällen  soviel  gemeinsame  Charaktere  und  verbindende  Elemente 
in  dem  Habitus  dieser  Gesteine , dass  ihre  Zugehörigkeit  zu  den 
»Porphyroiden«  sich  schon  im  Ansehen  des  Handstücks,  noch  besser 
allerdings  an  der  natürlichen  Lagerstätte  kundgiebt;  in  einzelnen 
Fällen  allerdings  bilden  sich  Uebergangsstufen  zu  anderen  Schiefer- 
gesteinen  heraus,  so  dass  man  in  Zweifel  kommen  kann,  ob  man  das 
fragliche  Object  noch  als  Porphyroid  gelten  lassen  soll  oder  nicht. 

Wir  wollen  an  einigen  bestimmten  Beispielen  die  gegebenen 
Andeutungen  über  unsere  thüringischen  Porphyroide  etwas  näher 
ausführen. 


der  cambrisch - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


229 


Ein  schon  seit  längerer  Zeit  bekanntes  Porphyroidvorkommniss 
ist  das  von  Langenbach  im  oberen  Schwarzathal1)  (vgl.  Fig.  3). 


Figur  3. 


Porphyroi  d-Yorkommen  bei  Langenbach: 

a.  Thonschiefer, 

b.  Massiges  Porphyroid, 

C.  Thonschiefer  und  Q.uarzit, 

d.  Flaseriges  Sericitschiefer-Porphyroid  mit  Zwischenlagen  von  sericitischem 
Schiefer, 

e.  Thonsc.hiefer, 

f.  Gangförmiger  Feldspath-Porphyrit, 

g.  Dunkeler  Thonschiefer  mit  dunkelem  Quarzit  und  quarzitischem  Schiefer 
z.  Th.  wulstig  verwachsen.  Dazwischen  lose  Porphyroid -Fragmente. 

Die  an  der  rechten  Thalseite  hinführende  Landstrasse  und  ein  vom 
Ansgang  des  Pechseifengrnndes  in  NW.-Richtung  bergan  führen- 
der Waldweg  geben  gute  Aufschlüsse.  Nach  diesen,  in  Verbin- 
dung mit  der  Specialaufnahme  des  umgebenden  Terrains  erscheint 
das  Porphyroidvorkommen  innerhalb,  resp.  am  NW. -Rand  einer 
grösseren  Quarziteinlagerung  im  cambrischen  Thonschiefer.  Die 
porphyroidischen  Schichten  selbst  werden  nun  aber  wieder  unter- 
brochen oder  enthalten  Zwischenmittel  von  Quarzit,  quarzitischem 
Schiefer  und  Thonschiefer,  und  diese  verschiedenen  Elemente  zu- 
sammengenommen bilden  in  enger  Verbindung  ein  zusammenge- 
setztes Glanze,  die  porphyroidische  Gesammtlagermasse.  Der  Quarzit 

Q An  der  Grenze  von  Blatt  Steinheid  und  Breitenbach  der  Generalstabs- 
karte 1 : 25000. 

Die  Vorkommnisse  bei  Langenbach,  am  Reichenbach  und  am  Bärentiegel 
sind  schon  von  H,  Credner  sen.  im  Neuen  Jahrb.  f.  Min.  etc.  1849,  p.  13  ff.  be- 
schrieben worden. 


230 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


ist  derselbe  wie  im  umgebenden  Quarzitlager  und  wie  er  sonst  als 
Zwischenschichten  und  Zwischenlager  des  cambrischen  Thon- 
schiefers auftritt;  sehr  hervortretend  ist  an  dieser  Stelle  Breccien- 
structur  des  Quarzits.  Der  dem  porphyroidischen  Lagerkörper 
eingeschaltete  Thonschiefer  ist  ebenfalls  ganz  wie  der  der  Umge- 
bung, dunkelblaugrau,  streifig  in  der  Schichtungsrichtung  u.  s.  f.; 
neben  diesem  wie  gewöhnlich  ziemlich  milden  Thonschiefer  sind 
aber  auch  härtere , ebenfalls  streifige , kieselige  oder  quarzitische 
Lagen  vorhanden,  welche  ganz  auf  einen  gewöhnlichen  cambrischen 
quarzitischen  Schiefer  herauskommen,  wie  er  so  vielfach  dem 
weicheren  Thonschiefer  zwischengeschichtet  ist.  An  der  Zusammen- 
setzung der  eigentlich  porphyroidischen  Lagertheile  betheiligen  sich 
wie  gewöhnlich  eine  dichte,  felsitähnliche  Masse,  Quarz,  Feldspath 
und  ein  sericitisches  Mineral;  letzteres  theils  sehr  zurücktretend, 
nur  in  Form  dünner  Lamellen  und  Flasern  zwischen  dichter,  weisser 
Grundmasse  (die  hier  mehr  dichter  Feldspathsubstanz  als  hartem, 
kieselreichem  Felsit  gleicht  und  krystallinische  Quarzkörner  ent- 
hält) — theils  stärker  zwischen  eben  solcher  Masse  entwickelt  und 
schon  ein  flaseriges  Gefüge  bewirkend  — theils  ganz  vorwaltend 
und  mit  den  eingestreuten  krystallinischen  Feldspath-  und  Quarz- 
körnern ein  schieferiges  Flaserporphyroid  constituirend.  In  dein 
Aufschluss  an  der  Landstrasse  kommt  sogar  diese  weiche,  talk- 
ähnliche,  ölgrüne,  wohl  als  sericitisch  anzusprechende  Mineral- 
substanz, welche  bei  diesem  wie  bei  so  vielen  anderen  unserer 
thüringischen  Porphyroide  eine  so  hervorragende  Rolle  spielt,  rein 
für  sich,  ohne  Quarz  und  Feldspath,  in  Form  dünner  Zwischen- 
lagen vor.  An  den  nicht  oder  nur  wenig  mit  den  talkähnlichen 
Flasern  verwachsenen,  dementsprechend  mehr  massig  erscheinenden 
Porpliyroidpartieen  macht  sich  wie  beim  Quarzit , häufig  die 
Breccienstructur  geltend.  — Was  den  Quarz  betrifft,  so  ist  er, 
abgesehen  von  seiner  Betheiligung  in  Körnerform  an  der  Zusammen- 
setzung der  Porphyroidmasse  gar  vielfach  in  schichtigen  Lagen 
und  in  dünneren  und  dickeren  Adern  ausgeschieden,  derart,  dass 
man  solche  Quarzadern  nicht  für  secundären  Gangquarz,  sondern 
für  primäre,  bei  dem  Process  der  Gesteinsbildung  im  Ueberschuss 
vorhandene,  und  in  während  der  allmählichen  Verfestigung  ent- 


der  cambrisch  - phylli tischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


231 


stehende  Risse  abgelagerte  Kieselmasse  halten  möchte1).  Seine 
Farbe  ist  nicht  die  des  weissen  Gangquarzes,  sondern  mehr  bläu- 
lich, und  ebenso  die  der  porphyroidischen  Quarzkörner.  — Die 
regelmässige  Folge  und  Lage  dieser  Schichtgesteine  in  der  allge- 
meinen Schichtungsrichtung  ist  an  der  Landstrasse  recht  wohl  zu 
erkennen,  sowie  auch  gegenüber  an  der  anderen  Thalseite,  hinter 
der  Schneidemühle,  wo  dieselben  porphyroidischen  Schichten  an- 
stehen. 

Dem  Langenbacher  Porphyroidvorkommen  sehr  ähnlich,  dabei 
noch  ausgedehnter  und  in  den  einzelnen  Varietäten  mannichfaltiger, 
doch  weniger  gut  aufgeschlossen  ist  das  in  derselben  Streichrich- 
tung weiter  NO.  gelegene  Vorkommen  am  Jagd  schirm,  an  der 
NO. -Seite  des  Wurzelberges.  Auch  hier  sind  die  Porphyroid- 
schichten  innerhalb  eines  Quarzitlagers  im  Bereich  des  cambrischen 
Thonschiefers  entwickelt.  Fortwährend  wiederholt  sich  zwischen 
porphyroidischem  Gestein  Quarzit,  dem  sich  auch  hie  und  da 
dunkeier  Thonschiefer  zugesellt.  Sehr  stark  ist  auch  hier  jenes 
Flaserporphyroid  entwickelt,  dessen  Hauptmasse  der  ölgrüne  oder 
gelbliche,  »talkähnliche«  resp.  sericitische  Schiefer  ausmacht, 
welchem  Quarzkörner  und  Feldspathkörner , resp.  -krystalle  ein- 
gewachsen sind.  Breccienstructur  des  Quarzits  und  Porphyroids 
stellt  sich  öfters  ein.  Massige  Quarzblöcke  sind  im  Bereich  der 
Porphyroidbildung  und  des  angrenzenden  Quarzites  sehr  verbreitet; 
sie  mögen  Trümmer  sehr  beträchtlicher  Quarzausscheidungen  sein. 
Die  Zahl  der  porphyroidischen  Modificationen  und  Uebergangs- 
stufen  zu  anderem  Schiefer  ist  im  Gesammtbereich  dieses  Lagers 
schon  recht  gross : Die  sehr  schieferigen  Varietäten,  welche  Ueber- 
gänge  zu  S er  icitquar  zitschief  er  und  körnigflaserigen  Sericit- 
quarzit  bilden,  wobei  zuletzt  deutliche  Feldspathbeimengung  fehlt, 
stellen  sich  besonders  abwärts  am  Gehänge  ein,  nach  dein  Brech- 
borntiegel  und  Unteren  Wurzeltiegel  zu,  sowie  noch  weiter  west- 
lich, wo  die  porphyroidischen  Einlagerungen  in  Quarzit  überhaupt 
sparsamer  und  weniger  geschlossen  auftreten,  und  der  Thonschiefer 

x)  Also  nach  Art  der  »Ausscheidungsgänge«  oder  der  »Primär-«  oder 
»Durchwachsungstrümer«  im  Sinne  Lossf.n’s,  welche  den  »Secundär-«  oder 
» Gangtrümern  « gegenüberstellen. 


232 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


gegen  den  Quarzit  zunimmt;  auch  bei  diesen  Modificationen  findet 
sich  ab  und  zu  noch  Breccienstructur ; so  umschloss  ein  Block 
Sericitquarzitschiefer  fast  eckig  umrandete  Brocken  von  gleich- 
massig  körnigem  Quarzit  und  von  grosskörnigem  Porphyroid.  — 
Könnte  man  eine  genaue  Verzeichnung  einer  so  ausgedehnten  und 
mannichfaltigen  porphyroidischen  Lagermasse  ausführen,  so  würde 
sich  ein  sehr  buntes,  wechselvolles  Bild,  nach  Gestein  und  Structur- 
formen  im  Grossen  und  Kleinen  ergeben. 

Besonders  massige,  z.  Th.  ganz  an  Eruptivgesteine  erinnernde 
Gestaltung  und  dabei  nur  beschränkten  Umfang  besitzen  die  Por- 
phyroidvorkommnisse  am  Ausgang  des  Reichenbachs  in  das  Katze- 
thal, und  nahe  dabei  dasjenige  am  Bärentiegel  mit  seiner  nur 
durch  die  Thalerosion  abgeschnittenen  Fortsetzung  gegenüber,  im 
Katzethal.  Auch  diese  Porphyroid e liegen,  das  erstere  am  Rande, 
das  zweite  ganz  in  einem  Quarzitlager,  dessen  Quarzit  allerdings 
wie  gewöhnlich  mit  etwas  Thonschiefer  wechsellagert. 

Dasjenige  am  Reichenbach  hat  einerseits  eine  fast  durch- 
aus massig  ausgebildete  Partie  mit  felsitischer  Grundmasse  und 
sehr  zurücktretender  Sericitflaser,  und  andererseits  eine  ganz  vor- 
wiegend schieferige  Pai’tie,  wo  im  Gegensatz  zu  obiger  der  Sericit 
vorwaltet  und  geradezu  als  Sericitschiefer  auftritt,  in  welchem  be- 
sonders Quarz,  weniger  Feldspath  in  krystallinischen  Körnern  aus- 
geschieden  ist,  wobei  die  Structur  eine  körnig  flaserige  ist  und  das 
Ganze  einem  Sericit gneiss  nahe  kommt.  Die  massige  Partie 
besitzt  Ansehen  und  Felsbildung  eines  krystallinischen  Massen- 
gesteins, wobei  sich  immerhin  eine  mit  der  Schichtung  der  um- 
gebenden Schiefermassen,  wie  der  schieferigen  Porphyroidpartie  un- 
gefähr gleichlaufende,  steilstehende  Absonderung  oder  Abklüftung 
bemerklich  macht,  und  fast  plattenförmige  Quarzlagen  in  derselben 
Richtung,  also  schichtig  durchsetzen,  während  andere  Trümer 
des  reichlich  vorhandenen  Quarzes  auch  anderen  Richtungen  folgen; 
sericitische  Lagen  fehlen  nicht  ganz  und  sind  stellenweise  in  grös- 
serer Reinheit  ausgeschieden. 

Noch  massiger  erscheint  das  schon  genannte,  als  Steinbruch 
benutzte,  Porphyroid  am  Bärentiegel;  eine  ca.  70 ' hohe,  ander 
Strasse  ca.  60  Schritt  breite,  unregelmässig  zerklüftete  Felsmasse, 


der  cambriscli  - pliyllitischen  Scliieferreihe  in  Thüringen. 


233 


welche  ganz  den  Eindruck  eines  krystallinischen  Massengesteins 
hervorbringt;  Gestein  compact,  äusserst  hart,  splitternd,  mit  dem 
H ammer  funkend,  Grundmasse  felsitisch,  von  blaugrauer  oder  röth- 
licher  Färbung  mit  zahlreich  ausgeschiedenen  Quarzkörnern,  spar- 
samen Feldspäthen,  Sericitlamellen  und  -flasern  sehr  zurücktretend; 
die  Grundmasse  zeigt  öfters  verschieden  gefärbte,  meist  dunkeiere 
und  lichtere,  vielfach  wellige  und  verschwommene  Streifung,  die 
an  die  Fluidalstructur  mancher  Quarzporphyre  erinnert,  und  solchen 
kann  das  Gestein  in  einzelnen  sericitfreien  Theilen  zum  Verwech- 
seln ähnlich  werden;  während  andere  in  der  Art  der  Vertheilung 
ihrer  sericitischen  Zwischenhäute  und  eines  diesen  sich  zugesellen- 
den Schwefelkiesgehaltes,  bei  zugleich  etwas  rauher  Grundmasse 
sehr  an  den  Quarzit  des  Werragrundes  am  Frohnberg  erinnern. 
Breccienbildung  ist  auch  diesem  Porphyroidvorkommen  nicht  fremd, 
sie  findet  sich  am  oberen  Ende  desselben : Quarzbrocken  verkittet 
durch  felsitische  Masse  oder  felsitische  Brocken  durch  ebensolche 
Masse  verbunden.  Auf  der  entgegengesetzten  Thalseite  steht  die 
Fortsetzung  des  Porphyroids  in  Felsen  an,  hier  z.  Th.  mit  etwas 
rauhkörniger,  quarzitischer  Grundmasse;  ihr  südwestliches  Ende  ist 
durch  ein  schmales  Zwischenlager  von  sericitischem , mit  felsitischer 
Masse  lagenweise  verwachsenem  Schiefer  angedeutet,  der  auch 
z.  Th.  eine  gewissen  Wetzschiefern  sehr  ähnliche  Beschaffenheit 
annimmt,  und  von  Thonschiefer  mit  Quarzit  umgeben  ist. 

Die  etwas  weiter  aufwärts  im  Katzethal,  an  der  N.-  und 
NO. -Seite  des  Lindigkopfs  und  gegenüber  vorkommenden  Porphy- 
roide  sind  in  der  Hauptsache  flaserige  bis  flaserigkörnige  Serieit- 
schieferporphyroide.  Die  dunkele  Färbung  mancher  derselben  scheint 
von  der  Beimengung  sehr  zahlreicher  kleiner,  glänzender  Magnet- 
eisenpartikel  herzurühren.  Sie  treten  weniger  geschlossen,  als  in 
schichtigem  Wechsel  mit  Quarzit  und  Thonschiefer,  resp.  einem 
Quarzitthonschieferwechsel  als  Zwischenschichten  eingeschaltet  auf. 
Die  porphyroidischen  Lagen  können  ganz  dünn  werden  und  es 
lassen  sich  an  einigen  Stellen  — so  einige  hundert  Schritt  an  der 
Landstrasse  im  Katzethal  oberhalb  Ausgang  des  Frauenbachs; 
auch  am  Beginn  des  Weges,  der  vom  Ausgang  des  Höllethals  an 
der  Ostseite  des  Lindig  hinaufführt  — Handstücke  schlagen,  an 


234 


H.  Loretz  , Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


welchen  flaserigkörnig  sericitisches  Scliieferporphyroid,  Quarzit  und 
dunkelblaugrauer  Thonschiefer  schichtig  verwachsen  und  von  Trans- 
versalschieferung durchsetzt  sind,  und  ein  Schiefergestein  ergeben, 
zu  welchem  sich  an  anderen  Stellen  im  cambrischen  Schiefergebiet, 
fernab  von  so  deutlichem  Zusammenhang  mit  Porphyroidbildung 
in  grösserem  Maassstab,  Analogieen  finden,  in  Form  von  Zwischen- 
schichten des  gewöhnlichen  Thonschiefers1). 

Die  bisherigen  Beispiele  behandelten  solche  Porphyroidvor- 
kommnisse,  welche  im  Bereich  von  Quarzitlagern,  oder  mit  Quarzit 
wechselndem  Thonschiefer  liegen.  Eben  diese  Vorkommnisse  zeich- 
nen sich  vor  anderen  durch  ihren  Umfang;  aus,  wogegen  sie  im 
Streichen  nicht  lange  aushalten.  Es  wurde  der  innige  Verband 
und  häufige  Wechsel  hervorgehoben,  der  zwischen  den  porphyroidi- 
schen,  quarzitischen  und  thonschieferigen  Lagertheilen  zu  herrschen 
pflegt.  Aber  auch  lithologisch  finden,  wie  uns  fortgesetzte  Beob- 
achtungen über  die  mancherlei  Abstufungen  der  hierhergehörigen 
Gesteine  unzweideutig  zu  ergeben  scheinen  und  oben  bereits  an- 
gedeutet,  nahe  verwandtschaftliche  Beziehungen  zwischen  dem  Ge- 
stein der  Porphyroide  und  Quarzite  statt.  Schieferige  Porphyroid- 
varietäten  können  in  Sericitquarzitschiefer  und  in  körnig-flaserigen 
Sericitquarzit  verlaufen ; die  sericitische  Flaser  erscheint  nämlich 
häufig  genau  in  derselben  Weise  in  Quarziten  und  Quarzitschiefern 
wie  in  Porphyroiden,  und  durch  phanerokrystallinische  Quarzkörner, 
die  manchmal  in  dichter  Quarzitmasse  ausgeschieden  sind,  kann 
die  Aehnlichkeit  auf  Seite  des  Quarzits  gesteigert  werden,  beson- 
ders mit  solchen  Porphyroiden,  deren  felsitische  Grundmasse  etwas 
rauh  und  dabei  arm  an  Feldspatheinsprengungen  ist2).  Auch 


B Es  mag  beiläufig  bemerkt  werden,  dass  die  fast  feinkörnig  flaserigen  — 
kleine  Feldspatk-  und  Quarzkörner  in  der  flaserig  sich  durchwindenden  sericiti- 
schen  Masse  — Schieferporphyroide  des  Katzethals  auf  abgewittertem  Querbruch, 
wo  die  Feldspäthe  roth  erscheinen  und  der  sericitische  Antheil  wenig  hervortritt, 
fast  das  Ansehen  eines  Arlcosesandsteins  annehmen  können. 

2)  In  der  oberen  Schwarzagegend  finden  sich  einigemal  als  schmale  Ein- 
lagerungen im  herrschenden  Schiefer  eigenthümliche  Sericitquarzschiefer , so  am 
Hang  östlich  von  Katzhütte;  man  beobachtet  hier  einen  sehr  feinkörnigen  Quarz- 
schiefer, der  von  glänzenden  sericitischen  Häuten  durchzogen  ist,  während  der 
körnige  Quarz  von  Stelle  zu  Stelle  zu  krystallinisch  glasigem  oder  weissem  Quarz 


der  cambr-isch - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


235 


derbere  sericitische  Schalen  sind  manchmal  ganz  so  zwischen  die 
massigen,  compacten,  felsitischen  Bänke  mancher  Porphyroidvor- 
kommnisse  eingeschaltet,  wie  zwischen  massige  Bänke  mancher 
Quarzite,  in  welchem  Falle  dann  die  Gesteinsmasse  selbst  frei  von 
sericitischen  Flasern  zu  sein  pflegt1). 

Die  Porphyroide  der  älteren  Schieferzone  unseres  Gebirges 
unterscheiden  sich  petrographisch  nicht  wesentlich  von  den  oben 
beschriebenen  der  Thonschiefer-  und  Quarzitzone,  es  sei  denn,  dass 
dort  mehr  solche  Vorkommen  mit  schieferig-felsitischer  Grundmasse 
und  noch  mehr  solche  mit  phyllitischschieferiger  Grundmasse, 
welch’  letztere  in  ihrem  Ansehen  einem  Phyllitgneiss  oder  einem 
» Feldspathphyllit « nahe  kommen  können2).  Die  krystallinischen 
Einsprenglinge  und  die  sericitische  Flaser  sind  dieselben  wie  bei 


in  Knauern  oder  Linsen  verschmilzt,  was  eine  Aehnlichkeit  mit  porphyroidischem 
Gestein  bewirkt.  Am  Vitzberg,  SO.  von  Breitenbach , in  der  phyllitischen 
Schieferzone,  kommt  eine  ganz  ähnliche  Einlagerung  vor  und  diese  erscheint 
wiederholt  in  derselben  Streichrichtung  weiter  nach  NO.,  wo  sie  in  ein  achtes 
Porphyroidlager  übergeht,  resp.  mit  ihm  zusammenhängt.  — Andererseits  ist 
schieferigen  Porphyroiden  mitunter  eine  quarzitisch  aussehende  Grundmasse  eigen; 
so  am  Oelzer  Stieg,  SSO.  von  Breitenbach,  in  der  phyllitischen  Schieferzon'e,  wo 
ein  Schwarm  schieferiger  Porphyroide  mit  felsitisch  bis  quarzitisch  erscheinender 
Grundmassc  auftritt,  welche  neben  sericitischen  Häuten  und  Flasern  auch  kleine, 
nicht  zahlreiche  Quarz-  und  Feldspathausscheidungen  enthalten.  Im  Quarzitlager 
am  Grossen  Wulst  (in  der  cambrischen  Thonschieferzone)  bildet  sich  porphyroi- 
disches  Gestein  dadurch  heraus,  dass  neben  sericitischen  Flasern  auch  feldspathige 
Schmitzen  sich  in  den  Quarzit  einlegen : derartige  Stücke  liegen  hie  und  da  ver- 
einzelt zwischen  reinem  Quarzit  in  dem  Quarzittrümmerwerk. 

Auch  Richter  (»Thüring.  Porphyroide«  p.  8)  vermuthet  eine  gewisse  Be- 
ziehung der  Porphyroide  zum  Quarzfels. 

Q Beispielsweise  enthält  das  Quarzitlager  an  der  Cursdorfer  Koppe  als 
Zwischenlager  eine  sehr  sericitreiche  Modification  des  Quarzits  und  es  gleicht  die 
Art  und  Weise,  wie  anscheinend  reine,  schieferige  bis  faserige  Sericitsubstanz 
theils  in  Flasern  mit  dem  Quarzit  verwachsen,  theiis  in  derben  Schalen  zwischen 
demselben  abgelagert  vorkommt,  und  sich  weiterhin  mit  dem  in  Trümern  im 
Quarzit  ausgeschiedenen  Quarz  verbindet,  völlig  der  Art  und  Weise,  wie  der- 
selbe Mineralkörper  in  den  porphyroidischen  Zwischenlagern  der  Quarzite  und 
Thon  schiefer  zu  erscheinen  pflegt. 

2)  Derartige  Vorkommnisse  z.  B.  am  Schwemmbach  und  am  Gräfenborn, 
NW.  am  Schwarzathal  (Bl.  Breitenbach).  — Oefters  finden  sich  in  hierhergehörigen 
Porphyroiden  die  bekannten  Feldspäthe  mit  abgerundeten  Kanten,  z.  B.  bei  dem 
ausgezeichneten  Porphyroidvorkommen  von  Waffenrod  (Bl.  Eisfeld). 


236 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


den  sonstigen  Porphyroiden.  Auch  liier  ist  es  Regel,  dass  die 
porphyroidische  Einlagerung  nicht  nur  aus  einer,  sondern  aus 
mehreren  Varietäten  sich  zusammensetzt,  welche  gewöhnlich  zum 
Theil  der  Gruppe  mit  massig  krystallinisclier,  zum  Theil  der  mit 
schieferiger  Structur  angehören.  Mehr  als  die  porphyroidischen 
Einlagerungen  der  cambrischen  Quarzitlager  verhalten  sich  jene 
älteren  Porphyroide  als  schmale  Zwischenlager,  die  sich  auf  eine 
grössere  Strecke  im  Fortstreichen  verfolgen  lassen;  oder  sie  grup- 
piren  sich  zu  ganzen  Schwärmen  kleinerer  Vorkommnisse,  die  eben- 
falls eine  gewisse  Erstreckung  in  der  Streichrichtung  besitzen;  wie 
dies  namentlich  in  den  betreffenden  Schieferzonen  der  Schwarza- 
gegend (Section  Breitenbach  der  Gen.-St. -Karte)  die  Specialauf- 
nalnne  ergeben  hat,  während  es  weiter  im  SW.,  wo  jenseits  der 
Rothliegenden-Porphyritdecke  von  Neustadt  a.  R.  und  Masserberg 
dieselben  Schieferzonen  in  der  Gegend  des  Biberthals  fortsetzen, 
minder  deutlich  hervortritt,  z.  Th.  vielleicht  nur  wegen  minder 
deutlicher  Aufschlüsse.  Doch  lässt  sich  auch  in  der  erstgenannten 
Gegend  bei  benachbarten,  in  derselben  Streichlinie  gelegenen  Por- 
phyroiden, selbst  bei  genügenden  Aufschlüssen,  ein  directer  Zu- 
sammenhang nicht  immer  nachweisen ; so  dass  inan  in  solchen 
Fällen  auf  die  Vorstellung  kleinerer,  geschlossener  Lagerkörper 
geführt  wird,  welche  vielleicht  die  Gestalt  der  Quarzlinsen  in 
grösserem  Maassstabe  wiederholen;  denn  einen  Zusammenhang  in 
der  Tiefe  unter  allen  Umständen  annehmen  zu  wollen,  ist  man 
bei  dem  wiederholten  Auftreten  solcher  Fälle  nicht  berechtigt. 

Ein  besonders  bemerkenswerthes  Porphyroidvorkommen  dieser 
älteren  Schieferreihe  ist  dasjenige,  welches  dem  Quarzphyllit  im 
Hirschgrund  bei  Böhlen  eingelagert  ist.  Wie  gewöhnlich  setzt 
sich  dasselbe  aus  mehreren  Gesteinsarten,  die  in  enger  Ver- 
wachsung eine  gewisse  Schichtenfolge  bilden,  zusammen,  wie  man 
dies  sowohl  am  Wege  als  noch  besser  im  Bach  etwas  oberhalb 
der  Horizontale  von  1400  Decimalfuss  anstehend  findet.  Zunächst 
ein  dichtes,  felsitisches,  hartes,  mit  dem  Hammer  splitterndes  und 
funkendes  Gestein  von  brauner,  bis  fleischrother  Färbung,  fast  ohne 
krystallinisehe  Ausscheidungen.  Mit  diesem  dichten  Gestein  sind 
schichtig  oder  flaserig  verwachsen  sericitische  Lamellen  und  Schalen, 


der  cambrisch-phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


237 


die  z.  Th.  sericitgneissartig  werden  können.  Aufwärts,  nach  N., 
folgen  eigenthümlich  breccien artige  Lagen  oder  Bänke,  welche 
in  schichtigem  Wechsel  und  Verband  mit  compacten  Lagen  der 
erstgenannten  Art  eine  2 ■ — 3 Meter  starke  Folge  im  Bereich  der 
porphyroidischen  Einlagerung  bilden,  und  im  Bach  anstehend  zu 
finden  sind.  Phyllitmasse  und  felsitische  Porphyroidmasse  er- 
scheinen in  diesen  Bänken  in  unregelmässiger  Weise  schichtig 
flaserig  durcheinander  abgelagert;  und  das  breccienartige  Aussehen 
wird  namentlich  dadurch  bedingt,  dass  besonders  die  phyllitischen 
Theile  nebst  den  ebenfalls  eingestreuten  Quarzkörnern  und  unregel- 
mässig umrandeten  Quarzstücken  trümer-  und  brockenartig  aus- 
sehen,  als  wenn  sie  aus  dem  Verbände  schon  verfestigten  Gesteins 
(wohl  Quarzphyllits)  wieder  gewaltsam  gelöst  und  in  anderer  Ord- 
nung zusammengeschoben  in  den  Verband  dieses  halbphyllitischen, 
halbporphyroidischen  Gesteins  eingegangen  wären,  bei  welchem 
der  porphyroidische  Antheil  hie  und  da  als  der  verbindende  er- 
scheint Q,  im  Uebrigen  aber  auch  an  dem  klastischen  Aussehen 
Theil  nehmen  kann,  so  dass  1)  pliyllitisches , 2)  porphyroidisches 
und  3)  auch  wohl  schon  fertiges,  halb  pliyllitisches,  halb  por- 
phyroidisches Gestein  zu  solchen  Lagen  umgearbeitet  worden  wäre. 
Auf  diese  Bänke  folgen  dann  noch  einige  ähnliche,  bei  welchen 
aber  die  Phyllitmasse  ganz  vorwaltet  und  die  porphyroidisch  fel- 
sitische Masse  in  Partikeln  und  Flasern  zwischen  durch  erscheint; 
sie  gehen  über  in  den  gewöhnlichen  Quarzphyllit,  der  die  por- 
phyroidische Lagermasse  umschliesst,  indem  sich  vorher  schon  die 
feldspathhaltigen  Quarzknauer  jenes  Gesteins  eingestellt  haben. 

Wir  haben  dieses  Vorkommen  breccienartiger,  porphyroidischer 
Schichten  näher  beschrieben,  einmal  weil  dasselbe  in  seiner  bank- 
weise wechsellagernden  Anordnung  doch  wohl  auf  ursprünglich 
sedimentäre  Bildung  deutet,  was  in  genetischer  Beziehung  wichtig, 
und  dann  auch  weil  dasselbe  greeisinet  ist  hinüberzuführen  zu  g;e- 
wissen  andern  Vorkommnissen,  die  wir  ebenfalls  noch  den  Scliiefer- 

x)  Es  finden  sich  in  der  That  Stücke,  wo  deutlichste  Trümmer  von  Phyllit 
oder  phyllitisch-  porphyroidischem  Gestein  durch  dichte  felsitische  Masse  wieder 
verbunden  sind.  (Auch  beim  Vorkommen  am  Gräfenborn,  in  der  Streichlinie  des 
Vorkommens  am  Hirschgrund,  weiter  SW.) 


238 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


porpliyroiden  zurechnen  möchten,  die  aber  schon  an  der  Grenze 
derselben  stehen  und  schon  ganz  verwandt  sind  oder  den  Ueber- 
gang  vermitteln  zu  jenen  eigenthümlichen  mit  feldspathiger  Sub- 
stanz verwachsenen  Schiefern  von  öfters  halbklastischem  Ansehen, 
wie  sie  in  der  von  uns  besonders  unterschiedenen , zunächst  auf 
die  Phyllite  folgenden  Zone  so  reichlich  vertreten  sind,  und  weiter 
oben  aus  dem  Schwarzathal  in  der  Gegend  von  Katzhütte  und 
andern  Orten  beschrieben  wurden.  Die  nächsten  Verwandten, 
petrograpliisch  und  wohl  auch  genetisch,  zu  eben  diesen  eigen- 
thümlichen Schiefern  sind,  wie  uns  fortgesetzte  Beobachtungen 
mit  Deutlichkeit  zu  ergeben  scheinen,  in  der  That  gewisse,  an  der 
Grenze  der  Scliieferporphyroide  stehende  Gesteine,  wie  sie  z.  B. 
im  Thal  der  W eissen  Schwarza  unweit  Katzhütte  und  nahe  dabei 
am  Viehberg,  und  ähnlich  im  Katzethal  an  der  NO.  Seite  des 
Lindig  ganz  nach  Art  sonstiger  Porphyroide,  und  z.  Th.  mit  solchen 
verbunden  im  Bereich  von  Quarzitlagern,  Vorkommen;  sie  zeigen 
sericitische , tlion schieferige  und  anscheinend  felsitische  Sub- 
stanz in  halbschichtiger,  halbflaseriger  Verwachsung,  und  dabei 
einen  schwer  zu  beschreibenden,  ans  Klastische  streifenden  Ha- 
bitus1); Feldspathkörner  und  Quarzkörner  kommen  eingewachsen 
vor.  Sie  erinnern  einerseits  an  breccienartige  Schieferporphyroide, 
wie  sie  oben  aus  dem  Hirschgrund  bei  Böhlen  beschrieben  wurden, 
andererseits  besitzen  sie  die  unverkennbarste  Verwandtschaft  mit 
den  Schiefern  unserer  zweiten  Zone.  Die  Aehnlichkeit  tritt  aller- 
dings für  letztere  zunächst  nur  soweit  hervor,  als  deren  Mischung 
eine  grobe,  mit  dem  blossen  Auge  leicht  zu  erkennende  ist.  Auf 
Grund  fortgesetzter  Beobachtungen  dieser  Analogieen  und  Ueber- 
o-äno'e  wurde  schon  früher  bemerkt,  dass  die  nächsten  Verwandten 


B Verwandt  hiermit  sind  vielleicht  die  von  de  da  V allee  Poussin  und 
Rexard  (»Ueber  die  Feldspath-  und  Hornblendegesteine  der  französischen  Ar- 
dennen«, Auszug  in  Zeitsehr.  d.  I).  geol.  Ges.,  Bd.  XXVIII,  1876,  p.  764,  2.  Ab- 
satz) angeführten  porphyroidisehen  Gesteine.  — Nach  der  Beschreibung  genannter 
Autoren  zu  urtheilen  stellen  sich  auch  sonst  in  den  Porpliyroiden  jener  Gegend 
sehr  viele  Analogieen  mit  den  thüringischen  Vorkommnissen  heraus;  und  nicht 
minder  dürften  solche  mit  den  von  Lossen  aus  dem  Harz  (Zeitsehr.  d.  D.  geol. 
Ges.,  Bd.  XXI,  p.  295  ff.)  beschriebenen  Porpliyroiden  bestehen. 


der  cambrisch  - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


239 


dex’  genannten  eigentliümlichen  Schiefer  bei  den  Porphyroiden  zu 
suchen  wären.  — 

Im  Bereich  der  oberen  Partie  der  cambrischen  Thonschiefer 
und  Quarzite  spielen  Porphyroide  nur  mehr  eine  sehr  unter- 
geordnete Rolle.  Ganz  fehlt  es  nicht  an  derartigen  Gesteinen, 
doch  erlangen  sie  nirgends  eine  grössere  Ausdehnung1).  Etwas 
mehr  als  in  unserem  Gebiete  scheinen  sie  sich  weiter  östlich 
auch  in  dieser  Zone  noch  vorzufinden:  nach  Gümbel2)  gehen  die 
Phy Codenschichten  der  Gegend  von  Schmiedefeld,  Reichmanns- 
dorf, Gösselsdorf  u.  s.  w.  (unweit  Gräfenthal)  besonders  durch  Auf- 
nahme von  Orthoklas  wiederholt  in  Porphyroide  und  granitartige 
Gesteine  über,  und  wiederholt  sich  Aelmliches  auch  noch  im  Be- 
reich des  Fichtelgebirges. 


Die  schichtigen  Quarzzwischenmassen  der  Schiefer. 

Anschliessend  an  vorstehende  Mittheilungen  über  die  beson- 
deren Zwischenlager  oder  Einlagerungen  der  phyllitisch-cambrisehen 
Schieferzonen  fügen  wir  noch  einige  Bemerkungen  über  den  Quarz 
bei,  der  so  oft  als  schichtige  Zwischenmasse  im  gesammten  Bereich 
dieser  Schieferreihe  angetroffen  wird.  Wir  haben  bereits  gesehen, 
dass  diese  Mineralmasse  in  Form  plattenförmiger,  sphäroidischer, 
linsen-  und  scheibenförmiger  Körper,  als  einzeln  auftretende  oder 
zu  förmlichen  Zwischenschichten  aneinander  gereihte  Knauer,  als 
Adern  und  Trümer,  sowohl  in  den  phyllitischen  und  cambrischen 
Schiefern,  als  in  den  besonderen  Zwischenlagern  enthalten  ist;  und 

x)  Ein  derartiges  Vorkommniss  befindet  sich  z.  B.  am  Erzberg  im  Sieg- 
mundsburger  Forst,  oberhalb  des  Truckenthal  er  Grundes  (Bl.  Steinheid),  im  Be- 
reich der  typischen,  graugrünen,  streifigen,  cambrischen  Thonschiefer.  Das  be- 
treffende Gestein  gleicht  sehr  gewissen  Mittelgesteinen  von  schieferigem  Porphyroid 
und  Quarzit , wie  sie  bei  dem  ausgedehnten , weiter  oben  beschriebenen  Porphy- 
roidvorkommen  am  Jagdschirm  erwähnt  wurden;  es  erinnert  aber  auch  an  ge- 
wisse Modificationen  granitischer  Einlagerungen. 

2)  a.  a.  0.  p.  421  ff.,  432,  106,  378. 


240 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


dass  diese  lagerhaft  auftretenden  Quarzmassen,  selbst  mit  Ein- 
schluss mancher  etwas  schräg  sich  abzweigender  Trümer  (wie  bei 
den  Porphyroiden)  gewiss  als  ursprüngliche  Bildungen  anzusehen 
sind,  dass  sie  Abscheidungen  darstellen  von  im  Ueberschuss  bei 
der  Gesteinsbildung  resp.  -Verfestigung  vorhandener,  und  bei  diesem 
Prozesse  vielleicht  in  Wirksamkeit  gewesener  Kieselsäure.  Die  Ge- 
sammtmenge  dieses  bis  in  die  oberen  cambrischen  Schichten  sich 
wiederholenden  Quarzes  ist  äusserst  bedeutend  und  bildet  gewiss 
den  grösseren  Theil  der  massenhaften  Quarzblöcke  und  sonstigen 
Quarztrümmer,  die  so  vielfach,  selbst  im  Bereich  der  weicheren 
Thonschiefer  wiederkehren ; der  Rest  muss  von  secundären  Quarz- 
kluftausfüllungen  und  -gängen  herrühren.  Wir  bemerken  hier, 
dass  deutliche  Gangbildungen  sich  im  Bereich  unseres  Gebietes 
nur  wenig  geltend  machen,  am  wenigsten  solche  von  bedeutender 
Erstreckung  und  Mächtigkeit. 

Es  sei  gestattet,  hier  noch  die  Beschreibung  eines  sehr  typi- 
schen Vorkommens  anzuschliessen,  bei  welchem  Quarz  als  schich- 
tige. Zwischenmasse  des  Schiefers,  und  zwar  liier  des  höheren 
cambrischen,  grünlichen  Thonschiefers  vorkommt1).  Er  bildet  hier 
mehrere  Zwischenbänke  von  je  einigen  Decimeter  Stärke.  Diese 
Quarzbänke  bestehen  eigentlich  aus  aneinander  gereihten,  etwas 
unregelmässig  geformten,  grossen  Knauern,  die  ineinander  ver- 
fliessen,  doch  so,  dass  die  Oberfläche  der  Lage  oder  Bank  wulstig 
höckerig  wird,  und  die  Rinnen  oder  Vertiefungen  zwischen  den 
Höckern  in  gewissen  Richtungen  fast  zusammenfallen;  das  Ganze 
gleicht  so  in  grösserem  Ma  assstab  den  Markasitschwarten,  wie  sie 

O o ’ 

im  Kulmdachschiefer  Vorkommen  und  durch  Zusammentreten  dicht 
gedrängter  Knollen  zu  verstehen  sind;  und  die  einzelnen  Theile 
der  Quarzschwarte  lassen  sich  auch  mit  den  Quarzknauern  des 
Quarzphyllits  vergleichen.  Die  dein  Quarz  zunächst  anhaftende 


x)  Das  Vorkommen  war  durch  einen  Steinbruch  auf  grünlichen  Dachschiefer 
sehr  günstig  aufgeschlossen,  an  der  Strassenbiegung  ca.  200'  über  Unterweissbach 
(Section  Königsee).  Die  Schichtung  fällt  hier  SO.  ein,  die  Schieferspaltung  oder 
Transversalschieferung  wie  gewöhnlich  NW.  bis  NNW.  Eine  der  deutlichst  in 
der  Schichtung  liegenden  Quarzbänke  war  auf  ein  grosses  Stück  ihrer  Oberfläche 
entblösst. 


der  cambrisch-phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


241 


grüne  Thonschiefersubstanz  schmiegt  sich  allen  Unebenheiten  innig 

ö o o 

an  und  bildet  so  gekrümmte  Schalen,  welche  jene  Vertiefungen 
ausfüllen;  sie  ist  weicher  als  der  umgebende  Schiefer  und  bröckelt 
leicht  ab1).  Wie  bei  den  Quarzknauern  des  Quarzphyllits  wurde 
auch  bei  der  iu  Rede  stehenden  Quarzzwischenschicht  viel  Chlorit, 
besonders  an  den  Berührungsstellen  von  Quarz  und  Schiefer,  be- 
merkt, sowie  weisse  Glimmerschüppchen  auf  feinen  Klüften  des 
Quarzes,  während  Feldspatli  nicht  beobachtet  wurde.  Auch  sonst 
wurden  Feldspatheinschlüsse  in  den  Quarzzwischenmassen  des  ge- 
sammten  cambrischen  Schiefers  nur  wenig  beobachtet,  im  Gegen- 
satz zu  den  Quarzknauern  des  Quarzphyllits;  Chloritbildung  da- 
gegen ist  durchweg  verbreitet. 

Eine  analoge  und  genetisch  verwandte  Bildung  zu  den  schich- 
tigen Quarzzwischenmassen  der  phyllitisch  - cambrischen  Schiefer 
dürften  auch  die  Quarzitsphäroide  des  untersilurischen  und  des 
Culm-,  Griffel-  und  Dachschiefers  darstellen. 


Lagerungsverhältmsse  und  Gebirgsbau. 

Entwerfen  wir  im  richtigen  Verhältnis  von  Grundlinie  und 
Höhe,  und  den  Meeresspiegel  als  Grundlinie  genommen,  ein  Quer- 
profil in  SÖ. — NW. -Richtung  durch  unsere  Schieferreihe,  etwa  von 
Augustenthal  bei  Hämmern  unweit  Sonneberg,  wo  das  Untersilur 
sich  auf  die  Phycodenschiefer  auflegt,  nach  Unterneubrunn  im 
Schleusethal,  so  erhalten  wir  eine  Figur,  deren  horizontale  Dimen- 
sion, schon  vor  Unterneubrunn,  etwa  bei  Schnett,  mindestens 
20  mal  so  gross  ist  als  die  mittlere  Höhe.  Ganz  ähnlich  würde 
sich  ein  weiter  nach  NO.  entworfenes  Profil,  etwa  aus  der  Gegend 
von  Ernstthal  über  Neuhaus  am  Rennsteig  nach  Katzhütte  und 
Breitenbach  verhalten. 

x)  Es  ist  wohl  denkbar,  dass  diese,  die  Vertiefungen  der  Quarzschwarten 
zunächst  erfüllende,  weiche,  bröckelige  Masse  von  dem  ursprünglichen  Zustande 
noch  jetzt  mehr  bewahrt  hat,  als  die  umgebende  Schiefermasse,  auf  welche  der 
Vorgang  der  Transversalschieferung  eingewirkt  hat,  und  die  eben  deshalb  in 
ihren  physikalischen  Eigenschaften  verändert  worden  ist. 


16 


242 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


Lassen  wir  in  diesem  Profil  den  nordwestlichsten  Tlieil  ausser 
Acht,  welcher  nach  unserer  früher  dargelegten  Auffassung  eine 
Schichtenwiederholung  jenseits  der  als  Sattel  erscheinenden  Phyllit- 
zone  enthält,  und  nehmen  wir  letztere  zum  Ausgang,  so  gelangen 
wir,  von  NW.  nach  SO.  schreitend,  im  Allgemeinen  stets  aus  älte- 
ren in  jüngere  Schichtenfolgen:  eine  Wiederholung  grösserer 
Schichtencomplexe  liegt,  nach  allen  bisher  durch  die  Specialauf- 
nahme gewonnenen  Resultaten,  nicht  vor. 

Mehrfacher  Wechsel  im  Einfallen  der  Schichten,  sowohl  nach 
Weltffeffend  als  nach  Neis’uns:swinkel,  lässt  nun  aber  auf  das  Vor- 

Ö O ö O 

handensein  wiederholter  Faltungen  schliessen  — wie  solche  in 
den  alten,  über  weite  Strecken  mit  vorherrschend  steiler  Schichten- 
stellung ausgebreiteten  Formationen  allenthalben  so  gewöhnlich 
sind;  solche  müssen  auch  in  den  alten  Schiefer  Systemen  Thürin- 
o-ens  und  der  geologisch  gdeichgearteten  Nachbargebiete  existiren, 

ö O Ö O o o 7 

und  sind  besonders  da  überzeugend  nachzuweisen,  wo  die  Falten- 
umbiegungen sichtbar  werden1). 

Wenn  nun  in  unserem  Profil  einerseits  von  NW.  nach  SO. 
stets  jüngere  Schichtencomplexe  sich  folgen,  andererseits  Faltungen 
vorliegen,  so  erhellt,  dass  diese  Faltungen  einen  Grössenmaassstab 
nicht  überschreiten,  bei  welchem  sie  noch  innerhalb  der  einzelnen 
Schichtencomplexe  verlaufen,  oder  auch  nur  eines  Theiles  derselben; 
während  weiter  ausholende  Falten,  welche  grössere  Schichtenfolgen 
in  derselben  Horizontalen  sich  wiederholen  lassen,  in  unserer  idea- 
len Profilfigur  nicht  zur  Anschauung  kommen,  und  noch  weniger 

x)  Im  Bereiche  der  genannten  Profilschnitte  sind  freilich  Faltenumbiegungen 
selten  zu  sehen,  da  es  an  günstigen  Aufschlüssen  fehlt,  wie  sie  im  Waldgebirge 
sich  meist  nur  in  tief  und  steil  einschneidenden  Thälern  oder  bei  grösseren  künst- 
lichen Entblössungen  darbieten.  Auch  fehlt  es  andererseits  in  unserer  Schichten- 
reihe an  lithologisch  ausgezeichneten , nur  je  einmal  vorhandenen  Schichten, 
welche  unzweifelhaft  wiederzuerkennen  und  zur  bequemen  Orientirung  aufwärts 
und  abwärts,  zur  Erkennung  von  Schichten  Wiederholungen  dienen  könnten  (in 
der  Art  z.  B.  wie  die  Conglomeratbank,  welche  Hicks  , Quart.  Journ.  Geol.  Soc. 
1875,  p.  167  ff.,  aus  den  cambrischen  Schichten  von  St.  Davids  in  S.-Wales  an- 
giebt).  — Dass  bei  den  wiederholten  Faltungen  auch  Verwerfungen  resp.  Ueber- 
schiebungen  in  der  Richtung  des  Streichens  Vorkommen  können , und  zwar  von 
verschiedenem  Grade  der  Intensität,  ist  nur  zu  erwarten;  solche  Verwerfungen 
sind  aber  im  Schiefergebirge  noch  schwieriger  nachzuweisen,  als  Falten. 


der  cambrisch  - phyllitisclien  Schieferreilie  in  Thüringen.  243 

jene  grossartigen  Biegungen,  an  welchen  ganze  Formationen  Theil 
nehmen 1). 

Während  also  in  unserem  idealen  Profile  die  Grösse  der  Fal- 
tungen aufwärts  beschränkt  erscheint,  ist  sie  dies  abwärts  viel 
weniger.  Namentlich  nimmt  in  der  phyllitisclien  und  zum  Theil 
auch  schon  in  der  halbphyllitischen  Zone  die  Faltung  im  kleinen 
und  kleinsten  Maassstab  so  zu,  dass  uns  nur  mehr  engste  Zusam- 
menstauung und  -Stauchung  der  Schichten , kaum  mehr  grössere 
Auf-  und  Abschwankungen  entgegentreten.  Es  ist  ferner  hervor- 
zuheben,  wie  die  Faltungen  verschiedener  Grade  oder  Abstufun- 
gen neben  einander  her  gehen;  so  dass  in  einer  grossartigen  Bie- 
gung eines  ganzen  Complexes  viele  kleinere  der  einzelnen  Schichten, 
und  in  diesen  wieder  viele  kleinste  der  einzelnen  Lagen  enthalten 
sein  können. 

Dass  übrigens  auch  jene,  in  sehr  grossem  Maassstab  ange- 
legten, und  dabei  nach  verschiedenen  geotektonischen  Richtungen 
angeordneten  Sattel-  und  Muldenbiegungen  in  unserem  azoisch- 
paläozoischen  Schichtengebäude  thatsächlich  vorhanden  sind,  sobald 
wir  über  die  Grenzen  unseres  Profils  hinausgehen  und  das  Ge- 
birge in  seiner  ganzen  Ausdehnung  ins  Auge  fassen,  — dies  zeigt, 
abgesehen  von  jenem  Wiedererscheinen  cambrischer  Schichten  im 
äussersten  NW.,  schon  ein  Blick  auf  den  Verlauf  und  die  wieder- 
holten Ausstriche  der  einzelnen  Formationen,  wie  sie  auf  der  Karte 
des  Thüringischen  Schiefergebirges  von  Richter  dargestellt  sind. 
So  muss  denn  auch  der  Ausstrich  der  sibirischen  und  devonischen 
Schichten  am  SO. -Ende  unseres  Profils,  der  von  Hämmern- 
Augustenthal  nach  Steinach  etc.  zieht,  Theil  einer  solchen  grossen 
Biegung  sein  und  seine  Fortsetzung  nach  NW.  über  unser  cam- 
brisches  Gebirge  hin  gehabt  haben,  nur  dass  dieselbe  mit  so  vie- 
lem Andern  durch  Denudation  verschwunden  ist;  so  wie  anderer- 


x)  Ausgenommen  die  Wiederholung  der  cambrischen  Schichten  ganz  im  NW., 
jenseits  der  Phyllitzone. 

Wir  brauchen  den  Ausdruck  »Falte«,  »Faltung«  hier  in  etwas  allgemeinerem 
Sinne,  wo  er  auch  einfachere  Biegungen,  Wellen,  Sattel-  und  Muldenbildung  in 
sich  fasst;  eine  Falte  im  engeren  Sinne  würde  drei  parallele  Stücke,  durch  zwei 
Umbiegungen  verbunden,  verlangen. 


16 


244 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


seits  die  Fortsetzung  nach  SO.  in  der  Tiefe  unter  den  zusammen- 
gefalteten Culmschichten  zu  suchen  ist1). 

Wenn  sich,  wie  erläutert,  in  unserem  idealen  Querprofil  durch 
die  cambrisch - phyllitische  Schieferreihe  grössere  Schichtencom- 
plexe  nicht  wiederholen,  so  führt  das  nothw endig  auf  die  Vor- 
stellung einer  sehr  bedeutenden  Mächtigkeit  des  Ganzen,  wie  schon 
der  petrographisch  unterscheidbaren  Abtheilungen;  gegen  welche 
Vorstellung  keine  principiellen  Bedenken  vorliegen  werden. 

Verlängern  wir  unser  ideales  Querprofil  nach  SO.,  so  erschei- 
nen die  Schichten  des  Silur  und  Devon  in  rascher  Folge;  in 
horizontaler  Richtung  nehmen  sie  nur  eine  sehr  kurze  Strecke  ein, 
wenn  wir  sie  mit  dem  cambrischen  Profil  vergleichen;  weiter  noch 
treten  wir  in  das  Gebiet  der  C u 1 m bildung,  welche  nun  ihrerseits 
wieder  auf  eine  sehr  grosse  Länge  anhält  und  in  dieser  Beziehung 
dem  cambrischen  Schichtengebiet  gleicht,  jedoch  Sattel-  und  Mul- 
denbildung  viel  deutlicher  hervortreten  lässt2). 

Unser  Querprofil  und  seine  angedeutete  Verlängerung  nach 
SO.  greift  nicht  in  Gebiete,  wo  sich  in  der  Anordnung  der  Falten 
die  hercynische  SO. — N W.-Richtungslinie  als  vorherrschend  oder 
auch  nur  als  untergeordnet  neben  der  erzgebirgischen  geltend 
macht,  ein  Verhalten,  wie  es  etwas  weiter  nach  O.  in  der  Gegend 
von  Gräfenthal  sich  schon  deutlich  einstellt;  die  Faltungen  ver- 
schiedenen Grades,  welche  von  unserem  idealen  Querprofil  ge- 
schnitten werden,  stehen  wesentlich  unter  der  Herrschaft  der  erz- 
gebirgischen tektonischen  Richtung  SW. — NO.  Und  wenn 

dabei,  wie  früher  bemerkt,  auf  grössere  Erstreckung  überfaltete 

b Die  nordwestliche  Fortsetzung  ist  umsomehr  anzunehmen,  da  in  unseren 
Gegenden  irgend  welche  Anzeichen  für  besonders  litorale,  abweichende  Facies  in 
den  restirenden  sibirischen  etc.  Schichten  nicht  vorhanden  sind. 

Nordöstlich  von  unserem  idealen  Profilschnitt  (Siehe  die  RicHTER’sche  Karte) 
sind  in  der  Gegend  von  Schmiedefeld  sibirische  Schichten  auf  der  cambrischen 
Unterlage  erhalten , und  ebenso  als  Theile  einer  grossen  Einfaltung  bei  Wittgen- 
dorf und  NO.  von  da. 

2)  So  bemerkt  auch  Gümbel  bei  der  geognostischen  Beschreibung  des  Fichtel- 
gebirges (1.  c.  p.  97),  dass  dort  unter  den  Gebilden  der  palaeolithiscken  Periode 
jene  der  cambrischen  und  der  präcarbonischen  (Culm-)  Reihe  verhältnissmässig 
grosse  Gebietstheile  in  Beschlag  nehmen , die  Schichten  des  Silur  und  Devon 
dagegen  eingeengt  erscheinen. 


der  cambrisch-phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


245 


und  überkippte  Lage  der  Schichtenfolgen  vorkommt,  so  ist  dies 
eben  eine  Erscheinung,  welche  auch  sonst  mehrfach  im  thüringisch- 
fichtelgebirgischen  Schiefergebiet,  besonders  im  Gefolge  bedeutender 
Ueberscliiebungen,  wiederkehrt.  — Dagegen  deutet  der  SO. — NW. 
gerichtete  Verlauf  des  südwestlichen  Schiefergebirgsrandes,  welcher 
eine  bedeutende  Dislocationslinie  darstellt,  sowie  verschiedene 
Störungslinien  im  Bereich  des  Schiefergebirges  selbst  — unter 
anderen  jene  schon  einmal  erwähnte,  in  deren  Gefolge  Zechstein 
und  Buntsandstein  bei  Steinheid  unvermittelt  im  Schiefergebiet 
erscheinen  — auf  die  Wirksamkeit  der  hercynischen  tektoni- 
schen Linie. 

Was  bisher  im  Allgemeinen  über  die  Lagerungsverhältnisse 
unseres  Gebietes  gesagt  worden  ist,  muss  mit  verschiedenen  Daten 
stimmen,  die  sich  aus  der  Lagerung  einzelner  Schichtenfolgen  er- 
geben. So  z.  B.  lassen  sich  schon  die  obersten  cambrischen 
Schichten,  die  Schiefer  mit  Phyeodes  und  die  Quarzitbänke,  welche 
einen  zusammenhängenden  Zug  von  Augustenthal  bei  Hämmern 
über  Steinach  und  Lauscha  hin,  NO.wärts  bilden,  weiter  nach  NW. 
nicht  mehr  nachweisen,  und  ebensowenig  die  charakteristischen 
Schiefer  der  Thuringitzone  und  des  untersten  Silur;  so  dass  also 
die  etwaigen  Faltenbiegungen,  an  denen  ihre  NW. -Fortsetzung 
Theil  nahm,  nicht  so  tief  griffen,  um  im  jetzigen  cambrischen  Ge- 
biet weiter  NW.  sich  theilweise  erhalten  zu  haben. 

Es  ist  bemerkenswert!!,  dass  in  der  ganzen  älteren,  westlichen 
Hälfte  des  Gebirges  ein  sehr  steiles,  nach  NW.  gerichtetes  Ein- 
fallen der  Strafen  vorherrscht1).  Dieses  Einfallen  beginnt  schon 
bei  den  unteren  cambrischen  Thonschiefern  und  Quarziten  vor- 
herrschend zu  werden.  In  dem  südlichen  Theil  des  Gebiets  be- 
zeichnet etwa  eine  Linie  von  Blessberg  über  Siegmundsburg  den 
Beginn  dieses  Vorherrschens,  während  SO.  davon  südöstliches 
Einfallen  vorwiegt.  Es  könnte  dies  Veranlassung  bieten,  einer 
Sattelbildung  nachzuspüren  und  correspondirende  Tlieile  beider- 


*)  Dasselbe  setzt  sicli  auch  noch  jenseits  Breitenbach  über  die  phyllitische 
Zone  hinaus  fort;  es  ist  dieses  Einfallen  also  auf  längere  Erstreckung  ein  -wider- 
sinniges. 


246 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


seits  wiederfinden  zu  wollen,  was  aber  zu  keinem  Resultate  führt, 
so  wenig  wie  der  weiter  oben  schon  angedeutete  Versuch,  aus 
etwas  abweichendem  lithologischen  Verhalten  mancher  Quarzit- 
und  Schieferschichten,  im  NW.  von  jener  Linie,  eine  besondere 
Unterabtheilung  im  cambrischen  System  bilden  zu  wollen.  Man 
bleibt  darauf  hingewiesen,  Vorhandensein  und  Wechsel  vor- 
herrschender Einfallrichtungen  über  grössere  Strecken  hin 
auch  bei  einem  so  im  Einzelnen  gefalteten  Gebirge  als  Thatsache 
zu  nehmen.  Wie  weit  Verwerfungen , Ueberschiebungen  in  der 
Streichrichtung,  Denudation  von  Luftsätteln  hierbei  im  Spiele  sind, 
bleibt  immer  hypothetisch ; solches  wird  man  aber  bei  graphischen 
Erläuterungen  oder  Constructionen , die  man  zur  Erklärung  eines 
vorliegenden  Falles  versuchen  kann  — wir  verzichten  darauf,  solche 
hier  vorzuführen  — immer  zur  Hülfe  herbeiziehen  müssen. 

U eber  das  Auftreten  der  Transversalschieferung  in  den 
einzelnen  Schieferzonen  haben  wir  uns  im  Früheren  schon  ausge- 
sprochen  1). 

Neben  der  Schieferung  macht  sich  über  den  gesammten  Be- 
reich dieses  Gebirges  hin  die  Erscheinung  der  P ar alle lklüftung 
geltend.  In  der  Regel  tritt  eine  Klüftungsrichtung  als  entschieden 
vorherrschend  auf,  und  zwar  ist  dies  diejenige,  welche  cpier  zur 
Streichrichtung  läuft,  etwa  in  der  Richtung  NW. — SO.;  dabei 
wechselt  jedoch  diese  Richtung  oft  in  nächster  Nähe  um  mehr 
oder  weniger  Grade  bald  nach  der  einen,  bald  nach  der  andern 
Seite;  das  Einfallen  dieser  Klüftung  ist  dabei  meistens  steil,  ent- 
weder nach  NO.  oder  nach  SW.,  und  auch  hierin  zeigt  sich  so- 
wohl nach  dem  Steilheitsgrad  als  nach  der  Weltgegeud  eine  ge- 
wisse Veränderlichkeit,  oft  an  nah  zusammen  gelegenen  Stellen; 
so  dass  diese  Klüftung  immerhin  eine  viel  geringere  Constanz 
zeigt,  als  die  Transversalschieferung.  Weniger  als  die  genannte 
Hauptklüftungsrichtung  machen  sich  neben  derselben  noch  1 bis  2 
andere  derartige  Richtungen  geltend. 

1 ) Von  einer  besonderen  Darstellung  des  Streichens  und  Ballens  der  Trans- 
versalschieferung auf  dem  beigegebenen  Kärtchen  wurde  abgesehen. 


der  cambrisch  - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


247 


Einiges  bezüglich  der  Bildungsvorgänge. 

Wir  wollen  hier  nicht  tiefer  in  das  schwierige  und  dunkele 
Gebiet  der  genetischen  Vorgänge  eindringen;  nur  der  Vollständig- 
keit halber  möge  dasselbe  kurz  berührt  werden;  wobei  wir  zunächst 
Einiges  über  die  allgemeinen  Ablagerungsbedingungen  zu  sagen 

O O O Ö O Ö o 

haben,  und  sodann  unseren  Standpunkt  bezüglich  der  Bildung  der 
besonderen  Einlagerungen  kurz  darlegen  wollen. 

Sehen  wir  zunächst  von  den  letzteren,  den  granitischen,  por- 
phyroidischen  und  amphibolischen  Gesteinen  ab,  so  sind  wir  zu 
der  Annahme  berechtigt,  dass  der  gesammten  Schieferreihe,  welche 
wir  in  unserem  Gebirge  von  den  ältesten  phyllitischen  Schichten 
an  aufwärts  bis  zur  Silurgruppe  entwickelt  sehen,  eine  Sediment- 
bildung zu  Grunde  gelegen  haben  müsse,  die  ohne  irgend  welche 
wesentliche  Unterbrechung  vor  sich  gehend  Schicht  auf  Schicht 
häufte.  Wir  haben  keine  Anzeichen  von  irgend  welcher  nennens- 
werthen  Discordanz  oder  Transgression ; keine  eigentliche  Conglo- 
meratbildung  liegt  vor,  welche  eine  stärkere,  mit  Festlandbildung 
verbundene  Hebung  erkennen  liesse.  Soweit  einzelne  Schiefer- 
schichten grössere  klastische  Theile  einschliessen  oder  Breccien- 
structur  ihnen  eigen  ist,  lassen  sich  solche  Trümmer  von  denselben 
oder  wenig  älteren  Schichten  ableiten , und  eine  Zerstörung  neu- 
gebildeter Sedimente  scheint  demnach  nie  in  ausgedehntem  JVIaasse 
und  am  wenigsten  an  bedeutenden,  über  die  Oberfläche  erhobenen 
Theilen  stattgefunden  zu  haben. 

Damit  steht  denn  auch  in  Uebereinstimmung,  dass  nirgends 
für  eine  bestimmte  Zone  oder  Schichtenfolge  des  Ganzen  eine 
wesentlich  abweichende  Facies  hervortritt,  welche  sich  etwa  als 
Küstenbildung,  oder  als  unter  wesentlich  verstärkten  litoralen  Be- 
dingungen entstanden,  deuten  liesse : überall,  wo  ein  gewisses  strati- 
graphisches Niveau  als  solches  wiederzuerkennen  ist,  oder  wo  be- 
stimmte Schichten  unter  jüngeren  auftauchen,  so  z.  B.  die  Grenz- 
schichten von  Cambrisch  und  Silur,  sehen  sie  ähnlich  aus;  und 
es  gilt  dies  noch  weit  über  den  Bereich  unseres  Gebietes  hinaus, 
ostwärts;  so  dass  wir  für  die  phyll itisch-  cambrische  Schieferreihe 


248 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


in  weiter  Erstreckung  sehr  ähnliche  bis  gleiche  Ablagerungsbe- 
dingungen in  einem  gemeinschaftlichen  oder  einheitlichen  Bildungs- 
raum anzunehmen  haben  werden. 

Dabei  scheinen,  wenigstens  für  das  cambrische  System,  ver- 
schiedene Anzeichen  auf  Ablagerung  in  wenig  tiefem,  massig  be- 
wegtem Wasser  zu  deuten.  Wir  rechnen  dahin  die  an  ripple- 
marks  erinnernde  Oberflächenbeschaffenheit  der  Phycodenschiefer 
und  ähnlicher  älterer  Schiefer;  die  discordante  Parallelstructur, 
welche  an  cambrischen  Thonschiefern,  und  auch  Quarzit,  sowie 
Wetzschiefer  beobachtet  wurde;  auch  darf  wohl  die  klastische  Be- 
schaffenheit hier  angeführt  werden,  welche  in  früher  angegebener 
Weise  wenigstens  für  einzelne  Tlieile  gewisser  Schichten  anzu- 
nehmen ist. 

Soweit  Quarzitlager,  wie  bei  Steinheid  u.  s.  w. , mit  Sand- 
anhäufungen, Sandbänken  in  genetischen  Zusammenhang  gebracht 
werden  dürfen,  würden  ihnen  vielleicht  besonders  seichte  Stellen 
— keine  Küsten  — zu  Grunde  liegen,  an  denen  das  gröbere, 
sandige  Material  unter  der  separirenden  Wirkung  von  bestimmten 
Strömungsverhältnissen  zusammengeführt  wurde.  — Es  wurde  be- 
reits angeführt,  dass  bei  einigen  Quarzitlagern  das  Material  in  der 
That  sehr  deutlich  und  ziemlich  grob  klastisch  werden  kann. 

Die  sehr  bedeutende  Mächtigkeit,  die  für  die  ganze  Schiefer- 
folge nach  Abzug  aller  Faltungen  doch  noch  übrig  bleibt,  in  Ver- 
bindung mit  einer  in  wenig  tiefem  Wasser  gedachten  Sedimenti- 
rung,  erfordert  dann  natürlich  eine  fortgesetzte  allmähliche  Senkung 
des  gesammten,  zusammengehörigen  Bildungsraumes. 

Die  eigenthümliche  Zwischenbildung  der  Thuringitschichten, 
welche  wir  an  der  Grenze  von  Cambrium  und  Silur  sehen,  dürfte 
ganz  besonders  eine  Deutung  auf  Seichtwasserbedingungen  ge- 
statten, wegen  des  vielen  klastischen  und  breccienartigen  hier 
lagernden  Materiales,  und  auch  mit  Berücksichtigung  der  so  ver- 
breiteten Oolithbildung  des  Thuringits,  welcher  vielleicht  eine 
chemische  Extraction  abgelagerter  Schichten  voraufging.  Es  be- 
zeichnet dieser  Horizont  zugleich  eine  Art  Abschluss  der  vorheri- 
gen und  eine  Wendung  zu  etwas  andern  Ablagerungsbedingungen, 
weil  wir  in  den  nun  folgenden  untersilurischen  Griffelschiefern 


der  cambrisch-phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


249 


jedenfalls  ein  sichtlich  anderes  und  anders  abgelagertes  Material 
erblicken  als  in  den  graugrünen  cambrischen  Schiefern. 

Ueber  dem  gesammten,  sich  noch  fortgesetzt  senkenden  Bil- 
dungsareal  scheint  vom  Beginn  der  Ablagerung  der  Griffelschiefer- 
schichten an  tieferes  und  ruhigeres,  hie  und  da  von  Trilobiten 
belebtes  Wasser  gestanden  zu  haben,  in  welchem  sehr  homogene, 
schlammige,  etwas  mit  organischer  Substanz  vermischte  (wegen  der 
sehr  dunkelen  Färbung)  Absätze  fast  continuirlich  und  gleich- 
mässig  erfolgten;  es  sind  nämlich  im  Griffelschiefer  die  Schicht- 
flächen weniger  zahlreich  und  schwieriger  zu  finden,  und  es  be- 
steht viel  weniger  Wechsel  in  dem  sehr  gleichmässig  gemischten 
und  sehr  feinen  Materiale  dieses  Schiefers;  dabei  sind  die  zwischen- 
durch vorhandenen  heterogenen  Elemente,  Quarzit  und  Schwefel- 
kies, weit  weniger  in  Gestalt  förmlicher  Zwischenschichten  als  von 
Sphäroiden  und  Concretionen  vorhanden. 

Was  nun  die  besonderen  Einlagerungen  unserer  Schiefer- 
systeme betrifft,  und  zwar  in  erster  Linie  die  granit-  oder  gneiss- 
artigen,  sowie  die  porphyroidischen,  welch  letzteren  sich  naturge- 
mäss  jene  eigenthümlichen  Schiefer  der  untersten  cambrischen, 
resp.  halbphyllitischen  Zone  anschliessen,  so  muss  Verfasser  be- 
kennen, dass  er  von  den  beiden  bisher  zu  ihrem  Verständniss  ge- 
wählten Anschauungen  oder  Hypothesen  der  diagenetischen 
den  Vorzug  geben  zu  müssen  glaubt. 

Es  ist  Verfasser  wohlbekannt,  dass  von  competentester  Seite 
für  einen  Theil  der  hier  abgehandelten  Gebirgsgegenden  der  meta- 
morphische  Standpunkt  geltend  gemacht  worden  ist.  Ohne  nun 
die  zu  Gunsten  dieser  Auffassung  geltend  gemachten  Gründe  zu 
unterschätzen,  und  ohne  etwaiger  eigener  besserer  Erkenntniss 
späterer  Zeit  vorgreifen  zu  wollen,  möchte  Verfasser  seine  der- 
zeitige Ansicht  doch  dahin  aussprechen:  dass  ihm  auf  Grund  seiner 
bisherigen  fortgesetzten  Specialaufnahmen  und  Anschauungen 

x)  Yergl.  Lossen,  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.,  Bd.  XXVI,  1874,  p.  896  ff. 
902.  — Auch  H.  Credner  sen.  im  Neu.  Jahrbuch  f.  Min.  etc.  1849  p.  25  ff.  und 
im  »Versuch  einer  Bildungsgeschichte  der  geognost.  Verh.  des  Thüringer  Waldes«, 
1855,  p.  21,  steht  auf  dem  metamorphischen  Standpunkt. 


250 


H.  Loeetz , Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


und  mit  Berücksichtigung  der  Lagerungs-  und  Massenverhältnisse 
der  in  Betracht  kommenden  Gesteine  die  diagenetische  Auffassung 
immer  noch  als  die  einfachere,  den  natürlichen  Verhältnissen 
sich  leichter  anpassende  erscheint  als  die  andere;  jene  Auf- 
fassung, welche  auch  Gümbel  für  analoge  Gebilde  des  Fichtel- 
gebirges an  verschiedenen  Stellen  seines  bezüglichen  Werkes 
geltend  macht. 

Wir  möchten  dementsprechend  die  betreffenden  Gesteine  für 
solche  halten,  welche,  abgesehen  von  den  bekannnten  secundären 
mineralischen  Neubildungen  auf  Klüften  u.  s.  w. , wesentlich  zu 
jener  Zeit  ihre  vorliegende  petrographische  Beschaffenheit  erlangt 
haben,  welche  auch  die  Bildungszeit  für  die  sie  umgebenden 
Schichten  war;  mit  andern  Worten,  für  solche,  die  nicht  etwa  in 
einer  späteren  Epoche,  auf  irgend  welchen  äusseren  Anlass  hin, 
einen  bedeutenden  Schritt  vorwärts  in  ihrer  lithologischen  Ent- 
Wickelung  machten,  während  ihre  Umgebung  dies  nicht  that. 

Unsere  granitiscli-gneissischen  und  porphyroidischen  Gesteine 
noch  insbesondere  belangend,  scheint  es  uns  schwierig,  einen  ge- 
netischen Zusammenhang  zwischen  denselben  und  wahren  Graniten 
oder  sonstigen  krystallinischen  Massengesteinen  anzunehmen,  welche 
entweder  eruptiv  oder  durch  Druck  bei  der  Schichtenaufstauung 
und  -faltung  (passiv)  in  den  Körper  des  Schiefergebirges  hineinge- 
trieben worden  wären ; schwierig,  weil  es  eben  an  solchen  Massen- 
graniten und  Porphyren  u.  s.  w.  fehlt;  denn  das  Allerwenigste, 
nur  immer  einzelne  Kerne  von  jenen  granitartigen  u.  s.  w.  Ein- 
lagerungen, verhält  sich,  wie  wir  gesehen  haben,  als  wirklicher 
Granit  oder  Porphyr,  und  somit  steht  die  hierhergehörige  Gesammt- 
masse  nur  in  einem  geringen  Verhältniss  zu  dem  Umfang  der 
Misch-  und  Uebergangsgesteine  zum  umgebenden  Schiefer1);  ein 

*)  Der  längste  Zug  granitisck-gneissischer  Gesteine,  der  von  Meuselbach- 
Glasbach  ist  allerdings  noch  nicht  zur  Specialaufnahme  gelangt;  wir  glauben  in- 
dess  nicht,  nach  dem  was  wir  bis  jetzt  von  diesen  Gesteinen  gesehen  haben,  dass 
sich  hier  wesentlich  andere  Verhältnisse  ergeben  werden. 

Was  die  Porphyroide  betrifft,  so  hat  sich  bei  deren  Aufnahme  nirgends  un- 
zweifelhafter Porphyr  resp.  Quarzporphyr  als  Theil  oder  in  Verbindung  mit  dem 
betreffenden  Vorkommen  gezeigt.  Bei  Langenbach  steht  im  Bereich  des  Porphy- 
roidvorkonunens,  an  Masse  unbedeutend,  an  der  Strasse  etwas  Porphyrit  an; 


der  cambrisch-phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


251 


Missverhältniss , wenn  wir  letztere  ans  ersteren  ableiten  wollen, 
ob  nun  einfache  Wärmewirkung  durch  Contact,  oder  solche  unter- 
stützt durch  wässerige  Lösungen,  oder  Wärmeentwickelung  durch 
Druck  bez.  mechanische  Arbeit  zu  Hülfe  genommen  werden. 
Andere  wahre  Granit-  u.  s.  w.  Massen  aber  ausser  den  sichtbaren 
und  zugänglichen  supponiren  zu  wollen,  solche  etwa,  die  in  nicht 
grosser  Tiefe  lagerten,  dürfte  für  dieses  Gebirge  doch  zu  proble- 
matisch sein. 

Noch  weniger  dürfte  in  unserem  Falle  daran  zu  denken  sein, 
chemische  Metamorphose  im  Gefolge  der  bei  der  Schichtenauf- 
stauung und  -Zusammenfaltung  entwickelten  mechanischen  Wir- 
kung anzunehmen ; ehe  dieses  unsichere  Gebiet  betreten  würde, 
für  welche  unseres  Wissens  doch  erst  vereinzelte  Thatsachen  vor- 
liegen, wäre  zu  constatiren,  dass  sich  in  den  betreffenden  Gebirgs- 
strichen  besonders  starke  mechanische  Einwirkungen  auf  die 
Schichten  zu  erkennen  geben;  letzteres  ist  nun,  nach  unseren 
Beobachtungen  zu  urtheilen,  keineswegs  der  Fall,  es  machen  sich 
keine,  das  gewöhnliche  und  durchgängig  zur  Geltung  kommende 
Maass  überschreitende  Wirkungen  auf  die  Schichten  bemerklich. 

Was  die  Einlagerungen  der  amphibolischen  Gesteine  betrifft, 
so  wird  für  solche  eine  spätere,  metamorphische  Entstehung  aus 
dem  Sediment,  welches  auch  die  umgebenden  Schiefer  constituirt, 
überhaupt  wohl  nicht  versucht  werden,  wegen  des  zu  sehr  ver- 
schiedenen beiderseitigen  chemischen  Bestandes.  Diese  Einlagerun- 
gen, wie  auch  die  Kiesel-  und  Alaunschiefer  erinnern  sehr  an  die 
entsprechenden  Einlagerungen  der  Phyllitformation  in  Sachsen. 

Dass  übrigens  die  metamorphische  Auffassung  gewisser  por- 
phyroidischer  u.  s.  w.  Vorkommnisse  in  anderen  Gebirgen  durch 
Obiges  in  keiner  Weise  berührt  werden  soll,  braucht  kaum  er- 
wähnt zu  werden. 

Wir  kommen  also  darauf  zurück,  für  unser  Gebiet  jene  ver- 
schiedenartigen Einlagerungen  als  ursprünglich  gebildete  aufzufassen, 
und  ebenso  auch  die  eigentümlichen , mit  gewissen  schieferigen 


solcher  kommt  indess  in  der  Umgegend  vielfach,  die  Schieferschichten  gangförmig 
durchsetzend,  in  kleinen  Massen  vor,  ohne  dass  zumeist  irgend  welche  Einwirkung 
auf  das  Nebengestein  zu  sehen  wäre. 


252 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


Porphyroiden  verwandten  Schiefer  unserer  mittleren,  halbphyllitischen 
Zone.  Für  letztere  insbesondere  scheint  uns  die  Wechsellagerung; 
mit  gewöhnlichem  Thonschiefer  und  die  Wiederholung  der  Zone 
zu  beiden  Seiten  der  phyllitischen  nur  zu  Gunsten  jener  Auffassung 
zu  sprechen.  — Wie  weit,  ursprüngliche  Bildung  zugegeben,  ein 
rein  diagenetischer  Vorgang;  — also  successive  Umbildung  in  situ 
aus  dem  allgemeinen  Sediment  ohne  Zutritt  fremden  Stoffes  ■ — 
ausreiche,  die  verschiedenen  gneissartigen  oder  porphyroidischen 
Modificationen  zu  verstehen,  wie  weit  nicht,  das  bleibt  dann  immer 
noch  eine  besondere  Frage. 


Aeussere  Erscheinung  des  alten  Schiefergebirges. 

Wir  berühren  zum  Schluss  in  Kürze  die  äussere  Physiogno- 
mie des  alten  phyllitisch-cambrischen  Schiefergebirges. 

Zunächst  die  Vegetationsdecke  betreffend,  ist  unser  Gebirge 
vorwiegend  Waldlandschaft;  Forsten  ziehen  sich  zumal  an  den 
steilen  Gehängen  wie  auch  über  die  Hochflächen  hin,  und  zwar 
waltet  in  den  Beständen  das  Nadelholz  in  seinen  beiden  Haupt- 
Repräsentanten,  gemeine  und  Edeltanne,  entschieden  vor.  Laub- 
holz, besonders  durch  die  Buche  vertreten,  umsäumt  öfters  die 
tieferen,  günstiger  situirten  Ränder  der  Forsten,  und  gelangt  auch 
in  einzelnen  Thälern  (z.  B.  Schleusethal)  zu  grösserer  Ausbreitung. 
Die  näheren  Umg  ebungen  der  Ortschaften  sind  der  Feldcultur 
unterworfen,  während  das  Wiesenland  vorzugsweise  die  Sohlen 
der  grösseren  Thäler  und  der  von  ihnen  sich  abzweigenden  Seiten- 
thäler  einnimmt  und  sich  bis  in  die  obersten  flachen  Thalanfänge 
oder  Depressionen  hinaufzieht. 

Der  Denudation  gegenüber  verhält  sich  dieses  Gebirge  nach 
dem  Material,  aber  auch  nach  der  überall  vorherrschend  steilen 
Stellung  der  Straten  als  ziemlich  gleichartiges  Ganze.  Der  Unter- 
schied in  der  Widerstandsfähigkeit  der  verschiedenen,  die  Haupt- 
masse dieses  Gebirges  bildenden  Schiefergesteine  gegen  die  chemi- 
schen und  mechanischen  Eintlüsse  der  Verwitterung  und  Erosion 


der  cambrisch  - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


253 


ist  nicht  so  gross,  dass  er  sich  in  dem  Relief  von  Berg  und  Thal 
sehr  deutlich  ausspräche.  So  fehlt  es  denn  an  jenen  auffallenden 
Längsthälern,  welche  durch  besonders  leicht  zu  zerstörende  Schich- 
tencomplexe  zu  Stande  kommen  könnten,  wie  solche  Thäler  weiter- 
hin durch  die  Obersilur-  und  Mitteldevonschichten  bewirkt  werden. 
Selbst  die  an  sich  so  wenig  verwitterbaren  Quarzitlager  machen 
sich  im  Terrain  durch  besonderes  Auf-  und  Hervorragen  in  der 
Regel  nicht  geltend;  ihre  vielseitige  Zerklüftung  trägt  dazu  bei, 
dass  die  Abtragung  bei  ihnen  mit  der  des  umgebenden,  an  sich 
viel  leichter  verwitternden  Thonschiefers  gleichen  Schritt  halten 
kann  Q. 

Das  Relief  des  Gebirgslandes  wird  in  seinen  höheren  Theilen 
durch  schwach  gewölbte  Gipfelformen,  lang  hinziehende  Rücken 
und  sanft  wellenförmig  gestaltetete  Hochflächen  gebildet;  die  Höhen- 
linien zeichnen  sich  o'eo-en  den  Horizont  als  sanft  o-eschwunafene, 
schwach  auf-  und  absteigende  Linien  ab,  wie  dies  in  den  alten 
Schiefergebirgen  so  häufig  wiederkehrt.  Benachbarte  Rücken 
difleriren  meist  wenig  an  absoluter  Höhe2);  horizontal  darüber 
hingesehen,  scheinen  sie  öfters  sich  plateauartig  auszubreiten,  in 
Wirklichkeit  erlangen  diese  Rücken  und  Hochflächen  nirgends 
mehr  eine  starke  Ausbreitung  ins  Geviert,  da  die  Erosion  ringsum 

Q Der  höchste  Punkt  des  Sehiefergebirges,  das  »Kieferle«  bei  Steinheid,  liegt 
zwar  im  Quarzit;  die  Höhendifferenz  gegen  die  in  Thonschiefer  gelegenen  Gipfel 
des  Wurzelberg  und  Blessberg  beträgt  aber  nur  einige  Fuss.  — Beim  Wurzel- 
berg liegt  der  höchste  Punkt  ( » Farmdenkopf «)  in  mildem,  blaugrauem  Thon- 
schiefer; derselbe  Schiefer  bildet  den  oberen,  langen  Rücken  des  Wurzelberges, 
von  der  »Moosbergsebene«  bis  zum  »Jagdschirm«,  während  die  benachbarten 
Quarzitlager  nicht  bis  zu  der  Rückenhöhe  heraufragen,  sondern  längs  dem  NW.- 
Hang  hinziehen. 

Auch  der  Cultur  gegenüber,  wenigstens  der  Forstcultur,  ist,  im  Allge- 
meinen gesprochen,  der  Unterschied  in  dein  durch  die  verschiedenen  eambrischen 
und  phyllitischen  Schiefer  gelieferten  Boden  nicht  so  bedeutend,  dass  er  nicht 
durch  die  Unterschiede  in  der  Exposition  und  den  sonstigen  physikalischen  Be- 
dingungen, zumal  bei  den  grossen  hier  vorkommenden  Höhendifferenzen,  mehr  als 
aufgewogen  würde.  Nur  den  reinen  Quarzit  kann  man  ausnehmen,  der  sich 
allerdings  durch  seine  Sterilität  recht  bemerklich  macht. 

2)  Immerhin  ragen  einzelne  Gipfel  und  Rücken  über  ihre  Umgebung  merk- 
lich heraus,  so  der  Blessberg  (nahe  dem  Südwestrande  des  Gebirgs),  der  Wurzel- 
berg, die  Cursdorfer  Koppe  und  die  Hettstädt. 


254 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


schon  ziemlich  stark  eingegriffen  hat;  und  der  Grad  des  Fort- 
schritts, den  dieselbe  erlangt  hat,  ist  das  bestimmende  Moment 
für  die  Modellirung  im  Einzelnen  und  die  Höhenabstufung  von 
den  Gipfeln  zu  den  Thalsohlen  hinab. 

Die  bedeutenderen  Thäler  schneiden  tief  in  den  Körper  des 
Gebirgslandes  ein;  der  stärkste  Höhenunterschied  zwischen  Thal- 
boden und  Gipfel  der  benachbarten  Höhen  erreicht  etwa  1000 
Decimalfuss  (1200  gewöhnliche  Fuss),  so  von  der  Höhe  des  Wurzel- 
bergs zur  Schwarza  bei  Goldisthal.  Die  Gehänge  können  einen 
beträchtlichen  Grad  von  Steilheit  erreichen,  und  neigen  hie  und 
da,  wenn  auch  im  Ganzen  nicht  viel  zu  Felsbildung.  — Für  das 
Gebiet  der  Schwarza  und  ihrer  Zuflüsse  stellt  sich  leicht  die  Be- 
ziehung heraus,  dass  nordwärts  mit  tieferer  Lage  der  Thalsohle, 
der  Basis  für  die  Erosion,  auch  die  absoluten  Höhen  durchschnitt- 
lich abnehmen,  welche  die  benachbarten  Berggruppen  erreichen. 

Wie  weit  die  Thäler  unseres  Gebietes,  welche  ihre  jetzige 
Ausbildung  fast  nur  der  Erosion  verdanken,  in  ihrer  ersten  An- 
lage durch  geotektonische  Richtungen,  namentlich  parallel  zur 
allgemeinen  Streichrichtung  und  quer  dazu , vorgezeichnet  worden 
sein  mögen,  ist,  wie  in  den  meisten  Fällen  derart,  nicht  mehr  zu 
sagen,  höchstens  zu  vermuthen.  Allerdings  ist  der  Verlauf  von 
manchen  derselben,  oder  gewöhnlicher  von  Theilen  solcher,  in  der 
Richtung  des  Streichens  der  Schichtung  und  der  Faltungen,  und 
anderer  in  der  Querrichtung  — etwa  in  der  Hauptklüftungs- 
richtung — nicht  zu  übersehen.  Beispiele  hierfür  finden  sich 
leicht  bei  Betrachtung  einer  Karte.  Was  speciell  das  bedeutendste 
Thal  des  Gebiets,  das  Schwarzathal  betrifft,  so  liegt  die  mittlere 
Richtung  des  grössten  Theiles  seines  Laufes  bis  zum  Austritt  aus 
dem  Gebirge,  abgesehen  von  den  Krümmungen,  beiläufig  der  all- 
gemeinen Streichrichtung  parallel,  und  es  ist  denkbar,  dass  in  weit 
zurück  liegenden  Denudationsepochen  der  Charakter  als  Längs- 
thal bei  diesem  Theile  reiner  hervorgetreten,  und  seine  allererste 
Anlage  durch  den  Verlauf  von  Sattel-  und  Muldenbiegungen  längst 
verschwundener  Schichten  gegeben  war.  Dagegen  fällt  die  oberste 
Strecke  des  Schwarzathals,  von  Scheibe  nach  Langenbach,  unge- 
fähr in  die  Richtung  jener  Verwerfungen,  mit  welchen  das  Er- 


der  cambrisch-phyllitisclien  Schieferreihe  in  Thüringen. 


255 


scheinen  der  Zechstein-  Und  Buntsandsteinschollen  zwischen  den 
alten  Schieferschichten  bei  Scheibe  zusammenhängt. 

Auffällig  ist  eine  Art  von  Terrassenbildung,  wie  sie  sich  an 
beiden  Seiten  des  Schwarzathals,  aber  auch  seitwärts,  in  Neben- 
thälern  desselben  wiederholt  einstellt.  Solche  sehr  merkliche  Ver- 
flachungen der  Gehänge,  mit  steilerer  Steigung  aufwärts  wie  ab- 
wärts, findet  man  hie  und  da  mehrfach  übereinander,  wenn  man 
quer  zur  Thalrichtung  die  Berghöhen  ersteigt.  Obgleich  nirgends 
mehr  alter  Schotter  auf  diesen  Verflachungen  erhalten  ist,  und  die- 
selben in  der  Thalrichtung  meist  nicht  lang  aushalten,  überhaupt 
wohl  stark  durch  Abwitterung  und  seitliche  Erosion  mitgenommen 
sein  mögen,  kann  man  sie  doch  kaum  anders,  denn  als  Beste  ehe- 
maliger Thalstufen  auffassen;  um  so  mehr  als  durch  Abwitterung 
allein,  bei  der  so  wenig  verschiedenen  Beschaffenheit  und  Stellung 
der  Schichten,  derartige  Absätze  nicht  zu  verstehen  wären.  Solche 
Verflachungen  machen  sich  z.  B.  am  Wurzelberg  an  der  Schwarza- 
thalseite, aber  auch  au  der  Ostseite  wiederholt  bemerklich,  und 
ähnliches  wiederholt  sich  noch  am  Lindig,  sowie  andererseits  an 
der  Westseite  des  Schwarzathals,  bis  ins  Oelzethal,  und  sodann 
weiter  abwärts  im  Schwarzathal.  — Es  scheint  sogar  nicht  un- 
möglich, dass  in  der  jetzigen  Configuration  des  Gebirgslandes  über 
den  engern  Bereich  der  jetzigen  Thaleinschnitte  hinaus,  in  dem 
Verhältniss  der  oberen  flach  oder  plateauartig  sich  ausbreitenden 
Höhenstrecken  zu  den  wenigen  über  diese  hinaus  anschwellenden 
Erhebungen  noch  einzelne  Züge  aus  weit  zurückliegenden  Denuda- 
tionsperioden stehen  geblieben  sind ; wenigstens  kann  dieser  Ein- 
druck durch  die  Betrachtung  des  Gebirges  von  gewissen,  hoch 
gelegenen  Punkten  hervorgerufen  werden. 

O O O 


256 


H.  Loretz,  Beitrag  zur  geologischen  Kenntniss 


Inhalt. 


Einleitendes.  Einführung  des  cambrischen , silurischen  etc.  Systems  in 
das  thüringische  Schiefergebirge.  — Sibirische  Horizonte.  — Cambri- 
sches  und  phyllitisches  System  des  Schiefergebirges ; Abgrenzung.  — 
Vergleichung  des  cambrischen  Systems  mit  den  entsprechenden  Systemen 

anderer  Länder 

Uebersicht  der  Schieferreihe  nebst  Einlagerungen  und  ihrer  Lage- 
rung. Phyllitisches  und  cambrisches  System.  — Das  Gebiet.  Unter- 
scheidung dreier  Zonen : phyllitische  Schiefer , halbphyllitisehe  Schiefer 
und  Thonschiefer  mit  Quarziten.  • — Einlagerungen : Kieselschiefer, 

gneissartige,  amphibolische,  porphyroidische.  — Phyllit  und  Cambrium. 

— »Untercamb risch«.  — Lagerung  der  Zonen 

Schiefer  der  phyllitischen  Zone.  Phyllit,  Quarzphyllit , Phyllitcjuarzit- 
schiefer.  — Quarzknauer  des  Quarzphyllits.  — Aufschlüsse.  — Calcit- 
führender Phyllit.  — Kupfererzvorkommen  bei  Böhlen.  — Engfaltung 
und  Fältelung  der  phyllitischen  Schiefer.  — Andeutungen  von  Trans- 
versalschieferung   

Schiefer  der  älteren  cambrischen  (halbphyllitischen)  Zone.  Petro- 
graphisches;  Verwandtschaft  mit  gewissen  porphyroidischen  Schiefern; 
halbphyllitischer,  resp.  halbkrystallinischer  Charakter.  — Abgrenzung 
von  den  phyllitischen  Schiefern,  äussere  Aehnlichkeiten  mit  solchen.  — 
Quarzeinschlüsse.  — Verwitterung.  — Auftreten  gleicher  Schiefer  im 

Bereich  der  älteren  und  jüngeren  Zone 

Cambrischer  Thonschiefer.  Keine  Unterabtheilungen.  — Verschiedene 
Färbungen  und  Verbreitung  derselben.  —HärtereStreifen  und  Knoten; 
gerippte  Schichtflächen  und  discordante  Parallelstructur.  — Phycoden 
und  Phycodenschiefer.  — Transversalschieferung  und  Klüftung.  — 

Zerfallen;  Verwitterung.  — Wetzschiefer 

Cambrischer  Quarzit.  Auftreten  zwischen  dem  Thonschiefer.  — Petro- 
graphisches.  — Schichtung  des  Quarzits.  — Zerklüftung  und  Trümmer- 
halden. — Oberster  cambrischer  Quarzit.  — Vielfacher  Wechsel  von 
Thonschiefer  und  Quarzit  in  gewissen  Gebirgsstrichen.  — Quarzit  mit 
Sericitflasern.  — Conglomeratischer  und  breccienartiger  Quarzit.  — 
Quarzausscheidungen  und  Goldführung.  — » Quarzitische  Schiefer« 

Das  Vorkommen  von  Versteinerungen  im  Quarzit  von  Siegmunds- 
burg. Vorkommen,  Localität  und  Gestein.  — Deutung  und  palaeon- 

tologischer  Werth  der  Versteinerungen 

Oberste  cambrische  Zone  und  Grenze  zum  Silur;  Thuringithorizont. 
Oberste,  eisenreiehe  Schiefer.  Oolithischer  etc.  Eisenstein;  Thuringit.  — 
Orthis  in  diesem  Horizont 


Seite 

175 

180 

184 

190 

196 

203 

208 


211 


der  cambrisch - phyllitischen  Schieferreihe  in  Thüringen. 


257 


Seite 

Einlagerungen  von  Kieselschiefer  und  Alaunschiefer.  Kieselschiefer 


und  Alaunschiefer  der  phyllitischen  Zone.  Kieseischieferfelsen.  — Ent- 
sprechende Schiefer  der  jüngeren  Zonen 214 


Einlagerungen  von  Amphibolgesteinen.  Massig  krystallinischo  und 
schieferige,  Verbindung  und  Lagerung  derselben  zu  einander  und  dem 
umgebenden  Schiefer.  — Localitäten.  — Beschreibung  einer  derartigen 

Einlagerung  im  Oelzethal 218 

Einlagerungen  gneiss-  und  granitartiger  Gesteine.  Allgemeine  Be- 
schaffenheit. — Das  Vorkommen  bei  Hinterod;  TJebergänge  zu  anderen 
Schiefergesteinen.  — Das  Vorkommen  am  Milchberg  bei  Bohlen; 
Uebergänge  zu  Schiefergesteinen,  Unterschiede  von  Porphyroiden.  — 

Vorkommnisse  bei  Katzhütte 221 

Einlagerungen  porphyroidischer  Gesteine.  Allgemeines.  — Vorkommen 
bei  Langenbach.  — Desgleichen  am  Jagdschirm.  — Desgleichen  am 
Reichenbach.  — Desgleichen  am  Bärentiegel  und  weiter  aufwärts  im 
Katzethal.  — Verwandtschaft  mancher  Porphyroide  und  Quarzite.  — 
Porphyroide  der  älteren  Sehieferzonen.  — Vorkommen  im  Hirschgrund 
bei  Böhlen.  — Eigenthümliche  Schieferporphyroide  von  halbklastischem 
Habitus  und  Verwandtschaft  derselben  mit  gewissen  Schiefern  der  halb- 
phyllitischen  Zone.  — Porphyroidische  Gesteine  der  obersten  cambri- 


schen  Zone 226 

Die  schichtigen  Quarzzwischenmassen  der  Schiefer.  Grosse  Menge 
derselben.  — Vorkommen  derartiger  Quarzzwischenlagen  bei  Unter- 
weissbach in  cambrischem  Dachschiefer 239 


Lagerungsverhältnisse  und  Gebirgsbau.  Ideales  Querprofil  durch  die 
cambrisch  -phyllitische  Schieferreihe.  — Faltungen  innerhalb  desselben 
und  relative  Grösse  der  Falten.  — Grössere  Sattel-  und  Mulden  - 
biegungen,  an  denen  ganze  Systeme  theilnehmen.  — Erzgebirgisclie  und 
hercynisehe  Richtung.  — Anhaltend  nordwestliches  Einfallen  im  west- 
lichen Theil  des  Gebiets.  — Schieferung  und  Parallelklüftung  . . . 241 

Einiges  bezüglich  der  Bildungsvorgänge.  Continuirlich  und  in  weitem 
Bildungsraum  unter  ähnlichen  Bedingungen  erfolgte  Sedimentbildung. 
Muthmaassliche  Ablagerungsbedingungen  der  untersten  sibirischen 
Schichten.  — Diagenetische  oder  metamorphische  Auffassung  der 
granitartigen  und  porphyroidischen  Einlagerungen.  Gründe  für  erstere  247 
Aeussere  Erscheinung  des  alten  Schiefergebirges.  Vegetationsdecke.  — 
Gleichförmiges  Verhalten  gegenüber  den  denudirenden  Agentien;  Relief 
des  Gebirgs.  — Thäler;  Ausbildung  derselben  durch  Erosion,  in  erster 
Linie  vielleicht  nach  geotektonischen  Linien.  — Terrassenartige  Ver- 
flachungen an  den  Gehängen  des  Schwarzathals  und  benachbarter  Thäler  252 


Bemerkung.  Auf  dem  Kärtchen  mussten  bei  der  Kleinheit  des  Maassstabs  einige 
porphyroidische  etc.  Einlagerungen  weg-gelassen  werden;  vor  dem  nördl.  Rand  werden 
weitere  Specialaufnahmen  wohl  noch  einige  neue  ergeben.  Manches  konnte  nur  manierirt 
dargestellt  werden,  z.  B.  die  Kieselschiefereinlagerungen,  z.  Th.  auch  die  quarzitischen, 
und  die  geognostischen  Grenzen. 


17 


Ueher  Transversalschieferung' 

und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen 
Schiefergebirge. 

Von  Herrn  H.  Loretz  in  Frankfurt  a.  M. 

(Hierzu  Tafel  VII.) 


Yo  r b e m e r k n n g e n. 

Das  Auftreten  der  Transversalschieferung  im  thüringischen 
Sehiefergebirge  ist  schon  seit  längerer  Zeit  bekannt,  und  von  den 
Geologen,  welche  über  dieses  Gebiet  geschrieben  haben,  wiederholt 
erwähnt  und  im  Allgemeinen  besprochen.  Im  Folgenden  soll  nun, 
was  bisher  noch  nicht  geschehen  ist,  eine  speciellere  Darlegung 
der  Verhältnisse  der  Schieferung  und  verwandter  Erscheinungen 
mechanischer  Natur  in  diesem  Gebirge  gegeben  werden,  soweit 
dasselbe,  vom  Verfasser  bei  Gelegenheit  seiner  Aufnahmen  für  die 
geologische  Specialkarte  von  Preussen  und  den  thüringischen 
Staaten  untersucht  ist.  Unsere  vorliegenden  Mittheilungen  be- 
ziehen sich  dementsprechend  auf  den  südwestlichen  Theil  des 
Schiefergebirges  und  zwar  in  etwas  grösserer  Ausdehnung  als  bei 
unserem,  ebenfalls  in  diesem  Bande  enthaltenen  Artikel  über  die 
cambrisch-phyllitische  Schieferreihe1);  das  Kärtchen,  welches  diesem 
Artikel  beigegeben  ist,  kann  zugleich  auch  für  vorliegende  Mit- 

')  Die  liier  in  Betracht  kommenden  erst  später  zu  publicirenden  Blätter  der 
geolog.  Specialkarte,  im  Maassstab  1 : 25000  sind:  Neustadt  a.  d.  Haide,  Sonne- 
berg,  Eisfeld,  Steinheid,  Spechtsbrunn,  Masserberg,  Breitenbach  und  Gräfenthal 
zum  Theil. 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung  und  verwandte  etc. 


259 


theilungen  dienen,  im  Uebrigen  wird  am  besten  die  RiCHTER’sche 
Karte  des  Thüringischen  Schiefergebirges1)  verglichen. 

Die  Transversalschieferung  wird  bekanntlich  angesehen  als 
eine  bestimmte  und  eigenthümliche  Wirkung;  des  g;ebirg;sbildenden 
Seitendrucks  in  der  Erdrinde,  oder  zunächst  vielleicht  eine  Wir- 
kung von  Druckkräften,  welche  von  jenem  allgemeinen  Seitendruck 
abzuleiten  sind;  und  zwar  ist  sie  eine  sehr  energische  und  weit- 
gehende Druckwirkung,  da  sie  sich,  wenigstens  wenn  vollkommen 
ausgebildet,  auf  die  kleinsten  Theile  des  Gesteins  erstreckt  und 
physikalische  Aenderungen  bewirkt  hat2).  Die  Schieferung  ist  mit 
einer,  wenn  auch  nur  minimalen  Compression  oder  doch  Spannung 
in  der  Druckrichtung,  sowie  ausweichenden  Verschiebungen  in  dazu 
normalen  Richtungen  verbunden  gewesen,  welche  bald  mehr,  bald 
weniger  deutliche  Spuren  in  dem  Gesteinskörper  hinterlassen  haben 
und  je  nach  der  Stärke  und  Vertheilung  des  Druckes  und  der 
physikalischen  Beschaffenheit  des  Materials  schon  zwischen  benach- 
barten dünnsten  Lagen  stattfanden,  oder  erst  in  grösseren  Inter- 
vallen. 

Der  Vorgang  des  seitlichen  Ausweichens  und  Verschiebens 
hat  unter  gewissen  Umständen  einen  besonderen  Verlauf  genommen, 
als  deren  Resultat  jetzt  eine  Art  von  Linearstreckung  des  Ge- 
steins, ein  fast  faseriges,  griffeliges  Gefüge  vorliegt,  eine  physika- 
lische Aenderung,  die  mit  jener  bei  der  gewöhnlichen  Schieferung 
verwandt  ist;  diese  lineare  Streckung  ist  nicht  so  verbreitet  wie 
die  plane  Schieferung,  sie  tritt  mehr  lokal,  und  dabei  wohl  mit 
jener  zusammen  auf,  und  scheint  darin  begründet,  dass  das  seit- 
liche Ausweichen  und  Verschieben  von  Theilchen  zu  Theilchen 
stattfand  und  dabei  in  ein  und  derselben  Richtung. 

Diese  beiden  auf  mechanischem  W ege  in  das  Gestein  einge- 
führten  Structuren,  die  Schieferung;  und  die  Streckung;  sind 

7 0 O 

es  nun,  deren  Vorkommen  im  thüringischen  Schiefergebirge  den 


x)  Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges.  Bd.  XXI,  1869. 

2)  Dass  wirklich  physikalische  Aenderungen  eingetreten  sind,  ersieht  man 
sofort  aus  den  J anx ettaz1  sehen  Versuchen  über  die  Wärmeleitung  in  geschiefertem 
und  nicht  geschiefertem  Gestein,  und  den  entsprechenden  Figuren  auf  Schnitt- 
flächen. 


17 


260 


H.  Louktz,  über  Transversalschieferung 


Hauptgegenstand  der  folgenden  Darstellung  bilden  soll.  Anhangs- 
weise fügen  wir  noch  einige  Angaben  über  das  Vorkommen  der 
Parallelklüftung  und  gewisser,  durch  Bewegungen  auf 
Schichtflächen  zu  Stande  gekommener  Mineralbildungen  ein- 

o O 

fachster  Natur  bei. 

Ausser  Schieferung  und  Streckung  sehen  wir  nun  aber  noch 
eine  lange  Reihe  von  Aenderungen,  welche  an  der  Gesammtge- 
steinsmasse  eines  Gebirges,  z.  B.  unseres  Schiefergebirges  in  Folge 
der  nachhaltigen  Einwirkung  grossartiger  seitlicher  Druckwirkun- 
gen zu  Stande  gekommen  sind,  und  es  ist  keineswegs  leicht,  die 
richtige  Stellung  und  Folge  aller  Glieder  dieser  Umgestaltungs- 
reihe  zu  erkennen;  nur  im  Einzelnen  liegen  Andeutungen  und 
Beweise  vor,  welche  erkennen  lassen,  dass  eine  gewisse  Aende- 
rung  oder  Umgestaltung  vor  oder  nach  einer  gewissen  zweiten 
entstanden  sein  muss.  Die  transversale  Schieferung  z.  B.  betreffend, 
die  uns  hier  besonders  interessirt,  sehen  wir,  dass  sie  erst  nach 
der  Aufstauung  und  Zusammenfaltung  der  Schieferschichten  ein- 
getreten sein  kann,  weil  sie  durch  alle  Falten  der  Schichtenlage 
durchschneidet  und  sich  ihnen  gegenüber  sehr  constant  zeigt,  und 
weil  die  Oberflächen  und  öfters  auch  das  Innere  der  aufgerichte- 
ten und  gefalteten  Lagen  sehr  oft  deutliche  Merkmale  des  Schiefe- 
rungsprozesses  an  sich  tragen.  Ebenso  sehen  wir  mitunter,  dass 
gewisse  das  Gestein  durchziehende  Ablösungsflächen,  welche  ihrer- 
seits auch  nur  von  Seitenpressungen  abgeleitet  werden  können, 
schon  vor  der  Schieferung  da  gewesen  sein  müssen,  weil  auch  sie 
in  ähnlicher  Weise  wie  die  Schichtflächen  von  der  Schieferung 
afficirt  sind.  Wenn  wir  ferner  berücksichtigen,  dass  über  weite 
Strecken  unseres  Gebirges  die  Schieferung  eine  etwas  andere  Lage 
zu  den  Weltgegenden  hat,  als  die  Ausstriche  und  Falten  der  auf- 
gestauten  Schichten,  so  weist  auch  dies  mit  Wahrscheinlichkeit 
auf  zeitliche  Unterschiede  für  die  Ausbildung  von  beiderlei  meclia- 
nischen  Aenderungen,  auf  einen  Wechsel  in  der  Richtung  des 
Seitendrucks  hin.  Dabei  braucht  nicht  gerade  ein  längerer  Inter- 
vall oder  eine  Ruhepause  stattgefunden  zu  haben;  die  ersten  An- 
fänge transversaler  Schieferung  könnten  an  die  letzten  Faltungs- 
vorgänge angeknüpft  haben,  und  in  jenen  kleinen  Zerreissungen 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  261 


nebst  Verschiebungen  zu  sehen  sein,  welche  so  oft  an  den  kleinen 
engen  Falten  und  Fältchen  der  älteren  Schiefer  Vorkommen,  wäh- 
rend die  volle  Ausbildung  der  transversalen  Schieferung  erst  nach 
Aenderung  der  Druckrichtung  erreicht  worden  sein  mag ]). 

Ist  Schieferung  und  auch  Streckung  nicht  die  erste  der  auf 
mechanischem  Wege  bewirkten  Aenderungen,  so  ist  sie  auch  nicht 
die  letzte.  Das  Auftreten  der  Parallelklüftung  z.  B.  in  geschiefer- 
tem  oder  gestrecktem  Schiefergestein  ist  ein  derartiges,  dass  wir 
ihr  nur  eine  spätere  Entstehung  zuschreiben  können;  auch  manche 
Verwerfungen  und  sonstige  grössere  Dislocationen  rühren  ohne 
Zweifel  aus  späterer  und  z.  Th.  viel  späterer  Zeit  her. 

Ganz  im  Allgemeinen  gesprochen,  sind  die  durch  den  Seiten- 
druck in  den  äusseren  Theilen  der  Erdrinde  hervorgerufenen  Wir- 
kungen oder  Aenderungen  zunächst  solche,  welche  sich  auf  Gestalt 
und  gegenseitige  Lage  grösserer  und  kleinerer  Theile  der  Gebirgs- 
massen  beziehen  — wir  könnten  sie  morphologische  Aenderungen 
nennen  — sodann  aber  auch  solche,  welche  sich  bis  zu  den  klein- 
sten Gesteinstheilchen,  selbst  den  Molekülen  erstrecken  und  deren 
physikalische,  ja  chemische  Beschaffenheit  modificiren  können; 
doch  lassen  sich  diese  verschiedenen  Wirkungen  nicht  ganz  scharf 
auseinanderhalten  und  sind  vielfach  untereinander  verbunden.  Be- 
züglich chemischer  Aenderungen  hat  die  Literatur  neuerer  und 
neuester  Zeit  manche  interessante  Daten  gebracht;  zu  den  schon 
die  physikalische  Beschaffenheit  afficirenden  Aenderungen  gehören 
Schieferung  und  Streckung;  zu  den  Aenderungen  der  erstgenann- 
ten Klasse  aber  können  wir  alle  diejenigen  ziehen,  welche  auf 
Beanspruchung  des  Gebirgskörpers,  resp.  Schichtenbaues  auf  irgend 
eine  Art  der  Festigkeit  (Biegungs-,  Druck-,  Abscheerungsfestig- 
keit)  in  erster  Linie  erfolgen;  also  Biegungen  und  Faltungen  aller 
Arten  und  Grade,  und  als  zweite,  nebenhergehende  Reihe,  Zusam- 
menhangstrennungen nebst  Verschiebungen  aller  Arten  und  Grade. 


')  Wir  setzen  dabei  voraus,  dass  die  kleinen  engen  Falten  erst  später,  nach 
Eintritt  der  grösseren,  bei  gesteigerter  Druckwirkung  zu  Stande  gekommen  sind. 
Noch  stärker  als  bei  ihnen  muss  für  dasselbe  Material  der  transversal  schiefernde 
Druck  gewesen  sein,  insoweit  er  Verschiebungen  der  kleinsten  Partikel  gegen 
einander  zu  bewirken  vermochte. 


262 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


Ein  weiteres  Eingehen  auf  diese  allgemeineren  Beziehungen 
würde  uns  indess  zu  weit  von  unserem  eigentlichen  Gegenstände 
ablenken,  und  wir  wenden  uns  nunmehr  zur  näheren  Betrachtung 
der  Schieferungsverhältnisse  in  Thüringen. 


Auftreten  der  Transversalschieferung  im  thüringischen 
Schiefergebirge  im  Allgemeinen. 

Es  bedarf  kaum  besonderer  Erwähnung,  dass  die  bekannten 
Erscheinungen,  welche  das  Auftreten  der  Transversalschieferung 
bei  den  Schiefern  und  sonstigen  Schichtgesteinen  hervorzurufen 
pflegt,  auch  in  den  von  der  Schieferung  ergriffenen  Theilen  unse- 
res Schiefergebirges  sich  geltend  machen.  Das  Durchsetzen  der 
über  grosse  Flächenräume  eine  bemerkenswerthe  Constanz  zeigen- 
den Schieferung  unter  den  verschiedensten  Winkeln  von  0°  — 90° 
durch  die  entweder  eben  liegende  oder  in  Falten  geschlagene 
Schichtung;  das  mehr  oder  minder  deutliche  Hervortreten,  oder 
Verstärkung  und  Abschwächung  der  ersteren  je  nach  der  physi- 
kalischen Beschaffenheit  des  durchsetzten  Schichtenmaterials;  ihr 
Abstossen  an  härteren,  z.  B.  quarzitischen  Schichten,  oder  die 
gegenseitigen  Einkeilungen  und  Eintreibungen,  welche  in  Folge 
der  Schieferung  an  der  Grenze  von  härteren  und  weicheren  Lagen 
oder  Bänken  Vorkommen  — hier  namentlich  an  der  Grenze  von 
Thonschiefer  und  Quarzit  — ; unter  Umständen  auch  das  Um- 
springen der  Schieferung  in  eine  Art  Klüftung  innerhalb  härterer 
Bänke,  wie  Grauwacken;  die  Riffelung,  Abtreppung  oder  völlige 
Zerschneidung,  welche  sich  mitunter  auf  den  Schichtflächen  der 
transversal  geschieferten  Massen  einstellen  kann,  u.  a.  m. *) : alles 

x)  In  einer  früheren  Arbeit  »Ueber  Schieferung«  (Jahresbericht  der 
Senckenberg.  naturforsch.  Gesellsch.  Frankfurt  a.  M.  1880)  hat  Verfasser  diese 
und  sonstige  allgemein  gültige  Schieferungsverhältnisse  übersichtlich  behandelt 
und  zu  erklären  gesucht. 

In  vorliegendem  Artikel  werden  die  Ausdrücke  Transversalschieferung, 
secundäre,  abweichende  Schieferung  oder  auch  Schieferung  schlechthin 
als  gleichbedeutend  gebraucht. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  263 


sind  Dinge,  welche  dem  aufmerksamen  Beobachter  in  den  betreffen- 
den thüringischen  Gebirgspartieen  nicht  entgehen  werden,  und  für 
welche  bestimmte  Beispiele  anzuführen,  wir  an  dieser  Stelle  nicht 
für  nöthig  erachten;  auf  einzelne  derartige  Erscheinungen  werden 
wir  in  der  Folge  noch  zurückzukommen  haben. 

Hier  möchten  wir  noch  darauf  hinweisen,  dass  die  bekannten 
Anzeichen  für  seitlich  ausweichende  Bewegungen  beim  Vorgang 
der  Schieferung,  jene  Riffelungen  u.  s.  w.,  nicht  nur  auf  Schicht- 
flächen Vorkommen,  sondern,  wie  oben  schon  einmal  angedeutet, 
mitunter  auch  auf  andere  Discontinuitätsflächen,  welche  vor  Ein- 
tritt der  Schieferung  da  waren,  insbesondere  auf  gewissen  Ab- 
lösungsflächen, welche  meist  nur  kurz  verlaufend,  allem  Anschein 
nach  durch  Quetschungen  oder  Pressungen  erzeugt  sind.  Und 
eben  die  Lage  dieser  Ablösungen  und  ihre  Afficirung  durch  die 
Schieferung  zeigt,  dass  das  Gebirge  schon  vor  letzterer  anders 
gerichteten  Druckkräften  ausgesetzt  gewesen  sein  muss.  Solche 
Ablösungsflächen  zeigen  wohl  ausserdem  noch  aus  früherer  Zeit 
herrührende  Rutschstreifen,  welche  sich  indess  durch  ihre  Richtung 
und  sonstige  Beschaffenheit  leicht  von  den  durch  die  Schieferung 
bewirkten  parallelen  Unebenheiten  unterscheiden  lassen. 

Als  ein  weiteres  Anzeichen  für  Verschiebungen  in  der  Ebene 
der  Transversalschieferung  ist  die  lineare  Parallelstructur  (oder 
höchst  feine  Fältelung)  anzuführen,  welche  manchmal  auf  der  Ober- 
fläche der  nach  der  Schieferung  gespaltenen  Platten  wahrzunehmen 
ist.  Sie  ist  natürlich  wohl  zu  unterscheiden  von  der  auf  den  Schicht- 
flächen vorkommenden  entsprechenden  Structur;  letztere  kann  ur- 
sprünglich sein , erstere  ist  immer  secundär  und  lässt  sich  am 
einfachsten  wohl  als  ein  sehr  schwacher,  nur  begonnener  Streckungs- 
vorgang in  bestimmter  Richtung  auffassen,  der  die  Deutlichkeit 
der  Schieferung  durchaus  nicht  beeinträchtigt  hat1).  Manchmal 


b Es  mag  hier  daran  erinnert  werden,  dass  auch  in  physikalischer  Hinsicht 
die  verschiedenen  Richtungen  auf  einer  Schieferungsfläche  nicht  gleichwerthig  sein 
müssen,  wie  der  Umstand  beweist,  dass  nicht  nur  auf  Schnitten  normal  zur 
Schieferung,  sondern  auf  Schieferungsflächen  selbst  die  Wärmeleitungsfiguren 
elliptisch  ausfallen  können.  (Daubrke,  Synthet.  Studien  zur  Experim.  Geologie, 
1880,  p.  324.) 


264 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


ist  auf  den  Schieferungsflächen  sogar  nach  zwei  Richtungen  eine 
solche  lineare  Parallelstructur  oder  Fältelung  wahrzunehmen,  von 
denen  eine  etwas  stärker  sein  kann  als  die  andere.  An  solchen 
Beispielen  fehlt  es  auch  im  thüringischen  Schiefergebirge  nicht. 

An  einigen  Stellen  desselben  wurden  ferner  noch  viel  weiter 
gehende,  in  der  Richtung  der  Transversalschieferung  liegende  Ver- 
schiebungen beobachtet,  welche  geradezu  als  Verwerfungen  be- 
zeichnet werden  können,  und  in  dem  Grenzverlauf  benachbarter 
Schichtenzüge  auffallende  Unregelmässigkeiten  zuwege  bringen. 
So  in  der  Gegend  von  Hämmern  und  Steinach.  Das  Nähere  ist 
aus  dexr  später  zu  publicirenden  Specialkarten  zu  ersehen. 

Obschon  Erscheinungen,  welche  auf  Transversalschieferung 
hinauskommen,  durch  den  ganzen  Bereich  des  Schiefergebirges 
verbreitet  sind,  so  ist  doch  die  Entwickelung  oder  der  Vollkom- 
menheitsgrad derselben  bei  den  verschiedenen  Formationen  oder 
Systemen  der  Schieferfolge,  ja  bei  den  einzelnen  Abtheilungen 
dieser  Systeme,  wie  wir  sehen  werden,  ein  sehr  ungleicher  und 
auch  regional  verschiedener;  es  kann  derselbe  Schiehtencomplex 
an  einer  gewissen  Lokalität  sehr  deutlich  secundär  geschiefert  sein 
und  nicht  weit  davon  höchstens  nur  Spuren  dieser  mechanischen 
Aenderung  aufweisen.  Letzteres  findet  besonders  in  gewissen 
stratigraphischen  Horizonten  oder  Complexen  statt,  z.  B.  bei  den 
oberdevonischen  Schiefern  und  Knotenkalken,  während  andere  fast 
durchgängig  und  in  viel  gleichmässigerer  Weise  geschiefert  sind, 
z.  B.  die  cambrisclien  Schiefer. 


Auftreten  der  Transversalschieferung  bei  den  einzelnen 

Systemen. 

Transversalschieferung  bei  den  pliyl litischen  und  den 
cambrisclien  Schiefern.  Wir  können  hier  zunächst  auf  unsere 
andere,  in  vorliegendem  Bande  enthaltene  Arbeit:  »Beitrag  zur  geo- 
logischen Kenntniss  der  cambrisch-phylliti sehen  Schieferreihe  in  Thü- 
ringen« verweisen,  wo  über  das  Auftreten  der  Transversalschieferung 
bei  genannten  Schiefersystemen  einige  Angaben  gemacht  werden. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  265 


Wie  daselbst  bemerkt,  wird,  kommt  Transversalschieferung 
bei  den  eigentlichen  phyl  litischen  Schiefern,  Quarzphylliten, 
Phyllitqnarziten  etc.  nur  in  ganz  untergeordneter  Art,  nur  an- 
deutungsweise zum  Ausdruck,  und  zwar  so,  dass  die  engen  Falten 
und  Fältchen,  in  welche  jene  Schiefer  so  gewöhnlich  gelegt  sind, 
in  der  Richtung  ihrer  Mittelebenen  von  kleinen  Verschiebungen 
betroffen  sind,  welche  sich  bei  dem  beständigen  Wechsel  quarziger 
und  phyllitischer  Lagen  und  Blätter  sehr  deutlich  zu  erkennen 
geben,  und  längs  welcher  auch  wohl  leichtere  Ablösung  der  Ge- 
steinsmasse stattfindet;  der  sprödere  Theil,  die  Quarzlagen,  sind 
an  den  dünnsten  Stellen  gerissen,  der  nachgiebigere  Pliyllit 
zwischen  eingeschoben.  Aehnliches  wiederholt  sich  auch  noch  bei 
den  halbphyllitischen,  lokal  an  Phyllitgneisse  erinnernden  Schiefern, 
welche  in  der  untersten  cambrischen  Zone,  zunächst  der  phylliti- 
schen  Zone,  Vorkommen.  Diese  kleinen  Verschiebungen  erscheinen 
zu  Stande  gekommen  unter  fortgesetzter  Wirkung  desjenigen 
Druckes,  welcher  zunächst  das  Zusammenstauchen  der  Gesteins- 
masse in  die  zahllosen  Falten  und  Fältchen  bewirkte,  sie  erschei- 
nen als  letzte  Folge  desselben,  zu  einer  Epoche,  wo  die  Zusam- 
menstauchung an  ihrer  änssersten  Grenze  angekommen  war,  und 
ein  ferneres  Nachgeben  der  Masse  in  der  Richtung  quer  zum 
Druck  nur  mehr  unter  Querrissen  und  Verschiebungen  längs  der- 
selben möglich  war.  Diese  Verschiebungen  bilden  ein  Analogon 
zur  Transversalschieferung,  oder  eine  Art  von  Vorstufe  derselben, 
auf  welcher  das  Gestein  stehen  geblieben  ist1). 

1 ) So  viel  man  auch  bei  den  gebogenen  und  knotig  verdickten  Quarzstreifen 
und  -Bändern  des  Quarzphyllits  auf  Rechnung  späterer,  mit  innerlicher  Zertrüm- 
merung verbunden  zu  denkender  Umformung  setzen  mag,  ist  doch  nicht  ausser 
Acht  zu  lassen,  dass  wohl  schon  die  ursprünglich  flach  linsenförmige  Gestalt  vieler 
derselben  gegeben  war,  wie  aus  verwandten  Vorkommnissen  zu  schliessen  ist;  es 
wird  kaum  möglich  sein,  das  Ursprüngliche  und  das  Spätere  streng  auseinander 
zu  halten  oder  abzugrenzen.  Etwas  anders  verhält  sich  die  Sache  bei  den  rauhen 
cjuarzitischen  Bändern  des  graugrünen  cambrischen  Thonschiefers;  diese  zeigen, 
wo  das  Gestein  ebenschichtig  und  ungefaltet  liegt,  also  in  ihrer  ursprünglichen 
Beschaffenheit,  gewöhnlich  durchweg  gleiche  Dicke. 

Ferner  ist  die  Frage  nicht  ganz  zurückzuweisen , ob  die  ohne  Zweifel  auf 
mechanischem  Wege  zu  Stande  gekommene  Engfaltung  des  Quarzphyllits  und 
verwandter  Gesteine  nicht  doch  schon  zur  Zeit  vor  völliger  Erhärtung  des  Sedi- 


266 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


In  dem  camb rischen  Schiefersystem  ist,  im  Gegensatz  zu 
den  Phylliten,  eigentliche  Transversalschieferung  überall  verbreitet; 
und  obgleich  sie,  im  Ganzen  und  Allgemeinen,  nicht  sehr  voll- 
kommen, oft  genug  nur  unvollkommen  ausgebildet  ist,  ausserdem 
auch  in  den  reiner  quarzitischen  Partieen  zurücktreten  und  ganz 
fehlen  kann,  so  lässt  sich  doch  behaupten,  dass  das  cambrische 
System,  insoweit  es  aus  Thonschiefer  oder  nur  aus  gegen  Quarzit 
vorherrschendem  Thonschiefer  besteht  — und  dies  ist  in  dem 
weitaus  grösseren  Theil  des  Gesammtbereichs  der  Fall  — von 
Transversalschieferung  beherrscht  wird,  und  dass  solche  meistens 
mindestens  so  deutlich  hervortritt  als  die  Schichtenlage;  so  also, 
dass  dieses  System  mit  zu  denjenigen  gehört,  in  welchen  die 
secundäre  Schieferung  den  deutlichsten,  allgemeinsten  Ausdruck 
gefunden  hat.  Dass  aber  diese  so  verbreitete  Schieferung  hier 
doch  selten  sehr  vollkommene  Spaltbarkeit  im  Gefolge  hat,  liegt 
wohl  nur  an  der  so  häufig  etwas  rauhen,  oder  aber  mit  rauheren, 
etwas  quarzitischen  Lagen  verwachsenen  Beschaffenheit  der  cam- 
brischen  Thonschiefer;  wo  sie  homogener  sind,  entwickelt  sich  in 
der  Tliat  auch  vollkommenere  Spaltbarkeit,  die  hie  und  da  dem 
Material  die  Qualität  von  Dachschiefern  verleiht. 

Jene  engen  und  kleinen  Falten,  wie  sie  uns  in  den  phylliti- 
schen  Schiefern , den  Quarzphylliten  etc.  so  deutlich  entgegen- 
treten, fehlen  bei  den  cambrischen  Schiefern  durchaus  nicht  ganz, 
wenn  sie  auch  nicht  so  durchgängig  und  so  ins  Kleinste  ausge- 
bildet sind.  An  dem  für  die  cambrischen  Schiefer  so  typischen 
und  so  häufig  vorkommenden  Wechsel  von  meist  schmäleren, 
helleren,  etwas  rauhen  oder  quarzitischen  Lagen  mit  breiteren, 
dunkleren  Lagen  von  Thonschiefern  sieht  man  nicht  selten  ähnliche 

ments  wenigstens  in  ihren  ersten  Anfängen  eingeleitet  sein  könnte,  wenn  sie  auch 
ihre  Hauptausbildung  erst  nachher  erfuhr;  es  ist  kein  Grund,  dass  der  jeden- 
falls durch  lange  Zeiträume  wirksame  Seitendruck  nicht  schon  zu  Zeiten  der 
Sedimentbildung  sich  habe  äussern  können;  vorausgesetzt  müsste  dabei  werden, 
dass  der  Erstarrungsprozess  längere  Zeit  in  Anspruch  nahm.  War  aber  einmal, 
die  völlige  Erstarrung  eingetreten,  so  dürfte  die  Ausbildung,  resp.  weitere  Aus- 
bildung der  Engfaltung  (Zusammenstauchung),  als  eine  höhere  Arbeitsleistung 
erfordernd,  nicht  sofort,  sondern  erst  nach  Ausbildung  leichterer,  flacherer  Faltung 
erfolgt  sein. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge. 


267 

kleine  Falten  und  auch  dieselben  seitlichen  Verschiebungen  in  der 
Faltenrichtung  wie  bei  den  phyllitischen  Schiefern,  und  mit  diesen 
Verschiebungen  sind  auch  noch  die  bekannten  gegenseitigen  Ein- 
treibungen der  beiderseitigen  heterogenen  Massen  und  Form  Ver- 
änderungen abgetrennter  Theile  verbunden;  aber  bei  diesem  mecha- 
nischen Effekt  ist  die  Wirkung  des  Seitendruckes  bei  den  cambrischen 
Schiefern  nicht  stehen  geblieben,  sondern  sie  hat,  weitergehend,  in 
späteren  Phasen  ihrer  Wirksamkeit  eine  wirkliche  transversale  Schie- 
ferung, oder  transversale  Spaltbarkeit  zuwege  gebracht. 

Wir  erkennen  in  diesen  verschiedenen  mechanischen  Aende- 
rungen  eine  fortgesetzte  Wirkungsreihe  des  Seitendrucks  im 
Schichtenbau;  aber  diese  Reihe  stellt  ohne  Zweifel  das  Product 
eines  durch  lange  Zeiträume  fortgesetzten  Druckes  oder  auch 
wiederholt  angreifender  und  in  verschiedenen  Richtungen  wir- 
kender  Druckkräfte  dar.  Das  letztere  ist  sehr  einleuchtend,  wenn 
wir  berücksichtigen,  dass  die  Lage  der  eigentlichen  transversalen 
Schieferung  oder  Spaltbarkeit  eine  merklich  andere  ist,  als  die 
allgemeine  Streichrichtung  der  Schichten  in  ihren  grösseren  Falten, 
Sätteln  und  Mulden;  beide  sind  auf  Seitendruck  zurückzuführen, 
ihre  verschiedene  Lage  documentirt  aber  einen  Wechsel  der  Rich- 
tuug  des  letzteren.  Wie  weit  die  kleinen,  engeren  Fältchen  mit 
ihren  kleinen  Faltenverwerfungen,  wie  wir  sie  von  den  phyllitischen 
und  cambrischen  Schiefern  erwähnten , mehr  mit  der  einen  oder 
der  anderen  jener  Streichrichtungen  übereinstimmen,  ist  nicht  durch- 
weg leicht  zu  entscheiden,  ändert  indess  an  dem  ausgesprochenen 
Resultate  nichts;  genug,  dass  uns  die  Lage  der  ächten  Transver- 
salschieferung im  grössten  Theil  des  cambrischen,  wie  auch  des 
sonstigen  Sckiefergebietes  darauf  hinweist,  einen  Wechsel  in  der 
Richtung  des  Seitendrucks  anzunehmen x). 

Die  Wirkungen  der  Transversalschieferung  erstrecken  sich  im 
cambrischen  Gebiet  bis  in  die  quarzitreichen  Partieen,  selbst  die 


x)  Die  Beobachtung  von  Liebe,  dass  die  quarzreicheren  Bänder  des  cam- 
brischen Schiefers  öfters  auf  mechanischem  Wege  durch  Druck  in  linsenförmige 
Stücke  getrennt  worden  sind,  ist  so  recht  geeignet  den  Wechsel  der  Seitendruck- 
richtung zu'  illustriren ; siehe  die  Erläuterung  zu  Section  Zeulenroda  der  geolog. 
Specialkarte  von  Preussen  u.  d.  Thüring.  Staaten,  1881,  p.  4. 


268 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


eigentlichen  Quarzitlager  und  auch  die  porphyroidischen  Bildungen 
hinein,  soweit  eben  in  diesen  noch  Thonschiefer  und  solche  Ge- 
steine vorhanden  sind,  deren  Structur  nicht  allzusehr  von  einer 
schieferigen  abweicht  und  sich  einer  massigen  und  krystallinischen 
nähert.  Es  liegt  demnach  auf  der  Hand,  dass  die  Schieferung 
in  solchen  Gebirgspartieen  im  Allgemeinen  um  so  mehr  hervor- 
treten wird,  je  mehr  Thonschiefer  und  auch  noch  quarzitische  Schiefer 
neben  reinem  Quarzit  vorhanden  sind  und  umgekehrt.  Dabei 
finden  von  Ort  zu  Ort  immerhin  noch  Wechsel  und  Unbeständig- 
keiten in  der  Deutlichkeit  und  Entwickelung  der  secundären 
Schieferung  statt,  so  dass  gleichem  Gesteinsmaterial  an  zwei  ver- 
schiedenen Stellen  doch  nicht  immer  gleiche  Entwickelung  der 
Schieferung  zu  entsprechen  braucht:  so  kann  z.  B.  ein  Wechsel 
von  Thonschiefer  und  Quarzitplatten, ' den  man  längs  einer  Strasse 
beobachtet,  vielleicht  neben  der  Schichtung  keine  abweichende 
Spaltungsrichtung  oder  Schieferung  zeigen,  während  solche  etwas 
weiterhin  sich  deutlich  einstellt,  mindestens  am  zwischengelagerten 
Thonschiefer  sichtbar  wird,  an  manchen  Stellen  aber  auch  sogar 
noch  den  quarzitischen  Theil  afficirt1). 

Transversalschieferung;  bei  den  silurischen  Schichten. 
Bei  den  untersten  silurischen  Schiefern,  den  Griffelschiefern,  ist  Trans- 
versalschieferung deutlich  vorhanden;  wir  werden  darauf  zurück- 
kommen, wenn  wir  die  Streckung  dieser  Schiefer  behandeln  werden2). 

Q Um  ein  bestimmtes  Beispiel  anzuführen,  findet  man  in  dem  Wechsel  von 
quarzitischen,  z.  Th.  grauwackeähnlichen  Lagen  und  Thonschiefer,  den  man  an 
der  Landstrasse  im  Saargrund,  unterhalb  Siegmundsburg  bis  Schirnrod  passirt, 
zunächst  oben  den  Thonschiefer  nicht  oder  doch  sehr  untergeordnet  in  von  der 
Schichtlage  abweichender  Richtung  geschiefert;  da,  wo  die  Strasse  bei  2025'  Dec. 
Höhe  knieförmig  in  ein  von  N.  herkommendes  Seitenthälchen  einbiegt  und  in 
reinere  Thonschieferschichten  eintritt,  macht  sich,  wenn  auch  nicht  in  den  ersten 
Schichten,  doch  sehr  bald  secundäre  Schieferung  im  reineren  Thonschiefer  geltend 
und  setzt  in  bekannter  Weise  an  härteren  Zwischenlagen  ab;  abwärts,  an  der 
nächsten  Strassenbiegung,  tritt  man  wieder  in  den  an  grauwackeähnlichem  Quarzit 
reicheren,  nicht  geschieferten  Bereich.  Weiter  abwärts  im  Saargrund  an  der 
Landstrasse  und  ähnlich  an  den  Gehängen  der  Südseite,  N.  vom  Blessberg,  ist 
der  Wechsel  von  Thonschiefer  mit  Quarzit  z.  Th.  unvollkommen,  z.  Th.  nur  im 
Thonschiefer  secundär  geschiefert. 

2)  Die  Thuringitzone,  welche  eigentlich  die  Basis  des  Silur  bildet,  kommt 
wegen  ihrer  geringen  Mächtigkeit  hier  nicht  in  Betracht. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge. 


269 


Der  bedeutendere  höhere  Theil  der  thüringischen  Untersilur- 
schiefer, welcher  jedenfalls  eine  Mächtigkeit  von  einigen  hundert 
Metern  besitzt  und  trotz  seines  Mangels  an  Versteinerungen  ein 
bemerkenswerthes  Glied  des  Schiefergebirges  darstellt,  ist  nicht 
als  Griffelschiefer  ausgebildet,  sondern  stellt  einen  in  Platten  und 
Blättern  zerfallenden,  frisch  dunkelblaugrauen,  von  heterogenen 
Zwischenlager]  so  gut  wie  ganz  freien  Thonschiefer  von  grosser 
Einförmigkeit  dar.  Eben  wegen  dieses  Mangels  an  anders  gearte- 
ten Zwischenschichten  und  an  irgendwie  charakteristischen  Schicht- 
flächen ist  es  bei  dieser  Schichtengruppe  sehr  schwierig,  Schich- 
tung und  Transversalschieferung  auseinanderzuhalten.  Mir  ist  die 
Unterscheidung  nicht  sicher  gelungen,  doch  bin  ich  zu  dem  Urtheil 
gelangt,  dass  die  schieferige  Spaltbarkeit  und  Ablösung,  welche 
man  an  diesem  Untersilurschiefer  allenthalben  wahrnimmt,  manch- 
mal Schichtung,  an  anderen  Stellen  wieder  Transversalschiefe- 
rung ist. 

Dass  letztere  fehlen  sollte,  ist  nämlich  nicht  anzunehmen;  es 
ist  in  der  That  gar  kein  Grund,  warum  bei  einem  so  homogenen, 
weichen  Schiefer  jene  secundäre  Structur  nicht  entwickelt  sein 
sollte,  während  sie  doch  in  der  liegenden  Gruppe,  den  Griffel- 
schiefern, und  wieder  in  deren  Liegendem,  den  cambrischen 
Schiefern,  so  unzweideutig  sich  kundgiebt,  und  ebenso  auch  wieder 
im  Hangenden,  im  oberen  Silur  und  im  Devon,  wenigstens  in  ge- 
wissen Schichtenfolgen  deutlichst  wiederkehrt.  Andererseits  aber 
giebt  es  Lokalitäten,  wo  die  Orientirung  der  Schieferspaltung  bei 
diesen  Untersilurschiefern  so  sehr  abweichend  ist  von  der  so  con- 
stanten  Lage  der  Transversalschieferung;  in  der  betreffenden  Gegend, 
dass  man  anzunehmen  geneigt  wird,  man  habe  es  hier  mit  wirk- 
lichen Schichten  zu  thun,  die  möglicherweise  oder  sogar  wahr- 
scheinlich in  Falten,  manchmal  recht  flache  Faltenumbiegungen, 
gelegt  sind. 

Wo  daher  im  Bereich  dieses  Complexes  die  Absonderung  der 
Schieferblätter  sich  der  allgemein  herrschenden  Lage  der  Trans- 
versalschieferung  accomodirt,  habe  ich  sie  für  letztere  angesehen; 
wo  grössere  Abweichungen  stattfinden,  besonders  in  der  Nähe  der 
oberen  Grenze  des  Complexes,  habe  ich  Schichtung  angenommen. 


270 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


Dass  diese  verschiedene  Anschauung  an  und  für  sich  statthaft  ist, 
geht  eben  daraus  hervor,  dass  auch  in  anderen  Schichtengruppen, 
welche  deutliche  Transversalschieferung  aufzuweisen  haben,  letztere 
dennoch  nicht  durchweg  gleiehmässig  entwickelt  zu  sein  braucht, 
sondern  manchmal  die  Schichtung  verdecken,  manchmal  durch  sie 
Verdeckt  werden  kann. 

Um  dies  an  einem  bestimmten  Beispiel  vorzuführen,  so  zeigen 
die  Untersilurschiefer  an  der  Landstrasse  von  Hasenthal  nach 
Spechtsbrunn,  oberhalb  des  ersteren  Ortes  (Blatt  Spechtsbrunn  der 
Specialkarte)  Einfallen  nach  NW.,  und  ebensolches  Einfallen 
herrscht  auch  in  der  ganzen,  von  diesen  Schiefern  eingenommenen 
Partie  nördlich  von  da.  Im  ersten  Fall  wurde  dieses  Einfallen 
für  Schichtung  genommen:  es  stehen  hier  nämlich  die  oberen 
Grenzschichten  zu  den  nicht  transversal  schieferbaren,  obersilurischen 
Kieselschiefern  an,  und  diese  Grenzschichten  sind  überdies  durch 
flach  ellipsoidische  oder  linsenförmige  Scliwefelkiesconcretionen 
charakterisirt,  welche  durch  ihre  Lage  die  Schichtung  erkennen 
helfen.  Im  zweiten  Fall,  nämlich  weiter  nördlich,  wurde  das 
nordwestliche  Einfallen  für  secuudäre  Schieferung  genommen;  die 
Untersilurschiefer  breiten  sich  nämlich  liier  über  einen  sehr  breiten 
Raum  aus,  während  sie  wenig  weiter  nach  SW.,  jenseits  einer 
bedeutenden  Verwerfung  sich  auf  einen  schmalen  Streifen  zusam- 
menziehen; und  es  ist  kaum  anders  anzunehmen,  als  dass  sie  jene 
grosse  Breite  nur  durch  Vermittelung  von  Falten  erreichen,  nicht 
etwa  blos  durch  sehr  flaches  Einfallen,  welches  in  dieser  Ausdehnung 
im  Schiefergebirge  ganz  ungewöhnlich  wäre ; wenn  nun  trotz  der 
Faltungen  doch  nordwestliches  Einfällen  anhaltend  herrscht,  so  kann 
dies  doch  wohl  nichts  anderes  sein  als  secundäre  Schieferung ]). 

x)  Ebenso  ist  das  anhaltende  WNW. -Einfallen,  welches  die  Untersilurschiefer 
W.  und  SW.  von  Gräfenthal  zeigen,  wie  es  scheint,  unbedenklich  für  Trans- 
versalschieferung zu  nehmen;  denn  die  Schichtung  kann  in  dieser  Gegend  un- 
möglich eine  solche  Constanz  zeigen,  da  nachweislich  hier  alle  Complexe  von 
vielfachen  Unregelmässigkeiten  der  Lagerung  betroffen  sind,  wie  dies  an  manchen 
derselben,  z.  B.  den  Nereitenschichten  oft  sehr  deutlich  zu  erkennen  ist;  über- 
dies herrscht  in  diesen  Gebirgspartieen  eine  sehr  entschieden  ausgebildete  steil 
WiSTW.  einfallende  Transversalschieferung,  welche  z.  B.  an  den  Culmdachschiefern 
und  den  oberdevonischen  Knotenkalken  sehr  deutlich  als  solche  zu  erkennen  ist. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  271 


An  den  schwarzen,  kohlereichen,  obersilurischen  Kiese  1- 
und  Ct raptolithen schiefem  habe  ich  keine  secundäre  Schiefe- 
rung  bemerkt.  Die  dickeren  und  dünneren  Lagen  und  Platten 
dieser  Schiefer  sind,  wie  dies  bei  den  Kieselschiefern  überhaupt 
nicht  selten  ist,  in  Falten  von  verschiedenem  Radius  zusammen- 
geschoben, und  diese  noch  im  Einzelnen  öfters  gestaucht  und  ge- 
knickt, doch,  wie  die  physikalische  Beschaffenheit  des  Materials 
erwarten  lässt,  nicht  weiter  geschiefert. 

Auch  die  starren  Bänke  des  Ocker kalks  sind  der  Trans- 
versalschieferung nicht  zugänglich  gewesen.  Wohl  aber  kommt 
es  vor,  dass  die  Verwerfungen  und  Verschiebungen,  von  welchen 
dieser  Complex  so  oft  betroffen  wurde,  indem  er  den  aufstauenden 
und  seitlich  zusammenschiebenden  Kräften  nicht  in  derselben  Weise 
folgen  konnte,  wie  die  leichter  sich  biegenden  umgebenden  Schiefer, 
in  derjenigen  Richtung  liegen,  welche  auch  die  Richtung  der 
Transversalschieferung  in  der  Nachbarschaft  ist. 

Auch  bei  den  oberen  Graptolithen  sc  hiefern  wurde  keine 
deutliche  Transversalschieferung  beobachtet;  obwohl  solche,  dem 
Material  dieser  Schiefer  gemäss,  hier  nicht  befremden  würde. 

Transversalschieferung  bei  den  devonischen  Schich- 
ten. Die  unterste  Schichtengruppe  unseres  Devon,  der  Tentacu- 
liten-Knollenkalk  ist  für  transversale  Schieferung  zugänglich  ge- 
wesen, was  auch  bei  der  über  die  Kalkknollen  vorwaltenden,  weichen 
Thonschiefermasse  dieses  Gesteins  nicht  zu  verwundern  ist;  doch 
ist  dasselbe  keineswegs  überall  transversal  geschiefert,  sondern 
zeigt  oft  genug  nur  eine  Ablösung,  die  nach  der  Schichtenlage. 

So  z.  B.  findet  man  am  Schmiedgrund  bei  Hämmern  (Section 
Steinheid),  an  dem  ostwärts  bergan  führenden  Pfad  den  Tentacu- 
litenknollenkalk  nicht,  oder  doch  nur  unmerklich  von  der  Schich- 
tung abweichend  geschiefert;  gar  nicht  weit  davon,  in  dem  Hohl- 
weg ostwärts  vor  Hämmern  bemerkt  man  in  demselben  Gestein 
eine  Ablösungsrichtung,  nach  welcher  dasselbe,  auch  zerfällt,  welche 
ein  ONO.  gerichtetes  Streichen  und  NNW.  gerichtetes,  ziemlich 
flaches  Einfallen  zeigt,  während  die  Lage  der  Kalkknollenreihen 
und  der  Schiefermittel  zwischen  denselben  nach  NO.  streicht  und 
nach  SO.  einfällt.  Ersteres  ist  transversale  Schieferung;. 


272 


H.  Lorutz,  über  Transversalschieferun: 


Auch  in  der  Umgegend  von  Gräfenthal,  z.  B.  im  Teufelsgrand, 
dann  bei  Grossneundorf,  und  dicht  bei  Gräfenthal,  am  W eg  nach  der 
Abdeckerei,  findet  man  transversale  Schieferung  in  diesem  Complex; 
die  Erscheinung  wird  dann  ähnlich  wie  beim  oberdevonischen 
Knotenkalk,  von  dem  weiter  unten  die  Rede  sein  wird.  Figur  6 
stellt  geschieferten  Tentaculiten-Knollenkalk  von  Gräfenthal  dar. 

Der  aufwärts  folgende  Complex  der  Ne  reiten  schiefer  und 
Tentaculitenschiefer  bietet  für  die  Entwickelung  der  secun- 
dären  Schieferung  im  Allgemeinen  kein  günstiges  Feld.  Die  erst- 
genannten Schichten  sind  vielfach  gestaucht  und  gekrümmt  worden, 
aber  nicht  gescliiefert;  und  auch  die  zwischenliegenden  weicheren 
Tentaculitenschiefer,  welche  jene  Unregelmässigkeiten  mitmachen 
müssen,  lassen  selten  deutliche  Transversalschieferung  erkennen. 
In  der  unteren  Partie  dieser  Schichtengruppe  sondern  sich  manch- 
mal Tentaculiten  oder  Nereiten  führende  Thonschieferlagen  aus, 
welche  als  schlechte  Dachschiefer  gebrochen  werden,  an  diesen 
Schiefern  wurde  lokal  transversale  Schieferung  beobachtet,  anderswo 
aber  auch  wieder  nicht.  Die  Tentaculitenschiefer  zeigen  auch 
öfters  griffelförmiges  Zerfallen. 

Ebensowenig  ist  in  dem  mitteldevonischen  Wechsel  von 
Tuffschiefern,  Tuffgrauwacken  und  Thonschiefern  die  Transversal- 
schieferung zu  bemerkenswerther  Entwickelung  gelangt.  In  der 
Regel  bemerkt  man  nur  Ablösung  nach  der  eben  verlaufenden, 
oder  auch  Windungen  und  Biegungen  beschreibenden  Schichtung; 
ausserdem  kommt  es  wohl  vor,  dass  eine  Art  von  Klüftung  vor- 
handen ist,  welche,  soweit  sie  in  der  Richtung  der  in  der  Nach- 
barschaft herrschenden  Transversalschieferung  liegt,  letztere  ver- 
treten könnte.  Wirkliche  transversale  Schieferung  neben  der 
Schichtung  wurde  in  Mitteldevonschichten  beobachtet  am  Ausgang 
des  Pfmersbachthales x)  in  das  Oelzetlial  (Section  Spechtsbrunn), 
in  einer  Gegend,  wo  sich  erstere  überhaupt  stark  geltend  macht. 

Eine  grössere  Bedeutung  als  in  den  vorhergehenden  Gruppen 
erlangt  dagegen  die  Transversalschieferung  im  Oberdevon, 
speciell  in  den  oberdevonischen  Knotenkalken.  Zwar  ptlegt  sie 
auch  hier  nur  lokal  aufzutreten,  doch  sind  die  von  ihr  bewirkten 

x)  Richtiger  als  dieser  Name  der  G. -St. -Karte  (1  : 25000)  ist  wohl  Mörsbach. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  273 


Erscheinungen  bemerkenswerte  — Was  zunächst  die  untere  Partie 
des  Oberdevon  betrifft,  welche  als  weiche  Schiefer,  die  mehrfach 
als  Wetzschiefer  Verwendung  gefunden  haben,  entwickelt  ist,  so 
zeigt  sich  hier  abweichende  Schieferung  nicht,  oder  tritt  doch  nur 
wenig  neben  der  Schichtung  hervor ; deutlich  sind  beide  neben 
einander  zu  sehen  an  der  Landstrasse  von  Spechtsbrunn  nach 
Gräfenthal,  etwas  abwärts  von  der  Kniebiegung,  welche  die  Strasse 
in  1 500  Decimalfuss  Höhe  macht.  — Die,  einem  höheren  Horizonte 
angehörigen  quarzitischen  Lagen  des  Oberdevon  haben  sich  der 
Transversalschieferung  nicht  gefügt,  und  wird  dies  um  so  auf- 
fälliger, wenn  neben  ihnen  geschieferte  Thonschiefer  oder  Knollen- 
kalklagen anstehen;  wie  z.  B.  bei  Gräfenthal,  am  Bergsteig  nach 
Lichtenhain,  300  Decimalfuss  Höhe  über  ersterem  Ort,  nicht  weit 
vor  dem  alten  Culm- Dachschieferbruch. 

Eigenthümlich  ist  nun  das  Verhalten  der  ob  er  devonischen 
Knolle  n k a 1 k e oder  K n o t e n k a 1 k e gegenüber  den  mechanischen 
Einwirkungen  der  transversalen  Schieferung.  In  vielen,  ja  man 
kann  wohl  sagen,  den  meisten  Aufschlüssen  macht  sich  eine  ab- 
weichende, secundäre  Schieferung  neben  der  durch  die  Lage  der 
Kalkknollen  immer  deutlich  bezeichneten  Schichtung  nicht  geltend ; 
an  anderen  Stellen  wieder  ist  das  um  so  deutlicher  der  Fall  und 
beiderlei  Verhalten  kann  an  ziemlich  nahe  ^eleo-enen  Lokalitäten 
zum  Ausdruck  kommen.  So  z.  B.  zeigt  bei  Steinach  im  Steinach- 
thal der  Knotenkalk,  der  an  der  Strasse  im  Ort  selbst  und  an 
der  Höhe  über  dem  unteren  Ende  des  Orts  in  Steinbrüchen  oder 
Felsen  ansteht,  keine  abweichende  Schieferung,  während  solche 
wenig  weiter  westlich,  an  der  ersten  Biegung  des  Seitenthals, 
welches  am  unteren  Ende  von  Steinach  von  rechts  her  mündet,  sehr 
deutlich  wird.  (Vergl.  Fig.  1.)  Deutliche  Transversalschieferung 
ist  ferner  z.  B.  vorhanden  an  den  oberdevonischen  Knotenkalken, 
welche  an  der  Landstrasse  von  Gräfenthal  nach  Spechtsbrunn, 
gleich  oberhalb  der  starken  Einbiegung  der  Strasse  bei  1 500  Dec.- 
Fuss  Höhenlage,  auf  eine  gewisse  Strecke  anhaltend  anstehen; 
nur  tritt  sie  hier  — und  so  mag  es  auch  an  anderen  Lokalitäten 
sich  wiederholen  — nicht  in  der  ganzen  Strecke  mit  gleicher 
Deutlichkeit  hervor,  weil  die  Schichtenlage  wechselt  und  so  mit 

18 


274 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


der  constanteren  Schieferungslage  ganz  oder  nahezu  Zusammen- 
fällen kann. 

Secundär  geschiefert  zeigen  sich  diese  Knotenkalke  ferner  im 
Oelzethal  unterhalb  Friedrichsthal  (nicht  oberhalb),  und  nicht  weit 
davon  im  Mörsbachthal  (grossentheils) , ferner  bei  Buchbach  bei 
Gräfenthal  und  an  anderen  Stellen ; während  sich  in  den  Stein- 
brüchen bei  Haselbach  u.  s.  w.  keine  solche  Schieferune:  neben 

<ü> 

der  Schichtung  zu  erkennen  giebt.  Man  bemerkt,  dass  die  trans- 
versale Schieferung  dann  leichter  zur  Ausbildung  kommt  und 
deutlich  wird,  wenn  die  Kalkknollenlagen  durch  hinlänglich  breite 
Zwischenmittel  des  grünlichen,  mit  ihnen  verwachsenen  Thon- 
scliiefers  getrennt  sind,  während  sie  sich  in  den  dicht  mit  Kalk- 
knoten erfüllten  Bänken  nicht  oder  kaum  hat  ausbilden  können. 

Die  einzelnen  Kalkknoten  oder  -linsen  sind  bei  den  erwähnten 
geschieferten  Vorkommnissen  nicht  aus  ihrer  ursprünglichen  Lage 
gedreht,  sie  liegen  nach  wie  vor  mit  ihrer  langen  Dimension  in 
der  Richtung  der  Schichtenlage,  können  aber  mit  Beibehaltung 
dieser  Lage  in  der  Richtung  der  schräg  durchsetzenden  Trans- 
versalschieferung ein  wenig  gegen  einander  verschoben  sein1); 
vergl.  Figuren  2 und  3;  die  transversale  Schieferung  stösst  an  den 
Kalkknoten  ab,  und  dringt  kaum  in  sie  ein;  in  dieser  Richtung 
spaltet  das  Gestein  besser  als  in  der  Schichtenlage,  nach  welcher 
meist  nur  unter  Vermittelung  der  Hohlräume,  welche  der  ausge- 
witterte Kalk  hinterlässt,  Spaltbarkeit  stattfindet. 

Es  kommt  nun  aber  bei  den  Oberdevon-Knollenkalken  noch 
ein  weitergehender  Grad  von  transversaler  Schieferung  vor,  welcher 
sich  darin  offenbart,  dass  die  einzelnen  Kalkkörper  aus  ihrer  ur- 
sprünglichen Lage,  welche  natürlich  der  Schichtungslage  entspricht, 
herausgedreht  wurden,  so  dass  sie  nunmehr  mit  ihrer  langen  Di- 
mension  in  der  Richtung  der  Schieferung  liegen.  Es  wurde  dieses 
Verhalten  namentlich  an  den  obersten  oberdevonischen  Knollen- 
kalken mehrmals  wahrgenommen,  welche  über  den  quarzitischen 

Auch  Liebe  erwähnt,  Erläuterung  zu  Section  Pörmitz  der  geol.  Spiecial- 
karte  von  Preussen  und  den  Thüring.  Staaten,  1881,  dass  die  Kalkknoten  der 
oberdevonischen  Knotenkalke  bisweilen  aus  ihrer  ursprünglichen  Lage  heraus  gegen 
einander  verschoben  seien. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  275 


Schichten  an  der  Grenze  zu  den  Dachschiefern  des  unteren  Culin 
liegen.  Diese  Knollenkalklagen,  deren  Zahl  50  übersteigen  kann, 
sind  durch  breitere  Zwischenmittel  eines  dunkleren,  und  dadurch 
dem  Cuhnschiefer  schon  ähnlichen  Thonschiefers  getrennt,  und 
verhalten  sich  eigentlich  mehr  als  Kalkplatten,  welche  Platten  aber 
aus  einzelnen,  mit  einander  verwachsenen,  resp.  durch  Thonschiefer- 
masse flaserig  getrennten  Theilstftcken  von  beiläufig  lang  sphäroi- 
discher,  oder  spindelförmiger  Gestalt  bestehen ; eben  diese  Theil- 
stücke  sind  es  nun,  welche  mitunter  durch  den  mechanischen 
Effect  der  Transversalschieferung  aus  ihrer  Lage  gedreht  sind  und 
nun  alle  mit  der  längsten  Dimension  parallel  in  der  Schieferungs- 
richtung liegen,  so  dass  ihr  ursprünglicher  Zusammenhang  durch 
von  den  Seiten  her  zwischeneingedrungene  Schiefermasse  aufge- 
hoben ist;  die  Kalkstücke  selbst  brauchen  dabei  in  ihrer  Form 
keineswegs  geändert  zu  sein  und  zeigen  auch  sonst  keine  Brüche. 

Dieses  Verhalten  lässt  sich  z.  B.  auf  der  Höhe  östlich  von 
Steinach  auf  dem  Bergsteig  beobachten,  da,  wo  dieser  in  1600  Dec.- 
Fuss  Höhe  eine  ONO. -Richtung  angenommen  hat:  so  lange  die 
veränderliche  und  in  Falten  geschlagene  Schichtung  zufällig  in  die 
constante  Lage  der  Transversalschieferung  hineinfällt,  sieht  man 
zusammenhängende  Kalkknollenlagen  oder  -platten;  sobald  sich 
jene  gedreht  hat  und  einen,  wenn  auch  nicht  grossen  Winkel  mit 
der  Richtung  der  Schieferung  macht,  sieht  man  isolirte  parallele 
Kalkknollen1).  Die  Figuren  4 und  5 stellen  dieses  Verhalten  dar. 

Ganz  dasselbe,  wie  hier  bei  Steinach,  sieht  man,  fast  noch 
besser,  bei  Gräfenthal,  in  1400  Dec. -Fuss  Höhe,  an  dem  Berg- 
weg, der  von  dort  in  SSW. -Richtung  bergauf  führt,  eine  Strecke, 
ehe  man  an  den  alten  Culm-Dachschieferbruch  kommt;  auch  schon 
an  dem  unteren  Knotenkalkhorizont,  der,  durch  eine  quarzitische 
Zone  von  jenem  oberen  getrennt,  Bänke  mit  kleineren  und  ge- 


0 Durch  Verwitterung  lösen  sich  die  Kalkknollen  endlich  zu  braunem  Mulm 
auf.  — An  der  genannten  Lokalität  lässt  sich  noch  eine  andere  Beobachtung  an- 
stellen: da,  wo  die  kalkigen  Platten,  also  die  Schichtung  mit  der  Transversal- 
schieferung zusammenfällt,  zerfällt  das  Gestein  in  Blätter  und  Plättchen;  in 
dem  Maasse  als  die  Schichtlage  sich  gegen  die  Schieferung  dreht,  zerfällt  es 
griffelförmig. 


18 


276 


H.  Lorktz,  über  Transversalschieferung 


drängt  liegenden  Kalkknoten  enthält,  scheinen  an  diesem  Wege, 
ausnahmsweise,  einzelne  dieser  Kalkkörper  in  der  Schieferungs- 
richtung zu  liegen.  — Auch  an  der  Ostseite  des  Thaies  S.  von 
Buchbach  bei  Gbräfenthal,  an  dem  Steig,  der  etwa  500  Schritt  vom 
Südende  genannten  Dorfes  bergan  führt,  wiederholt  sich  die  be- 
schriebene Erscheinung. 

Transversalschieferung  in  den  Culmschichten.  Die 
untere  Partie  des  Culm  wird  in  Thüringen  und  weiterhin  in 
der  Hauptsache  durch  einen  dunkelen  Thonschiefer  gebildet,  welcher 
für  die  Transversalschieferung  sehr  zugänglich  gewesen  ist;  es 
lässt  sich  behaupten,  dass  dieser  Schiefer  durchweg  secundär  ge- 
schiefert  ist,  wobei  natürlich,  wie  sonst,  diese  Schieferung  auch 
stellenweise  mit  der  Schichtenlage  coincidiren  kann.  An  einigen 
Stellen  zerfällt  dieser  Thonschiefer  griffelig  und  wird  sogar  hie 
und  da  zu  Griffeln  benutzt,  worauf  wir  zurückkommen  werden; 
im  Uebrigen  zerfällt  er  in  Platten  und  findet  an  vielen  Orten  als 
Dachschiefer  Verwendung,  dessen  Qualität  allerdings  erst  weiter 
östlich,  in  den  bekannten  grossen  Brüchen  von  Lehesten  sich  zu 
einer  vorzüglichen  erhebt  ; es  bedarf  kaum  der  Bemerkung,  dass 
diese  Dachplatten  ihr  natürliches  Lager  in  der  transversalen 
Schieferung  haben.  Die  Schichtung  ist  sehr  gewöhnlich  in  Ge- 
wölbe und  Falten,  ja  mitunter  in  zickzackförmige  Knicke  gelegt, 
lässt  sich  incless  nicht  allenthalben  gut  neben  der  sie  verdeckenden 
secundären  Schieferung  wiedererkennen. 

Weit  weniger,  als  im  unteren  Culm,  macht  sich  die  trans- 
versale Schieferung  im  oberen  Culm  geltend,  welcher  aus  Grau- 
wackebänken und  Thonschiefer  zusammengesetzt  ist.  Selten  wird 
es  in  dieser  Abtheilung  dazu  kommen,  dass  die  vielfachen  Sattel- 
und  Muldenbiegungen  der  Schichten  durch  Transversalschieferung 
verdeckt  würden,  höchstens  könnte  dies  einmal  bei  stärker  ent- 
wickelten Thonschiefern,  nie  bei  Grauwacke  sein.  Sehr  oft  aber 
tritt  abweichende  Schieferung  in  den  Thonschiefern,  oder  auch  in 
einem  Wechsel  von  Thonschiefer  mit  Grauwacke  neben  der 
Schichtung  und  ihren  Faltenbiegungen  hervor,  manchmal  ganz 
untergeordnet,  manchmal  stärker,  manchmal  so,  dass  beiderlei  Ab- 
lösungen sozusagen  im  Gleichgewicht  sind,  doch  von  Stelle  zu 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  277 


Stelle,  oder  von  Strecke  zu  Strecke  in  ihrem  Ausbildungsgrade 
wechselnd.  Es  bedarf  keiner  ausführlicheren  Herzählung  von  Lokali- 
täten, um  dies  im  Einzelnen  nachzuweisen;  ein  aufmerksamer  Gang 
durch  das  Steinachthal,  von  Steinach  abwärts  bis  zum  Austritt 
aus  dem  Gebirge,  oder  durch  das  Rögitzthal  abwärts  von  Hasel- 
bach, das  Oelsethal  abwärts  von  Friedrichsthal,  oder  das  Tettau- 
thal  von  Tettau  nach  Heinersdorf,  wird  das  oben  im  Allgemeinen 
Angeführte  im  Einzelnen  bestätigen  können.  In  den  reineren 
Grauwackedistrikten,  wie  in  der  Partie  von  Sonneberg  über  das 
untere  Steinach-  und  Tettauthal  nach  Stockheim  und  Rothen- 
kirchen, fehlt  Transversalschieferung  fast  ganz,  äussert  sich  aber 
doch  manchmal  in  den  Grauwackebänken  in  Form  einer  Quer- 
klüftung. Dagegen  kann  sie  in  den  allerdings  beschränkten  reineren 
Thonschieferdistrikten,  wie  gesagt,  recht  ausgebildet  sein;  ein  Bei- 
spiel hierfür  giebt.  das  Röthathal,  in  seinem  Verlauf  bis  zur  unteren 
Grenze  des  oberen  Culm,  übeihaupt  die  ganze  benachbarte  Culm- 
partie  bis  zum  vorderen  Gebirgsrand  auf  Section  Neustadt.  ■ — 
Manche  Stellen  geben  Gelegenheit,  auch  an  den  Schiefern  des 
oberen  Culm  die  Beobachtung  zu  wiederholen,  dass  Interferenz 
von  Schiehtungs-  und  Schieferungsablösung  ein  scheitförmiges  oder 
grob  griffelförmiges  Abspringen  und  Zerfallen  des  Gesteins  be- 
wirken kann,  und  es  ist  anzunehmen,  dass  dies  besonders  dann 
stattfinden  wird,  wenn  die  Ablösung  in  beiderlei  Richtung  gleich 
gut  von  statten  geht. 

Nach  diesem  Ueberblick  über  das  Vorkommen  der  transver- 
salen Schieferung  bei  den  einzelnen  Systemen  können  wir  unsere 
eingangs  ausgesprochene  Behauptung  wiederholen,  dass  diese 
mechanische  Einwirkung  auf  die  Schichten  zwar  über  den  ganzen 
Raum  des  Schiefergebirges  hin  verbreitet  ist,  dabei  aber  doch  bei 
den  einzelnen  Systemen  und  deren  Abtheilungen  zu  einer  sehr 
ungleichen  Ausbildung  gelangt  ist,  welche  von  völliger  Abwesen- 
heit bis  zur  grössten  Vollkommenheit  geht;  und  ferner,  dass  eine 
solche,  wenn  auch  minder  grosse,  und  örtlich  oder  regional  sich 
äussernde  Ungleichheit  sogar  bei  den  einzelnen  Abtlieilungen  oder 
doch  einigen  derselben  besteht. 


278 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


Woher  kommt  nun  diese  Verschiedenheit  in  der  Ausbildung 
der  secundären  Schieferung?  Verhielten  sich  die  einzelnen  petro- 
graphisch  verschiedenen  Schichtensysteme  in  Bezug  auf  diese 
mechanische  Umänderung  in  sich  selbst  überall  gleich,  so  liesse 
sich  behaupten,  dass  nur  ihre  physikalische  Beschaffenheit  prä- 
disponireud  für  den  Grad  oder  Ausfall  der  secundären  Schieferung 
gewesen  sei.  Wir  haben  nun  aber  gesehen,  dass  eine  solche 
Gleichheit  nur  bei  gewissen  Systemen  annähernd  besteht,  so  bei 
den  cambrisclien  und  unteren  Culmdachschiefern,  bei  anderen 
Systemen  aber  nicht,  so  beim  oberen  Culm.  Wir  müssen  also 
annehmen,  dass  auch  ungleich  starke,  oder  lokal  und  regional 
ungleich  vertheilte  seitliche  Pressungen  zu  obigem  Resultate  bei- 
getragen haben.  Ob  sich  solche  Ungleichheiten  in  anderer  Weise 
wieder  ausgleichen  müssen,  etwa  durch  vermehrte  Faltung  und 
Stauchung  oder  sonstige  mechanische  Beanspruchungen,  so  dass 
doch  durchweg  annähernd  dieselbe  mechanische  Leistung  des 
Latraldrueks  resultirt,  ist  sehr  schwer  zu  sagen  und  kaum  möglich 

O O 

zu  beweisen ; man  kann  es  nur  vermuthen. 


Richtung  und  Lage  der  Transversalschieferung. 

Die  Streichlinie  der  Transversalschieferung  weicht  im  thürin- 
gischen Schiefergebirge  — soweit  dasselbe  unsererseits  untersucht 
wurde  — von  der  Streichlinie  der  Schichtung,  resp.  dem  mittleren 
Streichen  der  Schichtenzüge  und  ihrer  Falten,  gewöhnlich  etwas 
ab,  wenn  auch  nicht  immer  sehr  beträchtlich,  doch  merklich  genug. 

Lassen  wir  das  Gebiet  der  ältesten  Schieferzonen,  der  phylli- 
tischen  und  halbphyllitisclien  (welches  sich  besonders  auf  den 
Sectionen  Eisfeld , Masserberg  und  auch  noch  einem  Theil 
von  Section  Breitenbach  vorfindet)  hier  ausser  Betracht,  da  dort 
die  Transversalschieferung  sich  wenig  geltend  macht,  so  können 
wir  auf  Grund  sehr  zahlreicher  Beobachtungen  resp.  Compass- 
ablesungen  sagen,  dass  in  dem  ostwärts  folgenden  Gebiet,  in  der 
ganzen  Schieferfolge  von  den  cambrisclien  Thonschiefern  und  Quar- 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  279 


ziten  bis  in  die  Thonschiefer  und  Grauwacken  des  oberen  Cnlm 
das  Streichen  der  Transversalschieferung  fast  stets  sich  der  Rich- 
tung ONO.  nähert,  während  das  Streichen  der  Schichten  mehr  mit 
der  Richtung  NO.  zusammenfällt.  — Dieser  Satz  gilt  indess  nur 
für  das  Gebiet,  wo  sich  in  der  Anordnung  der  Schichtenzüge  die 
SW. — NO.  tektonische  Richtung  als  durchaus  vorherrschend  zeigt, 
während  wir  etwas  weiterhin,  wo  neben  dieser  Richtung  die 
kreuzende  SO. — NW.  tektonische  Richtung  als  gleichberechtigt  sich 
geltend  macht,  ein  anderes  Verhalten  finden,  wie  noch  näher  an- 
gegeben werden  wird. 

Die  nordöstliche  Anordnung  der  aufgestauten  Schichtenfolgen  in 
Verbindung  mit  ostnordöstlichem  Verlauf  der  Transversalschieferung 
tritt  besonders  im  Bereich  der  Sectionen  Breitenbach,  Steinheid, 
Spechtsbrunn,  auch  noch  eines  Theils  von  Section  Gräfenthal 
hervor,  und  gilt,  wie  gesagt,  vom  Cambrium  bis  in  den  Culm, 
soweit  eben  deutliche  Transversalschieferung  vorhanden  ist.  Ab- 
weichungen von  der  im  Allgemeinen  SW. — NO.  laufenden  Richtungs- 
linie der  Schichtenfalten  etc.,  in  Gestalt  von  Querverwerfungen  u.  s.  f. 
fehlen  in  diesem  Gebiet  nicht  ganz,  aber  jene  tektonische  Linie 
dominirt.  Das  Streichen  der  Transversalschieferung  nähert  sich 
meist  der  Richtung  ONO.,  überschreitet  dieselbe  auch  wohl  noch 
und  nähert  sich  fast  der  W. — O. -Linie;  absolute  Constanz  ist  darin 
natürlich  nicht  vorhanden,  und  da  solche  auch  bei  der  Streichlinie 
der  Schichten  nicht  sein  kann,  so  weichen  diese  beiden  Streichlinien 
bald  um  einen  grösseren,  bald  um  einen  kleineren  Winkel  von  ein- 
ander ab.  Das  Einfallen  der  Transversalschieferung  ist  in  diesem 
Gebiet  fast  immer  ein  nordwestliches,  oder  vielmehr  ein  nach  NNW. 
gerichtetes,  mit  den  entsprechenden  kleinen  Abweichungen  nach  NW. 
bis  fast  N. ; nur  ausnahmsweise  wurde  eine  Abweichung  des  Ein- 
fallens  von  NW.  nach  W.  zu  beobachtet,  ein  Hinaustreten  der  Ein- 
fallrichtung aus  dem  Quadranten  W. — N.  jedoch  nie.  Der  Grad 
des  Einfallens  bleibt  sich  nicht  gleich;  sehr  oft  ist  das  Einfallen 
steil,  bis  sehr  steil,  steiler  als  das  der  Schichtung,  aber  es  kommen 
auch  flachere  Einfallwinkel,  z.  B.  40°,  30°  vor.  Die  grössere  Con- 
stanz der  Transversalschieferung  gegenüber  der  Schichtung  tritt 
besonders  in  der  genannten  Richtung  des  Einfallens  hervor; 


280 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


dem  gegenüber  bringen  die  vielfachen  Umbiegungen  und  Falten 
der  Schichten  öfters  ein  südöstliches  oder  sonst  abweichendes  Ein- 
fallen für  die  Schichtung  hervor. 

Anders  ist  dagegen  die  Transversalschieferung,  wie  gesagt,  in 
der  weiter  nach  O.  gelegenen  Gebirgspartie  orientirt,  wo  in  der 
Anordnung  der  Schichtenzüge  neben  der  tektonischen  Linie  SW. 
— NO.  die  kreuzende  Linie  SO.  — NW.  gleichwerthig  hervortritt, 
und  infolge  davon  auch  grosse  Unregelmässigkeiten  der  Lagerung 
zu  Stande  gekommen  sind.  Soweit  unsere  Beobachtungen  reichen, 
gilt  dies  namentlich  für  den  südöstlichen  Winkel  von  Section 
Gräfenthal  und  den  anstossenden  NO. -Winkel  von  Section  Spechts- 
brunn. (Umgegend  von  Gräfenthal,  Buchbach,  Lichtenhain,  Partie 
um  die  Landstrasse  vom  Rennsteig  abwärts  nach  Gräfenthal.)  Man 
findet  hier  allenthalben  die  Transversalschieferung  so  orientirt,  dass 
ihr  Streichen  ein  nordnordöstliches  und  ihr  Einfallen  ein  westnord- 
westliches, mitunter  fast  westliches  ist,  mit  meist  steilem  bis  sehr 
steilem  Einfallswinkel. 

Eine  ganz  befriedigende  Erklärung  für  die  abweichende  Lage 
der  Schieferung  gegenüber  der  Schichtung,  sowie  für  ihre  Orien- 
tirung  an  den  verschiedenen  Stellen  zu  geben,  ist  schwierig.  Die 
jetzt  wohl  allgemein  getheilte  Auffassung  geht  dahin,  die  Schieferung, 
wie  schon  die  Schichtenaufstauung  und  -Faltung  von  dem  in 
der  äusseren  Erdrinde  wirksamen  Lateraldruck  abzuleiten.  Wir 
wissen  nun,  dass  die  Wirkungen  desselben  sich  in  vielen  Gebirgen 
nach  mehreren  Richtungen  geäussert  und  in  diesen  Richtungen  zu 
verschiedenen  Zeiten  wiederholt  haben,  einmal  in  dieser,  ein  ander- 
mal in  jener  Richtung.  Gilt  dies  schon  von  qualitativ  gleichen 
Aeusserungen  des  Seitenschubes,  wie  von  Aufstauung  und  Faltung, 
so  wird  es  nicht  minder  von  qualitativ  verschiedenen  Aeusserungen 
gelten,  von  Faltung  einerseits  und  Schieferung  andererseits.  Und 
insofern  werden  wir  die  mit  dem  Schichtenstreichen  nicht  zu- 
sammenfallenden Streichlinien  der  Schieferung  unserer  Gebirgs- 
gegenden von  anders  gerichteten  Aeusserungen  des  allgemeinen 
Seitendrucks  ableiten  dürfen,  welche  wahrscheinlich  zu  einer  Zeit 
eintraten,  als  der  Schichtenbau  schon  aufgerichtet  und  gefaltet 
war,  welche  aber,  wie  wir  weiter  oben  sahen,  die  einzelnen  Tlieile 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  281 


des  Ganzen  nicht  ganz  gleichmässig  betrafen.  Ob  sich  in  den  oben 
bezeichneten  Streichlinien  der  Schieferung  vielleicht  gewisse  Mittel- 
kräfte von  solchen  Kräften  kundgeben,  welchen  die  beiden  tekto- 
nischen Faltungsrichtungen  entsprechen,  wagen  wir  kaum  zu  be- 
haupten. 

Wenn  wir  das  Einfallen  der  Schieferung,  wie  in  so  vielen 
anderen  Gegenden,  in  der  Regel  nicht  vertical,  sondern  mehr  oder 
minder  steil  geneigt  finden,  so  weist  dies  darauf  hin,  dass  wir  sie 
zunächst  nicht  von  einem  reinen  Horizontaldruck  abzuleiten  haben, 
sondern  eher  von  selbst  schon  abgeleiteten  Seitenpressungen  oder 
regionalen  Modificationen  des  Horizontalschubes,  auf  deren  Rich- 
tung wahrscheinlich  die  Gestalt  und  Lage  der  bereits  aufgestauten 
Schichtenmassen  oder  Gebirgskörper  bestimmend  einwirkten. 

Ein  anderer  Erklärungsversuch  wäre  der,  die  nicht  verticale 
Stellung  der  Schieferung  als  eine  secundäre,  erst  durch  spätere 
Bewegungen  resp.  Hebungen  und  Senkungen  erreichte  aufzufassen; 
diese  Erklärung  würde  jedoch  an  den  durchaus  nicht  immerklichen 
Wechseln  in  der  Lage  der  Schieferung  von  Strecke  zu  Strecke 
Schwierigkeiten  finden. 


Der  untersilurische  GriffeSscliiefer  und  seine  lineare 

Streckung. 

Der  untersilurische  Griffelschiefer,  wie  er  in  der  Gegend  von 
Hämmern,  Steinach,  Ilaselbach,  Hasenthal  und  Spechtsbrunn  im 
südlichen  Theil  des  thüringischen  Schiefergebirges  sich  entwickelt 
findet,  ist  ein  dunkelblau-schwarzer  Thonschiefer  von  sehr  gleich- 
mässiger  und  weicher  Beschaffenheit,  welche  ihn,  in  Verbindung 
mit  seiner  fast  faserigen  Textur,  zu  einem  so  besonders  geeigneten 
Material  für  Schreibgriffel  macht,  und  die  Veranlassung  zu  seiner 
ausgedehnten  Gewinnung  in  einer  grösseren  Zahl  bedeutender 
Steinbrüche  gewesen  ist.  Transversale  Schieferung  und  lineare 
Streckung  lassen  sich  an  diesem  Schiefer  neben  einander  und  un- 


282 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


abhängig  von  der  ursprünglichen  Schichtung  in  den  genannten 
günstigen  Aufschlüssen  erkennen;  zu  ihnen  tritt  noch  eine  mehr- 
fache Zerklüftung  des  Gesteins.  Es  ist  nicht  etwa  nur  die  Inter- 
ferenz zweier  Schieferungsrichtungen  oder  die  Interferenz  der 
Schichtung  mit  den  Schieferungsrichtungen  — wie  solche  mitunter 
ein  Ablösen  des  Gesteins  in  parallelepipedischen  oder  Stengeligen 
Stücken  bewirken  — , was  die  hier  vorliegende  Griffelung  zuwege 
bringt;  sondern  eine  noch  weiter  gehende,  auf  mechanischem  Wege 
in  das  Gestein  eingeführte  Structur,  wie  im  Folgenden  näher  ge- 
zeigt werden  soll;  denn  gerade  für  diesen  Griffelschiefer,  wenigstens 
grössere  Partieen  desselben,  liegen  recht  augenscheinliche  Anzeichen 
für  einen  wirklichen  Streckungsvorgang  im  Gestein  vor. 

Etwas  schwieriger  als  Klüftung  und  Schieferung  ist  bei  diesem 
Griffelschiefer  in  der  Pegel  die  Lage  der  ursprünglichen  Schichtung 
zu  erkennen.  Sie  tritt  hinter  jenen  zurück  und  hat  von  vorn  herein 
in  dem  gleichmässig  beschaffenen  Sediment,  in  welchem  sich  nur 
selten  heterogene  Lagen  und  an  Masse  nur  geringfügige  heterogene 

ö o o o o o o 

Mineralbildungen  vorfinden,  öfters  nur  einen  mangelhaften  Aus- 
druck gefunden1).  Doch  gelingt  es  im  Ganzen  ohne  Schwierig- 
keit, an  verschiedenen  Merkmalen  die  Schichtflächen  zu  entdecken2), 
und  solche  zeigen  sich  dann  in  bekannter  Weise,  durch  Interferenz 
mit  der  leichter  kenntlichen  und  in  unzweideutigster  Weise  vor- 
liandenen  Transversalschieferung,  höckerig,  gegriffelt  oder  abge- 
treppt und  so  zerschnitten,  dass  man  keine  grösseren,  zusammen- 
hängenden Platten  in  ihrer  Richtung  erhalten  kann. 

Wo  sich  solche  Schichtflächen  oder  Schichtungslinien  an 
grösseren  Steinbruchswänden  etwas  weiter  verfolgen  lassen,  sind 
mitunter  Biegungen  und  Faltungen  der  Schichtung  zu  constatiren, 

O ö o O 

welche  von  der  eonstant  parallel  bleibenden  Schieferung  durchsetzt 
werden. 


x)  Es  fehlt,  im  Griffelschiefer  doch  nicht  ganz  an  einem  durch  geringfügige 
Unterschiede  in  der  Färbung  bezeichneteu  Wechsel  in  der  Schichtungslage, 
wenigstens  ist  ein  solcher  hie  und  da  zu  bemerken. 

2)  In  einzelnen  Fällen  treten  die  Schichtflächen  sogar  mit  derselben  Deutlich- 
keit hervor,  wie  die  Flächen  der  Transversalschieferung,  so  z.  B.  hie  und  da  in 
dem  obersten,  alten  Griffelbruch  am  Fellberg. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  283 


Zur  sicheren  Erkennung  der  Schichtungsflächen  sind  nun  ganz 
besonders  wichtig  die  Einlagerungen  von  Pyrit-  oder  Markasit- 
knollen, welche  sich  mitunter  in  grosser  Anzahl  auf  solchen  Flächen 
versammelt  vorfinden. 

Auch  abgesehen  von  den  Schichtungsflächen  sind  Knollen  und 
Concretionen  von  Schwefelkies  durch  die  Masse  dieses  Schiefer- 
gesteins hindurch  sehr  verbreitet,  in  Form  einzelner  oder  in  Menge 
zusammengruppirter  Krystalle  oder  zu  Concretionen  verwachsener 
krystallinischer  Aggregate;  theils  auch  in  Form  grösserer  sphäroi- 
discher  Linsen  oder  Concretionen  von  Pyrit  mit  quarzitischer  Masse 
und  Quarz  (die  sog.  Kälber  oder  Kieskälber  der  Steinbrecher); 
und  wenn  schon  im  Allgemeinen  solche  Bildungen  eine  Anordnung 
oder  Reihung  in  der  Schichtungsrichtung  erwarten  lassen  und 
wirklich  zeigen,  so  wird  insbesondere  eine  Ablösungsfläche, 
auf  welcher  sich  solche  Schwefeleisenknollen  in  Menge  neben- 
einander finden,  unzweifelhaft  als  ursprüngliche  Schichtfläche  be- 
zeichnet, wie  auch  sonst  die  deutlicheren  Schieferungs-  und 
Klüftungsflächen  liegen  mögen  *). 

Sehr  häufig  nun  ist  mit  diesen  krystallinischen  Schwefeleisen- 
concretionen  Faser  quarz  verwachsen,  neben  und  mit  welchem 
öfters  auch  ein  weisses  (bis  schwachgrünliches),  sehr  weiches, 
seiden-  bis  perlmutterglänzendes,  ebenfalls  faseriges  Mineral  vor- 
kommt, welches  mit  dem,  dem  Pyrophyllit  nahe  stehenden  Clüm- 
belit  identisch  sein  dürfte2).  Bei  näherer  Untersuchung  stellt  sich 

*)  Mitunter  treten  die  Markasit-Concretionen  auf  gewissen  Schichtflächen  so 
dicht  zusammen,  dass  sie  förmliche  Schwarten  bilden,  deren  fest  mit  anhaftender 
Thonschiefersubstanz  verwachsene  Oberflächen  in  eigenthümlicher  Weise  wulstig 
erscheinen,  indem  die  Concretionen  dicht  aneinander  fast  im  Quineunx  gestellt 
sind;  solche  wurden  z.  B.  in  einem  Griffelbruch  am  Steinheider  Berg  bei  Steinach 
beobachtet;  sie  wiederholen  sich  ebenso  im  unteren  Culmschiefer. 

Die  Verwitterung  des  reichlich  vorhandenen  Schwefelkies  resp.  Markasit  ist 
auch  der  Grund  der  so  oft  den  Griffelschiefer  auf  Klüften  überziehenden  rothen 
Farbe;  ein  anderes  Eisenmineral  fehlt  eben  im  Griffelschiefer.  An  frei  der  At- 
mosphäre ausgesetzten  Schichtflächen  sieht  man  die  Markasitknollen  meist  in 
Rotheisen  verwandelt. 

2)  Bei  vergleichenden  Löthrohrversuchen  ergaben  sich  bei  diesem  Mineral 
(Proben  von  Griffelbrüchen  bei  Steinach,  sowie  aus  Griffelschiefer  des  unteren 
Culm  bei  Haselbach,  wo  ganz  dasselbe  Mineral  an  Markasitknollen  faserig  ansitzt) 


284 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


immer  heraus,  dass  die  Fasern  des  Faserquarzes  (und  jenes 
anderen  Minerals)  in  derselben  Richtung  laufen,  wie-  die  faserige 
oder  griflelige  Structur  des  umgebenden  Schiefers. 

Mit  besonderer  Deutlichkeit  wurde  die  Faserquarzbildung  und 
ihre  erwähnte  Lage  in  dem  grossen  Gritfelbruch  am  Fellberg  bei 
Steinach  beobachtet,  wo  der  Betrieb  öfters  solche  Flächen  mit 
Markasitknollen,  denen  Faserquarz  ansitzt,  blosslegt;  die  nähere 
Untersuchung  eines  solchen  Vorkommens  zeigt,  dass  die  Faser- 
quarzbildung mit  den  Streckungsvorgängen,  denen  diese  Schiefer- 
partie unzweifelhaft  ausgesetzt  gewesen  ist,  in  engstem  Zusammen- 
hang steht,  dieselben  gleichsam  erläutert;  und  es  möge  daher  dieses 
Vorkommen  mit  den  sich  daraus  ergebenden  Schlüssen  näher  er- 
örtert werden. 

Die  Schwefeleisenknollen,  die  auf  diesen  Flächen  in  Menge 
liegen,  sind  bis  faustgross  und  kleiner,  haben  eine  rundliche,  kugelige 
oder  häufig  flach  sphäroidische  und  unregelmässig  platt  knollige 
Gestalt;  das  Schwefeleisen  ist  durch  Oxydation  fast  durchweg  in 
rothes  Eisenoxyd  übergeführt1). 

Diese  Schwefeleisenknollen  sind  es,  welche  auch  hier  die  Basis 
für  eine  secundäre  Quarzbildung  abgegeben  haben,  und  zwar  stellt 
sich  der  Quarz  entweder  durchaus  als  Faserquarz  mit  z.  Th.  höchst 


und  bei  Gümbelit  (Proben  aus  Graptolithenschiefer  von  Hämmern,  wo  der  Güm- 
belit  z.  Th.  mehr  schuppig  ist)  dieselben  Reaktionen. 

Der  Gümbelit  tritt  u.  a.  als  Yersteinerungsmittel  von  Graptolithen  auf  und 
ist  auch  sonst  im  Schiefergebirge  sehr  verbreitet.  Siehe  Gümbel  , Geog.  Beschr. 
d.  Fichtelgebirges,  Sachregister. 

*)  Dies  geht  so  weit,  dass  kleine  Proben  bei  der  Löthrohrprüfung  keine 
Reaktion  auf  Schwefel  mehr  geben ; doch  können  dabei,  nach  erfolgter  Weglösung 
des  Oxyds  durch  längere  Behandlung  mit  Salzsäure,  am  Rande,  wo  der  um- 
gebende Quarz  beginnt,  noch  kleine  Schwefelkiesreste  vorhanden  sein,  häufiger 
gewahrt  man  hier  nur  im  Quarz  die  Eindrücke  kleiner  verschwundener  Würfel 
mit  gestreiften  Fachen.  Das  strahlige  Gefüge,  welches  in  dem  die  Stelle  des 
zerstörten  Schwefeleisens  einnehmenden  Eisenoxyd  öfters  hervortritt,  lässt  für 
solche  Partieen  mehr  die  frühere  Anwesenheit  von  Markasit  als  von  Pyrit  an- 
nehmen. Uebrigens  schliesst  die  Gegenwart  des  einen  der  beiden  Mineralien  die 
des  andern  nicht  aus,  da  beide  in  Verwachsung  Vorkommen  können. 

Nach  Richter,  »Das  Thüring.  Schiefergebirg « , Zeitschr.  d.  D.  geol.  Ges. 
XXI,  1869,  p.  442,  bestehen  die  Schwefeleisenellipsoide  des  Griffelschiefers  nur 
ausnahmsweise  aus  Pyrit,  in  der  Regel  aus  Markasit. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  285 


feinfaseriger  Structur  dar,  oder  zeigt  sich  doch  wenigstens  äusser- 
lich  am  Contakt  mit  dem  umgebenden  Schiefer  faserig.  Die  Faser- 
quarzbildung ist  von  zwei  gegenüberliegenden  Seiten  eines  Knollens 
ausgehend  nach  entgegengesetzter  Richtung  in  der  Weise  vorge- 
schritten, dass  alle  Fasern  annähernd  parallel  laufen,  nicht  nur 
an  ein  und  demselben  Knollen,  sondern  überhaupt  bei  allen,  soweit 
solche  auf  der  entblössten  Schichtfläche  zu  bemerken  sind.  In  der 
Richtung  quer  zur  Richtung  der  Fasern  bleiben  die  Knollen  von 
dem  Quarzansatz  mehr  oder  weniger  weit  frei,  je  nach  der  Ge- 
stalt des  Knollens  und  der  Möglichkeit  des  Eindringens  der  Kiesel- 
säure haltenden  Lösung  zwischen  Kiesknollen  und  einschliessendem 
Thonschiefer  in  später  näher  anzugebender  Weise.  (Körperlich 
betrachtet  umschliesst  der  Quarz  den  Schwefeleisenknollen  unregel- 
mässig schalenförmig  und  breitet  sich  seitlich  auf  demselben  zu 
einer  sehr  dünnen  Schicht  aus,  während  er  sich  nach  dem  andern 
Ende  hin  zu  einem  geschlossenen  Faserbündel  etwas  verjüngt;  der 
von  Quarz  freibleibende  Theil  des  Knollens  ist  eine  Art  sehr  un- 
regelmässig verlaufender  Ringfläche.)  Die  Figuren  8 a und  8 b 
zeigen  derartige,  zu  Oxyd  verwitterte  Schwefeleisenknollen  mit 
Faserquarzansätzen  in  natürlicher  Grösse.  Figur  7 zeigt,  ver- 
kleinert, ein  Stück  einer  mit  solchen  Knollen  bedeckten  Schicht- 
fläche; alle  Fasern  des  Quarzes  laufen  hier  in  derselben  Richtung, 
welche  zugleich  die  Griflellage  ist.  In  Wirklichkeit  ist  wegen  des 

o o o 

alle  Theile  der  Schichtflächen  überziehenden  und  färbenden  Eisen- 
oxyds die  Erscheinung  etwas  verundeutlicht. 

Wir  können,  wie  schon  bemerkt,  für  diese  Faserquarzmasse 
nur  eine  secundäre  Entstehungsweise  annehmen;  als  ursprüngliche 
Bildung,  die  gleichzeitig  mit  der  Bildung  oder  Concentration  der 
Schwefeleisenknollen  im  Thonschiefer  erfolgt  wäre,  sind  sie  unver- 
ständlich. In  der  That  kommen,  wie  angeführt,  auch  anderweitige 
Concretionen  im  Schiefer  vor,  bei  welchen  man  es  mehr  mit  con- 
centrisch  angeordneten  Verwachsungen  von  Schwefelkies  und 
quarziger  oder  besser  quarzitischer  Masse  zu  thun  hat,  und  welche, 
wie  nicht  minder  die  krystallinischen  Gruppen  und  Knollen  von 
Schwefeleisen  an  und  für  sich  (ohne  Faserquarz  betrachtet)  alle 
Merkmale  jener  knolligen  oder  sphäroidischen  Concretionen  be- 


286 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


sitzen,  wie  sie  in  Thonschiefer  und  auch  anderen  Schichtgesteinen 
so  häufig  als  ursprünglich  eingebettete  Mineralbildungen  Vor- 
kommen ; solche  Concretionen  werden  aber,  neben  ihrer  im  All- 
gemeinen concentrischen  Anordnung,  seihst  wenn  der  Druck  des 
successive  aufgelagerten  Sediments  auf  ihre  Anordnung  und  Ge- 
stalt noch  von  Einfluss  gewesen  sein  sollte,  immer  eine  in  der 
Fläche  der  Schichtung  ziemlich  gleichförmig  ausgedehnte  oder 
abgeplattete  Gestalt  besitzen,  nicht  aber  nach  ein  und  derselben 
bestimmten  Richtung  in  der  Schichtungsebene  alle  eine  Ver- 
längerung oder  Streckung  oder  lineare  Parallelstructur  annehmen 
können,  wie  dies  gerade  bei  jenen  Faserquarzansätzen  der  Schwefel- 
eisenknollen in  so  auffallender  Weise  hervortritt. 

Da  ferner  so  wenig  wie  diese  Faserquarzansätze  selbst,  auch 
der  von  ihnen  eingenommene  Raum  ursprünglich  vorhanden  ge- 
wesen sein  kann,  — denn  die  Concretionen  müssen  der  Natur 
der  Sache  nach  und  wie  in  allen  solchen  Fällen  von  dem  um- 
gebenden Sediment  dicht  umschlossen  gewesen  sein,  — so  muss 
für  diesen  Raum  und  seine  Ausfüllung  eine  spätere  Entstehung 
angenommen  werden.  Es  verhält  sich  somit  diese  Bildung  eiuiger- 
maassen  wie  eine  von  Quarz  erfüllte  Kluft  oder  Gangspalte  im 
Gestein.  Indess  liegt  es  auf  der  Hand,  dass  die  mechanischen 
Bedingungen,  welche  zur  Herstellung  jener  Discontinuitäten  ge- 
führt haben,  die  zwischen  dem  Pyrit  resp.  Markasit  und  dem 
Thonschiefer  bei  jeder  Concretion  in  ganz  gleicher  Weise  sich 
wiederholen,  andere  gewesen  sein  müssen,  als  diejenigen,  welche 
das  Gestein  durchsetzende  Sprünge  oder  Klüfte  zur  Folge  haben. 
Vielmehr  ist  die  in  Rede  stehende  Faserquarzbildung  ein  augen- 
scheinlicher Beweis  von  Streckungsvorgängen,  die  in  diesen  Schiefer- 
schichten nach  einer  ganz  bestimmmten  Richtung  — eben  der 
Richtung  in  welcher  die  Fasern  verlaufen  — stattgefunden  haben. 

Es  lässt  sich  dies  etwa  wie  folgt  näher  begründen.  Was 
zunächst  den  Streckungsvorgang  als  solchen  betrifft,  so  ist  der- 
selbe eine  Wirkung  starken  Drucks,  oder  genauer  wahrscheinlich 
eiue  Art  der  Aeusserungen  des  Lateraldrucks  in  der  äusseren 
Erdrinde,  und  besteht  derselbe  in  einer  grossen  Summe  kleiner 
und  kleinster  gleich  gerichteter  Verschiebungen,  welche  durch  die 

O ö o 7 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge. 


287 


ganze  Masse  des  Gesteins  hindurch  von  Theilchen  zu  Theilclien 
stattfanden,  resp.  sich  durch  eine  gewisse,  vielleicht  längere  Zeit 
wiederholten.  Beim  Eintritt  dieses  Streckungsvorgangs  nun  musste 
sofort  der  grosse  Unterschied  in  der  physikalischen  Beschaffenheit 
des  Pyrits  oder  Markasits  und  des  ihn  einschliessenden  Tlion- 
schiefers  zur  Geltung  kommen:  Die  Massentheilchen  des  krystal- 
linisch  starren  Schwefeleisens  konnten  der  streckenden  Bewegung 
nicht  in  dem  Maasse  folgen,  als  die  leichter  an  einander  zu  ver- 
schiebenden Theilchen  des  weichen,  nicht  krystallinischen  Thon- 
schiefers, sie  blieben  wegen  der  überwiegenden  krystallinischen 
Cohäsion  im  anfänglichen  Zusammenhang,  während  die  Schiefer- 
theilehen  in  der  Bewegung  oder  Verschiebung  voranschritten.  So 
musste  eine  Discontinuität  zwischen  Schiefer  und  Pyrit  in  der 
Richtung  der  Bewegung,  d.  i.  zugleich  auf  denjenigen  Seiten  der 
Pyritknollen,  welche  am  wenigsten  dem  Druck  ausgesetzt  waren, 
entstehen,  und  in  dieser  Discontinuität  konnte  in  dem  Maass  als 
sie  entstand  und  sich  vergrösserte,  nach  Art  irgend  welcher  andern 
Secretionen  in  hohlen  Räumen  Kieselsäure  aus  Lösung  auskrystal- 
lisiren.  Die  faserige  Textur  der  auskrystallisirten  Kieselsäure  giebt 
zugleich  einen  Beweis  für  das  nur  allmähliche  Voranschreiten  des 
Vorgangs;  hätte  der  Hohlraum  zwischen  Schwefelkies  und  Thon- 
schiefer sich  wesentlich  schneller  gebildet  als  seine  Ausfüllung, 
oder  wäre  die  Kieselsäure  in  den  schon  fertig  gebildeten  Hohl- 
raum auskrystallisirt , so  würden  wir  eine  körnig  krystallinisclie 
oder  eine  in  concentrischen  Lagen  erfolgte  Ausfüllung  des  Hohl- 
raums mit  Kieselsäure  — etwa  nach  Art  der  auskrystallisirten 
Drusenräume,  oder  Geoden  — finden,  jedoch  keine  längsfaserige. 
Die  Faserstructur  entspricht  nun  aber  ganz  einer  successiven 
Vergrösserung  der  Discontinuität,  welche  in  ihrem  ersten  Beginn 
den  Anlass  gab  zum  ersten  Ansatz  der  auskrystallisirenden  Kiesel- 
säure in  einer  unendlich  dünnen  Schicht  ; an  diese  aus  dicht  ge- 
drängten krystallinischen  Individuen  zusammengesetzte  Basis  kry- 
stallisirte  mit  dem  Voranschreiten  der  Discontinuität  neuer  Stoff 
aus  Lösung  an,  was  sich  wiederholte  so  lange  der  Vorgang  dauerte, 
und  so  kam  nach  und  nach  ein  längsfaseriges  oder  stengeliges 
krystallinisches  Aggregat,  ein  Faserbündel  zu  Stande. 


288 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


Eine  weitere  Voraussetzung  zum  Zustandekommen  dieser 
Faserquarzmassen  ist  offenbar  genügender  Zutritt  der  die  Kiesel- 
säure absetzenden  Solution ; dazu  war  aber  gerade  auf  den  Ab- 
lösungsfläclien  der  Schichtung,  auf  welcher  die  in  Rede  stehenden 
Knollen  liegen,  mindestens  so  gute  Gelegenheit  als  im  Innern  der 
Gesteinsmasse,  und  wir  finden  daher  bei  den  oben  erwähnten  im 
Innern  des  Gesteins  liegenden,  meist  grösseren  Concretionen  (sog. 
»Kälbern«)  jene  secundäre  seitliche  Quarzbildung  weniger.  Auch 
bei  diesen  musste  sich  natürlich  die  Cohäsionsdifferenz  zwischen 
Concretion  und  Schiefer  bei  der  Streckung  geltend  machen,  ein 
leerer  Zwischenraum  wird  aber  auch  hier  nicht  haben  bestehen 
können,  da  er  durch  die  unter  starkem  Druck  stehende  und  dem- 
selben langsam  nachgebende  Schiefermasse  wieder  geschlossen 
werden  konnte1). 

Wie  die  beschriebene  Faserquarzbildung  vorliegt,  zeigt  sie 
deutlich  das  Vorhandensein  und  die  Richtung  der  streckenden  Be- 
wegung an;  wir  ersehen,  dass  diese  Bewegung  hier  nicht  etwa 
frei  nach  einer  beliebigen  Seite  in  der  Normalebene  des  Drucks, 
sondern  nur  in  einer  bestimmten  Richtung  erfolgt  ist.  Geringe 
Knickungen,  die  im  Verlauf  der  Fasern  sich  nicht  selten  zeigen 


1 ) Zum  Unterschied  von  den  Schwefeleisenknollen  sind  diese  grösseren,  aus 
quarzitischer  Masse  bestehenden  Sphäroide  bei  der  Streckung  oft  wiederholt  ge- 
rissen und  die  so  entstehenden  Spalten  allerdings  auch  mit  secundärem  Quarz, 
z.  Th.  Faserquarz,  erfüllt. 

Wenn  die  Faserquarzansätze  der  auf  den  Schichtflächen  liegenden  Pyrit- 
oder Markasitknollen,  wie  es  öfters  vorkommt,  im  Tnnern  mehr  körnig  als  faserig 
erscheinen,  so  dürfte  dies  vielleicht  weniger  in  späterer  Umkrystallisirung  als 
darin  begründet  sein,  dass  in  solchen  Fällen  die  gänzliche  Erfüllung  des  Raumes 
mit  Kieselsäure  nach  innen  zu  etwas  später  eintrat  als  aussen  herum. 

Auch  an  Pyritwürfeln,  die  in  der  Griffelschiefermasse  mehr  vereinzelt  liegen, 
wurden  Ansätze  von  Faserquarz  beobachtet;  derselbe  bildet  dünne  Platten  auf 
gegenüberliegenden  Seiten  der  Pyritwürfel,  oder  nur  auf  einer  Seite,  oder  greift 
auch  um  Ecken  herum,  je  nachdem  der  Krystall  zur  Streckrichtung  lag.  Der 
Quarz  erscheint  nicht  gleichmässig  an  allen  Pyritwürfeln  und  nicht  gleichmässig 
click  an  jedem;  die  Fasern  laufen  auch  hier  parallel.  — Mitunter  erscheinen  die 
Pyritwürfel  verschoben  und  nicht  mehr  rechtwinkelig,  wohl  deshalb,  weil  sie  bei 
fortgesetzter  Druckwirkung  von  inneren,  wenn  auch  noch  so  kleinen  und  nicht 
sichtbaren  Brüchen  betroffen  sind  und  so  an  der  Verschiebung  etwas  theilge- 
nommen  haben. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge. 


289 


(vgl.  Figur  8b),  bedeuten  ohne  Zweifel,  dass  die  streckende  Be- 
wegung nicht  ganz  continuirlich  war  und  sich  nicht  genau  parallel 
blieb.  — In  den  Faserquarz  büschein,  welche  an  den  Schwefeleisen- 
knollen sitzen,  haben  wir  überdies  einen  Maassstab  für  die  Grösse 
der  stattgehabten  Verschiebung. 

Ein  vollkommenes  Analogon  zu  unserer  Faserquarzbildung  ist 
die  Ausfüllung  der  Zwischenräume  der  schon  lange  bekannten,  in 
letzter  Zeit  wieder  viel  besprochenen,  durch  Streckung  gerissenen 
Belemniten  mit  Faserquarz  oder  mit  Faserkalk.  Auch  Daubree 
kommt  bei  der  Besprechung  dieser  Bildungen  zu  dem  Schluss, 
dass  sie  einen  Beweis  für  den  langsamen  und  allmählichen  Ver- 
lauf des  Streckungsvorganges  enthalten;  er  führt  zum  weiteren  Ver- 
gleich die  Bildung  des  Fasergypses  an  und  die  in  vielen  Fällen 
zu  erkennende,  langsame  Ausfüllung  von  Erzgangspalten  während 
successiver  Erweiterung  1). 

Auch  kann  liier  die  von  Sorby  beschriebene  Umformung  von 
Crinoidenstielgliedern  verglichen  werden,  welche  in  geschiefertem 
resp.  gestrecktem  Kalkstein  vorkommt  und  bei  welcher  ebenfalls, 
der  von  Sorby  gegebenen  Figur  nach  zu  urtheilen,  der  auf  der 
Druckseite  gelöste  kohlensaure  Kalk  sich  auf  der  vom  Druck  ab- 
gewendeten Seite  fas  er  artig  ansetzt2). 

Was  nun  die  Lage  der  Streckung  oder  Faserung  im  Griffel- 

ö Ö O 

schiefer  belangt,  oder  m.  a.  W.  die  Richtung,  nach  welcher  das 
Gestein  schon  in  situ  sich  in  Griffel  auflöst  oder  künstlich  in  solche 
getrennt  werden  kann,  so  wurde  als  Regel  beobachtet,  dass  jene 

*)  Bull.  soe.  geol.  France.  3 ser.  tome  IV,  1876,  p.  551. 

2)  Quart.  Journal,  1879,  Proceedings,  p.  88  ff.  — Auch  abgesehen  von  den 
Griffelschiefern  des  unteren  Silur  und  unteren  Culm  bemerkt  man  manchmal 
Faserquarz  an  noch  vorhandenem  oder  verschwundenem  Pyrit  in  Thonschiefer, 
und  es  mögen  auch  hier  Streckungsvorgänge,  wenn  auch  nicht  so  durchgreifender 
Art  wie  bei  den  Griffelschiefern , den  Anlass  zur  Bildung  dieses  Minerals  ge- 
geben haben;  überhaupt  könnte  dieser  Gesichtspunkt  bei  Vorkommnissen  von 
Faserquarz  und  anderen  faserigen  Mineralien  .in’ s Auge  zu  fassen  sein. 

Gümbel  erwähnt  Faserquarz  neben  Schwefelkies  in  den  koklereichen  Silur- 
schiefern. (Geog.  Beschreib,  d.  Fichtelgebirges,  p.  275.)  — Verschobene  Pyritwürfel 
aus  Dachschiefer  erwähnt  auch  Daubree  (Syntket.  Studien  z.  Experimentalgeologie 
1880,  p.  337). 


19 


290 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


Richtung  in  der  Durchschnittslinie  der  Schichtenlage  mit 
der  Transversalschieferung  gelegen  ist,  oder  doch  nahezu 
mit  ihr  zusammenfällt.  Wohl  in  sämmtlichen  Griffelbrüchen  im 
untersilurischen  Griffelschiefer  der  Gegend  von  Steinach,  Hasel- 
bach und  Spechtsbrunn  trifft  dies  zu.  Man  findet  hier  durchweg 
ein  mittelsteiles  Einfallen  der  Transversalschieferung  nach  NW., 
während  die  Schichten  etwa  mit  demselben  Steilheitsgrad  nach 
SO.  fallen,  so  dass  beide  Lagen  ziemlich  rechtwinkelig  aufeinander 
stehen;  ihre  Durchschnittslinie  und  somit  die  Lage  der  Streckung 
oder  die  Griffellage  sieht  man  in  der  Regel  mässig,  bis  zu  ca.  20°, 
nach  NO.  oder  SW.  ansteigen,  mitunter  auch  nur  wenig  von  der 
Horizontalen  abweichen 1). 

Es  ist  hervorzuheben,  dass  die  Deutlichkeit  der  Transversal- 
schieferung, resp.  die  leichte  Erkennung  ihrer  Lage  im  an- 
stehenden Gestein  durch  die  Streckung  nicht  beeinträchtigt  worden 
ist;  wie  früher  bemerkt  ist  auch  die  Schichtenlage  durch  ver- 
schiedene Anzeichen  herauszufinden ; die  Streckungs richtung 
wird  durch  die  griffelförmige  Auflockerung  des  Gesteins  in  der 
oben  bezeiclmeten  Richtung,  wenn  dasselbe  einige  Zeit  der  Atmo- 
sphäre ausgesetzt  gewesen  ist,  angegeben2);  hierzu  kommt  endlich 
die  Parallelklüftung,  von  welcher  namentlich  dasjenige  System 
besonders  ausgebildet  ist,  welches  quer,  fast  rechtwinkelig  zur  all- 
gemeinen Streichrichtung  der  Schichten  läuft;  aus  diesen  ver- 
schiedenen Factoren  setzt  sich  das  Bild  zusammen,  welches  man 
in  den  Griffelbrüchen,  zwar  nicht  immer  mit  gleicher  Deutlichkeit, 
öfters  aber  mit  einem  Blick  von  den  verschiedenen  mechanischen 
Einwirkungen  erhält,  denen  dieser  Schiefer  im  Lauf  der  Zeit  aus- 
gesetzt  gewesen  ist. 


*)  Da  die  Schichten  hie  und  da  Falten  erkennen  lassen,  könnte  man  einen 
grösseren  Wechsel  bezüglich  ihrer  Lage  und  der  jener  Durchschnittslinie  erwarten; 
es  scheint  indess,  dass  die  vorhandenen  Falten  die  allgemeine  Streichrichtung 
einhalten,  dabei  nur  schwach  auf  und  absteigen  und  im  allgemeinen  Schichten- 
einfallen nach  SO.  nur  untergeordnete  Abweichungen  hervorbringen. 

2)  Man  kann  mitunter  aus  dem  gelockerten  Lagerungsverband  das  Gestein 
in  Griffeln,  einen  nach  dem  anderen  herausnehmen ; anfänglich  sind  diese  Griffel 
sehr  lang,  wohl  bis  zu  1 Meter,  zerfallen  aber  von  selbst  nach  und  nach  in 
immer  kleinere  Griffel;  man  sieht  hieraus  wie  innerlich  die  Griffelstructur  ist. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  291 


Dass  die  Streckungsrichtung  mit  der  Lage  der  Durchsclmitts- 
linie  von  Schichtung  und  Transversalschieferung  meisthin  zusammen- 
fällt, ist  a priori  eben  nicht  vorauszusehen;  es  wäre  an  sich  sehr 
wohl  denkbar,  dass  das  bereits  transversal  geschieferte  Gestein  zu 
einer  späteren  Zeit  einem  Streckungsvorgang  nach  irgend  welcher 
anderen  Richtung  unterworfen  worden  wäre.  Thatsäclilich  kommen 
auch  Beispiele  derart  an  anderen  Stellen  oder  in  anderen  Ge- 
birgen vor1). 

Die  in  unserem  Fall  vorliegende  Streckungsrichtung  glauben 
wir  am  besten  so  zu  erklären,  dass  wir  sie  als  Folge  zweier  Druck- 
kräfte auffassen,  die  sich  neben  einander  von  zwei  Seiten  her 
äusserten : nämlich  einerseits  des  noch  fortgesetzt  wirksamen  Drucks, 
welcher  zunächst  die  Transversalschieferung  zuwege  gebracht  hatte, 
und  andererseits  eines  in  der  Richtung  vom  Liegenden  zum  Han- 
üenden  und  mimekehrt,  mit  anderen  Worten  normal  zur  Schichten- 
läse  wirksamen  Drucks.  Die  erste  Druckkraft  würde  ein  Aus- 
weichen  in  der  Ebene  der  Transversalschieferung,  die  zweite  in 
der  Ebene  der  Schichtung,  beide  zusammen  also  in  der  Richtung 
der  Durchschnittslinie  beider  bewirkt  haben.  Derjenige  Druck 
aber,  welchen  wir  normal  zur  Schichtenlage  annehmen,  könnte 


1)  So  findet  man  aus  den  Schiefergebirgen  wiederholt  die  Beobachtung  an- 
geführt, dass  die  lineare  Streckung  in  der  Richtung  des  Einfallens  der  Trans- 
versalschieferung gelegen  ist;  in  diesem  Falle  also  war  Ausweichen  vor  dem 
Druck  am  leichtesten  in  der  Richtung  von  unten  nach  oben  möglich.  Uebrigens 
bemerkt  auch  Naumann  (Lehrb.  d.  Geognosie,  2.  Aufl.,  Bd.  1,  p.  435),  dass  die 
Streckung  in  vielen,  aber  keineswegs  in  allen  Fällen  mit  der  Falllinie  der  Schichten 
coincidire. 

Die  ausweichende  oder  streckende  Bewegung  nach  oben  begreift  sich  leichter, 
als  die  nach  der  Seite;  man  kann  die  Frage  stellen,  wie  überhaupt  in  der  ge- 
schlossenen Gebirgsmasse  ein  seitliches  Ausweichen,  Schieben  und  Strecken  mög- 
lich war.  Für  den  Fall  unseres  Griffelschiefers  lässt  sich  hierauf  antworten,  zu- 
nächst, dass  die  Streckrichtung  keine  rein  seitliche  ist,  sondern  nach  der  einen 
oder  anderen  Seite  etwas  ansteigt ; sodann , dass  von  Stelle  zu  Stelle  sich  Aus- 
gleichungen hergestellt  haben  mögen,  denen  vielleicht  eine  sehr  verworrene  Struotur, 
vielleicht  auch  Brüche  und  grössere  Verschiebungen  entsprechen.  Nachgewiesen 
sind  solche  allerdings  nicht;  die  Griffelbrüche  werden  natürlich  von  solchen  Stellen 
fern  zu  bleiben  suchen;  immerhin  ist  der  Schiefer  keineswegs  in  allen  Brüchen 
von  gleichbleibender  und  gleich  brauchbarer  Structur , es  kommen  im  Gegentlieil 
grössere  unbrauchbare  Partieen  vor. 


19 


292 


H.  Lorktz,  über  Transversalschieferung 


darin  begründet  sein , dass  sieh  als  nächstes  Liegende  der  Griffel- 
schiefer eine  besonders  harte  und  erheblich  mächtige  Schichten- 
folge vorfindet,  nämlich  der  oberste  cambrische  Quarzit;  dieser 
bildet  einen  ununterbrochen  durchgehenden  Zug  vom  SW. -Rand 
des  Schiefergebirges  bis  in  die  Gegend  von  Gräfenthal,  und  in 
derselben  Erstreckung  verhält  sich  auch  der  unterste  sibirische 
Thonschiefer  so  gut  wie  ganz  als  Griffelschiefer.  Dass  sich  aber 
aus  dem  Widerstande,  welchen  harte  und  mächtige  Gebirgsglieder 
den  zusammendrückenden  Wirkungen  des  allgemeinen  Lateral- 
drucks oder  daraus  abgeleiteter  Pressungen  leisten,  wieder  spe- 
cielle  Rückwirkungen  ergeben  können,  welche  besonders  an  den 
jenen  festen  Massen  angelagerten  weicheren  Schichten  zum  Aus- 
druck kommen  müssen,  steht  mit  vielfachen  Beobachtungen  in 
diesem  Gebiet  der  Geologie  im  besten  Einklang. 

Nächst  den  mechanischen  Einwirkungen  kommt  für  das  vor- 
liegende Resultat  natürlich  der  Stoff,  die  physikalischen  Eigen- 
schaften des  Gesteins  sehr  in  Betracht  : das  Material  des  Schiefers 
muss  für  diese  Art  von  innerlichen  Verschiebungen,  wie  sie  sich 
in  der  Griffelung  aussprechen,  besonders  günstig  gewesen  sein, 
und  es  ist  dies  bei  einem  so  gleichartig  gemischten,  so  wenig 
durch  abweichende  Zwischenschichten  unterbrochenen  Material, 
wie  es  in  unseren  untersten  Silurthonschiefern  vorliegt  , auch  recht 
wohl  verständlich. 

Zum  Wesen  der  linearen  Streckung,  wie  sie  sich  bei  den 
Griffelschiefern  zeigt,  gehört,  dass  die  Grösse  der  parallelen  Be- 
wegung von  Theilchen  zu  Theilclien  etwas  verschieden  war,  so 
dass  alle  in  derselben  Richtung  etwas  gegen  einander  verschoben 
wurden.  Transversalschieferung  für  sich  allein  bewirkt 
bekanntlich  noch  keine  griffelige,  sondern  nur  eine  platten  förmige 
Absonderung,  wie  bei  den  Dachschiefern;  soweit  bei  der  Schiefe- 
ruög  auch  schon  nicht  blos  Compression,  sondern  ausweichende 
Bewegungen  und  Verschiebungen  zu  Grunde  liegen,  wird  man 
solche  in  auf  einander  folgenden  dünnen  Schichten  nach  verschie- 
denen Richtungen  — höchstens  in  derselben  Schicht  parallel  — 
vor  sich  gehend  zu  denken  haben;  im  Wesen  der  linearen 
Streckung  liegt  eben,  dass  durch  die  ganze  Masse  hindurch  eine 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  293 


Parallelbewegung  mit  Verschiebung  von  Theilchen  zu  Theilchen 
stattfinde  ]). 

Die  absolute  Grösse  der  stattgefundenen  Verschiebungen  scheint 
bei  diesem  Streckungsvorgang,  wenn  auch  wohl  grösser  als  bei 
der  einfachen  Transversalschieferung,  doch  im  Ganzen  gering  ge- 
wesen  zu  sein.  Wir  könnten  dies  schon  daraus  schliessen,  dass 
nach  der  Streckung  Transversalschieferung  wie  Schichtung  noch 
zu  erkennen  sind;  diese  würden  durch  stärkere  Massenverschie- 
bungen wohl  mehr  verwischt  worden  sein*  2).  Das  beste  Anhalten 
über  die  Grösse  der  Verschiebung  benachbarter  Theile  geben  uns 
indess  jene  merkwürdigen,  gestreckten  und  sonst  deformirten  Tri- 
lobiten,  welche  im  Griffelschiefer  von  Steinach  wiederholt,  wenn 
auch  als  Seltenheiten  vorgekommen  sind.  Liegt  ein  solcher  orga- 
nischer Rest  mit  seiner  Längsrichtung  ungefähr  in  der  Streckuugs- 
richtung,  so  sieht  man  wie  die  Symmetrie  beider  Hälften,  rechts 
und  links  von  der  Längsaxe  verloren  gegangen  ist;  zwei  ent- 
sprechende Punkte  dieser  Hälften  können  nicht  nur  in  der  Rich- 
tung der  Axe  gegen  einander  verschoben  sein,  sondern  ausserdem 
auch  noch  so,  dass  der  eine  viel  tiefer  liegt  als  der  andere,  die 
eine  Seite  schmal  zusammengeschoben,  die  andere  breit  geblieben 
und  der  Schnitt  des  Trilobiten  normal  zur  Längsaxe  eine  ganz 
unregelmässig  gebogene  Figur  geworden  ist3).  Immerhin  bleiben 

J)  In  ähnlicher  Weise  wie  hier  in  der  Natur,  zeigten  ja  auch  bei  den  be- 
kannten DAUBREifschen  Versuchen  die  Thon-  oder  Bleimassen,  mit  welchen  ex- 
perimentirt  wurde,  ausser  der  Schieferung  unter  gewissen  Umständen  noch  eine 
faserige  Structur  resp.  ein  geriffeltes  Aussehen  ihrer  Theilplatten,  indem  sich 
offenbar  die  Masse  beim  Auspressen  in  Stränge  oder  Fäden  von  differenter  Be- 
wegungsgrösse theilte,  die  sich  mithin  an  einander  verschoben;  ähnlich  wie  beim 
technischen  Auspressen  und  Auswalzen  durch  verschiedene  Kaliber  ein  faseriges 
Gefüge  erzielt  wird. 

2)  Ist  das  Gesein  nicht  mehr  frisch,  sondern  verwittert,  so  tritt  allerdings 
die  gestreckte  Structur  stärker  hervor,  es  ist  kein  Spalten  nach  der  Schieferung 
mehr  möglich  und  solche  wird  mehr  und  mehr  verwischt. 

3)  Der  durch  ein  gümbelitartiges  Mineral  ersetzte  Körper  dieser  Trilobiten 
ist  sehr  dünn  und  die  faserige  Textur  des  Gesteins  schimmert  hindurch.  — Es 
ist  ersichtlich,  dass  manche  dieser  ohnehin  nicht  häufigen  Fossilien  in  Folge  ihrer 
Lage  zur  Streckrichtung  noch  stärker  verzerrt  sein  können,  und  durch  ungünstige 
Lage  zur  Spaltrichtung  des  Schiefers  niemals  im  Zusammenhang  zum  Vorschein 
kommen. 


294 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


diese  Verzerrungen  weit  unter  dem  Maass  derjenigen,  welche  bei 
den  künstlichen  Experimenten  über  Schieferung  und  Streckung  mit 
Leichtigkeit  erreicht  werden  können;  obschon  auch  hier  sehr  ge- 
ringe Verschiebungen  als  ausreichend  befunden  worden  sind, 
um  jene  Structuren  hervorzurufen,  wie  wenigstens  für  die  Schiefe- 
rung von  Daubree  bemerkt  wird.  Für  die  letztere  möchte  man 
dasselbe  auch  aus  der  Bemerkung  schliessen,  die  Gümbel1)  über 
das  Aussehen  geschieferter  Schiefer  im  Dünnschliff  macht,  welche 
im  Vergleich  zu  nicht  geschieferten  keinerlei  Aenderung  in  der  Lage 
x;nd  Richtung  der  erkennbar  kleinsten  Mineraltheilchen  zeigten. 
Es  scheint  demnach,  dass  der  blose  Spannungszustand  in  Folge 
einer  nur  minimalen  Compression  und  seitlichen  Verschiebung  zur 
Schieferung  genüge.  Dass  es  indess  bei  derselben  gewöhnlich 
auch  zu  sichtbaren  ausweichenden  Bewegungen  gekommen  ist,  he- 
weisen  die  früher  besprochenen  Unebenheiten  auf  solchen  Discon- 
tinuitätsflächen,  welche  vor  Ausbildung  der  Transversalschieferung 
schon  da  waren. 

Ein  etwas  grösserer  Unterschied  scheint  zwischen  der  mikro- 
skopischen Beschaffenheit  griffeliger  und  nicht  griffeliger  Schiefer 
zu  bestehen.  Nach  Gümbel2)  bieten  nämlich  griffelig  zerfallende 
Schiefer  in  der  Regel  im  Dünnschliff  ein  etwas  anderes  Bild  als 
die  sonst  ähnlichen,  aber  nicht  griffelig  zerfallenden;  die  Gemeng- 
theile jener  erscheinen  weniger  in  Streifen  und  Flasern,  sondern 
gleichmässiger  vertheilt  und  gemengt,  ohne  dass  sie  dabei  immer 
feiner  sein  müssten  als  bei  den  anderen  Schiefern.  Wir  dürfen 
vielleicht  annehmen,  dass  diese  Anordnung  der  kleinen  Theilchen 
erst  als  Folge  eines  Streckungsvorgangs  eingetreten  ist.  Im  Uebri- 
gen  wird  die  griffelige  oder  faserige  Structur  in  der  einen  Durch- 
schnittsebene des  Dünnschliffs  sich  kaum  offenbaren  können ; denn 
erst  bei  mechanischen  Vorgängen,  wie  Zerfallen  oder 
Zerspalten  können  sich  die  als  Resultat  der  Streckung  vor- 
handenen Spann ungszus t ä n d e äussern  und  so  j ene  Structur 
vortreten  lassen. 


J)  Geognost.  Beschreib,  d.  Fichtelgebirges,  p.  641  ff. 

2)  1.  c.  p.  289. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  295 


Wir  beschlossen  diesen  Abschnitt  mit  einigen  Worten  über 
das  Verfahren  zur  Herstellung  der  Schreibgriffel.  Das 
durch  Sprengarbeit  losgemachte  und  auf  entsprechende  Dimen- 
sionen gebrachte  Material  wird  zunächst  durch  Handsägen  in 
passende  Stücke  geformt;  durch  die  letzten  Sägeschnitte,  welche 
normal  zur  natürlichen  Griffellage  (Streckrichtung)  stehen,  erhält 
man  Stücke  von  der  Länge  der  anzufertigenden  Griffel;  diese 
Stücke  werden  dann  durch  Meissel  quer  zum  Sägeschnitt  in  so 
viel  Theile  gespalten,  als  sie  Griffel  geben  können,  und  diese  Theile 
endlich  durch  den  Kaliber  einer  maschinellen  Vorrichtung  gedrückt. 
Die  gesammte  Arbeit  muss  mit  frischem  resp.  noch  bergfeuchtem 
Materiale  vorgenommen  werden. 


Sonstige  Griffelschiefer  und  griffelig  zerfallende  Schiefer 
des  Schiefergebirges. 

Abgesehen  von  den  untersilurischen  Griffelschiefern,  welche 
wir  im  Vorstehenden  ausführlicher  betrachtet  haben,  fehlt  es  auch 
sonst  im  thüringischen  Schiefergebirge  nicht  an  solchen  Schiefern, 
welchen  eine  griffelige  Ablösung  eigen  ist;  in  der  Regel  jedoch 
sind  solche  Vorkommnisse  lokal,  und  betreffen  solche  Schiefer, 
welche  nicht  weit  davon  eine  andere  Ablösung,  in  Blättern  oder 
Platten  zeigen;  nirgends  mehr  erscheint  eine  Zone,  welche. in  der 
Ausdehnung  und  Vollständigkeit  sich  als  Griffelschiefer  verhielte 
wie  die  untersten  Silurschiefer.  Beschränken  wir  die  Bezeichnung 
» Griffelschiefer « überhaupt  nur  auf  solche , welche  bei  hinläng- 
licher Weichheit  und  zugleich  Festigkeit  eine  Benutzung  zu  Schreib- 
griffein  gestatten,  so  giebt  es  ausser  im  Untersilur  hauptsächlich 
nur  noch  im  unteren  Culm  Griffelschiefer,  indem  die  hierherge- 
hörigen, meisthin  dachschief erartig  ausgebildeten  Thonschiefer  aus- 
nahmsweise auch  einmal  Stellen  mit  grifteliger  Ablösung  in  Ver- 
bindung mit  den  sonst  nöthigen  Qualitäten  enthalten ; ausserdem 
werden  gegenwärtig  noch  an  einer  Stelle  im  unterdevonischen 
Tentaculitenschiefer  in  unmittelbarer  Nähe  von  Steinach  Griffel 


296 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferun; 


gewonnen.  Abgesehen  hiervon  giebt  es  aber  wie  gesagt  noch  gar 
manche  Stellen  in  den  verschiedensten  Schieferzonen,  wo  eine  grif- 
felige  oder  steng'elige  Ablösung  und  entsprechendes  Zerfallen  zu 
beobachten  ist. 

Nicht  immer  ist  ein  Streckungsvorgang  in  der  Art,  wie  wir 
ihn  bei  den  untersilurischen  Schiefern  kennen  gelernt  haben,  nöthig 
gewesen,  um  diese  griffelige  Ablösung  zu  bewirken.  Es  ist  sehr 
verständlich,  dass  einfache  Interferenz  von  Schichtung  und  Trans- 
versalschieferung dann  schon  ausreichen  mögen,  um  ein  solches 
Zerfällen  in  stengelige  und  griffelige  Körper  im  Gefolge  zu  haben, 
wenn  die  Ablösungen  nach  beiderlei  Richtung  ungefähr  im  Gleich- 
gewicht sind,  oder  mit  anderen  Worten  das  Gestein  nach  beiden 
mit  derselben  Leichtigkeit  und  in  nicht  zu  verschieden  breiten 
Intervallen  spaltet.  Dieses  Verhalten  kann  natürlich  auch  an 
härteren  Gesteinen,  rauhen  oder  quarzitischen  Schiefern,  und  bei 
verschiedenen  Lagen  von  Schichtung  und  Schieferung  zu  einander 
Vorkommen.  Mancherlei  Vorkommnisse  griffeliger  Ablösung,  welche 
man  in  den  Schiefern  des  oberen  Culm,  sowie  auch  schon  in  den 
cambrischen  und  anderen  Schiefern  beobachtet,  mögen  in  der  ge- 
dachten Weise  zu  beurtheilen  sein.  Streckungsvorgänge  sind  aber 
auch  hier  keineswegs  ausgeschlossen;  nur  durch  solche  möchten 
gewisse  lokale  und  vereinzelte  Vorkommnisse  mit  überaus  faseriger, 
an  Holz  erinnernder  Textur,  welche  als  solche  noch  entschieden 
mehr  hervortritt  als  bei  den  Untersilurgriffelschiefern,  zu  erklären 
sein,  wie  ich  solche  im  cambrischen  Schiefergebiet  beobachtet 
habe  1). 


D Dass  es  überhaupt  äussere,  mechanische  Ursachen  sind,  welche  der 
Griffel structur  zu  Grunde  hegen,  lässt  sich  abstrahiren  aus  dem  Vorkommen  der- 
selben an  physikalisch  differentem  Material,  sowie  aus  dem  oft  nur  lokale  n 
Vorkommen  derselben  an  ein  und  demselben  Materiale  (wie  am  unteren  Culm- 
schiefer).  Andererseits  kann  die  physikalische  Beschaffenheit  cles  Materials  auf 
das  Zustandekommen  der  Griffelstructur,  besonders  soweit  solche  durch  wirkliche 
Streckung  erreicht  oder  befördert  worden  ist,  prädisponirend  gewirkt  haben,  ent- 
sprechend dem  in  der  mechanischen  Geologie  so  allgemein  gültigen  Gesetz,  dass 
die  physikalische  Beschaffenheit  des  Materials,  oder  genauer  seine  Cohäsions- 
verhältnisse  für  die  Art  und  Weise  seiner  mechanischen  Beanspruchung  und 
Umgestaltung  sehr  in  Betracht  kommen. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge. 


297 


Auch  die  bereits  erwähnten  nicht  nntersiluri sehen,  zu  Griffeln 
verwendbaren  Schiefer  scheinen  ihre  Structur  durch  wirkliche 
Streckung  erhalten  zu  haben.  Mindestens  ist  dies  für  derartige 
Schiefer  des  unteren  Culm  gewiss.  Die  bedeutendste  Griffel- 
gewinnung aus  diesen  Culmschiefern  findet  gegenwärtig  im  Rögitz- 
thal  etwas  unterhalb  Haselbach  im  Griffelbruch  »Germania«  statt. 
Das  Material  ist  hier,  wie  auch  sonst  bei  den  Culmschiefern,  nicht 
(ranz  so  weich  als  das  der  untersilurischen  Griffelschiefer:  im  Uebri- 

o 

o-en  stellen  sich  in  dem  Griffelbruch  bei  Haselbach  die  mechanischen 

o 

Einwirkungen,  welchen  das  Gestein  ausgesetzt  gewesen  ist,  ebenso 
dar  wie  in  den  Griffelbrüchen  des  Untersilur,  was  die  folgenden 
Bemerkungen  noch  etwas  näher  erläutern  werden. 

Die  Schichtflächen  bilden  hier  gewölbeartige  Bogen,  deren 
Streichrichtung  SW. — NO.  mit  einem  Ansteigen  NO.-wärts  ist;  die 
Transversalschieferung  fällt  mit  45°  nach  N.  40°  W. ; die  Haupt- 
klüftung mit  60°  nach  NO.;  die  Griffellage  liegt  etwa  ebenso  wie 
die  angegebene  NO.-wärts  ansteigende  Streichlinie,  was  zugleich 
wieder  mit  dem  Durchschnitt  von  Schiefermur  und  Schichtung 
stimmt.  Eine  grössere  Zahl  der  in  Gewölbe  gelegten  Schicht- 
flächen ist  auch  hier  durch  zusammenhängende  Krusten  oder 
Schwarten  gekennzeichnet,  welche  aus  härterer,  mehr  verworren 
strnirter  Thonschiefermasse  mit  sehr  zahlreichen,  concentrisch  strah- 
ligen,  leicht  zersetzbaren  Schwefeleisen-  (Markasit)  knollen  bestehen, 
an  welch'  letzteren  sich  durchweg  Ansätze  von  Faserquarz  und 
Gümbelit  zeigen,  ganz  in  der  früher  beschriebenen  Weise. 

Es  ist  wichtig  zu  bemerken,  dass  in  nächster  Nähe  dieses 
Griffelbruches  ein  zweiter  Steinbruch  in  demselben  dunkelblau- 
schwarzen unteren  Culm  thonschiefer  angelegt  ist,  wo  die  Schichten 
ebenfalls  Gewölbebiegungen  in  derselben  Streichrichtung,  nur  nach 
NO.  etwas  abfallend,  bilden,  nnd  die  Transversalschieferung  eben- 
falls ganz  dieselbe  Lage  hat,  wie  in  dem  Griffelbruch,  ohne  dass 
jedoch  der  Schiefer  griflelig  spaltet;  er  ist  im  Gegentheil  früher 
als  Dachschiefer  gebrochen  worden.  Diese  günstigen  Aufschlüsse 
zeigen,  wie  lokal  der  Vorgang  der  Streckung  aufgetreten  sein  kann, 
und  dienen  zugleich  als  ausgezeichnete  Beispiele  für  das  auch 
sonst  oft  zu  beobachtende,  bald  plattige,  bald  griffelige  Zerfallen 


298 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


ein  und  desselben  Schiefers1).  — In  dem  zweiten  der  genannten 
Steinbrüche  ist  Faserquarzbildung  nicht  beobachtet  worden. 

Ausser  den  Krusten  und  Schwarten  mit  Markasitknollen 
kommen  in  dem  Griffelbruch,  wie  auch  sonst  so  oft  im  unteren 
Culmthonschiefer  und  auch  dem  Untersilurgriffelschiefer,  Quarzit- 
sphäroide  (»Kälber«)  vor,  deren  grösster,  natürlich  in  der  Schich- 
tung liegende  Durchschnitt  bis  1 Meter  erreichen  kann;  sie  ent- 
halten zahlreich  eingesprengte  Pyritwürfel.  Sie  werden  von  zahl- 
reichen Quarzadern,  resp.  -lamellen  und  -platten  durchsetzt,  welche 
grossentheils  ein  paralleles  System,  normal  zur  grössten  Durch- 
schnittsfläche bilden,  doch  finden  sich  auch  vielfach  solche  in  ganz 
unregelmässiger  Lage  und  Verwachsung;  allem  Anschein  nach  sind 
diese  Quarzmassen  als  secundäre  Ausfüllungen  von  Rissen  zu  be- 
trachten, welche  bei  der  mechanischen  Beanspruchung  des  Gesteins, 
bez.  dem  Streckungsvorgang  entstanden2). 

Die  durch  Streckungsvorgänge  hervorgerufene  Griffel-  und 
Faserstructur,  die  wir  in  den  letzten  Abschnitten  kennen  gelernt 
haben,  ist  eine  besondere  Art  der  » linearen  Parallelstructur  «3). 
Als  sehr  verwandt  mit  dieser  Art,  als  eine  nur  leichte,  unvoll- 
kommene Streckung;  glaubten  wir  die  feine  Fältelung  mancher 
Schieferungsflächen  ansehen  zu  können.  Keineswegs  jedoch  ist 
bekanntlich  alle  vorkommende  lineare  Parallelstructur  auf  diese 
Weise  entstanden.  Mitunter  ist  sie  ursprünglich4);  und  zu  dieser 

Q Auch  in  der  Nähe  von  Lichtenhain  (NO.- Winkel  von  Section  Spechtsbrunn) 
wird  der  untere  Culmthonschiefer  in  einigen  Brüchen  als  Griffelmaterial,  nahe 
dabei  aber  als  Dachschiefer  gewonnen. 

2)  Wenigstens  die  dünneren  dieser  Quarzadern  zeigen  Faserstructur,  oder 
stengelige  Structur,  quer  zu  ihrer  Längenausdehnung.  Der  Quarz  ist  auch  viel- 
fach mit  einem  eisenhaltigen  Carbonat  verwachsen.  Die  Adern  keilen  sich  oft 
innerhalb  des  Sphäroids  aus;  sehr  viele  setzen  aber  ganz  durch,  sind  jedoch  nach 
dem  Innern  des  Sphäroids  dicker  als  am  Rand.  Bei  sehr  vielen  trifft  es  zu, 
dass  sie  quer  zu  der  oben  angegebenen  Streckrichtung  stehen.  — Die  Pyritwürfel, 
welche  dem  Quarzitsphäroid  eingesprengt  sind,  zeigen  sehr  gewöhnlich  eine  zonale 
Anordnung,  conform  der  äusseren  Oberfläche  und  näher  an  dieser  als  an  der 
Mitte  des  Sphäroids. 

3)  Vergl.  Naumann,  Lehrb.  d.  Geognosie,  II.  Aull.,  Bd.  I,  p.  432  ff. 

4)  Yergl.  Naumann,  1.  c. 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge. 


299 


letzteren  dürfen  wir  auch  sehr  wahrscheinlich  die  feine  parallele 
Runzeln ng  oder  Fältelung  rechnen,  die  anf  den  Schichtoberflächen 
mancher  Schiefergesteine,  z.  B.  der  mit  feiner  phyll  bischer  Sub- 
stanz überzogenen,  unterdevonischen  Nereitenquarzite  vorkommt1). 
Noch  etwas  anders  ist  vielleicht  die  lineare  Parallelstructur  der 
Phyllite  und  Qnarzphyllite  zu  beurtheilen;  die  genannte  Structur 
offenbart  sich  bei  diesen  Gesteinen  darin,  dass  die  feinen  Phyllit- 
lamellen,  ganz  abgesehen  von  ihrem  innigen  Anschmiegen  an  die 
Unebenheiten  der  körnigen  Gemengtheile  (Quarz  und  Feldspath 
z.  Th.),  durch  die  ganze  Masse  des  Gesteins  hindurch,  soweit  man 
auch  durch  Spalten  eindringt,  eine  in  derselben  bestimmten  Rich- 
tung verlaufende  Fältelung  zeigen.  Es  erscheint  sehr  fraglich,  oh 
hier  in  dem  Maasse  Streckungsvorgänge  anzunehmen  sind,  als 
jene  Structur  verbreitet  ist;  die  Verbreitung  derselben  ist  bei  diesen 
Gesteinen  sehr  gross,  ohne  dass  griffeliges  oder  stengeliges  Zer- 
fallen, welches  man  von  Streckungsvorgängen  ableiten  könnte,  sich 
sehr  auffällig  zu  erkennen  gäbe.  Streckung  mag  hie  und  da  nicht 
ausgeschlossen  sein,  im  Uebrigen  aber  diese  lineare  Parallelstruc- 
tur  doch  wohl  nur  auf  einen  äussersten  Grad  von  Eng-  und  Ivlein- 
faltung  durch  Seitendruck  hinauskommen,  welche  durch  die  be- 
sondere mineralisch -physikalische  Beschaffenheit  dieser  Gesteine 
begünstigt  wurde. 


Bewegungen  und  ieobifdungen  längs  Schichtflächen. 

Es  ist  bekannt,  dass  sich  auf  gewissen,  durch  Quetschungen 
oder  Pressungen  erzeugten  Sprüngen  oder  Ablösungsflächen  der 
Schiefergesteine  öfters  durch  Verschiebung  bewirkte  Streifen  und 
andererseits  auch  secundäre  Bildungen  von  Quarz  und  einem 
Glimmermineral,  letzteres  als  zusammenhängender  Ueberzug  vor- 
finden; Bildungen,  die  von  den  primären  Quarzlagen  oder  auch 
-trümern  zu  unterscheiden  sind  und  wahrscheinlich  in  dem  Maasse 
sich  ausbildeten,  als  die  Ablösungsflächen  oder  Klüfte  sich  ver- 


) Vergl.  Gümbel,  Geog.  Beschreib,  d.  Fiektelgeb.  p.  645. 


300 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


grösserten.  Derartigen  Vorkommnissen  begegnet  man  auch  hie 

o o o o 

und  da  in  den  thüringischen  Schiefergesteinen.  Die  gedachten 

O Ö Ö 

Flächen  liegen  meist  in  einer  besonderen  Richtung,  abweichend 
von  Schichtung  und  Schieferung,  und  zeigen  eben  hierdurch  die 
Selbständigkeit  besonderer  Druckwirkungen,  unabhängig  von  dem 
transversal  schieferndem  Drucke  an , wie  wir  schon  wiederholt 
Gelegenheit  hatten  zu  bemerken. 

Weniger  häufig  vielleicht  sind  Verschiebungen  und  Neubil- 
dungen der  genannten  Art  aufSchichtungsflächen  beobachtet 
worden.  Gerade  hierfür  fanden  sich  in  unserem  Schiefergebirge 
einige  sehr  deutliche  Beispiele,  bei  welchen  secundäre  Quarz- 
krusten und  Parallelstreifung  in  der  Richtung  der  Bewegung  zu- 
sammen  auftretend  zu  sehen  war.  Ein  besonders  günstiger  Auf- 
schluss derart  ergab  sich  gelegentlich  im  Griffelbruch  am  Fellberg 
bei  Steinach,  demselben,  aus  welchem  die  Faserquarzbildung  an 
den  Markesitknollen  beschrieben  wurde.  Eine  durch  den  Betrieb 
freigelegte  Schichtfläche  war  mit  einer  1 — 2 Centimeter  starken 
Quarzkruste  von  augenscheinlich  secundärer  Entstehung  überzogen; 
die  Kruste  zeigte  durch  und  durch  eine  parallelstengelige  oder 
grobfaserige  Textur,  nebst  Verwachsung  mit  einem  in  höchst  ge- 
ringer Menge  vorhandenen,  fein  faserigen  Mineral  (?  Gümbelit). 
Die  durch  die  Lage  der  Faserung  angezeigte  Bewegungsrichtung 
war  eine  andere  als  diejenige,  nach  welcher  die  Streckung  und 
Griffeluug  des  Schiefers  stattgefunden  hatte,  und  es  zeigt  sich 
somit  auch  hier,  dass  nach  verschiedenen  Richtungen  und  wohl 
zu  verschiedenen  Zeiten,  Schiebungen  und  Bewegungen  in  der 
Gesteinsmasse  erfolgt  sein  müssen.  \ In  einem  anderen  hierherge- 
hörigen Fall,  welcher  auf  der  Oberfläche  einer  Thonschieferschicht 
im  oberen  Culm,  unweit  Steinach,  beobachtet  wurde,  war  der 
Quarz  der  betreffenden  Kruste  durchaus  mit  feiner  Thonschiefer- 
masse verwachsen  und  das  Ganze  durch  und  durch  parallel  ge- 
streift, so  dass  es  aussah,  als  wenn  in  dem  Maasse,  als  die  schie- 
bende und  reibende  Beweguung  langsam  voranschritt  und  Thon- 
schiefertheilchen  abtrennte,  Quarz  sich  ansiedelte,  mit  letzteren 
verwuchs,  und  zugleich,  durch  den  Härteunterschied  der  beiderlei 
Substanzen  bedingt,  die  Streifung  und  Riefung  zu  Stande  kam. 


301 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge. 

Solche  Neubildungen  zwischen  ursprünglich  dicht  zusaminenliegen- 
den  Flächen  beanspruchen  offenbar  zu  ihrem  Zustandekommen 
einen  gewissen  Raum,  und  es  ist  deshalb  anzunehmen,  dass 
während  ihrer  Entstehung  ein  so  starker  Druck,  wie  z.  B.  dei', 
welcher  der  Schieferung  und  Streckung  zu  Grunde  liegt,  nicht 
bestanden  habe,  nämlich  nicht  in  der  Richtung  normal  zu  den 
betreffenden  Flächen. 


Wir  haben  hier  jene  Systeme  von  Absonderungsflächen  im 
Auge,  welche  meist  nach  1 bis  3 unter  sich  annähernd  parallelen 
Lagen  geordnet  in  der  Gebirgsmasse  der  Schieferschichten  sich  in 
ebenso  durchgreifender  Weise  allenthalben  geltend  machen,  wie 
jene  anderen  Absonderungen,  die  der  ursprünglichen  Schichtung, 
und  jene,  die  der  secundären  Schieferung  entsprechen.  In  der 
Thal  ist  diese,  auch  sonst  so  gewöhnliche  und  bekannte  Klüftung, 
oder  Parallelklüftung,  in  unserem  Schiefergebirge  ebenso  verbreitet, 
wie  die  Transversalschieferung,  wenn  sie  auch,  wie  letztere,  nicht 
durchweg  mit  gleicher  Deutlichkeit  und  Schärfe  ausgeprägt  ist; 
sei  es , dass  solche  Unterschiede  schon  aus  der  Zeit  ihrer  Ent- 
stehung herrühren,  oder,  wie  wahrscheinlich,  durch  spätere  mecha- 
nische Einwirkungen,  Zerrüttungen,  Dislocationen  und  gegenseitige 
Verschiebungen  einzelner  Theile  des  Gebirgskörpers  gegen  einander 
noch  vergrössert  wurden. 

In  ihrer  typischen  Ausbildung  schneiden  die  Kluftflächen 
scharf  und  unbekümmert  um  Schichtung  und  Schieferung  durch 
den  Gebirgskörper  hindurch1);  die  Masse  beiderseits  ist  dann 

In  den  Griffel-  und  Dachschieferbrüchen  werden  manchmal  grössere  Kluft- 
flächen freigelegt,  die  etwas  abgetreppt  aussehen;  es  scheint,  dass  dies  durch  ein 
sich  Verlieren  einer  Kluft  und  Abspringen  ihrer  Fortsetzung  mit  Beibehaltung 
der  Richtung  zuwege  gebracht  wurde,  in  ähnlicher  Weise  wie  manchmal  eine 
Verwerfung  sich  verliert  und  rechts  oder  links  in  derselben  Richtung  laufend, 
wieder  einsetzt.  Mitunter  verlaufen  solche  grössere  Kluftflächen  auch  etwas  wind- 
schief statt  eben. 

ln  den  Lehestener  Dachschieferbrüchen  bezeichnet  man  die  Absonderungs- 
flächen der  Parallel klüftung  treffend  als  »Schnitte«. 


302 


H.  Loretz,  über  Transversalschieferung 


durch  Verwitterung  oder  sonst  chemisch  so  gut  wie  nicht  verändert, 
und  meist  auch  nicht  verschoben,  auf  der  Kluftfläche  selbst  finden 
sich  höchstens  nur  dünne  Lagen  von  Neubildungen,  wie  Oxyd- 
hydrate und  Quarz.  In  den  Dachschiefer-  und  Griffelbrüchen 
sind  diese  Klüfte  dem  Abbau  ungemein  nützlich,  wenn  sie  nicht 
zu  gedrängt  auf  einander  folgen.  In  letzterer  Hinsicht,  mit  anderen 
Worten,  in  der  Zahl  der  Ablösungen  auf  eine  gewisse  Länge 
normal  zur  Kluftrichtung  herrscht  allerdings  sehr  grosse  Mannicli- 

O Ö O 

faltigkeit. 

W as  nun  die  Richtung  oder  Orientirung  der  Klüftung  be- 
trifft,  so  ist  zunächst  zu  bemerken,  dass  in  der  Regel  mehr  als 
ein  System,  meist  2 bis  3 Systeme,  je  unter  sich  paralleler  oder 
beiläufig  paralleler  Klüfte  vorhanden  sind,  welche  jedoch  an  Deut- 
lichkeit und  Schärfe  der  Ausbildung  unter  sich  keineswegs  gleich 
zu  sein  pflegen;  gewöhnlich  dominirt  ein  System  und  macht  sich 
als  Hauptkluftrichtung  geltend,  neben  welcher  strichweise  auch 
wohl  noch  ein  zweites  System  zu  annähernd  gleicher  Ausbildung 
gelangt  ist.  Auf  Grund  sehr  zahlreicher  Beobachtungen  kann  nun 
behauptet  werden,  dass  für  unser  Gebiet  durch  alle  Schiefersysteme 
hindurch,  von  den  ältesten  bis  zu  den  jüngsten,  oder  von  der 
phyllitischen  Gruppe  bis  in  den  Culm,  das  Hauptklufstystem  das- 
jenige ist,  welches  quer  zur  allgemeinen,  nordöstlichen  Streich- 
richtung der  Schichten  und  Falten  läuft,  dessen  Streichen  also  im 
Allgemeinen  SO. — NW.  ist.  Dabei  zeigt  jedoch  die  Lage  dieser 
Hauptkluftrichtung  durchaus  nicht  jenen  Grad  von  Constanz, 
welcher  der  Transversalschieferung  eigen  ist,  sondern  ihre  Streich- 
linie weicht  bald  nach  der  einen,  bald  nach  der  anderen  Seite, 
bald  mehr,  bald  weniger  von  der  reinen  SO. — NW. -Linie  ab; 
ähnlich  verhält  es  sich  bezüglich  des  Grades  des  Einfallens,  welches 
zwar  in  der  Regel  steil  bis  sehr  steil,  öfters  saiger  ist,  dabei  aber 
strichweise  nach  SW.,  dann  wieder  nach  NO.  geneigt  ist,  und 
mitunter  auch  wohl  flacher  werden  kann;  sogar  in  nächster  Nähe 
können  in  den  genannten  Beziehungen  Schwankungen  stattfinden, 
so  dass  der  Parallelismus  der  zu  diesem  System  gehörigen  Klüfte 
nicht  allenthalben  sehr  ausgeprägt  ist.  Immerhin  tritt  dieses 
NW. — SO.  orientirte  Kluftsystem  entschieden  als  das  dominirende 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  303 


auf.  Das  zweite  und  noch  mehr  das  dritte  derartige  System 
machen  sich  neben  dem  ersten  meisthin  nur  untergeordnet  geltend, 
und  zeigen  dabei  auch  in  sich  selbst  noch  etwas  weniger  Regel- 
mässigkeit;  bezüglich  ihrer  Orientirung  zum  ersten  lässt  sich  kein 
durchgreifendes  Cfesetz  aufstellen.  Oefters  liegt  neben  der  Haupt- 
klüftung auch  noch  die  Streichlinie  einer  zweiten  Klüftung  in  dem 
Quadranten  NW.  oder  SO. 

So  wie  die  Klüftung  uns  entgegentritt,  in  der  Schärfe  und 
Deutlichkeit  des  Durchschneidens  durch  das  Gestein,  kann  sie  nur 
an  einem  völlig  festen  und  versteiften  Materiale  entstanden  sein, 
welches  Faltungs-  und  Schieferungsvorgänge  schon  durchgemacht 
hatte,  wenigstens  darf  dies  von  der  vollkommeneren  Parallelklüftung 
behauptet  werden.  Unter  den  verschiedenen  Theorien  oder  An- 
schauungen über  das  Wesen  der  Parallelklüftung  dürfte  wohl  die 
Daubree  'sehe  am  meisten  für  sich  haben.  — Zu  unterscheiden 
sind  von  der  Parallelklüftung  bekanntlich  jene  weniger  zahlreichen, 
meist  unregelmässiger  verlaufenden  Klüfte,  an  denen,  ganz  im 
Gegensatz  zu  jener,  Rutschungen  und  gegenseitige  Verschiebungen 
grösserer  Gesteinskörper,  verbunden  mit  Zerrüttung  und  chemischer 
Zersetzung  des  anstossenden  Gesteins,  stattgefunden  haben,  so  dass 
die  benachbarten  Partieen  nicht  mehr  ganz  zusammen  passen,  und 
sich  nicht  selten  nach  dem  Gestein  und  dessen  Zustand  etwas 
unterscheiden;  obschon  sehr  verbreitet,  sind  solche  Klüfte  gewöhn- 
lich nur  an  grösseren  Aufschlüssen,  z.  B.  in  Steinbrüchen,  deut- 
licher zu  beobachten;  sie  bilden  schon  den  U ebergang  zu  den 
grossen  Dislocationsflächen  und  Verwerfungen,  an  denen  sich  ganze 
Gebirgstlieile  verschoben  haben. 


304 


H.  Loketz,  über  Transversalschieferang 


Inhalt. 


Seite 

Vorbemerkungen.  Gebiet.  Transversalschieferung.  Lineare  Streckung. 

Der  Eintritt  der  Schieferung  in  seinem  Verhältniss  zu  anderen  Wir- 
kungen desselben  im  Allgemeinen 258 

Auftreten  der  Transversalschieferung  im  thüringischen  Schiefer- 
gebirge im  Allgemeinen.  Mit  der  Schieferung  verbundene  Erschei- 
nungen. Verschiebende  Bewegungen  in  der  Ebene  der  Transversal- 
schieferung, Fältelung  auf  Schieferungsflächen,  Verwerfungen  in  der 
Richtung  der  Schieferung.  Ungleichheiten  im  Auftreten  derselben  . . 262 

Auftreten  der  Transversalschieferung  bei  den  einzelnen  Systemen. 
Transversalschieferung  bei  den  Phylliten  und  Quarzphylliten ; gefaltete 
Quarzbänder  der  letzteren.  Transversalschieferung  bei  den  cambrischen 
Thonschiefern  und  Quarziten.  Dieselbe  bei  den  sibirischen  Schichten, 
besonders  den  Untersilurthonschiefern.  Dieselbe  bei  den  devonischen 
Schichten , besonders  den  Knotenkalken  des  Oberdevon.  Dieselbe  bei 
den  unteren  und  oberen  Culmschiehten.  Rückblick 264 

Richtung  und  Lage  der  Transversalschieferung.  Abweichung  der 
Streichlinie  der  Transversalschieferung  von  der  der  Schichtung.  Ein- 
fallsrichtung der . ersteren.  Orientirung  der  Transversalschieferung  in 
der  Gegend  von  Gräfenthal  etc.  Bemerkungen  dazu 278 

Der  untersilurische  Griffelschiefer  und  seine  lineare  Streckung. 

Allgemeines  über  den  Griffelschiefer  und  seine  Structur.  Einlagerung  von 
Schwefeleisenknollen  und  -concretionen  und  Quarzitspharoiden.  Faser- 
quarz und  Gümbelit  an  den  Schwefeleisenknollen.  Das  Vorkommen 
dieser  Bildungen  im  Griffelbruch  am  Fellberg'  bei  Steinach  näher  be- 
schrieben. Erklärung  der  secundären  Entstehung  des  Faserquarzes 
unter  dem  Streckungs Vorgang.  Verwandte  Bildungen,  Richtung  der 
Streckung  oder  Griffellage  zusammenfallend  mit  der  Durchschnittslinie 
von  Schichtung  und  Transversalschieferung.  Erklärungsversuch.  Wesen 
der  linearen  Streckung.  Grösse  der  Verschiebung  benachbarter  Theilchen 
hierbei.  Ansehen  im  mikroskopischen  Bild,  nach  Gümbel.  Technische 
Herstellung  der  Schreibgriffel 281 

Sonstige  Griffelschiefer  und  griffelig  zerfallende  Schiefer  des 
thürin  g.  Schiefergebirges.  Griffelartiges  Zerfallen  überhaupt.  Das- 
selbe auch  ohne  Streckungsvorgänge.  Gestreckte  Griffelschiefer  im 
untern  Culm,  speciell  im  Griffelbruch  bei  Haselbach.  Quarzitsphäroide 
dieses  Griffelschiefers;  lokales  Auftreten  desselben.  Lineare  Parallel- 
structur  überhaupt 295 


und  verwandte  Erscheinungen  im  thüringischen  Schiefergebirge.  305 


Seite 

Bewegungen  und  Neubildungen  längs  Schichtflächen.  Beispiele  . . 299 

Parallelkliiftung.  Auftreten  und  Eigenschaften  derselben.  Lage  der  Klüf- 
tungsrichtungen im  thüring.  Schiefergebirge.  Sonstiges  auf  Klüftung- 
bezügliches  301 


Erklärung  der  Figuren. 

Fig.  1.  Felsen  des  oberdevonischen  Knotenkalkes,  transversal  geschiefert. 

Thal  SW.  hei  Steinach  (Section  Steinheid).  Schichtung  in  der 
Richtung  von  unten  nach  oben,  Schieferung  in  der  Richtung  von 
links  unten  nach  rechts  oben.  — Natürliche  Höhe  ca.  5 — 6 Meter. 
— Zu  Seite  273. 

Fig.  2.  ca.  V6  der  natürlichen  Grösse.  — Ein  Stück  von  Figur  1 in 
derselben  Stellung,  tr-  Richtung  der  Transversalschieferung.  Die 
Reihen  der  (jetzt  ausgewitterten)  Kalkknollen  sind  durch  die 
Schieferung  hie  und  da  ein  wenig  verschoben,  im  Ganzen  aber 
noch  gut  erhalten  und  auch  die  einzelnen  Knollen  mit  ihrer 
Längsrichtung  noch  in  der  alten  Lage.  — Zu  Seite  274. 

Fig.  3.  Ys  der  natürlichen  Grösse.  — Theil  eines  Handstückes  von  der- 
selben  Localität,  in  derselben  Lage.  — Zu  Seite  274. 

Fig.  4.  Y21  der  natürlichen  Grösse.  — Stück  einer  aus  einzelnen  Theil- 
stücken  zusammengesetzten  Kalkplatte  (Kalkknollenlage),  wie  sie 
an  der  oberen  Grenze  des  Oberdevon  zwischen  Thonschiefer 
liegen,  von  oben  gesehen.  — Bei  Steinach.  — Zu  Seite  275. 

Fig.  5.  Y25  der  natürlichen  Grösse.  — Dieselbe  Kalklage,  wie  in  Fig.  4, 
an  einer  anderen  Stelle  gesehen,  wo  sie  durch  die  Transversal- 
schieferung in  ihre  einzelnen  knollenförmigen  Theilstücke  auf- 
gelöst ist.  — tr- Richtung  der  Transversalschieferung.  — Zu 
Seite  275. 

Fig.  6.  ca.  Y40  der  natürlichen  Grösse.  — Unterdevonischer  Tentaculiten- 
Knollenkalk,  transversal  geschiefert  ss- Schichtung,  welche  nach 
SSO.  sehr  steil  einfällt,  tr- Transversalschieferung,  welche  nach 
WNW.  steil  einfällt.  Die  breiteren  Streifen  sind  Kalk,  die 
schmäleren  Thonschiefer.  Bei  Gräfenthal.  — Zu  Seite  272. 


20 


306  H.  Loretz,  über  Transversalschieferung  und  verwandte  etc. 

Fig.  7.  ca.  Vio  der  natürlichen  Grösse.  — Ansicht  eines  Stückes  einer 
Schichtfläche  im  grossen  Griffelbruch  am  Fellberg  bei  Steinach; 
auf  derselben  liegen  zahlreiche  zu  Rotheisen  verwitterte  Markasit- 
knollen, an  deren  Enden  sich  Faserquarzbüschel  in  der  Richtung 
der  Streckung  oder  Griffellage  — ab  — angesetzt  haben.  (Die 
Faserquarzbüschel  sind  z.  Th.  etwas  zu  lang  gezeichnet.)  — Zu 
Seite  285. 

Fig.  8a  und  -b.  Natürliche  Grösse.  — Ein  kleiner  und  ein  Fragment 
eines  grösseren,  zu  Eisenoxyd  verwitterten  Schwefeleisenknollen 
von  Fig.  7;  der  kleinere  von  aussen  gesehen,  der  grössere  durch- 
brochen. m- Markasit,  /-Faserquarz  (zum  Theil  mit  Gümbelit), 
t h - Thonschiefer.  — Zu  Seite  285. 


in  Osttliüringen. 

Von  Herrn  E.  Dathe  in  Berlin. 


Die  paläozoischen  Formationen  des  Fichtelgebirges,  des  öst- 
lichen Thüringens  und  des  Vogtlandes  zeigen  in  ihrer  Ausbildung, 
sowohl  in  petrographischer  und  paläontologischer , als  auch  in 
strati  graphischer  Hinsicht  grosse  Ueb  er  ein  Stimmung.  Diese  Gleich- 
heit oder  wenigstens  Aehnlichkeit  besteht  nicht  nur  in  den  sedi- 
mentären Gesteinen  und  ihrer  Petrefactentulirung,  wenn  auch  der 
Charakter  beider  sich  local  zuweilen  ändert,  sondern  bekundet  sich 
auch  in  der  petrographischen  Beschaffenheit  der  mit  ihnen  verge- 
sellschafteten Eruptivgesteine.  Dass  die  basischen  Eruptivgesteine, 
namentlich  die  Diabase,  sobald  sie  gleichalterig , also  als  Lager 
zwischen  bestimmten  Formationsstufen  eingeschaltet  sind,  auch  in 
den  meisten  Fällen  in  ihrer  Zusammensetzung  und  Structur  über- 
einstimmen, ist  ein  wichtiges  Resultat,  das  die  Untersuchungen 
von  Gümbel  und  Liebe  zu  Tage  gefördert  haben  und  dessen 
Richtigkeit  ich  nach  meinen  bisherigen  Erfahrungen  voll  bestätigen 
kann.  Gümbel  gründet  bekanntlich  auf  diese  von  mancher  Seite 
noch  nicht  recht  gewürdigten  Thatsaclien  seine  Eintheilung  der 
Grünsteine,  der  Diabase  und  der  Diorite.  So  sind  beispielsweise 
gewisse  porpliyrische  Diabase  (Proterobase)  von  cambrischem,  die 
Paläopikrite  von  unterdevonischem  und  die  Kalkmandeldiabase  von 
oberdevonischem  Alter. 


20* 


308 


E.  Dathe,  Diabas  im  Culm  bei  Ebersdorf  in  Ostthüringen. 


Die  Eruption  der  Diabase  wird  in  den  genannten  Gebieten 
von  beiden  Forschern  mit  der  Ablagerung  des  Oberdevon  als  ab- 
geschlossen betrachtet  und  das  Auftreten  von  ächten  körnigen 
Diabasen  in  der  nächst  jüngeren  Formation,  dem  Culm  verneint. 
Gümbel1)  schreibt  darüber:  »Eigentliche  Diabasgesteine  durch- 
brechen selbst  die  tiefsten  Culmlagen  nicht  mehr  und  es  sind  nur 
schmale,  stets  in  Gängen  aufsetzende  glimmerreiche  Gesteine,  die 
als  Lamprophyr  von  dem  Diabas  abgeschieden  wurden.  Tuffe  oder 
Schalsteine  sind  damit  nirgends  verbunden.«  Aelmlich  spricht 
sich  Liebe2)  aus,  wenn  er  sagt:  »Am  Ende  der  Devonzeit  fanden 
die  mit  Eruptionen  von  Kalkdiabasen  zusammenhängenden  Bil- 
dungen der  so  mächtigen  hangenden  Diabasbreccien  statt  — die 
letzten  Ergüsse  von  Grünstein  im  Gebiet.« 

Die  Kartirung  der  Section  Lobenstein  im  südöstlichen  Thürin- 
gen, womit  ich  im  Jahre  1881  beschäftigt  war,  hat  indess  ergeben, 
dass  der  obige  Erfahrungssatz  zwar  im  Allgemeinen  seine  Richtig- 
keit  hat,  dass  jedoch  auch  ächter  körniger  Diabas  noch  in  der 
Culmformation  gangförmig  aufsetzen  kann,  wie  dies  in  der  Gegend 
von  Ebersdorf  bei  Lobenstein  thatsächlich  der  Fall  ist.  Die  Be- 
gründung dieser  Behauptung  soll  in  den  folgenden  Zeilen  in  der 
Weise  geschehen,  dass  zunächst  die  geologischen  Verhältnisse  des 
Schiclitencomplexes,  in  welchem  das  Gestein  zur  Eruption  gelangt 
ist,  kurz  beschrieben  werden;  sodann  soll  die  petrographische  Be- 
schaffenheit der  Felsart  noch  in  Betracht  gezogen  werden. 

Die  Gesteine,  welche  die  Culmformation  in  der  Gegend  von 
Ebersdorf  aufbauen,  sind  Thonschiefer,  sogenannte  Grauwacken 
und  Adinolschiefer.  Ein  einziges  Mal,  nordöstlich  von  Ebersdorf 
an  der  Chaussee  nach  Saalburg  (Section  Hirschberg),  wurden  im 
untersten  Niveau  auch  dünne  Lagen  von  Kieselschiefer  im  Culm- 
thonschiefer  beobachtet.  Die  Thonschiefer  sind  von  grauschwarzer 
Farbe,  haben  matten,  wenig  schimmernden  Bruch  und  geringe 
Härte  und  sind  für  das  unbewaffnete  Aime  höchst  feinkörnig. 
Durch  Beimengung  von  zahlreichen  und  bis  hirsekorngrossen 

*)  Geognost.  Beschreibung  des  Fichtelgebirges,  pag.  528. 

2)  Die  Seebedeckungen  Ostthüringens,  pag.  10. 


E.  Dathe,  Diabas  im  Culm  bei  Ebersdorf  in  Osttluiringen. 


309 


Quarzkörnern  in  bestimmten  Lagen  entstehen  sandige  gebänderte 
Schiefer,  welche  in  reicher  Abwechselung  ausgebildet,  den  Ueber- 
gang  in  die  unter  dem  Namen  Grauwacke  zusammengesetzten 
Gesteine  vermitteln.  Die  Schichtung  des  Thonschiefers  ist  oft 
durch  die  transversale  Schieferung,  welche  die  erstere  unter  ver- 
schiedenen Winkeln  schneidet,  verdeckt.  Die  Grauwacken  lassen 
sich  in  Sandsteine  und  Conglomerate  trennen,  und  besteht  das 
klastische  Material  der  letzteren  ausser  einem  bestimmten  Antheil 
von  Schiefermaterial  ans  Bruchstücken  und  Gerollen  von  Kiesel- 
schiefer, Quarzit,  Feldspath,  Quarz  und  mancherlei  älteren  Schiefer- 
gesteinen. Die  Adinolschiefer,  wie  solche  am  Gallenberge  bei 
Lobenstein,  bei  Schönborn  und  Unterlemnitz  ausgebildet  sind,  ge- 
hören immer  dem  tiefsten  Niveau  der  Culmformation  in  dieser 
Gegend  an  und  sind  wohl  als  aequi valente  Bildungen  der  Culm- 
kieselschiefer  zu  betrachten.  Thonschiefer  und  Grauwacken,  ebenso 
Thonschiefer  und  Adinolschiefer  sind  durch  vielfache  Wechsellage- 
rung mit  einander  verbunden;  dabei  sind  namentlich  die  grob- 
körnigen Grauwacken  (Sandsteine)  in  höheren  Stufen  regelmässiger 
anzutreffen. 

Die  Verbreitung  und  Lagerungsverhältnisse  des  als  Culm  be- 
zeichneten  Schiefersystems  in  der  Umgebung  von  Ebersdorf  sind 
aber  folgende.  Im  nordöstlichen  Theile  der  Section  Lobenstein 
— Ebersdorf  liegt  auf  der  Grenze  zwischen  den  Sectionen 
Lobenstein  und  Hirschberg  — herrschen  die  durch  Wechsel- 
lagerung von  Thonschiefern  und  Grauwacken  charakterisirten 
Culmschichten,  aus  denen  in  schmalen  Streifen  an  etlichen  Punkten 
oberdevonische  Schichten  und  zwar  Knotenkalke,  Kalkdiabase, 
Diabastuffe  und  gelblichgraue  Schiefer  (Cypridinenschiefer?)  her- 
vortreten. Culm  und  an  einigen  Stellen  Oberdevon  greifen  bei 
Lobenstein  discordant  auf  eine  grosse  Strecke  in  der  Richtung 
von  SO.  nach  NW.  über  camb rische  Schichten;  zwischen  Culm 
und  den  oberdevonischen  Schichten  ist  in  der  betreffenden  Gegend 
jedoch  eine  gleichförmige  Ueberlagerung  zu  constatiren.  Oestlich 
von  Lobenstein  und  Ebersdorf  gelangt  man  bald  an  die  Grenze 
der  Culmformation,  welche  auf  das  Oberdevon  daselbst  gleichfalls 
in  concordanter  Stellung  folgt.  Die  Grenzlinien  zwischen  beiden 


310 


E.  Dathe,  Diabas  im  Culm  bei  Ebersdorf  in  Ostthüringen. 


Formationen  hält  beinahe  eine  rein  südnördliche  Richtung  ein  und 
fällt  dieselbe  bereits  in  dem  grössten  Theile  ihres  Verlaufes  auf 
die  östlich  anstossende  Section  Hirschberg.  Nördlich  von  Ebers- 
dorf und  der  Section  Lobenstein  nimmt  die  Verbreitung  der  Culm- 
formation  zu  und  scheint  dieselbe  sich  über  den  grössten  Theil 
der  Section  Liebengrün  auszubreiten.  — 

Da  nun  einerseits  wohl  charakterisirte  Schiefergesteine,  die 
mit  solchen  aus  bekannten  versteinerungsführenden  Culmschichten 
Ostthüringens  übereinstimmen,  vorhanden  sind,  andererseits  auch 
direct  gleichförmige  Lagerung  über  oberdevonischen  Schichten 
zu  beobachten  ist,  so  ist  es  wohl  über  allem  Zweifel  erhaben,  dass 
die  Schichten  von  Ebersdorf  zur  Culmformation  und  zwar  zu 
deren  unteren  Abtheilung  gehören. 

Die  grosse  horizontale  Verbreitung  der  Formation  in  diesem 
Bezirk  lässt  aut  den  ersten  Blick  eine  bedeutende  Mächtigkeit  der- 
selben vermuthen;  indess  ist  dies  nur  scheinbar  der  Fall.  Die 
öftere  Wiederkehr  von  gewissen  Culmgrauwacken  und  der  Adinol- 
schiefer  an  verschiedenen  nicht  im  Streichen  liegenden  und  von 
einander  ziemlich  entfernt  auftretenden  Punkten,  drängt  zu  der 
Annahme,  dass  die  Culmschichten  der  Gegend  von  Lobenstein- 
Ebersdorf  zu  zahlreichen  Sätteln  und  Mulden  zusammengeschoben 
sind.  Durch  diesen  Umstand  und  die  starkwirkende  Erosion  ist 
zugleich  die  Blosslegung  von  den  oben  erwähnten  oberdevonischen 
Schichten  leicht  erklärlich.  Das  durchschnittliche  Streichen  der 
Culmschichten  verläuft  von  SW.  nach  NO. 

Westlich  von  Ebersdorf  wurden  in  den  beschriebenen  Culm- 
schichten bei  der  Kartirung  der  Gegend  zuerst  grosse  und  zahl- 
reiche Diabasblöcke  nördlich  vom  Dorfe  Schönborn  aufgefunden, 
die,  wie  die  weiteren  Untersuchungen  an  Ort  und  Stelle  ergaben, 
einem  dort  aufsetzenden,  meist  aber  oberflächlich  zu  einem  gelb- 
lichen Lehm  verwitterten  Diabasgange  angehören.  Bei  einer  nach- 
gewiesenen Länge  von  circa  500  Schritt  verbreitert  sich  der  Gang 
nach  Süden  zu  bis  zu  250  Schritt.  Blöcke  desselben  Gesteins 
wurden  in  nordwestlicher  Richtung  in  der  Flur  von  Friesau,  ausser- 
dem an  drei  anderen  Punkten  ermittelt,  deren  Erstreckung  gleich- 
falls mehrere  hundert  Schritt  beträgt.  Das  nördlichste  bis  jetzt 


E.  Dathe,  Diabas  im  Culm  bei  Ebersdorf  in  Ostthüringen. 


311 


constatirte  Vorkommen  greift  noch  auf  die  nördlich  anstossende 
Section  Liebengrün  in  einer  Länge  von  500  Schritt  über  und  ist 
die  Fortsetzung  des  Ganges  in  nordwestlicher  Richtung  noch  nicht 
gänzlich  ausgeschlossen.  Die  Mächtigkeit  des  Ganges  an  den 
letzteren  Punkten  ist  augenscheinlich  nicht  beträchtlich  und  beträgt 
wohl  höchstens  1 Meter.  Südwestlich  von  Ebersdorf  wurde  das- 
selbe Diabasgestein  bei  Polilig’s  Haus  in  einem  Hohlwege  in  einer 
Breite  von  10  Metern  recht  gut  aufgeschlossen  gefunden.  Die 
Entfernung  des  bis  jetzt  bekannten  nördlichsten  und  des  südlich- 
sten Punktes  von  einander  beträgt  über  7000  Schritt,  also  beinahe 
3/4  Meilen.  Da  nun  die  fünf  Ausstriche  des  Gesteins  in  einer 
Linie  hintereinander  liegen,  welche  die  Richtung  SO. — NW.  besitzt, 
die  Culmscliichten  aber,  wie  oben  bemerkt,  NO. — SW.  streichen, 
so  gehören  sie  unzweifelhaft  einer  einzigen  Gangspalte  an,  welche 
die  Culmschichten  ziemlich  rechtwinkelig  schneidet.  Das  Alter 
des  betreffenden  Diabases  ist  demnach  jünger  als  oberdevonisch; 
doch  lässt  sich  dasselbe,  obwohl  seine  Eruption  kurz  nach  Absatz 
der  Culmschichten  wahrscheinlich  ist,  nicht  noch  näher  bestimmen; 
eine  Abgrenzung  betreffs  des  Alters  nach  oben  muss  geradezu  als 
unthunlich  bezeichnet  werden. 

Der  Diabas  erweist  sich  bereits  bei  makroskopischer  Betrach- 
tung als  ein  deutlich  körniges  Gestein,  in  welchem  die  1,0 — 1,5 
Millimeter  langen  und  schmalen  0,25 — 0,50  Millim.  breiten  Leisten 
des  Plagioklases  und  die  schwarzen  Augitkörner  gleichmässig  ver- 
theilt sind.  In  manchen  Handstücken  ist  der  Augit  auch  noch  in 
etwas  grösseren,  1 — 2 Millimeter  langen  Säulchen  spärlich  ver- 
theilt, die  im  Verhältniss  zu  den  übrigen  Gesteinsgemengtheilen 
fast  porphyrisch  hervortreten.  In  wechselnder  Menge  ist  Eisen- 
kies, theils  in  feinsten  Pünktchen,  theils  in  bis  zu  erbsengrossen 
und  kugelrunden  Körnern  eingesprengt.  Auffallend  ist  die  leichte 
Verwitterbarkeit  des  schwärzlichgrünen  Diabasgesteins.  Das  Aus- 
gehende des  Ganges  ist  überall  bis  zu  beträchtlicher  Tiefe  (bei 
Pohlig’s  Haus,  südlich  von  Ebersdorf  2 — 3 Meter)  zu  einem  gelb- 
lichbraunen Lehm  zersetzt,  in  dem  faust-  und  kopfgrosse,  aber 
auch  noch  grössere  Blöcke  zurückgeblieben  sind.  Sämmtliche 
Blöcke  sind  entweder  kugel-  oder  länglichrund.  An  ihrer  Ober- 


312 


E.  Dathe,  Diabas  im  Culm  bei  Ebersdorf  in  Ostthüringen. 


fläche  sind  sie  mit  einer  2 — 5 Centimeter  starken  Verwitterungs- 
kruste  bedeckt,  die  in  zahlreiche  2 — 3 Millimeter  dicke,  concen- 
trisch  über  einander  liegende  Schalen  zerfällt.  Manche  der  faust- 
grossen Blöcke  bestehen  lediglich  aus  der  graubraunen  V erwitterungs- 
masse,  welche  beim  Schlagen  mit  dem  Hammer  in  unzählige  Schalen- 
fragmente zerschellt.  Die  Erscheinung  der  kugeligschaligen  Ab- 
sonderung in  Folge  von  Verwitterung  und  der  Zersetzung  in  Lehm 
theilt  unser  Diabas  mit  den  gleiclialterigen  Lamprophyren. 

Von  den  Hauptgemengtheil eu  der  Felsart,  Plagioklas  und 
Augit,  überwiegt  der  erstere  den  letzteren  in  der  Weise,  dass  nach 
genauen  Schätzungen  an  Dünnschliffen  Plagioklas  und  Augit  sich 
verhalten  wie  3:2.  Die  schmalen  Plagioklasleisten  sind  theils  als 
einfache  Zwillinge , theils  als  Viellinge  vorhanden  und  letztere 
zeigen  zum  Theil  eine  Zwillingsverwachsung  nach  dem  Albit-  und 
Periklingesetz.  Nach  ihrer  chemischen  Zusammensetzung  scheinen 
die  Plagioklase  mehreren  Mischungen  anzugehören.  So  wurden 
mehrfach  einfache  Zwillinge  gemessen , welche  beiderseits  der 
Zwillingsgrenze  bei  14,  15  und  16  Grad;  andere  die  bei  4,  5 
und  2 Grad  auslöschen;  sie  werden  demnach  wohl  meistens 
der  Oligoklasreihe  zugehören.  An  anderen  Durchschnitten  ergab 
die  Messung  Werthe  von  30 — 32  Grad;  die  somit  Labrador  an- 
zeigen. 

Vollständig  frische  Krystalle  sind  wenig  zugegen;  es  macht  sich 
fast  an  allen  die  Zersetzung  und  zuweilen  iu  recht  hohem  Maasse 
bemerklich.  Die  bekannten  grauen  weisslichen  Körnchen  und 
Fäserchen,  die  bei  gekreuzten  Nicols  die  eisblumenähnliche  Structur 
zu  erkennen  geben,  siedeln  sich  auf  Spalten,  Zwilliugsebenen  bis  tief 
ins  Innere  der  Krystalle  an.  In  diesem  Gemisch,  das  vermuthlich  in 
der  Hauptsache  aus  muscovitälm liehen  Gebilden  besteht,  lassen  sich 
noch  zahlreiche  kleine  Kalkspathflimmerchen  erkennen,  welche 
sich  in  Salzsäure  leicht  lösen,  während  die  Hauptmasse  selbst  in 
heisser  Salzsäure  unverändert  bleibt.  Die  Zuführung  vou  chlo- 
ritischen  Gebilden  geschieht  namentlich  in  der  Nachbarschaft  von 
stark  zersetztem  Augit  und  häufen  sich  dieselben  besonders  in 
der  äusseren  Zone  der  Feldspatlie  an.  Eine  Bildung  von  Pistazit- 
in  den  Plagioklasen  konnte  nicht  nachgewiesen  werden. 


E.  Dathe  , Diabas  im  Culm  bei  Ebersdorf  in  Ostthüringen. 


313 


Der  Augit  ist  nie  in  wohl  umgrenzten  Durchschnitten  zu 
beobachten;  er  bildet  vielmehr  mehr  oder  minder  lange  und 
schmale  Leisten,  seltener  keilartige  oder  rundliche  Krystalldurch- 
schnitte.  Augitzwi Hinge  nach  dem  bekannten  Gesetz  und  knäuel- 
artige Verwachsungen  von  mehreren  Individuen  in  verschiedenen 
Ebenen  sind  seltener  angetroffen  worden.  Die  Augitdurchschnitte 
sind  fast  farblos  oder  sie  besitzen  einen  Stich  ins  Röthliche;  sie 
zeigen  neben  der  prismatischen  Spaltbarkeit  auch  solche  nach  der 
Längsfläche.  Die  Auslöschungsschiefe  beträgt  30 — 45  Grad.  Eine 
Verwachsung  mit  primärer  Hornblende  wurde  einige  Male  am 
Augit  wahrgenommen. 

Die  Alteration  der  Augitsubstanz  hebt  entweder  an  den  Rän- 
dern der  Durchschnitte  an,  oder  beginnt  in  der  Mitte  des  Krystalls, 
wobei  im  letzteren  Falle  die  Bildung  von  Spalten  indess  voraus- 
gegangen sein  muss.  Die  am  Augite  so  interessanten  Zersetzungs- 
erscheinunsren  schlaffen  bei  den  Culmdiabasen  verschiedene  Rieh- 

o o 

tungen  ein.  Bei  vielen  Augiten  besteht  das  erste  Stadium  der 
Umwandlung  in  der  Bildung  von  Hornblende.  Im  gewöhnlichen 
Lichte  lichtgrün,  zeigt  sie  einen  Dichroismus  zwischen  licht- 
und  dunkelgrün.  Die  Auslöschungsschiefe  der  etwas  gefaserten 
Hornblendesubstanz  beträgt  16  — 20  Grad.  Ein  Auflösen  des 
Augits  in  schilfähnliche  oder  spiessige  Hornblendenadeln,  wie  das 
sonst  hei  manchen  Diabasen  vorkommt,  fehlt.  Schreitet  die  Zer- 
setzung des  Augits  von  den  Rändern  nach  dem  Innern  fort,  so 
ist  in  der  Regel  die  neue  Zersetzungspartie  zwar  auch  wiederum 
Hornblende,  doch  deren  äussere  Randzone  zerfällt  bereits  wieder 
in  faserige  und  schuppige,  zuweilen  auch  recht  homogene  Um- 
bildungsproducte,  die  indess  die  Auslöschung  der  Hornblende  nicht 
mehr  besitzen,  sondern  parallel  der  Nicolhauptschnitte  auslöschen 
oder  Aggregatpolarisation  zeigen. 

Die  begonnene  Umbildung  des  Augits  in  Uralit  wird  somit 
auf  halbem  Wege  unterbrochen;  es  ist  in  diesem  Gestein  nie  ein 
vollständig  zersetzter  Augit  nur  aus  Hornblende  zusammengesetzt 
gefunden  worden.  Im  Gegentheil,  die  vollkommenen  Pseudomor- 
phosen  nach  Augit  zeigen  entweder  radialstrahlige , faserige  und 
schuppige  grünliche  Gebilde,  die,  da  sie  sich  meist  schon  in  kalter 


314 


E.  Dathe,  Diabas  im  Culm  bei  Ebersdorf  in  Ostthüringen. 


Salzsäure  auf  lösen,  vorzugsweise  aus  Chlorit  bestehen,  oder  sie 
sind  ein  grünliches,  ziemlich  homogenes  und  nur  wenig  gefasertes 
Mineral.  Die  Auslöschung  des  letzteren  erfolgt  parallel  seiner 
Faserung,  sein  Dichroismus  ist  schwach.  Es  wird  von  Salzsäure 
auch  nach  längerer  Behandlung,  wobei  sich  aller  Kalkspath 
und  Chlorit  gelöst  hatte,  nur  etwas  gebleicht,  aber  nicht  zer- 
setzt. Rosenbüsch1)  erwähnt  im  Kapitel  über  Diabase  diese 
Pseudomorphose  nach  Augit;  er  fügt  hinzu,  dass  sie  im  sel- 
bigen Verhältniss  zum  Augit  zu  stehen  scheine , wie  der 
Bastit  zum  Enstatit,  und  er  vermuthet  sogar  in  derselben  selbst 
Bastit.  Nach  meinen  Beobachtungen  möchte  ich  letztere  An- 
nahme für  das  Wahrscheinlichste  halten;  der  Bastit  würde  aber 
nur  ein  Zwischenstadium  für  die  weitere  Zersetzung  in  Ser- 
pentin bilden;  eine  Möglichkeit,  die  durch  das  Vorhanden- 
sein von  Pikrolith  auf  Diabasklüften  auch  makroskopisch  ge- 
stützt wird. 

Neben  den  im  Vorhergehenden  geschilderten  Zersetzungsvor- 
gängen am  Augit  ist  die  directe  Bildung  von  Chlorit  aus  dem- 
selben wohl  am  häufigsten ; sie  erfolgt  in  der  so  oft  beschriebenen 
Weise  und  liefert  faserige  und  schuppige  Chloritpartieen,  die  oft 
auch  radialstrahlig  gestellt  sind. 

Als  weitere  Producte  gehen  aus  der  Zersetzung  des  Augits 
pulverförmige  Eisenerze  (Magneteisen)  hervor,  wie  dies  von  mir 
zuerst  beschrieben  worden  ist2);  ferner  Kalkspath,  der  theils  in 
feinen  zierlichen  Flimmern  sich  zwischen  Chlorit,  Hornblende, 
Bastit?  vertheilt,  oder  in  rundlichen  Körnern  mit  Zwillingsver- 
wachsung nach  — Y 2 R.  ausgeschieden  ist.  Die  Kieselsäure,  welche 
bei  der  Augitzersetzung  frei  wird,  erscheint  entweder  in  der  Ge- 
stalt von  Quarz  in  rundlichen  oder  scharf  begrenzten  Krystall- 
durchsclmitten  ausgebildet,  oder  in  radialstrahligen , feinfaserigen 
Gebilden,  welche  bei  gekreuzten  Nicols  ein  schwarzes  Interferenz- 
kreuz geben.  Letztere  Bildung  scheint  dem  Chalcedon  anzuge- 
hören. Quarz  und  Chalcedon  sind  stets  vergesellschaftet  mit 

1)  Physiographie  der  massigen  Gesteine,  pag.  331. 

3)  Zeitschrift  der  Deutschen  geol.  Gesellschaft  1874,  pag.  14. 


E.  Dathe,  Diabas  im  Calm  bei  Ebersdorf  in  Osttliürmgen. 


315 


Kalkspath  und  Chlorit  und  ist  ihre  secundäre  Entstehung  dadurch 
bewiesen. 

Ein  geringer  Theil  von  Quarzkörnchen  in  diesen  Diabasen 
ist  aber  auch  primärer  Entstehung;  es  sind  diejenigen,  welche 
zwischen  noch  verhältnissmässig  frischen  Augiten  und  Plagioklasen 
keilförmig  eingeklemmt  sind. 

Von  den  Erzgemengtheileu  ist  neben  dem  secundären  Magnet- 
eisen Titaneisen  und  Eisenkies  zugegen.  Beide  letzteren  sind, 
da  beide  noch  recht  frisch,  schwer  zu  unterscheiden;  die  feine 
Durchlöcherung  des  Eisenkieses  giebt  jedoch  bei  der  mikroskopi- 
schen Untersuchung  hierfür  noch  einigen  Anhalt.  Eisenglanz 
kommt  zahlreich  in  wohlbegrenzten  winzigen  Blättchen  an  manchen 
Stellen  recht  häufig  vor;  es  scheint  fast,  da  ihre  Zahl  zwischen 
den  anderen  Zersetzungsproducten  des  Gesteins  sich  mehrt,  ihre 
secundäre  Entstehung  gleichfalls  wahrscheinlich  zu  sein.  Apatit 
ist  spärlich  in  den  Diabasen  des  Culms  von  Ebersdorf  vertreten. 

Die  Structur  der  Diabase  ist  eine  rein  krystalline;  denn  irgend 
welche  amorphe  Zwischenklemmungsmasse  wurde  in  denselben 
nicht  beobachtet.  Die  richtungslos  körnige  Structur  herrscht  im 
Allgemeinen  vor;  doch  macht  sich  an  manchen  Handstücken  und 
Präparaten  auch  eine  Andeutung  zur  kugeligen  Gruppirung  von 
Plagioklas  und  Augit  geltend.  Bereits  makroskopisch  spricht  sich 
das  Gefüge  dadurch  aus,  dass  namentlich  die  Plagioklase  in  stern- 
förmigen Gruppen  an  einigen  Vorkommnissen  zu  erkennen  sind. 
Besonders  charakteristisch  und  zahlreich  zeigt  diese  Aggregation 
ein  Handstück  von  Friesau,  an  welchem  1 Millimeter  lange  Feld- 
spathleisten  zu  vier-,  fünf-  und  sechsstrahligen  Sternchen  ver- 
einigt sind.  U.  d.  M.  macht  sich  das  radialstralilige  Gefüge  gleich- 
falls geltend,  indem  man  zugleich  bemerkt,  dass  Augitsäulchen 
zwischen  derartigen  mehr  oder  weniger  sternförmigen  Plagio- 
klasleisten  sich  einldemmen  und  an  der  kugeligen  Bildung  theil- 

Ö O O 

nehmen.  Manchmal  giebt  der  Augit  die  Tendenz  zu  dieser  Aggre- 
gation;  so  bildet  er  in  einigen  Präparaten  (Friesau  und  Schönborn) 
einige  Male  recht  regelmässige  vierstrahlige  Sterne,  zwischen  deren 
Strahlen  sich  Plagioklasnädelchen  und  Erzgemengtheile  einfügen. 
Die  Plagioklase  und  Augite  zeigen  nach  den  Enden,  welche  sich 


316 


E.  Dathe,  Diabas  im  Culm  bei  Ebersdorf  in  Ostthüringen. 


im  Centrum  treffen,  eine  keilförmige  Zuspitzung.  Vollendete 
Sphärolithe,  wie  sie  so  schön  bei  den  Varioliten  des  Vogtlandes, 
namentlich  in  denen  von  Wurzbach,  welche  ich  erst  neuerdings 
aufgefunden  und  demnächst  eingehender  behandeln  werde,  Vor- 
kommen, sind  es  nicht;  denn  zur  Bildung  dieser  ist  augenschein- 
lich das  Gestein  noch  zu  körnig;  doch  die  Tendenz  zu  solcher 
Bildung  ist  in  den  Diabasen  des  Culm  von  Ebersdorf  entschieden 
vorhanden. 

Die  Stellung  im  System  verweist  diese  Diabase  zu  den  Dia- 
basen schlechthin ; der  wenige  primäre  Quarzgehalt,  sowie  die  noch 
seltenere  primäre  Hornblendeführung  berechtigen  noch  nicht,  dies 
Gestein  zu  den  Proterobasen  zu  ziehen. 


Gletscliererscheiiiuugeii 

im  Frankenwalde  und  vogtländisclien  Berglande. 

Von  Herrn  E.  Dathe  in  Berlin. 


Die  Bildung  des  norddeutschen  Diluviums  hat  man  bis  in  die 
jüngste  Zeit  heran  durch  die  Drifttheorie  zu  erklären  versucht. 
Eine  Anzahl  von  wichtigen  Beobachtungen,  welche  innerhalb  der 
letzten  fünf  Jahre  in  diesem  Gebiete  gemacht  wurden,  hat  indess 
einen  Theil  der  norddeutschen  Geologen  bewogen , jene  Theorie 
aufzugeben  und  einer  neuen,  der  Glacialtheorie  sich  zuzuwenden, 
also  derjenigen  Theorie,  welche  die  Entstehung  des  nordischen, 
speciell  auch  des  norddeutschen  Diluviums  auf  eine  allgemeine 
Vergletscherung  dieser  Landstriche,  welche  von  Skandinavien  und 
Finnland  ausging,  zurückführt.  Den  Geschiebelehm  mit  seinen 
geschrammten  und  gekritzten  Geschieben  von  nordischer  und  ein- 
heimischer Herkunft  deutet  man  als  Grundmoräne  des  gewaltigen 
und  wohl  mehrere  hundert  Meter  mächtigen  Inlandeises;  während 
man  in  der  gerundeten  und  geschrammten  Oberfläche  vieler  Felsen, 
welche  im  Bereiche  des  Diluviums  an  vielen  Orten  (Rüdersdorf, 
Wurzen,  Taucha,  Kleinsteinberg,  Halle,  Lommatzsch,  Velpke)  auf- 
gefunden worden  sind,  gleichfalls  die  Wirkungen  desselben  Phä- 
nomens erblickt.  Die  südliche  Grenze  des  Diluviums  in  Nord- 
deutschland, welche  von  Holland  aus  durch  Deutschland  am  Fusse 
der  mitteldeutschen  Gebirge  in  ziemlich  gebogener  Linie  von  West 
nach  Ost  entlang  verläuft  und  bis  zu  einer  Meereshöhe  von  440 
Meter  (Erzgebirge)  aufsteigt,  ist  nach  der  Glacialtheorie  zugleich 


318 


E.  Dathe,  Gletscherersclieinungen 


die  Grenze  der  grössten  Ausdehnung  des  Inlandeises,  welches 
jene  Gebirge,  also  die  Sudeten,  das  Riesengebirge,  das  Erzgebirge, 
den  Frankenwald,  den  Thüringerwald  und  den  mehr  nördlich  ge- 
legenen Harz  demnach  nicht  erstiegen  hat. 

Wenn  aber  nach  der  Glacialtheorie  eine  so  grossartige  Eis- 
bedeckung Norddeutschlands  einst  stattgefunden  hat,_  so  muss  noth- 
wendigerweise  in  allen  den  oben  genannten  Gebirgen,  welche  eine 
beträchtliche  Ausdehnung  und  Erhebung  besitzen,  das  Klima  auf 
lange  Zeit  ein  so  niedriges  und  feuchtes  gewesen  sein,  wie  solches 
in  arktischen  Regionen  der  Erde  noch  jetzt  herrscht. 

Diese  Beschaffenheit  des  Klimas  zu  jener  Zeit  bedingt  aber, 
dass  der  als  atmosphärischer  Niederschlag  in  den  Gebirgen  ange- 
häufte Schnee  die  Form  des  Firns  angenommen  haben  wird,  wo- 
mit zugleich  die  Bedingungen  zur  Bildung  localer  Gletscherströme 
gegeben  waren. 

Von  der  Richtigkeit  dieser  Schlussfolgerung  seit  Jahren  über- 
zeugt , lenkte  ich  bei  den  geologischen  Aufnahmen  in  Ost- 
thüriimen  in  den  beiden  letzten  Jahren  mein  Augenmerk  auf  alle 
diejenigen  Erscheinungen,  welche  als  Spuren  des  Glacialphänomens 
gedeutet  werden  konnten.  Schon  in  den  ersten  Monaten  meiner 
dortigen  Thätigkeit  glückte  es  mir,  Pfingsten  1880  bei  Saalburg 
die  ersten  Glacialspuren  aufzufinden,  wozu  im  vergangenen  Jahre 
sich  noch  weitere  Beobachtungen  bei  Wurzbach  gesellt  haben. 
Es  liegt  nahe,  die  Gletschererscheinungen  in  Ostthüringen  nach 
ihren  einzelnen  Localitäten  zu  betrachten  und  zuletzt  die  sich 
daraus  ergebenden  Schlüsse  zu  ziehen.  — Wir  beginnen  die  Be- 
Schreibung  mit  dem  Wurzbacher  Vorkommen. 

Wurzbach  liegt  im  nördlichen  Theile  des  waldreichen  Mittel- 
gebirges, welches  den  Thüringerwald  und  das  Fichtelgebirge  in 
der  Richtung  von  Südost  nach  Nordwest  verbindet  und  das  der 
Frankenwald  genannt  wird.  Dieses  Gebirge  ist  durch  zahl- 
reiche und  langausgedehnte  Bergrücken,  welche  eine  geringe 
Breite  besitzen  und  durch  tiefe,  steilgeböschte  Thäler  von  einander 
getrennt  sind,  charalrterisirt,  Seine  Stellung  als  Mittelgebirge 
bringt  es  mit  sich,  dass  seine  Erhebungen  über  dem  Meeresspiegel 
diejenigen  der  beiden  genannten  Gebirge  nicht  ganz  erreichen; 


im  Frankemvalde  und  vogtländischen  Berglande. 


319 


doch  kommen  sie  der  Durchschnittshöhe  der  meisten  mitteldeutschen 
Gebirge  immerhin  ziemlich  nahe,  wie  aus  den  folgenden  Angaben 
ersichtlich  wird.  Die  wichtigsten  Höhenpunkte  im  Frankenwalde 
sind  folgende:  der  Rennsteig  bei  Tettau  (1819')1),  der  Culrn  bei 
Lehesten  ( 1 900 ' ) , Osslahügel  bei  Ossla  ( 1 800 ' ) , Rodacherbrunn 
(1810'),  der  graue  Berg  (1808'),  der  Vogelberg  (1800'),  der  »Fels« 
(1875’)  — die  letzteren  drei  bei  Wurzbach  gelegen  — , der  Lerchen- 
hügel bei  Heinersdorf  (1817 '),  der  neue  Berg  bei  Neundorf  (1 770'), 
der  Sieglitzberg  bei  Lobenstein  (1878'),  der  Culmberg  bei  Schlegel 
(1900')  und  der  Krähenhügel  bei  Schlegel  (1742,5'). 

Die  Menge  der  atmosphärischen  Niederschläge  ist  in  diesem 
Gebirge  noch  jetzt  eine  ansehnliche.  Ein  grosser  Tlieil  derselben 
und  zwar  aus  dem  mittleren  Theile  des  Frankenwaldes  werden 
durch  die  Loquitz  und  Sormitz  der  Saale  zugeführt.  Die  Sormitz 
entsteht  aus  der  Vereinigung  von  acht  Bächen,  die  in  verschie- 
denen Richtungen  der  Windrose  aus  den  Wäldern  des  Franken- 
waldes bei  Wurzbach  Zusammentreffen.  Zwischen  Wurzbach  und 
dem  südöstlich  von  demselben  liegenden  Höhenrücken,  dem  »Fels« 
findet  sich  in  der  Umgebung;  der  sogenannten  Ziegelhütte  eine 
Ablagerung  von  Geschiebelehm , welcher , wie  die  folgenden 
Zeilen  ergeben  werden,  eine  glaciale  Bildung  zugeschrieben  wer- 
den muss. 

Zur  besseren  Beurtheilung  der  Lage  des  Vorkommens  ist  um- 
stehendes Höhenprofil,  Maassstab  1 : 25000  entworfen  worden. 
Geht  man  von  Wurzbach,  also  aus  dem  Sormitzthale,  dessen  Thal- 
sohle 1400'  über  dem  Meeresspiegel  liegt,  nach  O.  den  1800  Schritt 
weiten  Weg  zur  Ziegelhütte,  so  steigt  man  die  ersten  1300  Schritte 
allmählich,  aber  stetig  aufwärts  bis  zur  Höhencurve  1625';  von  da 
ab  mindert  sich  die  Steigung  des  Terrains  bis  zur  Ziegelhütte, 
denn  sie  beträgt  auf  500  Schritte  nur  50’,  so  dass  eine  ganz  flach 
geböschte  Stufe  im  Terrain  entsteht,  die  sich  nördlich  und  südlich 
der  Ziegelhütte  auf  viele  hundert  Schritte  ausdehnt.  Diese  Terrain- 
stufe erscheint  fast  als  eine  ebene  Hochfläche,  die  nach  S.  ganz 


1)  Die  Höhen  in  preussiscken  Decimalfussen  angegeben.  1 preuss.  Decimal- 
fuss  = 1,2  preuss.  Fuss  (0,31385  Meter)  = 0,37662  Meter. 


320 


E.  Datiie,  Gletschererscheinungen 


allmählich  sich  nach  dem  Querenbachthale 
senkt  und  zwar  auf  800  Schritt  um  100'; 
nördlich  von  der  Ziegelhütte  verbreitet  sich 
dieselbe  nach  O.  und  W.  und  erstreckt  sich 
gleichfalls  noch  viele  hundert  Schritte  weit. 
Auf  dieser  ziemlich  ebenen  Hochfläche  ist 
nun  die  fragliche  Glacialbildung  in  derselben 
Ausdehnung  abgelagert  worden.  Ihre  Länge 
beträgt  circa  1500  Schritt  bei  einer  Breite  von 
circa  500  Schritt.  Ehe  wir  nun  diese  inter- 
essante Localität  näher  betrachten,  mag  noch 
erwähnt  werden,  dass  das  von  der  Ziegel- 
hütte nach  SO.  gelegte  Höhenprofil  bis  zum 
»Eels«  eine  starke  Steigung  des  Terrains  an- 
zeigt, die  auf  eine  Länge  von  1200  Schritt 
sich  auf  200’  beläuft,  da  der  »Fels«  eine 
Höhe  von  1875'  erreicht. 

Die  Gruben  der  Ziegelhütte  bei  Wurz- 
bach, welche  nördlich  und  südlich  derselben 
und  am  Wege  nach  dem  Dorfe  Helmsgrün 
liegen,  erschliessen  gerade  den  mittleren  Theil 


der 


ganzen  Ablagerung. 


Durch  den  lam 


jährigen  Abbau  sind  die  Aufschlüsse  recht 
ansehnliche  geworden ; denn  die  nördlichen 
Gruben  haben  eine  Längte  von  75  Schritt  bei 
gleicher  Breite,  und  das  südliche  Gruben- 
feld hat  eine  Länge  von  100  Schritt  bei  einer 
Breite  von  60 — 90  Schritt.  Beim  Eintritt  in 
die  Aufschlüsse  fallen  sofort  zweierlei  Schich- 
ten dem  Beobachter  in  die  Augen ; eine 
obere  mit  zahlreichen  Blöcken  erfüllte  Lelnn- 
ablagerung  (5)  und  eine  untere,  welche  keine 
Spur  von  solchen  aufweist.  Die  untere  Partie  besteht  aus  einem 
ockergelben  Lehm  (a),  welcher  aus  der  Verwitterung  von  daselbst 
anstehenden  Diabasmassen  der  Devonformation  hervorgegangen  ist. 
Lediglich  dieser  Verwitterungslehm,  der  freilich  wegen  starken 


im  Fraukenwalde  und  vogtländisclien  Berglande. 


321 


Wasserzutritts  nur  bis  1 Meter  tief  abgebaut  wird,  wird  zur  Ziegel- 
fabrikation gewonnen,  während  die  überlagernde  1,30  Meter,  an 
manchen  Stellen  auch  1,50  Meter  mächtige  Schicht  wegen  ihrer 
grandigen  Beschaffenheit  entweder  gar  nicht  oder  nur  theilweise 
dazu  verwandt  werden  kann.  Von  den  Lagerungsverhältnissen  und 
sonstigen  Eigenthümliclikeiten  der  ganzen  Ablagerung  giebt  folgender 
Holzschnitt  aus  einer  der  südlichen  Gruben  ein  getreues  Bild. 


Jeder  Geologe  wird  in  der  mehrfach  schon  erwähnten  oberen 
Partie  des  Aufschlusses  einen  typischen  Blocklehm  erkennen.  Der- 
selbe ist  grau-  bis  ockergelb  und  in  seinen  lehmigen  Bestandtheilen 
ungemein  plastisch  ; es  ist  kaum  zweifelhaft,  dass  der  grös- 
sere Theil  seiner  feinerdigen  Lehmmassen  der  Verwitterungsschicht 
der  Diabase  entstammt.  Als  achter  Blocklehm  ist  er  erfüllt  von 
zahlreichen  Blöcken  und  noch  zahlreicheren  Schiefergeschieben, 
die  in  die  lehmige  Zwischenmasse  gleichsam  eingeknetet  worden 
sind.  Die  Vertheilung  der  Geschiebe,  sowohl  der  grösseren  Blöcke 
als  auch  der  kleinsten  Geschiebe  im  Lehm  ist  eine  ganz  unregel- 
mässige ; viele  derselben  stehen  entweder  senkrecht  oder  mehr  oder 
weniger  schief  geneigt  auf  einer  ihrer  schmalen  Kanten.  Eine  An- 
deutung  von  irgend  welcher  Schichtung  fehlt  der  ganzen  Lehm- 
ablagerung durchaus;  regellos,  wie  die  kleine  Skizze  lehrt,  sind 
grosse  und  kleine  Geschiebe  darin  vertheilt. 

Nach  ihrem  Material  sind  die  Geschiebe  tlieils  paläozoische 
Schiefergesteine,  theils  Diabase.  Am  vorherrschendsten  von  den 
Schiefergesteinen  sind  schwarze  unterdevonische  Schiefer  und  die 
Nereitenquarzite;  denn  diese  Schichten  stehen  östlich  bis  zum 
»Fels«,  überhaupt  in  der  Umgebung  der  Ziegelhütte  an.  Auch 
die  in  der  Nähe,  nach  Süden  auftretenden  Culmschiefer  und  Grau- 
wacken bilden  noch  einen  ziemlich  ansehnlichen  Procentsatz  der 


21 


322 


E.  Dathe  , Gletschererscheinungen 


Geschiebe.  Seltener  sind  die  schwarzen  glimmerreichen  untersilu- 
rischen  Schiefer,  die  mittelsilurischen  Schiefer  (Lydit)  und  die 
cambrischen  Schiefer  und  Quarzite  darin  enthalten.  Ihr  Vorhanden- 
sein ist  deshalb  so  interessant  und  wichtig,  weil  ihr  nächster  be- 
kannter Fundort  jenseits  des  »Fels«,  also  weiter  nach  O.  in  der 
Nähe  des  Dorfes  Helmsgrün  sich  vorfindet.  Auf  die  Bedeutung 
dieses  Umstandes  soll  weiter  unten  zurückgekommen  werden.  Die 
Diabase  entstammen,  soweit  sich  das  ermitteln  liess,  vorzugsweise 
aus  dem  nach  Südost  sich  ausdehnenden  Unterdevon ; es  sind  die 
grobkörnigen  Varietäten  (unterdevonischer  Hauptdiabas),  sowie  der 
Epidiorit,  welcher  am  »Fels«  ansteht,  unter  denselben  mit  Leichtig- 
keit wieder  zu  erkennen ; auch  fehlen  Diabastuffe  nicht  gänzlich. 

Die  Grösse  der  Geschiebe  ist  eine  höchst  verschiedene.  Die 
Diabase  kommen  in  Blöcken  vor,  die  nach  genauen  Messungen 
bis  zu  0,8  Kubikmeter  halten;  auch  devonische  Schiefergerölle  er- 
langen eine  Grösse,  welche  bis  zu  0,4  Kubikmeter  aufsteigt. 
Kleinere  Dimensionen  sind  häufiger  und  zahllos  sind  die  kleinen 
kaum  Decimeter  langen  und  Centimeter  breiten  Schieferstücke. 
Das  Verhältniss  zwischen  Geschieben  und  den  sie  beherbergenden 
Lehmmassen  ist  1 : 1,5;  während  das  Verhältniss  der  Schiefer 
zum  Diabas  ungefähr  10  : 2,5  betragen  mag. 

Wenden  wir  uns  schliesslich  zu  dem  wichtigsten  Punkte  der 
ganzen  Frage,  nämlich  zu  der  Beschaffenheit  der  Oberfläche  der 
Geschiebe.  Bei  Durchmusterung  derjenigen  Blöcke,  welche  infolge 
des  Abbaues  in  grossen  Haufen  in  den  Gruben  umherliegen,  fällt 
dem  Beobachter  sofort  auf,  dass  die  Mehrzahl  derselben  an  ihren 
Kanten  mehr  oder  minder  gerundet  sind,  vielfach  sind  gleichzeitig 
ihre  Flächen  ziemlich  glatt  geschliffen,  so  dass  man  auf  denselben 
keine  auffallende  Rauhigkeit  bemerkt.  An  anderen  Blöcken  hin- 
gegen sind  mehrere  Flächen  noch  vollständig  uneben  und  höckerig, 
während  nur  an  einer  oder  zwei  eine  Polirung  sich  kenntlich 
macht.  Die  weicheren  Schiefer  sind  im  Grade  der  Abschleifung 
durchgängig  weiter  vorgeschritten  und  meist  recht  glatt  polirt. 
Bei  einer  grossen  Anzahl  von  Schiefergeschieben,  welche  mit  der 
grössten  Vorsicht  aus  dem  Blocklehm  herausgenommen  wurden, 
zeigten  sich  auf  der  glatten  Oberfläche  nicht  nur  deutliche  Kritzer, 


im  Franken w.ilde  und  vogtländisclien  Berglande. 


323 


sondern  auch  Schrammen,  welche  unter  sich  vollkommene  Paralle- 
lität bei  geradlinigem  Verlauf  besitzen.  Bei  etlichen  geschrammten 
Geschieben  sind  gleichzeitig  zwei  Systeme  von  Schrammen  zu  be- 
merken, welche  sich  unter  spitzem  Winkel  schneiden.  Ein  grosser 
Tlieil  der  Geschiebe  besitzt  somit  eine  Beschaffenheit,  wie  man 
solche  an  den  Scheuersteinen  der  Moränen  zu  sehen  gewohnt  ist 
und  wie  solche  gleichfalls  an  den  Geschieben  von  nordischer  und 
einheimischer  Herkunft  in  den  norddeutschen  Geschiebelehmen 
schon  längst  bekannt  sind.  Es  sind  nach  dem  Vorstehenden  dem- 
nach zwei  Punkte,  welche  bei  Beurtheilung  der  Entstehung  der 
Ablagerung  ins  Gewicht  fallen;  nämlich  erstens  die  vollkommen 
regellose,  ungeschichtete  Structur  des  Blocldelnns  und  zweitens  die 
abgeschliffene  Oberfläche  der  Geschiebe  mit  ihren  Kritzen  und 
Schrammen.  Daraus  folgt  aber,  dass  man  den  Blocklehm  in  der 
Umgebung  der  Ziegelhütte  bei  Wurzbach  als  Grundmoräne  einer 
ehemaligen  Vergletscherung  des  Frankenwaldes  ansprechen  muss. 

Die  muthmaassliche  Richtung,  aus  welcher  der  angenommene 
Gletscher  gekommen  sein  mag,  lässt  sich  mit  vollständiger  Sicher- 
heit nicht  angeben.  Das  Vorhandensein  von  Lydit,  untersilurischem 
Schiefer  und  cambrischem  Quarzit  als  Moränenmaterial  verweist 
uns  nach  O.,  resp.  SO.;  denn  das  nächste  Vorkommen  dieser  Ge- 
steine in  der  betreffenden  Gegend  liegt  von  der  Ziegelhütte,  wie 
oben  bereits  bemerkt,  'Q  Meile  östlich  davon  entfernt.  Da  aber 
jenes  Schiefersystem  sowohl  nach  Nord  und  Süd  von  jenem  Punkte 
fortstreicht,  so  kann  auch  jeder  andere,  namentlich  südlich  ge- 
legene Punkt  dabei  in  Frage  kommen. 

Nimmt  man  jedoch  das  erstere  als  das  Wahrscheinlichste  an, 
so  würde  eine  rein  östliche  oder  wenigstens  südöstliche  Bewegung 
der  Gletschermassen  sich  ergeben;  dieselben  müssten  alsdann  ihre 
Grundmoränen  entweder  grösstentheils  nördlich  vom  » Fels « , wo 
eine  kleine  Einsattelung  des  Höhenrückens  noch  jetzt  vorhanden 
ist,  oder  südlich  desselben  bei  der  sogenannten  Kreuztanne,  bis  in 
die  Umgebung  der  heutigen  Ziegelhütte  vorgeschoben  haben;  hier 
ist  sie  von  der  später  wirkenden  Erosion  zum  Theil  verschont 
geblieben  und  in  ihrer  jetzigen  Ausdehnung  und  Mächtigkeit  er- 
halten worden. 


21 


324 


E.  Dathe  , Gletscherersclieinunge] 


Das  Saalburger  Vorkommen  liegt  nicht  mehr  im  Gebiete 
des  Frankenwaldes,  sondern  im  vogtländischen  Berglande. 
Unter  dieser  Bezeichnung  fassen  wir  dasjenige  Gebirgsland  zu- 
sammen, welches  zwischen  Thüringerwald,  Frankenwald,  Fichtel- 
gebirge und  Erzgebirge  sich  einschiebt.  Feste  Grenzen  lassen 

o o o o 

sich  für  dasselbe  nicht  ziehen,  da  es  allmählich  in  jene  Ge- 
birge übergeht  und  gewissermaassen  als  deren  Vorberge  zu  be- 
trachten  ist.  Der  westliche  und  südwestliche  Strich  des  vogtlän- 
dischen Berglandes,  welcher  sich  also  an  den  Frankenwald  und 
das  Fichtelgebirge  anlehnt,  wird  von  der  Saale  in  einem  tiefen 
und  engen,  mit  vielfachen  Naturschönheiten  geschmückten  Thale 
durchströmt.  In  diesem  Gebirgstheile  herrschen  noch  langgezogene 
wellige  Höhenrücken  vor,  welche  nur  strichweise  von  sporadisch 
auftretenden  Diabaskuppen  unterbrochen  werden.  Hier  verleihen 
sie  der  Gegend  eine  angenehme  Abwechselung;  weiter  nach  Osten 
aber,  wo  sie  sich  mehren  und  nur  kurze,  felsige  Bergrücken  bilden, 
die  sich  immer  und  immer  wiederholen,  geben  sie  der  Landschaft 
ein  eigenthümlich  unruhiges  und  zugleich  einförmiges  Gepräge.  Die 
höchsten  Erhebungen  im  südwestlichen  Tlieile  des  Berglandes  reichen 
fast  an  die  Höhen  des  Frankenwaldes  heran;  die  wichtigsten  sind: 
der  Culmberg  bei  Saalburg  (1525'),  der  Horlaer  Acker  (1521') 
bei  Hirschberg,  der  Lerchenhügel  (1500')  bei  Frössen  und  die 
Cappel  (1666')  bei  Schilbach. 

Am  rechten  Ufer  der  Saale,  wenige  hundert  Schritte  nördlich 
von  dem  romantisch  gelegenen  Städtchen  Saalburg  liegt  an  der 
Chaussee  nach  Schleiz  eine  Ziegelei,  in  deren  Gruben  gleichfalls 
Blocklehm  als  oberste  Schicht  aufgeschlossen  ist.  In  dem  unten- 
stehenden Höhenprofil  ist  die  Lage  und  Verbreitung  der  Ablage- 


im  Frankenwalde  und  vogtländischen  Berglande. 


325 


rung  (von  Ost  nach  West)  im  Maassstab  1 : 25000  dargestellt 
worden.  Man  ersieht  aus  demselben,  dass,  wie  das  Wurzbacher 
Vorkommen  nicht  einem  Thale  angehört,  so  auch  dieses  nicht 
im  Saalthale,  sondern  auf  einer  ziemlich  ebenen  Hochfläche, 
welche  nur  noch  dem  Saalthale  im  weiteren  Sinne  zuzählt,  ge- 
legen  ist. 

Das  nur  400  Schritt  breite  Saalthal  wird  kurz  unterhalb  des 
Schiesshauses  von  Saalburg  von  hohen  Gehängen  begrenzt.  Von 
diesen  ist  das  linke  225'  hoch,  aber  nicht  so  steil  geböscht,  wie 
das  rechte;  denn  dieses  bildet  sehr  steile  und  125’  hohe  nackte 
Felswände.  Von  der  Thalkante  aus  breitet  sich  nach  Ost  und 
zwar  bis  zur  Ziegelei  Saalburg  eine  ganz  flach  geböschte  Fläche 
aus.  Ihre  Steigung  beträgt  auf  950  Schritt  nur  100',  demnach 
liegt  die  Ziegelei  Saalburg  über  dem  dortigen  Saalspiegel  225 ' hoch. 
Weiter  östlich  von  derselben  beginnt  das  Terrain  eine  stärkere 
Steigung  anzunehmen,  indem  es  einerseits,  ungefähr  in  der  Rich- 
tung nach  dem  Dorfe  Culm  zu,  bis  zu  1400'  Meereshöhe  aufsteigt, 
andererseits,  kaum  1000  Schritte  weiter  nach  Nordost  jedoch  bis 
zu  1 525  ’ im  Culmberge  bei  Saalburg  sich  erhebt.  Eine  mittlere 
Flöhe  von  circa  1400'  ist  auch  dem  hügeligen  Gelände  weiter  nach 
Ost  eigenthümlich ; dasselbe  erreicht  eine  Meile  östlich  von  Saal- 
burg in  der  Kuppe  der  Cappel  (1666')  den  höchsten  Punkt  im 
ganzen  vogtländischen  Berglande. 

Auf  dem  westlichen  Theile  dieser  oben  erwähnten  und  im 
Profil  dargestellten  Hochfläche  bei  der  Ziegelei  Saalburg,  zwischen 
dieser  und  dem  westlich  gelegenen  Fahrwege  nach  der  Kloster- 
mühle breitet  sich  die  mehrfach  genannte  Ablagerung  auf  eine 
Erstreckung  von  400  Schritt  in  der  Richtung  von  O.  nach  W. 
aus.  Ihre  südliche  Grenze  liegt  kaum  100  Schritt  weit  von  der 
Ziegelei  entfernt,  während  ihre  Verbreitung  nach  N.  noch  nicht 
ganz  sicher  bestimmt  werden  konnte;  sie  beträgt  indess  mindestens 
500  Schritt. 

Der  Blocklehm  ist  nicht  nur  durch  eine  recht  grosse  Grube 
bei  der  Ziegelei  aufgeschlossen,  sondern  an  dem  Querwege,  welcher 
von  dieser  zu  den  westlich  davon  gelegenen  Scheunen  führt,  ist 
er  auch  in  einer  Anzahl  kleinerer  Gruben,  die  jedoch  oft  auflässig 


326 


E.  Dathe,  GletscherersaheLnungen 


werden,  gut  entblösst.  Seine  Mächtigkeit  beträgt  1,2— 1,5  Meter 
in  der  ersterwähnten  Grube  und  verringert  sich  dieselbe  nach  W. 
zu  etwas,  so  dass  sie  sich  in  den  westlichsten,  bei  den  Scheunen 
gelegenen  Aufschlüssen  nur  noch  auf  0,75  Meter  beläuft.  Die 
obere,  0,5  Meter  starke  Schicht  des  Lelnns  ist  ‘graugelblich  gefärbt; 
nach  unten  nimmt  er  jedoch  eine  gelblichbraune  Färbung  an.  Er 
besitzt  alle  charakteristischen  Eigentümlichkeiten  eines  ächten 
Block-,  resp.  Geschiebelehmes  und  gleicht  ebenso  sehr  dem  oben 
beschriebenen  Wurzbacher  Vorkommen,  als  auch  den  Geschiebe- 
lehmen, wie  man  solche  in  der  norddeutschen  Ebene  findet.  Er 
ist  erfüllt  von  zahlreichen  bis  über  kopfgrossen  Blöcken,  und 
kleinere  Geschiebe  bis  zu  den  winzigsten  Grössen  sind  zahllos 
darin  vertheilt.  Schichtung  mangelt  ihm  gänzlich;  denn  beide, 
grosse  und  kleine  Geschiebe  sind  ganz  wirr  in  demselben  einge- 
mengt,  so  dass  viele  derselben  gerade  auf  ihrer  schmälsten  Kante 
in  demselben  liegen;  manche  stehen  sogar  auf  der  Spitze. 

Die  Geschiebe  gehören  folgenden  Gesteinsarten  an.  Schiefer 
und  zwar  cambrische,  untersilurische , mitte'lsilurische  (Lydit),  de- 
vonische und  Culmsehiefer  sind  vorwiegend  vertreten;  ausserdem 
sind  verschiedene  Diabasvarietäten,  sowie  Gangquarz  und  sibirische 
und  cambrische  Quarzite  aufzuführen.  Nach  ihrem  Ursprung  mag 
ein  Theil  derselben  der  nächsten  Umgebung  entstammen,  da  einer- 
seits Culm  und  Devon  die  Unterlage  der  Ablagerung  zum  Theil 
bilden  und  weiter  nach  Ost  zu  anstehen.  Indess  kann,  wie  weiter 
unten  zu  ersehen  ist,  die  Heimath  der  Geschiebe  auch  eine  andere 
sein.  Das  feinere,  .sandige  Material  hat  natürlicherweise,  wenigstens 
zum  Theil  den  gleichen  Ursprungsort  wie  die  Geschiebe,  da  es 
durch  Zerreibung  derselben  entstanden  ist,  zum  anderen  Tlieile 
ist  es  aus  dem  Untergründe  der  Ablagerung  aufgenommen  und 
mit  dem  übrigen  Material  innig  vermischt  worden;  denn  die 
Unterlage  des  Blocklehmes  besteht,  wie  die  günstigen  Aufschlüsse 
bei  der  Ziegelei  lehren,  aus  einem  thonigen,  gelblichbraunen  Ver- 
witterungslehm. Dei’selbe  ist  aus  devonischen  Schichten  entstanden 
und  besitzt  eine  Mächtigkeit  von  vielen  Metern;  denn  er  wird  bis 
zu  einer  Tiefe  von  4 Meter  zur  Ziegelfabrikation  abgebaut,  wobei 
man  aber  noch  nicht  auf  festes  Gestein  gestossen  ist. 


im  Frankenwalde  und  vogtländischen  Berglande. 


327 


Was  nun  die  Beschaffenheit  der  Oberfläche  der  Geschiebe  an- 
langt, so  ist  im  Allgemeinen  sowohl  die  Abschleifung  als  auch  die 
Schrammung  und  Kritzung  derselben  eine  ganz  ausgezeichnete. 
Unter  den  zahlreichen  geschrammten  Scheuersteinen,  welche  ich 
hier  in  den  Jahren  1880  und  1881  unter  Beobachtung  der  nöthi- 
gen  Vorsichtsmaassregeln  gesammelt  habe,  sind  nicht  nur  Schiefer, 
sondern  auch  Diabase  höchst  deutlich  geschrammt.  Es  liegt  bei- 
spielsweise ein  handgrosses  Diabasgeschiebe  vor,  welches  an  den 
Kanten  gerundet  und  gekritzt,  aber  nur  auf  der  einen  Breitseite 
glatt  geschliffen  ist,  während  die  andere  Rauhigkeit  zeigt.  Auf 
der  glatten  Fläche  bemerkt  man  eine  Anzahl  kurze  Kritzer,  sowie 
drei  5^2  Centimeter  lange  und  1 Millimeter  tiefe  Schrammen,  die 
zusammen  eine  Breite  von  5 Millimeter  einnehmen  und  vollkommen 
parallel  mit  einander  verlaufen.  Die  schwarzen  untersilurischen 
Schiefer  scheinen  für  die  Schrammung  besonders  geeignet  gewesen 
zu  sein.  Ihr  Material  gestattete  die  Ausbildung  von  höchst  feinen, 
ziemlich  lang  aushaltenden  Schrammungslinien,  welche  oft  die  ganze 
Schlifffläche  gleiclnnässig  überziehen  und  oft  zwei  oder  drei  Strei- 
fungssystemen angehören.  Das  Hauptsystem  verläuft  in  der  Regel 
parallel  mit  der  grössten  Längenausdehnung  des  Scheuersteins, 
während  die  beiden  übrigen  dasselbe  unter  Winkeln  von  20°  und 
30°  schneiden.  In  allen  Systemen  kommen  neben  den  zarteren, 
auch  stärkere  bis  1 Millimeter  tiefe  ausgehobelte  Riefen  vor. 

So  besitzt  denn  auch  der  Blocklehm  nördlich  von  Saalburg 
in  seiner  Structur  und  in  der  Führung  von  geschrammten  und  ge- 
kritzten  Geschieben  alle  die  Erfordernisse,  welche  man  an  Glacial- 
bildungen  bisher  zu  stellen  gewohnt  ist;  es  ist  deshalb  gewiss 
nicht  gewagt,  wenn  man  dies  Vorkommen  unter  gleichzeitiger  Be- 
rücksichtigung  seiner  Lagerung  als  eine  Grundmoräne  auffasst, 
welche  jedenfalls  früher  eine  grössere  Mächtigkeit  besass,  aber 
durch  Erosion  gewiss  um  vieles  verringert  worden  ist. 

Welchen  Weg  hat  der  Gletscher  genommen,  oder  wo  haben 
wir  das  Ursprungsgebiet  der  Geschiebe  zu  suchen?  Eine  bestimmte 
Antwort  ist  auf  diese  Frage  nicht  zu  ertheilen.  Mehrere  Beob- 
achtungen scheinen  dafür  zu  sprechen,  dass  der  eigentliche  Gletscher- 
strom im  Allgemeinen  dem  Saalthal  gefolgt  ist,  dass  also  sein 


328 


E.  Dathe  , Gletsclierersclieinungen 


Ursprung  südlich,  dem  Fichtelgebirge  zu,  liegt.  Vorigen  Herbst  habe 
ich  beobachtet,  dass  ein  ähnlicher  Geschiebelehm  am  rechten  Ufer 
der  Saale  bei  Gottliebsthal,  an  der  Strasse  nach  Hirschberg  von 
der  Saale  an  auf  eine  weite  Strecke  und  bis  100'  hoch  am  Ge- 
hänge ganz  allmählich  aufsteigend,  abgelagert  ist.  Der  Mangel 
an  Aufschlüssen  und  die  Ungunst  der  Witterung  verhinderte  zwar 
eingehendere  Beobachtungen  zu  machen , doch  zweifele  ich  nicht, 
dass  er  mit  dem  Saalburger  Geschiebelehm  in  Parallele  zu  stellen 
ist.  Eine  ähnliche  Stelle  liegt  weiter  abwärts  von  Saalburg  am 
linken  Gehänge  der  Saale  bei  der  Klostermühle  bei  Saalburg,  hier 
ist  ebenso  Geschiebelehm  60 ' hoch  über  dem  Saalspiegel  abgelagert. 
Beide  Vorkommen,  die  wegen  ungenügender  Aufschlüsse  jetzt  nicht 
eingehender  behandelt  werden  können,  zeigen  jedoch,  dass  die  obige 
Behauptung,  dass  der  Gletscher  seinen  Lauf  im  Saalthal  genommen 
haben  dürfte,  an  Wahrscheinlichkeit  gewinnt.  Hoffentlich  wird 
mir  Gelegenheit,  beide  Localitäten,  sowie  den  oberhalb  Saalburgs 
gelegenen  Tlieil  des  Saalthals  an  geeigneten  Stellen  in  dieser  Bich- 
tung  näher  untersuchen  zu  können. 

Eine  andere  Möglichkeit  muss  indess  bei  Beantwortung  obiger 
Frage  noch  in  Berücksichtigung  gezogen  werden.  Der  Gletscher, 
welcher  bei  Saalburg  die  Grundmoräne  hinterlassen  hat,  könnte 
auch  aus  Ost,  resp.  Südost  gekommen  sein,  nämlich  aus  jenem 
Striche  des  vogtländischen  Berglandes,  welcher  sich  in  einer  Meeres- 
höhe von  1400 — 1500'  bis  zu  der  »Cappel«  ausbreitet.  Die  Ge- 
schiebe bezüglich  ihrer  Gesteinsnatur  würden  allerdings  dieser 
Ansicht  nicht  widersprechen,  sondern  dieselbe  eher  befürworten; 
denn  sämmtliche  Gesteine,  die  darin  gefunden  worden  sind,  stehen 
in  jenem  genannten  Landstriche  an. 

Nach  Beschreibung  dieser  Verhältnisse  bei  Saalburg  und  Wurz- 
bach  mögen  noch  einige  Punkte  im  Frankenwalde  und  vogtländi- 
schen Berglande  Erwähnung  finden,  welche  bei  Betrachtung  der 
Gletschererscheinungen  in  diesen  Gegenden  noch  weitere  Berück- 
sichtigung verdienen. 

o o 

Südlich  von  Schleiz  und  westlich  von  dem  Schlosse  Heinrichs- 
ruhe breitet  sich  nördlich  der  Chaussee  Schleiz-Saalburg  Blocklehm 
aus,  welcher  in  einigen  kleineren  Gruben  aufgeschlossen  ist.  Das 


im  Frankenwalde  und  vogtländischen  Berglande. 


329 


Material  der  Blöcke  und  kleineren  Geschiebe  scheint  mir  der 
nächsten  Umgebung  zn  entstammen  und  besteht  aus  nntersil arischen 
Schiefern  und  Quarziten,  ferner  aus  Kieselschiefer,  Gangquarz  und 
Diabasen.  Sämmtliches  Geschiebematerial  ist  von  dem  südlich 
vorliegenden  Höhenrücken,  der  sogenannten  Hirschraufe  (1540' 
hoch),  auf  das  gegenwärtige  Ablagerungsgebiet  transportirt  worden. 
An  der  Oberfläche  der  Geschiebe  ist  zwar  eine  Abschleifung  zu 
erkennen,  doch  habe  ich  gekritzte  und  geschrammte  Geschiebe, 
als  ich  in  Gemeinschaft  mit  Prof.  Liebe  jenen  District  1880  kar- 
tirte,  trotz  sorgfältigen  Suchens  nicht  finden  können.  Aehnliche, 
an  Moränen  erinnernde  Ablagerungen  sind  nach  Mittheilungen  des 
Prof.  Liebe  auch  südlich  des  Culm  im  Frankenwalde  vorhanden. 

Bei  Annahme  der  Vergletscherung  des  Frankenwaldes  und 
vogtländischen  Berglandes  gewinnen  auch  die  Störungen  am  Aus- 
gehenden  der  verschiedenen  Schiefergesteine  erhöhte  Bedeutung; 
sie  lassen  sich  möglichenfalls  auf  den  grossen  Druck,  den  die  be- 
wegenden Eismassen  ausübten,  zurückführen.  Mit  dieser  Frage  in 
Beziehung  zu  setzende  Verhältnisse  habe  ich  vorigen  Herbst  bei 
Wurzbach  im  herrschaftlichen  Schieferbruche  beobachtet.  Es  wurde 
hier  zum  Zwecke  der  Aufsuchung  abbauwürdiger  Schiefer  (Culm) 
ein  über  50  Meter  langer  Stölln  getrieben  und  dadurch  ein  inter- 
essantes Profil  blossgelegt.  In  dem  ziemlich  horizontal  gelagerten 
Culmschiefer  setzen  drei  Lampropliyrgänge  auf,  die  allerdings  bis 
zu  mehreren  Metern  Tiefe  vollständig  in  einen  ockergelben,  thonigen 
Grus  zersetzt  sind.  Das  Ausgehende  dieser  Gänge  ist  nun  schweif- 
artig  in  die  Schottermassen,  welche  in  einer  Mächtigkeit  bis  zu 
1,5  Meter  die  festen  Schieferschichten  bedecken,  bis  auf  eine  Er- 
streckung von  8 Meter  gezogen  worden,  wodurch  eine  starke  Be- 
wegung des  Schotters  angezeigt  wird.  Da  noch  einige  Punkte 
der  weiteren  Untersuchung  bedürftig  erscheinen,  so  sei  hiermit  auf 
diese  Verhältnisse  hingewiesen  und  hoffe  ich  demnächst  auf  diese 
Localität  zurückzukommen. 

Ob  nun  die  Vergletscherung  des  Frankenwaldes  und  des  vogt- 
ländischen  Berglandes  eine  allgemeine  gewesen  ist,  oder  ob  nur 
besonders  orographisch  bevorzugte  Striche  derselben  von  dem 
Glacialphänomen  betroffen  worden  sind,  lässt  sich  jetzt  noch  nicht 


330 


E.  Dathe,  Gletschererscheinungen  im  Frankenwalde  etc. 


bestimmt  entscheiden.  Soweit  sich  die  Verhältnisse  beurtheilen 
lassen,  möchte  ich  letztere  Annahme  für  wahrscheinlich  halten. 

Schliesslich  mag  noch  bemerkt  werden,  dass  die  beobachteten 
und  als  Grundmoränen  angesprochenen  Blocklehme  von  Wurzbach 
und  Saalburg  nicht  etwa  weit  nach  Süden  vorgeschobene  Posten 
des  norddeutschen  Diluviums  sind,  und  dass  sie  nicht  mit  der  tief 
nach  Thüringen  eingreifenden  Bucht  desselben  Zusammenhängen. 
Ich  berühre  diese  Frage  deshalb,  weil  vielleicht  bei  Manchem 
dieser  Gedanke  aufsteigen  könnte;  denn  bekanntlich  liegt  der  süd- 
lichste Punkt  des  norddeutschen  Diluviums  in  Thüringen  bei  Saal- 
feld, woher  Richter1)  »Feuersteinfragmente  mit  den  ihnen  eigen- 
thümlichen  Petrefacten « vom  rothen  Berge  bei  Saalfeld  und  einen 
kleinen  Granitblock  auf  dem  Gleitsch  bei  Obernitz  aimiebt.  Da 

O 

aber  in  unseren  diluvialen  Ablagerungen  irgendwelches  nordische 
Material  nicht  vorhanden  ist,  auch  jeder  dieser  Orte  von  Saalfeld 
3 Meilen  entfernt  ist,  so  lassen  sie  sich  mit  dem  nordischen 
Geschiebelehm  nicht  in  directe  Verbindung  setzen,  sondern  man 
muss  denselben  eine  locale  Entstehung  zuschreiben. 

So  ist  durch  den  Nachweis  von  Gletschererscheinungen  im 
Frankenwalde  und  vogtländischen  Berglande,  und  da  auch 
E.  Kayser  2)  im  vergangenen  Jahre  ähnliche  Verhältnisse  aus  dem 
Harz  bekannt  gemacht  hat,  ein  dunkler  Punkt  in  der  norddeutschen 
Glacialfrage  erledigt  worden.  Hoffentlich  wird  die  Zeit  nicht  ferne 
sein,  wo  ähnliche  Ablagerungen  auch  in  den  übrigen  mitteldeutschen 
Gebirgen  nachgewiesen  werden. 

t)  Zeitschr.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  18G9,  p.  441. 

2)  E.  Kaysee,  Gletschererscheinungen  im  Harz.  Verhandlungen  der  Gesell- 
schaft für  Erdkunde  zu  Berlin  1881. 


Ueber 

die  geologischen  Verhältnisse  der  Sec  berge 

und  des  Galherges1)  bei  Gotha, 

mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Lagerungs- 
verhältnisse. 

Von  Herrn  IHax  Bauer  in  Königsberg  i.  Pr. 

(Mit  Tafel  V11L  und  IX.) 


Einer  der  interessantesten  Punkte  des  ebenen  Thüringens 
nördlich  vom  Thüringer  Wald  ist  unstreitig  der  Rücken  der  See- 
berge mit  seiner  nordwestlichen  Fortsetzung,  dem  Gaiberg,  einmal 
wegen  der  dort  anstehenden  Rhät-  und  Juraschichten,  dann  wegen 
der  complicirten  Lagerungsverhältnisse.  Ich  habe  im  Nachfolgen- 
den eine  specielle  Darstellung  davon  zu  geben  versucht,  nachdem 
die  geologische  Specialuntersuchung  des  Gebietes  beendigt  ist, 
habe  mich  aber  nicht  auf  das  völlig  Neue  beschränkt,  was  dabei 
ermittelt  worden  ist,  sondern  auch  mannichfach  schon  Bekanntes 
herbeigezogen,  um  Liebhabern  der  Geologie,  wie  sie  in  Thüringen 
und  speciell  in  Gotha  nicht  selten  sind,  das  Verständniss  der  Ver- 
hältnisse nach  Möglichkeit  zu  erleichtern. 

Südöstlich  von  der  Stadt  Gotha  zieht  sich  auf  eine  Erstreckung 
von  etwa  einer  Stunde  ein  Bergrücken  bis  zum  Dorfe  Seebergen 


‘)  So  wird  der  Berg,  diese  nordwestliche  Fortsetzung  des  Seebergzuges,  in 
Gotha  genannt;  die  Karte  schreibt  Galgenberg. 


332 


Max  Bauer,  über  die  geologischen  Verhältnisse 


hin,  der  den  Namen  des  kleinen  nnd  des  grossen  Seebergs  führt 
und  der  sieh  auch  nordwestlich  von  der  Stadt  noch  in  dem  soge- 
nannten Gralberg  fortsetzt.  Dieser  Bergrücken  hat  schon  frühe, 
theils  wegen  der  zum  Theil  interessanten  Gesteine,  die  ihn  zu- 
sammensetzen, theils  wegen  der  stellenweise  sehr  complicirten 
Lagerungsverhältnisse,  welche  die  Schichten  darbieten,  die  Auf- 
merksamkeit der  Geologen  auf  sich  gezogen,  und  es  ist  nament- 
lich der  um  die  Kenntniss  der  geologischen  Verhältnisse  seiner 
Thüringischen  Heimatli  so  hoch  verdiente  Heinrich  Credner, 
der  sich  mit  der  in  Rede  stehenden  Gegend  beschäftigt  und  ihren 
Bau  im  Detail  studirt  hat.  Es  sind  namentlich  zwei  grössere  Ar- 
beiten, die  sich  eingehend  mit  der  vorliegenden  Aufgabe  befasst 
haben  neben  mannichfachen  zerstreuten  Bemerkungen  über  den- 
selben  Gegenstand.  Beide  Arbeiten  sind  im  Neuen  Jahrbuch  für 
Mineralogie  etc.  abgedruckt.  Die  eine  führt  den  Titel:  »Geo- 

gnostische  Beschreibung  des  Höhenzuges  zwischen  Gotha  und 
Arnstadt«,  Jahrg.  1839,  pag.  379 — 403,  mit  2 Tafeln,  eine  Karte 
des  Terrains  und  seiner  Fortsetzung  nach  Osten  und  viele  Profile 
enthaltend.  Es  ist  darin  eine  Beschreibung  der  den  Höhenzug 
bildenden  Formationen  nebst  deren  gestörten  Lagerungsverhältnissen 
gegeben,  die  aber  z.  Th.  dem  jetzigen  Standpunkt  der  Geologie 
nicht  mehr  entspricht,  und  es  werden  die  beobachteten  Dislocationen 
schliesslich  zurückgeführt  auf  Hebungen,  die  in  der  Hauptkette  des 
Thüringerwaldes  und  in  den  anliegenden  jüngeren  Formationen  nach 
der  Eruption  der  Melaphyre  und  der  Porphyre  stattgefunden  haben 
sollen,  ohne  dass  dabei  neue  Gesteinseruptionen  sich  ereigneten.  Die 
zweite  Arbeit  (Jahrg.  1860,  pag.  293 — 320  mit  einer  Tafel,  eben- 
falls eine  Karte  und  Profile  enthaltend)  beschäftigt  sich  hauptsächlich 
mit  den  obersten  Keupergebilden,  den  rhätischen  Schichten  des 
grossen  Seebergs  und  anderer  benachbarter  Gegenden;  und  sie  corri- 
girt  in  dieser  Beziehung  eine  irrthümliche  Auffassung  der  früheren 
Arbeit,  wo  diese  Gebilde  als  Liassandstein  dargestellt  waren.  Die 
Lagerungsverhältnisse  besonders  der  den  rhätischen  Sandstein 
stellenweis  überdeckenden  Liasschichten  werden  besprochen  und 
die  von  ihnen  erlangte  Anschauung  in  den  Profilen  und  der  Karte 
zur  Anschauung  gebracht. 


der  Seeberge  und  des  Galberges  bei  Gotha. 


333 


Mehr  im  Zusammenhang  mit  anderen  ähnlichen  Erscheinungen 
am  Nord-  und  Südrande  des  Thüringerwaldes  wird  die  hier  zu  be- 
trachtende Gegend  sodann  geschildert  in  der  Erläuterung  zu  der  1855 
in  2.  Auflage  erschienenen  geognostisclien  Karte  des  Thüringer- 
waldes: »Versuch  einer  Bildungsgeschichte  der  geognostischen 

Verhältnisse  des  Thüringerwaldes.«  Es  werden  die  vorhandenen 
Formationen  kurz  geschildert  und  dann  namentlich  die  Dislocationen 
auf  eine  Reihe  von  in  der  Zeit  verschiedenen  Hebungen  zurück- 
geführt, die  verschieden  gerichtete  Hebungslinien  zur  Folge  ge- 
habt  haben.  Eine  erste  Hebung  hat  darnach  zur  Zeit  der  Ab- 
lagerung des  bunten  Sandsteins  stattgefunden,  eine  zweite  gehört 
der  Zeit  der  Ablagerung  des  oberen  Muschelkalks  und  der  Letten- 
kohlengruppe an,  eine  dritte  Hebung  muss  nach  Credner ’s  An- 
sicht nach  der  Ablagerung  der  bunten  Keupermergel  stattgefunden 
haben,  da  an  einigen  Stellen  auch  diese  steil  aufgerichtet  sind  und 
die  letzte  Hebung  endlich,  welche  die  Lagerungsverhältnisse  in  unse- 
rem  Gebiet  definitiv  so  gestaltet  hat,  wie  sie  sich  uns  jetzt  dar- 
stellen, muss  nach  der  Ablagerung  des  Lias  vor  sich  gegangen 
sein,  da  Schichten,  die  dieser  Formation  angehören,  dabei  dislocirt 
worden  sind. 

In  ähnlichen  Anschauungen  bewegt  sich,  offenbar  durch  Cred- 
ner beeinflusst,  die  Arbeit  von  Tegetmeyer x).  Derselbe  giebt 
eine  genaue  und  sorgfältige  Darstellung  der  Schichtenfolgen  im 

o o o o o 

Keuper  des  von  ihm  bezeichneten  Gebietes  und  führt  dabei  Man- 
ches an,  was  von  ihm  und  auch  von  K.  v.  Fritsch  neu  beob- 
achtet worden  ist.  Die  Complication  der  Lagerungsverhältnisse 
ist  auch  ihm  nicht  entgangen,  aber  er  spricht  davon  allerdings 
nur  nebenbei,  da  es  ihm  eben  weitaus  in  erster  Linie  auf  die  Er- 
forschung der  Gliederung  der  Schichten  ankam.  Er  hält  den  jetzigen 
Umfang  der  Keuperablagerungen  (und  damit  natürlich  implicite  auch 
der  Liasablagerungen)  für  im  Wesentlichen  ursprünglich  und 
sieht  so  in  der  jetzigen  Verbreitung  einer  Formationsabtheilung  an- 
nähernd auch  die  Ausdehnung  des  Meerestheils , aus  der  die  be- 


*)  Beiträge  zur  Kenntniss  des  Keupers  im  nördlichen  Thüringen.  Zeitsehr. 
für  die  gesummte  Naturwissenschaft  1876,  Bd.  13,  pag.  403  — 484  mit  2 Tafeln. 


334 


Max  Bauer,  über  die  geologischen  Verhältnisse 


treffende  Ablagerung  sich  ausschied,  indem  er  der  Erosion  nur  unter- 
geordneten Einfluss  zuschrieb  und  da,  wo  auf  grosse  Erstreckung 
Keuper  an  wesentlich  ältere  Schichten  des  Muschelkalks  angrenzte, 
sah  er  eine  Anlagerung  von  Keupermaterial  an  eine  Muschelkalk- 
steilküste aus  einem  diese  letztere  bespülenden  Keupermeeresarm. 


Die  orographischen  Verhältnisse. 

Die  von  uns  zu  betrachtende  Gegend  erhebt  sich  in  ihrem  süd- 
östlichen Theil  zum  Maximum  ihrer  Höhe  in  dem  »grossen  Seeberg«, 
der  an  seiner  höchsten  Stelle  bis  zu  ganz  annähernd  1100  Fuss1) 
ansteigt.  Der  »grosse  Seeberg«  stellt  ein  kleines  von  Rhätsand- 
stein  gebildetes  Plateau  mit  wenig  ebener  Oberfläche  dar,  von 
welchem  aus  steile  von  Steinmergelkeuper  gebildete  Abhänge  nach 
Norden,  Osten  und  Süden  in  die  umgebende  Ebene  abfallen, 
während  nach  Südwesten  hin  eine  langsamere  und  allmählichere 
Verflachung  in  das  Apfelstädtthal  beim  Dorfe  Günthersleben  statt- 
findet. Ein  grosser  Theil  des  Berges  ist  mit  Wald  und  auf  grosse 
Erstreckung  von  dichter,  junger  Schonung  bestanden,  die  vielfach 
eine  genauere  Untersuchung  des  geologischen  Baues  fast  ganz 
verhindert.  Andererseits  haben  aber  die  zahlreichen  Sandstein- 
brüche an  vielen  Stellen  den  Schichtenbau  bis  in  beträchtliche  Tiefe 
aufgeschlossen. 

An  das  Plateau  des  grossen  Seeberges  schliesst  sich  im  Osten 
ein  schmaler  Bergrücken  an,  der  sich  nach  Nordwest  bis  zum 
Leinathal  weiterzieht,  in  welchem  in  derselben  Richtung  sich  die 
Stadt  Gotha  angesiedelt  hat.  Dieser  lange,  auf  eine  Erstreckung 
von  ungefähr  5000  Fuss  sich  hinziehende  Bergrücken  soll  hier  in 
seiner  Gesammtheit  als  »kleiner  Seeberg«  bezeichnet  werden.  Er 
stellt  einen  schmalen,  nur  wenige  Schritt  breiten  Grat  dar,  der 
sich  nur  an  seinem  nordwestlichen  Ende,  da  wo  die  alte  Stern- 
warte steht,  etwas  weiter  ausbreitet.  Seine  Abhänge  fallen  nach 

*)  Es  sind  darunter  preussische  Decimalfusse  verstanden,  welches  Maass  den 
preussisclien  Generalstabsmesstischblättern  zu  Grunde  liegt. 


der  Seeberge  und  des  Galberges  bei  Gotha. 


335 


Norden  sowohl,  als  nach  Süden  zuoberst  ziemlich  steil  ab,  ver- 
flachen sich  aber  nach  unten  hin  langsamer  und  allmählicher  in  die 
beiderseits  anliegende  weit  ausgebreitete  Ebene.  Uebrigens  ist  die 
natürliche  Form  dieses  Bergrückens  zum  Tlieil  ganz  verändert  durch 
den  ausgedehnten  Steinbruchbetrieb,  der  sowohl  auf  seiner  Höhe,  als 
auch  an  seiner  südlichen  und  stellenweise  auch  nördlichen  Flanke 
stattfindet,  und  der  so  umfangreich  ist,  dass  eine  fast  ununterbrochene 
Reihe  von  neuen  und  verlassenen  Brüchen  mit  ihren  bedeutenden 
Schutthalden  sich  von  einem  Ende  bis  zum  anderen  hinzieht.  Der 
grosse  und  der  kleine  Seeberg  stossen  an  der  Butterleiste  zusammen 
und  die  Grenze  zwischen  Beiden  ist  geologisch  eine  sehr  scharfe,  da 
der  aus  Sandstein  gebildete  grosse  Seeberg  in  seiner  Gesteins- 
beschaffenheit sich  von  dem  wesentlich  aus  Kalk  bestehenden  kleinen 
Seeberg  auf  das  Schärfste  unterscheidet ; auch  zieht  zwischen  beiden 
eine  Hauptverwerfungsspalte  hindurch,  die  den  Rhätsandstein  in  das 
Niveau  des  mittleren  Muschelkalks  gebracht  hat.  Auch  der  Ober- 
flächengestaltung nach  ist  die  Grenze  ziemlich  scharf,  da  sich  an 
dieser  Stelle  der  grosse  Seeberg  rasch  ziemlich  weit  ausbreitet  im 
Gegensätze  zu  dem  ganz  schmalen  kleinen  Seeberg,  der  sich  zu 
jenem,  der  Gestalt  nach,  gewissermaassen  verhält  wie  der  Löffel- 
stiel zum  Löffel  selbst,  die  Beide  in  der  Butterleiste  mit  einander 
vereinigt  sind. 

im  Nordwesten,  dicht  hinter  der  alten  Sternwarte,  fällt  der 
kleine  Seeberg  ziemlich  steil  in  das  Leinathal  ab  und  erreicht  hier 
als  solcher  seine  Endschaft.  Ueberschreitet  man  aber  das  Leinathal 
und  geht  in  nordwestlicher  Richtung  weiter,  so  findet  man,  dass  der 
Rücken  sich  jenseits  des  Thaies  noch  weiter  fortsetzt.  Schon  in  der 
Stadt  Gotha  erhebt  sich  der  Bergkegel,  auf  dem  das  Schloss 
»Friedenstein«  liegt,  genau  im  Streichen  des  kleinen  Seebergs  und 
von  diesem  eben  nur  durch  das  Leinathal  getrennt,  das  wohl  als 
ein  Erosionsthal  aufzufassen  ist,  welches  den  Rücken  des  kleinen 
Seebergs  und  seiner  Fortsetzung  nach  Nordosten  an  jener  Stelle' 
durchschnitten  hat,  an  der,  wie  es  scheint,  besonders  starke 
Schichtenstörungen  den  Durchbruch  hervorgerufen  oder  doch  er- 
leichtert  haben.  Leider  verdeckt  die  Stadt  Gotha  diese  Verhält- 
nisse vollständig,  so  dass  die  Beobachtung  irgend  welcher  Einzel- 


336 


Max  Bauer,  über  die  geologischen  Verhältnisse 


heiten  dort  nicht  möglich  ist,  man  sieht  aber,  wie  gerade  an  jener 
Stelle,  welche  die  Leina  zu  ihrem  Durchbruch  gewählt  hat,  zwei 
Systeme  verschieden  streichender  Verwerfungsspalten  sich  schneiden. 
Auch  die  Beschaffenheit  des  Untergrundes  von  Schloss  Friedenstein 
lässt  sich  nicht  direct  beobachten,  und  auch  Erkundmunffen  haben 
nicht  zu  einem  sicheren  Resultat  geführt.  Geht  man  aber  von  dort 
aus  in  der  Richtung  des  Streichens  des  kleinen  Seebergs  noch  weiter, 
so  sieht  man,  dass  ausserhalb  der  Stadt  derselbe  schmale  Rücken 
mit  oben  steileren,  nach  unten  zu  in  die  nördlich  und  südlich  vor- 
liegenden Ebenen  sich  verflachenden  Abhängen  sich  genau  in  der 
Streichrichtung  des  kleinen  Seebergs  noch  weit  hinzieht,  eben- 
falls oben  und  an  den  beiden  Flanken  durch  zahlreiche  und  aus- 
gedehnte Steinbrüche  verunstaltet  und  hinter  dem  Arnoldithürm- 
eben  sich  allmählich  in  das  Plateau  des  Krähnbergs  ausbreitend. 
Dieser  Rücken,  der  Gaiberg,  oben  etwas  breiter  als  der  kleine 
Seeberg,  liegt  ganz  genau  in  der  Fortsetzung  desselben,  beide 
in  Beziehung  auf  die  Streichrichtung  mit  dem  Thüringer  Wald 
übereinstimmend  und  er  besteht  auch  aus  ganz  genau  denselben  Ge- 
steinen wie  der  kleine  Seeberg,  die  in  den  gleichen  Lagerungs- 
verhältnissen angeordnet  sind,  es  ist  also  gerechtfertigt,  den  Gaiberg 
und  kleinen  Seeberg  als  ein  zusammengehöriges  Ganzes  anzusehen, 
das  die  Leina  in  zwei  Theile  zerschnitten  hat. 

Das  dem  geschilderten  Bergrücken  in  seiner  ganzen  Erstreckung 
vom  grossen  Seeberg  bis  zum  Krähnberg  nach  Nord  und  Süd  vor- 
liegende Terrain  ist  eine  schwach  wellige  ausgedehnte  Ebene,  aus 
der  sich  der  Seeberg  isolirt  und  auf  weite  Entfernung  sichtbar 
erhebt,  und  die  z.  Th.  von  Keuperschichten,  zum  grösseren  Tlieil 
aber  von  Alluvium  und  Diluvium  gebildet  wird.  Diese  Ebene 
wird  an  einigen  Stellen  aber  unterbrochen  durch  einzelne  scharf 
sich  hervorhebende  kleinere  Buckel,  die  durch  ihre  Gesteinsbe- 
schaffenheit zeigen  — sie  bestehen,  abweichend  von  ihrer  Umgebung, 
aus  Triasschichten  — , dass  hier  besondere  Verhältnisse  vorliegen. 
Es  ist  der  Grenzberg  bei  Remstedt  und  der  Petersberg1)  bei  Sieb- 

*)  Den  Namen  Petersberg  bat  die  Generalstabskarte  nicht,  er  wird  aber 
von  Ceedner  gebraucht;  es  ist  die  unmittelbar  nordwestlich  vor  Siebleben  dicht 
an  der  Erfurter  Chaussee  liegende  Kuppe. 


der  Seeberge  und  des  Galberges  bei  Gotha. 


337 


leben,  neben  denen  nur  noch  zwei  hervorragendere  kleine  Kuppen 
beim  Dorfe  Siebleben  zu  erwähnen  sind,  die  geologische  Bedeutung 
haben.  Schliesslich  ist  noch  aufmerksam  zu  machen  auf  eine 
Reibe  kleiner  Hügelehen,  die  am  Nordostabfall  des  grossen  See- 
berges den  Fuss  desselben  umsäumen  und  deren  Existenz  ebenfalls 
in  gewissen  später  zu  besprechenden  geologischen  Vorgängen  be- 
gründet ist. 


Die  geologischen  Formationen. 

Die  unser  Gebiet  zusammensetzenden  Formationen  gehören 
der  Trias  und  dem  Jura  an.  Von  der  Trias  ist  es  der  Muschel- 
kalk von  der  Anhydritgruppe  an  aufwärts  und  der  ganze  Keuper 
nebst  dem  Rhät  und  vom  Jura  der  untere  und  mittlere  Lias.  Dazu 
kommt  Diluvium  und  Alluvium  auf  ausgedehnten  Flächen. 

Der  Muschelkalk.  Das  älteste  Glied  dieser  Gruppe,  das 
hier  beobachtet  ist,  zugleich  die  älteste  Formationsabtheilung,  die 
in  unserem  Gebiet  überhaupt  sich  findet,  ist  der  mittlere  Muschel- 
kalk, oder  die  Anhydritgruppe,  die  längs  des  ganzen  kleinen 
Seeberges  und  seiner  jenseits  der  Stadt  liegenden  Fortsetzung,  so- 
wie am  Grenzberg  und  Petersberg  aufgeschlossen  ist  in  den  viel- 
fachen und  ausgedehnten  Steinbrüchen,  welche  sich  an  all  den 
genannten  Orten  befinden.  Auch  am  Südwestabhang  des  grossen 
Seeberges  steht  der  mittlere  Muschelkalk  auf  einer  allerdings  nicht 
sehr  grossen  Fläche  zu  Tage  an. 

Ö O 

Besonders  vollständig  aufgeschlossen  ist  die  Anhydritgruppe 
am  Südabhang  des  kleinen  Seeberges,  wo  in  den  grossen  Gyps- 
brüchen  fast  die  ganze  obere  Hälfte  der  Abtheilung  entblösst  ist, 
die  untere  Hälfte  ist  überhaupt  in  unserem  Gebiet  nicht  aufge- 
schlossen. Das  liegendste  ist  am  Südabhang  des  kleinen  Seeberges 
ein  mächtiger  Gypsstock.  Es  ist  ein  weisser  bis  grauer,  nicht  rother, 
dichter  bis  feinkörniger  Gyps,  der  an  einzelnen  Stellen  späthige 
Gypspartieen,  aber  meist  nur  von  geringem  Umfang  einschliesst  und 
der  stellenweise  von  Schnüren  von  Fasergyps  durchzogen  wird. 

22 


338 


Max  Bauer,  über  die  geologischen  Verhältnisse 


Nach  Credner  schliesst  er  auch  Quarzkrystalle  von  grauer  Farbe, 
aber  allerdings  in  ziemlich  spärlicher  Anzahl  ein.  Er  unterscheidet 
sich  dadurch  von  dem  später  zu  betrachtenden  Keupergyps,  der 
sich  durch  häufig  rothe  Farbe  und  zahlreiche  Quarzkrystalle  dem 
Muschelkalkgyps  gegenüber  leicht  erkennen  lässt.  Dieser  letztere 
ist,  wie  die  Untersuchung  eines  der  Sohle  eines  Steinbruchs  ent- 
nommenen unzweifelhaft  ganz  frischen  Handstücks  gezeigt  hat,  reiner 
Gyps,  d.  h.  der  Wassergehalt  entspricht  genau  der  Formel  CaSCQ 
-f-  2 H2  O,  von  einer  Anhydritbeimengung  ist  also  keine  Rede.  Ist 
dieser  Gyps  je  aus  Anhydrit  entstanden,  so  muss  die  Umwandlung 
wenigstens  bis  auf  die  von  den  Steinbrüchen  erreichte  Tiefe  ganz  voll- 
ständig  schon  vor  sich  gegangen  sein.  Ueber  die  Verhältnisse  in 
grösserer  Tiefe,  die  über  diese  Frage  vielleicht  Aufschluss  geben 
könnten,  ist,  wenigstens  am  kleinen  Seeberg,  nichts  durch  Be- 
obachtung bekannt.  Die  in  jenen  Steinbrüchen  beobachtete  Mächtig- 
keit des  Gypses  beträgt  ca.  40 — 50';  wie  weit  unter  der  Sohle  der 
Steinbrüche  noch  Gyps  folgt,  ist,  wie  eben  erwähnt,  noch  nicht  er- 
mittelt worden.  Unter  allen  Umständen  steht  aber  fest,  dass  diese 
Gypsmasse  eine  der  grössten,  wenn  nicht  die  grösste  Muschelkalk- 
gypsmasse  ist,  die  in  Deutschland  zu  Tage  ansteht.  Die  sonstigen 
massenhaften  Gypsvorkommnisse  gehören  fast  ausschliesslich  dem 
Zechstein  und  nicht  dem  Muschelkalk  an.  An  all  den  anderen 
oben  genannten  Orten  unseres  Gebiets,  wo  der  mittlere  Muschelkalk 
zu  Tage  ansteht,  ist  Gyps  noch  nicht  beobachtet  worden,  dagegen 
hat  man  wenig  jenseits  der  Nordostgrenze  unserer  Karte  bei  Buff- 
leben und  Tröchtelborn,  nördlich  und  nordöstlich  von  Gotha  durch 
Bohrungen  Gyps  in  der  Tiefe  nachgewiesen,  der  unzweifelhaft  eben- 
falls der  Anhydritgruppe  angehört.  Dieser  Gyps  ist  von  noch 
grösserer  Bedeutung  als  der  am  Seeberg,  da  er  Steinsalz  einschliesst, 
zu  dessen  Gewinnung  bei  Buffleben  die  Saline  Ernsthall  angelegt 
worden  ist  und  dessen  Vorhandensein  bei  Tröchtelborn  bei  der 
Bohrung  festgestellt  wurde.  An  solchen  Steinsalz  führenden  Stellen 
ist  der  Gyps  nach  Credner  mächtiger  als  sonst  und  er  soll  so 
stellenweise  bis  zu  einer  Mächtigkeit  von  300  Fuss  entwickelt  sein. 

Der  Gyps  ist  überlagert  von  ca.  50  Fuss  des  charakteristischen 
weissen,  dünngeschichteten,  dolomitischen  Mergelkalks,  der  durch 


der  Seeberge  und  des  Galberges  bei  Gotha. 


339 


ganz  Thüringen  den  mittleren  Muschelkalk  auszeichnet.  Er  ist 
nicht  nur  in  den  Gypsbrüchen,  sondern  auch  in  den  auf  der  Höhe 
des  Seeherges  gelegenen  Trocliitenkalkbrüchen,  ebenso  am  Peters- 
berg und  Grenzberg  gut  aufgeschlossen,  da  man  in  den  steil 
stehenden  Schichten  vielfach  von  unten  her  den  Trochitenkalk  ab- 
baut. Es  ist  weitaus  das  auffallendste  Glied  der  Gruppe  und 
vielfach  von  weiter  Entfernung  her  an  der  weissen  Farbe  kenntlich. 
Die  dünnen  Schichten  sind  von  ganz  ebenen  Schichtflächen  be- 
grenzt, die  weissen  Platten  zerfallen  beim  Verwittern  vielfach  in 
sranz  dünngeschieferte  Massen.  Meist  sind  die  Platten  ganz  gleich- 
artig  und  homogen  und  nur  selten,  wenn  die  Schichten  etwas 
mächtiger  werden,  tritt  eine  poröse  oder  cavernöse  Beschaffenheit 
ein,  so  dass  eigentliche  weisse  Zellendolomite  entstehen,  die  in 
unserem  Gebiete  aber  keine  grosse  Holle  spielen,  sondern  höchstens 
als  untergeordnete  Einlagerungen  in  den  dünnplattigen,  nicht 
porösen  Dolomiten  Vorkommen.  Andere  Einlagerungen  untergeord- 
neter Natur  sind  braungraue  Hornsteine  in  einzelnen  Knauern 
oder  auch  in  dünnen,  zusammenhängenden,  aber  wenig  ausgedehnten 
Bänkchen,  die  bei  der  Verwitterung  ihre  Farbe  verlieren  und 
schneeweiss  werden  und  auf  deren  Oberfläche  dann  die  gebogenen 
Durchschnitte  von  Molluskenschalen  zuweilen,  aber  nicht  immer 
deutlich  hervortreten.  Nach  Credner  sind  es  Beste  der  Terebrci- 
tula  vulgaris.  Den  Schluss  der  Anhydritgruppe  machen  einige 
Fuss  eines  zwar  noch  hell,  aber  doch  mehr  gelblich  gefärbten  Do- 
lomites, der  zwar  noch  dünn,  aber  nicht  mehr  ganz  so  eben  ge- 
schichtet ist,  wie  der  ächte  Plattendolomit  des  mittleren  Muschel- 
kalks. Ausgezeichnet  ist  dieser  oberste  Dolomit  der  Anhydrit- 
gruppe dadurch,  dass  in  einigen  Schichten  stellenweise  Massen 
von  Exemplaren  eines  Mytilus  zum  Vorschein  kommen,  die  kleiner 
sind,  als  die  sonst  gewöhnlich  im  Muschelkalk  jener  Gegend  sich 
findenden  Exemplare  von  Myt.  vetustus  Golde.  ( Myt . eduliformis 
v.  Schlotei.)  und  daher  vielleicht  einer  anderen  Species  angehören. 
Die  Stelle,  wo  diese  Muschel  sich  in  Menge  findet,  ist  unmittelbar 
neben  der  auf  der  Höhe  des  kleinen  Seeberges  führenden  Fahr- 
strasse im  Chausseegraben  dicht  hinter  dem  Gebäude  der  alten 
Sternwarte,  anderwärts  habe  ich  sie  nicht  beobachtet.  Sonst  habe 


22 


340 


Max  Bauer,  über  die  geologischen  Verhältnisse 


ich  von  Versteinerungen  im  mittleren  Muschelkalk  nichts  angetroffen, 
Credner  dagegen  giebt  als  Seltenheit  Modiola  Credneri  und  Tri- 
gonia  curvirostris  an.  Ich  habe  diese  Schichten  mit  Mytilus  spec. 
noch  dem  mittleren  Muschelkalk  zugerechnet,  da  sie  demselben 
in  ihrer  Gesteinsbeschaffenheit  näher  stehen,  als  dem  folgenden 
Glied  des  Muschelkalks,  dem  Trocliitenkalk , als  dessen  Basis 
die  unmittelbar  folgenden  oolithischen  Schichten  angesehen  zu 
werden  pflegen. 

Die  den  Gyps  überlagernden  Schichten  des  mittleren  Muschel- 
kalks haben  eine  Gesammtmäclitigkeit  von  40 — 50  Fuss. 

Der  obere  Muschelkalk  wird  eröffnet  durch  den  Tro- 
c hi ten kalk,  der  ebenfalls  wie  der  Gyps  von  hoher  technischer  Be- 
deutung ist.  Derselbe  schliesst  sich  in  seiner  Verbreitung  durchaus 
an  den  mittleren  Muschelkalk  an,  dessen  auf  etwas  grösseren 
Flächen  verbreitetes  Vorkommen  er  als  ein  schmales  Band  um- 
säumt und  von  dem  Verbreitungsbezirk  der  obersten  Muschelkalk- 
schichten mit  Am.  nodosus  abgrenzt.  Auf  grösseren  Flächen  ist 
er  nirgends  ausgebreitet.  In  dieser  Weise  umgiebt  er  den  mittleren 
Muschelkalk  am  Südwestabhang  des  grossen  Seebergs  und  zieht 
sich  als  schmales  Band  längs  des  ganzen  kleinen  Seebergs  auf 
dessen  oberster  Höhe  hin  von  der  Butterleiste  bis  unterhalb  der 
alten  Sternwarte  und  ebenso  auf  dem  Galberge  jenseits  der  Stadt 
Gotha  in  mehreren  durch  \ erwerfungen  unterbrochenen  kleineren 
Stücken,  tlieils  ziemlich  geradlinige,  tlieils  in  seinem  Verlauf  com- 
plicirte  Schlingen  und  Bogen  bildend  und  dadurch  Störungen  des 
ursprünglichen  Schichtenbaues  anzeigend.  Endlich  kommt  der 
Trocliitenkalk  noch  ganz  ebenso  am  Petersberg  bei  Siebleben  und 
am  Grenzberg  bei  Remstedt  vor.  Die  Basis  bildet  ein  Schichten- 
system von  ca.  5 Fuss  eines  an  den  meisten  Stellen  oolithischen 
Kalks.  Es  ist  ein  weisser  oder  gelblich  weisser,  dolomitischer 
Kalk,  der  nun  aber  seine  Schieferigkeit  und  seine  ebenen  Schicht- 
flächen verloren  hat  und  dadurch  sich  sehr  wesentlich  von  den 
ähnlich  gefärbten  Kalken  der  Anhydritgruppe  unterscheidet.  Es 
sind  ziemlich  dicke  wulstige  Schichten,  die  beim  Zerschlagen  leicht 
in  mehr  oder  weniger  regelmässige  gerundete  Knauern  zerfallen. 
Der  oolithische  Charakter  entsteht  dadurch,  dass  in  der  weissen 


der  Seeberge  und  des  Galberges  bei  Gotha. 


341 


IT  auptmasse  des  Kalks  concentrisch  schalige  runde  Körnchen  eines 
grauen  Kalks  eingewachsen  sind,  die  ihrerseits  wieder  vielfach 
einen  grünen  Kern  eines  wahrscheinlich  dem  Glaukonit  nahestehen- 
den Minerals  enthalten.  Diese  grünen  Kerne  sind  zuweilen  ver- 
wittert und  ausgelaugt  und  der  Oolith  nimmt  dann  an  einzelnen 
Stellen  eine  grob  schaumkalkartige  Beschaffenheit  an.  Sehr  deut- 
lich ausgeprägt  ist  der  geschilderte  oolithische  Charakter,  z.  B.  auf 
dem  kleinen  Seeberg,  an  manchen  anderen  Stellen  ist  aber  diese 
Eigenschaft  auch  weniger  deutlich  erkennbar.  Am  kleinen  See- 
berg, aber  auch  sonst,  enthält  dieser  oolithische  Kalk  eine  nicht 
unerhebliche  Menge  von  Petrefakten,  der  Muschelkalkoolith  ist 
die  älteste  einen  grösseren  Petrefaktenreichthum  führende  Schichten- 
gruppe unseres  Gebietes.  Es  sind  zwar  meist  wenig  gut  erhaltene 
Steinkerne,  die  man  im  Oolith  findet,  aber  es  haben  sich  doch 
die  folgenden  Arten  mit  Sicherheit  bestimmen  lassen: 

* Encrinus  liliiformis  Goldf.  einzelne  Glieder  ziemlich 

reichlich,  aber  doch  noch  lange  nicht  so  wie  im 
eigentlichen  oberen  Trochitenkalk. 

O 

* Terebratula  vulgaris  v.  Sciiloth. 

Pecten  discites  Bronn. 

Pecten  laevigätus  Bronn. 

Hinnites  comtus  Giebel. 

* Lima  striata  v.  Alb. 

Gervillia  socialis  v.  Schlotii.  spec. 

Gervillia  costata  Quenst. 

* Trigonia  vulgaris  Bronn. 

Kleine  undeutliche  Schnecken,  vielleicht 

Natica  oolithica  Zenker. 

Die  mit  einem  * bezeichneten  Formen  sind  weitaus  die  häufig- 
sten, wie  das  auch  Credner  schon  angiebt,  die  anderen  sind  nur 
vereinzelt  gefunden  worden.  Credner  giebt  ausserdem  noch  an, 
dass  hier  Ammonites  nodosus  und  Nautilus  bidorsatus  zuerst  Vor- 
kommen. Ich  habe  diese  Arten  so  weit  unten  nicht  beobachten 
können,  trotzdem  dass  ich  meine  Aufmerksamkeit  besonders  dar- 
auf richtete,  und  auch  die  Gothaer  Lokalsammlungen  enthalten 
zur  Zeit  davon  nichts  aus  dieser  Schicht.  Sie  erscheinen  erst  in 


342 


Max  Bauer,  über  die  geologischen  Verhältnisse 


den  die  eigentlichen  Trochitenkalke  überlagernden  Schichten,  die 
vom  Am.  nodosus  ihren  Namen  haben. 

Durch  eine  wenig  mächtige  Thonzwischenlagerung  wird  der 
Oolith  vom  eigentlichen  Trochite  nkalk  getrennt.  Dies  ist  ein 
dickbänkiger,  splittriger,  blauer,  braungefleckter  Kalk,  der  in  grosser 
Menge  Stielglieder  von  Encrinus  liliiformis  Goldf.  eingeschlossen 
enthält,  aber  durchaus  nicht  überall  gleich  viel,  stellenweise  werden 
sie  wohl  auch  spärlicher.  Die  Mächtigkeit  beträgt  im  Ganzen 
10 — 15  Fuss.  Stellenweise  enthält  dieser  Kalk  ausser  den  ge- 
nannten Trochiten  noch  zahlreiche  andere  Petrefakten,  besonders 
häufig  Lima  striata  v.  Alb.,  daher  wurde  diese  Schichtenreihe  von 
Credner  und  Anderen  Limakalk  oder  Limabank  genannt.  Ausser- 
dem sind  noch  zu  erwähnen: 

Terebratula  vulgaris  v.  Schloth. 

Gervillia  socialis  v.  Schloth.  spec. 

Gervillia  costata  Quenst. 

Trigonia  vulgaris  Bronn. 

Credner  führt  noch  als  besonders  häufig  in  dieser  Stufe  Pecten 
inaequistriatus  und  discites  an,  bei  Gotha  scheinen  diese  beiden 
Arten  aber  zu  fehlen,  ich  habe  sie  wenigstens  nicht  dort  beobachtet. 

Diese  Trochitenschichten  sind  nun  technisch  von  grosser  Be- 
deutung und  werden  als  Werksteine,  zur  Beschotterung  der 
Chausseen  und  zum  Kalkbrennen  im  ausgedehntesten  Maassstabe 
verwendet  und  zu  diesem  Zweck  in  höchst  zahlreichen  Steinbrüchen 
gewonnen.  Die  Keihe  dieser  Steinbrüche  beginnt  am  kleinen 
Seeberg,  an  der  Butterleiste,  wo  sie  erst  vereinzelt  im  Walde 
liegen ; sie  häufen  sich  aber  mehr  und  mehr  und  bald  ist  ein  Bruch 
dicht  am  anderen  auf  der  südlichen  Seite  der  über  die  Seeberffe 
hinführenden  Strasse  ganz  oben  auf  der  Höhe,  während  wenige 
Schritte  weiter  südlich  am  Abhang  die  fast  ebenso  ausgedehnte 
Keihe  der  Gypsbrüche  parallel  damit  verläuft.  Nach  einer  kleinen 
Lücke  umgeben  die  Steinbrüche  die  alte  Sternwarte  in  einem 
weiten  Bogen  und  hören  dann  diesseits  des  Leinathaies  auf,  um 
jenseits  der  Stadt  Gotha  am  Gaiberg  wieder  anzufangen,  liier  aber 
auch  am  südlichen  Abhang  des  Berges,  nicht  blos  auf  der  obersten 
Höhe,  wie  am  kleinen  Seeberg.  Auch  hier  am  Gaiberg  ist  Stein- 


der  Seeberge  and  des  Galberges  bei  Gutlia. 


343 


brach  an  Steinbruch  und  die  stellenweise  sogar  doppelte  Reihe  hört 
erst  da  auf,  wo  auf  dem  Plateau  des  Krahnberges  jüngere  Schichten 
den  Trochitenkalk  bedecken.  Verhältnissmässig  ebenso  umfangreich 
ist  die  Ausbeutung  dieser  Schichten  in  den  isolirten  Muschelkalk- 
partieen  des  Grenzberges  und  des  Petersberges,  auch  hier  ist  auf  der 
ganzen  Erstreckung  des  Ausstreichens  des  Trochitenkalkes  Stein- 
brach  an  Steinbruch,  oder  besser  es  ist  das  ein  einziger  zusammen- 
hängender grosser  und  ausgedehnter  Steinbruch.  Dieser  Steinbruchs- 
betrieb  scheint  schon  seit  sehr  langer  Zeit  stattzufinden,  denn  an 
vielen  Stellen  ist  der  Trochitenkalk  schon  total  ausgebrochen,  so  dass 
es  oft  schwer  ist,  an  den  Orten,  wo  er  sich  offenbar  befunden  haben 
muss,  ein  Stück  davon  aufzufinden.  Vielfach,  wie  z.  B.  vorn  am 
kleinen  Seeberg,  am  Abhang  gegen  das  Leinathal,  sind  die  alten 
Gruben  wieder  zugeschüttet  und  überackert  und  an  Stelle  des 
Trochitenkalkes  zieht  sich  dann  ein  flacher  langgestreckter  Graben 
hin  statt  des  charakteristischen  hervorragenden  Rains,  der  sonst  den 
Verlauf  der  Trochitenbänke  an  der  Erdoberfläche  zu  markiren 
pflegt.  So  ist  es  auch  an  der  kleinen,  isolirten  Muschelkalkpartie 
an  der  Kesselmühle  bei  Gotha,  südöstlich  von  der  Stadt,  wo 
scheinbar  mittlerer  Muschelkalk  und  Nodosenkalk  unmittelbar  zu- 
sammenstossen , weil  der  dazwischen  liegende  Trochitenkalk  fast 
spurlos  verschwunden  ist,  so  dass  statt  seiner  nur  noch  der  die 
Stelle  der  früheren  jetzt  zugeschütteten  und  beackerten  Steinbrüche 
bezeichnende  flache  Graben  vorhanden  ist.  Uebrigens  sind  auch 
noch  Trocliitenkalkpartieen  vorhanden,  deren  Ausbeutung  noch  gar 
nicht  in  Angriff  genommen  ist,  so  namentlich  die,  welche  sich  am 
südwestlichen  Abhang  des  grossen  Seeberges  quer  über  die  Felder 
hinzieht,  so  dass  an  ein  vollständiges  Verschwinden  dieses  werth- 
vollen Materials  trotz  der  massenhaften  Gewinnung  vorläufig  und 
noch  lange  nicht  zu  denken  ist,  ganz  abgesehen  davon,  dass  auch 
die  schon  in  Angriff  genommenen  Partieen  von  der  vollständigen 
Erschöpfung  noch  weit  entfernt  sind.  Schon  oben  habe  ich  er- 
wähnt, wie  bedeutend  die  äussere  Gestalt  des  kleinen  Seeberges 
und  des  Galberges  und  ebenso  des  Petersberges  und  Grenzberges 
durch  diese  umfangreichen  Steinbruchsarbeiten  verändert  worden  ist. 

Der  N o dosenkalk,  das  oberste  Glied  des  Muschelkalks,  be- 


344 


Max  Bauer,  über  die  geologischen  Verhältnisse 


deckt  verhältnissmässig  grössere  Gebiete,  als  die  zwei  schon  ge- 
nannten Stufen  desselben.  Er  zieht  sich  neben  dem  Trochitenkalk 
über  den  kleinen  Seeberg  und  den  Gaiberg  bin,  von  dessen  west- 
lichem Ende  aus  er  sich  nach  Norden,  Westen  und  Süden  plateau- 
artig:  weit  ausbreitet  und  den  Kralmberg  bildet.  Am  Grenzberg  und 
Petersbei’g  überlagert  er  ebenfalls  den  Trochitenkalk  und  ebenso  in 
der  Muschelkalkpartie  am  Südwestabhang  des  grossen  Seeberges.  Er 
ist  in  Folge  der  Steinbruchsarbeiten  auf  den  Trochitenkalk  an  vielen 
Stellen  ziemlich  gut  aufgeschlossen,  wenigstens  in  seinen  unteren 
Theilen,  die  oberen  Schichten  sind  es  fast  nirgends,  da  der  No- 
dosenkalk selbst  nirgends  technisch  verwendet  und  also  auch 
nirgends  gebrochen  wird.  Es  sind  wie  überall  in  Thüringen 
blaue,  wenig  mächtige  Kalkbänke  mit  Zwischenlagern  von  grauem, 
oft  sehr  plastischem  Thon,  der  nicht  selten  an  Gesammtmächtig- 
keit  den  Kalk  fast  erreicht,  meist  aber  ziemlich  dahinter  zurück- 
steht. In  diesem  im  Ganzen  wohl  mehr  als  200  Fuss  mächtigen 
Schichtensystem  sind  einige  durch  besondere  Petrefakteneinschlüsse 
charakterisirte  Bänke  eingelagert.  Credner  erwähnt  eine  über 
weite  Strecken  nachweisbare  nicht  weit  über  dem  Trochitenkalk 
abgelagerte  Bank  mit  Nuculasteinkernen , Dentalium  laeve  und 
selten  Spirifer  fragüis.  Ich  habe  diese  Bank  jedenfalls  anstehend 
bei  Gotha  nicht  beobachtet,  dagegen  finden  sich  nicht  selten  in 
dem  Abraum  der  Trochitenkalkbrüche  isolirte  Platten  mit  Den- 
talien  und  unbestimmbaren  Steinkernen  von  kleinen  Muscheln 
(Sp.  fragüis  habe  ich  nie  gesehen),  die  vielleicht  dieser  Bank  an- 
gehören. Gegen  das  obere  Ende  des  Nodosenkalkes  hin  ist  die 
Schicht  mit  Ter.  vulgaris  var.  cycloides  zwar  auch  bei  Gotha  vor- 
handen, aber  nicht  in  so  ausgezeichneter  Weise  entwickelt,  wie 
das  sonst  in  Thüringen  vielfach  der  Fall  ist.  Meine  darauf  be- 
sonders  gerichtete  Aufmerksamkeit  hat  nie  zur  Auffindung  be- 
sonders  charakteristischer  und  terebratelreicher  Stücke  geführt, 
doch  ist  im  obersten  Tlieil  der  Nodosenschichten  eine  solche 
Bank  auch  bei  Gotha  unzweifelhaft  vorhanden , ebenso  eine 
Bank  mit  vielen  Exemplaren  von  Pecten  discites , deren  Lage- 
rung gegen  die  Cycloidesschichten  aber  nicht  zu  ermitteln  war. 
Dagegen  lässt  sich  an  mehreren  Stellen  dicht  unter  der  Letten- 


der  Seeberge  und  des  Galberges  bei  Gotha. 


345 


kohle  der  oberste  Horizont  des  Nodosenkalks,  die  Schichten  mit 
Ammonites  semipartitus  Monte.  deutlich  erkennen.  Es  sind  theils 
blaugefärbte  Kalke,  in  denen  auch  die  eingeschlossenen  Verstei- 
nerungen, besonders  der  genannte  Ammonit  aus  blauem  Kalk  be- 
stehen: so  findet  er  sich  beispielsweise  am  kleinen  Seeberg  als 
Seltenheit  ; oder  es  sind  gelbe  dolomitische  dichte  Kalke  mit  gelben 
Petrefakten,  welch  letztere,  auch  isolirt,  durch  ihre  Farbe  auf  diesen 
Horizont  hinweisen,  wie  das,  allerdings  nicht  in  sehr  ausgezeich- 
neter Weise,  an  beiden  Abhängen  des  Galberges  zu  beobachten 
ist.  Diese  gelbe  oder  braune  obere  Grenzschichte  des  Nodosen- 
kalks wird  vielfach  und,  wie  es  scheint  auch  von  Credner,  wegen 
der  Farbe  schon  zur  Lettenkohle  gerechnet.  Fs  ist  dies  aber 
nicht  richtig,  da  man  in  diesen  Schichten  an  vielen  Stellen  in  Thü- 
ringen noch  die  Muschelkalkammoniten  eingeschlossen  findet,  so 
dass  doch  nähere  Beziehungen  nach  unten,  als  nach  oben  vor- 
handen sind.  Allerdings  ist,  wenn  die  Ammoniten  fehlen,  die 
Sache  zweifelhaft,  da  die  Lettenkohle  mit  ganz  ähnlich  aus- 
sehenden Schichten  oft  beginnt. 

Die  Versteinerungen  der  Nodosenschichten  sind  dieselben,  die 
überall  in  Thüringen  in  diesem  Niveau  Vorkommen,  etwas  beson- 
ders Hervorzuhebendes  habe  ich  in  der  Nähe  von  Gotha  nicht 
beobachtet.  Es  wurden  besonders  folgende  Formen  gefunden: 

Terebratula  vulgaris  v.  Sciiloth. 

Discina  cliscoides  v.  Schloth.  spec. 

Ostrava  complicata  GoLDF. 

» spondxjloicles  v.  Schloth. 

» ostracina  v.  Schloth.  sp. 

Anomict  bergx  Giebel. 

Pecten  reticulatus  Brongn. 

» Albertii  Giebel. 

» cliscites  Bronn. 

» laevigatus  Bronn. 

Hinnites  comtus  Giebel. 

Lima  lineata  Golde. 

Geroillia  socialis  v.  Schloth.  sp. 

» costata  QüENST. 


346 


Max  Bauer,  über  die  geologischen  Verhältnisse 


Mytilus  vetustus  Goldf. 

Nucula  elliptica  Goldf. 

Trigonia  vulgaris  Bronn. 

Myacites  musculoides  Goldf. 

Dentalium  laeve  Goldf. 

Melania  Schlotheimii  Quenst. 

Fusus  Hehlii  Zieten. 

Kleinere  unbestimmte  Schnecken. 

Nautilus  bidorsatus  Bronn  (die  Schale  und  die  Kiefer). 

Ammonites  nodosus  Bruguiere  sp. 

» semipartitus  v.  Buch. 

Schuppen,  Zähne  und  Knochen  von  Fischen  und  Sau- 
riern. 

L)er  Keuper.  Diese  Formation  beginnt  mit  der  Letten- 
kohle oder  dem  Kohlenkeuper.  Diese  Abtheilung  ist  an  ver- 
schiedenen Stellen  etwas  verschieden  zusammengesetzt  und  ver- 
schieden mächtig:.  Die  Mächtigkeit  beträgt  im  Minimum  ungefähr 
100  Fuss,  geht  aber  wohl  meist  darüber  hinaus.  Zu  unterst 
liegen  fast  überall  gelbe  oder  braune  eisenschüssige  dolomitische 
Kalke,  die  aber  mit  Bestimmtheit  nur  dann  zur  Lettenkohle  ge- 
rechnet werden  können,  wenn  sie  cavernös  mit  vielen  grossen 
polyedrischen  Flohlräumen  versehen  sind,  deren,  Volumen  das  der 
Gesteinsmasse  überwiegt,  welch  letztere  nur  in  Gestalt  von  mehr 
oder  weniger  ebenflächigen  Platten  oder  Leisten  als  Begrenzungen 
jener  Hohlräume  vorhanden  ist.  Sind  diese  Schichten  nicht 
cavernös  — wie  schon  bei  Betrachtung  der  obersten  Muschelkalk- 
schichten bemerkt  wurde  — , dann  ist  die  Zugehörigkeit  zweifel- 
haft, da  letztere  Formationsabtheilung  von  ganz  ähnlichen  Gesteinen 
nach  oben  als  dem  letzten  Glied  begrenzt  rvird  und  Sicherheit 
tritt  erst  wieder  ein,  wenn  das  Auffinden  A7on  Ammoniten  die 
Zutheilung  zum  Muschelkalk  erforderlich  macht.  Im  Ganzen  liegen 
die  Verhältnisse  so,  dass  man  im  Zweifelsfall  solche  Schichten 
eher  zum  Muschelkalk  als  zur  Lettenkohle  ziehen  wird.  Von  hier 
aus  wird  die  Gliederung  im  Gebiet  unserer  Karte  zweifelhaft,  da 
nirgends  ein  Aufschluss  durch  die  ganze  Lettenkohle  oder  durch 
die  einzelnen  sich  zu  einem  Gesammtprofil  ergänzenden  Niveaus 


der  Seeberge  und  des  Galberges  bei  Gotha. 


347 


vorhanden  ist.  Nur  die  oberen  Schichten  sind  ungefähr  halbwegs 
zwischen  Gotha  und  dem  südöstlich  davon  gelegenen  Dorfe  Sund- 
hausen au  der  durch  die  Sundhauser  Vorstadt  in  Gotha  führenden 
Chaussee  aufgeschlossen  (an  dem  sogenannten  »Tollen  Hund«, 
welchen  Namen  aber  die  Generalstabskarte  nicht  hat,  derselbe  hegt 
nur  wenige  hundert  Schritt  ausserhalb  des  Gebietes  unserer  Karte), 
wo  die  Lettenkohlensandsteine  in  grossen  Steinbrüchen  gewonnen 
werden.  Auf  diesen  Mangel  an  Aufschlüssen  ist  vielleicht  auch  ein 
Theil  der  Verschiedenheiten  und  Abweichungen  in  der  Ausbildung 
des  Kohlenkeupers  zurückzuführen,  die  man  mehrfach  auf  geringe 
Entfernung  wahrzunehmen  meint.  Ein  ausgezeichnetes  Profil  durch 
die  ganze  Lettenkohle  und  einen  Theil  der  darüber  liegenden 
Keuperschichten  beschreibt  aber  Credner  aus  einem  Wasserriss 
zwischen  Holzhausen  und  Bittstedt  ca.  2 Meilen  in  südöstlicher 
Richtung  von  unserer  Kartengrenze  entfernt.  Es  ist  allerdings 
zweifelhaft,  ob  man  auf  so  weite  Entfernung  Gleichheit  der  Ver- 
hältnisse in  den  Hauptsachen  voraussehen  darf,  aber  das  Profil 
vom  »Tollen  Hund«  bei  Gotha  stimmt  so  sehr  mit  dem  ent- 
sprechenden Theil  des  Profils  bei  Holzhausen  überein,  dass  man 
vielleicht  annehmen  darf,  dass  durch  dieses  Profil  auch  die  Ver- 
hältnisse bei  Gotha  in  den  Grundzügen  richtig  dargestellt  werden. 

An  jener  Stelle  liegen  zuunterst  wie  überall  sonst  jene  schon 
besprochenen  eisenschüssigen  dolomitischen  Kalke  (hellbrauner 
Bittermergelkalk)  in  geringer  Mächtigkeit,  nicht  cavernös,  also 
vielleicht  ganz  oder  zum  Theil  noch  zum  Muschelkalk  zu  ziehen. 
Hierauf  folgen  aschgraue,  schwarze,  oft  auch  grünlichgraue  Mergel- 
schiefer und  Thonletten,  dazwischen  finden  sich  dünne  eisen- 
schüssige ockergelbe  oder  braune  Dolomitbänkchen  von  festerer 
oder  lockerer  Beschaffenheit  eingelagert,  die  Lingula  tenuissima 
zuweilen  in  Menge  enthalten.  Credner  führt  von  dieser  Stelle 
nicht  Estheria  minuta  an , an  anderen  Orten , auch  im  Gebiet 
unserer  Karte  bei  Gotha  findet  man  oft  die  Schichtflächen  der 
Thonletten  mit  vielen  Exemplaren  dieses  Muschelkrebses  bedeckt, 
wie  das  auch  schon  Beyrich  früher  bemerkt  hat1),  der  sie  von 


b Zeitschr.  d.  Deutsch,  geolog.  Ges.  II,  168,  1850.  In  späteren  Arbeiten  er- 
wähnt auch  Ckednek  das  Vorkommen  dieser  Versteinerung  in  der  Lettenkolile. 


348 


Max  Bauer,  über  die  geologischen  Verhältnisse 


Sonneborn  nordwestlich  von  Gotha  aus  kohligen  Schiefern,  aus 
der  Schlotheim  sehen  Sammlung,  erwähnt. 

Die  Gesammtmächtigkeit  dieser  Lettenkohlenthone  und  -Mergel 
beträgt  nach  Credner  381/2  Fuss.  Hierauf  folgt  das  Niveau  der 
Lettenkohlensandsteine  in  einer  Mächtigkeit  von  ungefähr  60  Fuss, 
der  » Trauen  Sandsteine«  von  E.  E.  Sciimid.  Es  sind  grünlich- 
graue  Mergelsandsteine  mit  Pflanzenresten,  von  denen  besonders 
Calamites  arenciceus  erwähnt  wird.  Dazwischen  ist  ein  schwarzer 
Mergelschiefer  stellenweise  mit  Schnüren  von  Kohlenmulm  ne- 
lagert,  und  bedeckt  wird  der  Sandstein  von  bunten  (grünen  und 
rothen)  Thonen,  deren  Gesammtmächtigkeit  Credner  zu  ca.  10  Fuss 
angiebt  und  welche  dann  von  der  Abtheilung  des  Grenzdolomiten 
15  Fuss  mächtig  überlagert  werden,  von  dem  nachher  noch  weiter 
die  Rede  sein  wird.  Es  hat  somit  die  Lettenkohle  dort  eine 
Mächtigkeit  von  ungefähr  120  Fuss. 

Am  »Tollen  Hund«  !)  ist  die  untere  Lettenkohle,  die  Letten- 
kohlenthone, nicht  aufgeschlossen.  Man  beobachtet  in  den  dorti- 
gen Steinbrüchen  zum  Tlieil  gelbgraue  und  zum  Theil  auch  rothe 
Sandsteine  mit  undeutlichen  Pflanzenresten  in  erheblicher  Mächtig- 
keit (30 — 40  Fuss)  anstehend.  Es  sind  weiche,  ziemlich  lockere, 
aber  doch  zu  Bausteinen  immer  noch  gut  brauchbare  Sandsteine 
mit  thonigem  Bindemittel  und  mit  vielen  weissen  Glimmerschüpp- 
chen, besonders  auf  den  Schicht  flä  chen.  Neben  den  sehr  reichlich 
vorhandenen,  unbestimmbaren  kohligen  Pflanzenresten  finden  sich 
auch  mannichfach  deutlich  erhaltene  und  bestimmbare  Pflanzenver- 
steinerungen. Es  ist  Calamites  arenaceus , Equisetum  columnare , 
Taeniopteris  vittata  und  mehrfache  andere,  noch  nicht  bestimmte 
oder  beschriebene  Arten;  Credner  führt  z.  B.  noch  eine  Neu- 
ropteris- Species  auf,  sowie  zahlreiche  Exemplare  einer  Mya- Art  und 
Wirbelthierreste,  Zähne  und  Schuppen  etc.,  von  denen  ich  an  der 
genannten  Stelle  nichts  beobachtet  habe. 

Diese  Sandsteine  sind  überlagert  von  den  ca.  10  Fuss  mäch- 
tigen, bunten,  grünen  und  rothbraunen  Thonmergeln,  die  überall  in 
Thüringen  im  oberen  Niveau  der  Lettenkohle  sich  finden  und  die 


D Die  Lokalität  liegt  nickt  mekr  im  Bereich  unserer  Karte, 


der  Seeberge  und  des  Galberges  bei  Gotha. 


349 


nur  durch  ihre  Lagerung  unter  dem  Grenzdolomit  sich  von  den 
darüber  liegenden  bunten  Mergeln  des  mittleren  Keupers  unter- 
scheiden, nicht  aber  im  Aussehen.  Genau  dasselbe  Profil  kann 
man  auch  an  der  Kesselmühle  beobachten,  wo  in  einem  Hohlweg 
der  Sandstein  ansteht  und  darüber  dann  die  bunten  Mergel  mit 
dem  Grenzdolomit  lagern,  aber  der  Aufschluss  ist  hier  nicht  durch 
Steinbrüche  erweitert. 

Den  Schluss  der  Lettenkohle  nach  oben  macht  endlich  der 
Grenzdolomit,  ein  meist  intensiv  gelbei’,  mehr  oder  weniger  dick 
geschichteter  Dolomit  mit  zwischengelagerten  weicheren  Schichten, 
der  durch  sein  constantes  Auftreten  einen  der  schärfsten  Trias- 
horizonte in  Thüringen  bezeichnet.  Er  umsäumt  als  schmales  Band 
im  Südwesten  und  auch  zu  einem  kleinen  Theil  im  Nordwesten, 
wo  er  unter  dem  Diluvium  verschwindet,  die  Stadt  Gotha,  und 
findet  sich  ebenso  bei  der  schon  erwähnten  Kesselmühle  und  am 
Südwestabhange  des  grossen  Seeberges. 

Wo  der  Grenzdolomit  gut  aufgeschlossen  ist,  zeigt  er  sich 
überall  sehr  reich  an  Petrefakten  aller  Art,  von  denen  besonders 
Trigonia  Goldfussn  von  Alb.  häufig  und  charakteristisch,  ausserdem 
habe  ich  bei  Gotha  an  verschiedenen  Stellen  noch  folgende  Petre- 
fakten beobachtet : 

Lingula  tenuissima  Bronn  (ein  Bruchstück), 

Trigonia  vulgaris  Bronn, 

Gervillia  socialis  v.  Schloth.  sp., 
daneben  unbestimmte  Steinkerne  verschiedener  anderer  Muscheln 
und  zahlreiche  Ueberreste  von  Fischen  und  Sauriern. 

Die  oben  als  häufig  und  typisch  angeführte  Beschaffenheit 
dieses  Grenzdolomits  ist  aber  durchaus  nicht  die  ganz  allgemeine, 
sondern  es  ist  im  Gegentheil  ein  starker  Wechsel  an  verschiedenen 
Stellen  des  Vorkommens  zu  beobachten.  Bald  ist  der  Dolomit 
gelb  und  fest  und  wird  dann  wohl  als  Baustein  verwendet  — 
Stücke  davon  finden  sich  schon  in  den  Mauern  des  alten  Schlosses 
Gleichen  bei  Wandersleben  östlich  vom  grossen  Seeberge  eilige- 
mauert  — oder  er  ist  gelb,  aber  locker  und  mürbe,  sogar  fast 
zerreiblich;  bald  sind  es  aber  auch  feste,  rauchgraue,  dichte  bis 
sehr  feinkörnige  Dolomite,  in  denen  dann  die  Petrefakten  nicht  so 


350 


Max  Bauer,  über  die  geologischen  Verhältnisse 


deutlich  zum  Vorschein  kommen,  wie  bei  den  gelben.  Zuweilen 
zeigt  auch  ein  und  dasselbe  Stück  an  verschiedenen  Stellen  die 
beiden  Beschaffenheiten  nebeneinander,  so  dass  es  aussieht,  als 
wäre  die  gelbe,  festere  oder  lockere  Ausbildungsweise  nur  eine 
durch  Verwitterungsprozesse  aus  dem  festen  rauchgrauen  Vor- 
kommen entstandene  sekundäre  Bildung,  bei  welchen  Prozessen 
dann  auch  die  Petrefakten  erst  aus  dem  Gestein  herauswitterten, 
wenigstens  treten  diese  bei  den  gelben  Dolomiten  viel  mehr  her- 
vor, als  bei  den  graubraunen,  bei  denen  sie  sich  oft  sehr  verstecken, 
so  dass  sie  schwer  wahrzunehmen  sind.  So  stark  bituminöse  Ab- 
arten, dass  sie  dem  Stinkschiefer  im  Zechstein  gleichen,  und  wie 
sie  Credner  von  anderen  Orten  in  Thüringen  beschreibt,  habe 
ich  bei  Gotha  nicht  wahrgenommen. 

Die  nun  folgende  Abtheilung  des  Gypskeupers  besteht 
ebenfalls,  wie  die  obere  Lettenkohle,  aus  rothen  und  grünen 
Thonen,  die  sich  von  den  entsprechenden  Letteukohlenthonen 
kaum  durch  etwas  grösseren  Wechsel  der  Farben  im  Aussehen, 
sondern  wesentlich  nur  durch  die  Lagerung  über  dem  Grenz- 
dolomit unterscheiden  lassen.  Ist  die  Lagerung  solcher  bunter 
Thone  zum  Grenzdolomit  nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesen,  dann 
ist  auch  die  Zugehörigkeit  derselben  zur  Lettenkohle  oder  zu  der 
höheren  Abtheilung  des  Keupers,  dem  Gypskeuper,  zweifelhaft,  vor- 
ausgesetzt, dass  nicht  die  dem  Gypskeuper  eigenthümlichen  Ein- 
lascerunffen  vorhanden  sind,  die  aus  mit  den  Thonen  wechselnden 
Gypsbänken  und  deren  Residuen  bestehen.  Diese  Gypsbänke  sind 
tlieils  sehr  dünn,  theils  dicker,  vielfach  auch  stellenweise  rasch  an- 
scliwellend  und  sich  wieder  verdrückend.  Der  Gyps  selbst  ist  roth 
oder  doch  weiss  mit  rothen  Flecken,  und  unterscheidet  sich  da- 
durch leicht  von  dem  nie  rothen  Muschelkalkgyps.  Er  ist  meist 
dicht,  enthält  aber  stellenweise  derbe,  krystallinische  Partieen  ein- 
gesprengt. Auch  enthält  er  in  grösserer  Menge  undeutlich  aus- 
gebildete Quarzkrystalle  eingesprengt.  Dieser  Gyps  ist  aber  nicht 
überall  vorhanden,  wo  die  Abtheilung  des  Gypskeupers  entwickelt 
ist,  vielmehr  fehlt  er  wohl  an  deu  meisten  Stellen,  was  aber  nur 
darauf  zurückzuführen  ist,  dass  der  ursprünglich  vorhandene  Gyps 
von  den  im  Innern  der  Schichten  circulirenden  Wässern  aufgelöst 


der  Seeberge  und  des  Galberges  bei  Gotha. 


351 


und  fortgeführt  wurde,  womit  viele  kleine  lokale  Schichtenstörungen 
verbunden  sind.  Wenn  dieser  Prozess  noch  nicht  ganz  beendigt 
ist,  so  sind  nur  einzelne  Knollen  von  Gyps  statt  der  zusammen- 
hängenden Schichten  vorhanden,  in  denen  die  unlöslichen  Bei- 
mischungen des  Gypses  dann  stärker  angehäuft  sind,  besonders 
die  Quarzkrystalle.  Solche  Gypsresidua  liegen  z.  B.  in  grosser 
Menge  in  der  Gypskeuperpartie  nördlich  vom  Dorfe  Günthers- 
leben, an  deren  südlichem  Rande  aber  auch  Gyps  in  der  ursprüng- 
lichen Form  von  dicken  Bänken  ansteht,  die  dort  in  Brüchen  ge- 
wonnen werden.  Ebenso  findet  man  den  Gyps  längs  des  südlichen 
Abhanges  des  kleinen  Seeberges  sich  hinziehen.  Er  steht  dort  nicht 
eigentlich  zu  Tage  an,  ist  aber  vielfach  in  Löchern  aufgeschlossen, 
die  zu  seiner  Gewinnung  gegraben  werden,  welche  aber  ihre  Stelle 
rasch  wechseln  und  sich  nie  zu  eigentlichen  Brüchen  ausdehnen, 
da  die  Quantität  des  vorhandenen  Materials  dazu,  wie  es  scheint, 
doch  zu  gering  ist.  Es  ziehen  sich  also  zwei  Gypsgewinnungs- 
zonen  vom  Südabhange  des  kleinen  Seeberges  auf  wenige  Schritt 
Entfernung  ziemlich  lange  nebeneinander  hin;  oben  am  Abhange 
der  ungleich  wichtigere  und  massenhaftere  Muschelkalkgyps,  unten 
auf  den  Feldern  der  Keupergyps.  Natürlich  mischen  sich  viel- 
fach in  dem  dort  lose  herumliegenden  Gesteinsmaterial  beide  Gypse 
mit  einander,  man  kann  aber  beide  in  jedem  Handstück  sicher 
auseinander  halten,  da  der  Keupergyps  stets  einen,  wenn  auch  nur 
schwachen  Stich  ins  Roth  hat,  was  beim  Muschelkalkgyps  nie  der 
Fall  ist.  An  manchen  Stellen  wird  der  Thon  von  Schnüren  von 
Fasergyps  durchzogen,  doch  sind  das  wenig  wichtige  secundäre 
Bildungen.  Mit  dem  Fasergyps  kommt  nach  Credner  am  kleinen 
Seeberge  auch  fleischrother  Cölestin  vor,  ich  habe  davon  nichts 
wahrgenommen. 

Im  Allgemeinen  ist  diese  Abtheilung  des  Gypskeupers  charak- 
terisirt  durch  das  Fehlen  von  Steinmergelbänken,  die  sich  erst 
weiter  nach  oben  einstellen.  Einzelne  solche  Bänke  sind  aber  doch 
auch  hier  schon  an  manchen  Stellen  ausgebildet.  So  durchzieht 
im  Liegenden  der  dortigen  Gypsbänke  nördlich  dem  Dorfe  Günthers- 
leben eine  ungefähr  einen  Fuss  mächtige,  sehr  feste  und  harte 
Steinmergelbank  von  hell  violetter  Farbe  die  Gypskeuperschichten, 


352 


Max  Bauer , über  die  geologischen  Verhältnisse 


die  vielleicht  mit  der  sogenannten  Bleiglanzbank  in  Schwaben  und 
Franken  und  an  anderen  Orten  in  Thüringen  äquivalent  ist,  doch 
ist  Bleiglanz  darin  noch  nicht  aufgefunden  worden,  ebenso  wenig 
Petrefakten  irgend  welcher  Art. 

Ausser  diesen  lokalen  Steinmergeleinlagerungen  sind  aber  noch 
andere  Zwischenschichten  vorhanden,  die  einiges  Interesse  ge- 
währen, nämlich  solche  von  Sandsteinen,  die  ihr  Lager  im  oberen 
Gypskeuper  haben  und  somit  wohl  dem  süddeutschen  Schilfsandstein 
äquivalent  sind.  Das  Vorkommen  ist  aber  nur  sehr  lokal  und  es 
sind  im  Gebiet  unserer  Karte  nur  zwei  Punkte,  wo  dieser  Sandstein 
deutlich  aufgeschlossen  ist.  Der  eine  Punkt  ist  nordwestlich  vom 
Dorf  Siebleben  auf  der  Höhe;  dort  ist  in  einer  ziemlich  grossen 
Grube  ein  sehr  weicher  und  lockerer,  ja  zwischen  den  Fingern 
zerreiblicher,  rother  oder  gelber  Sandstein  mit  vielen  undeutlichen 
kohligen  Pflanzenresten  und  vielen  Glimmerblättchen  aufgeschlossen, 
der  dort  gewonnen  wird,  aber  nicht  als  Baumaterial,  wozu  er  wegen 
seiner  lockeren  Beschaffenheit  durchaus  ungeeignet  ist,  sondern 
zur  Verbesserung  der  Felder  in  jenen  Gegenden.  Fs  ist  dieser, 
an  der  bezeiclmeten  Stelle  circa  20  Fuss  mächtig;  aufgeschlossene 
Sandstein  unzweifelhaft  eine  Einlagerung  der  Gypskeuper,  was 
man  noch  deutlicher  sieht  an  der  zweiten  Stelle,  wo  er  zu  Tage 
ansteht,  nämlich  in  dem  am  weitesten  bis  zur  Eisenbahn  vorge- 
schobenen der  Hügelchen  nördlich  vom  Dorfe  Seebergen,  die  in  einer 
ziemlich  langen  Reihe  den  Fuss  des  grossen  Seebergs  umsäumen. 
Dort  findet  sich  ein  dem  obigen  petrographisch  in  jeder  Beziehung 
gleicher  Sandstein,  der  sich  auf  den  ersten  Blick  in  jeder  Beziehung 
von  den  anderen  Sandsteinen  der  Gegend,  dem  Lettenkohlensandstein 
und  dem  später  zu  betrachtenden  rhätischen  Sandstein  des  grossen 
Seeberges,  unterscheidet,  so  dass  eine  Verwechslung  auch  in  Hand- 
stücken kaum  möglich  erscheint. 

Zwischen  diesen  beiden  Punkten  ist  bisher  von  diesem  Sandstein 
keine  Spur  beobachtet  worden,  und  es  hat  daher  den  Anschein, 
als  wären  an  beiden  Stellen  plötzlich  die  Sandsteine  zu  erheb- 
licher Mächtigkeit  angeschwollen,  die  sich  aber  nach  allen  Seiten 
rasch  wieder  verliert.  Dies  scheint  auch  aus  der  Terraingestaltung  her- 
vorzugehen, indem  an  beiden  genannten  Punkten,  wo  der  Schilfsand- 


der  Seeberge  und  des  Galberges  bei  Gotha. 


353 


stein  vorkommt,  der  Bergabhang  eine  markirt  vorspringende,  von 
weitem  schon  auffallende  Nase  bildet,  die  sonst  fehlt.  Ist  dieser 
Zusammenhang  zwischen  dem  Vorkommen  des  Sandsteins  und  der 
Oberflächengestaltung  richtig,  so  kann  man  die  Vermuthung  aus- 
sprechen, dass  auch  in  dem  unmittelbar  nördlich  von  Siebleben  vor- 
handenen kleinen  Bergvorsprung  dieser  Sandstein  in  der  Tiefe  ansteht, 
den  man  aber  nicht  sieht,  weil  die  Kuppe  von  einer  sehr  mäch- 
tigen diluvialen  Schottermasse  bedeckt  ist.  Diese  Kuppe  liegt  auch 
ganz  in  der  Linie,  in  welcher  der  Sandstein  an  der  Erdoberfläche 
ungefähr  verlaufen  müsste,  wenn  es  eine  continuirlich  und  in 
stets  gleicher  Mächtigkeit  verlaufende  Schicht  wäre.  Da  andere 
in  ähnlicher  Weise  vorspringende  Kuppen  nicht  weiter  vorhanden 
sind,  so  wäre  weiter  zu  vermuthen,  dass  an  anderen  Stellen  der 
Sandstein  nicht  oder  doch  nur  sehr  untergeordnet  vorkommt,  um 
so  mehr,  als  auch  auf  den  Feldern  Spuren  seiner  Existenz  nicht 
zu  finden  sind.  Sandsteine  in  diesem  Niveau  und  von  ähnlicher 
Beschaffenheit,  aber  immer  nur  als  wenig  umfangreiche,  aber  zum 
Theil  mächtige,  stockförmige  Einlagerungen  finden  sich  übrigens 
auch  noch  vielfach  anderwärts  in  Thüringen,  so  z.  B.  nördlich  von 
Gotha  bei  Langensalza  und  Bollstedt,  östlich  in  dem  oben  an- 
geführten Lettenkohlenprofil,  in  dem  Credner  noch  einen  Sand- 
stein über  dem  Grenzdolomit  und  im  oberen  bunten  Mergel 
anführt,  und  an  manchen  anderen  Orten,  doch  sind  es  nie 
solche  feste,  zusammenhängende  Schichten,  wie  der  Schilfsandstein 
in  Schwaben  und  Franken. 

Gegen  oben  verschwindet  der  Gyps  überall,  die  oberen  Thon- 
mergel werden  allmählich  härter  und  luftbeständiger,  als  die  unter- 
sten, den  Gyps  einschliessenden,  was  wohl  mit  einem  grössex'en 
Kalkgehalt  zusammenhängt,  und  damit  geht  Hand  in  Hand  ein 
Bunterwerden  derselben,  ein  Hervortreten  von  grelleren  rothen 
und  blauen  oder  grünen  Farben.  Zugleich  stellen  sich  allmählich 
zwischen  den  immer  noch  leicht  in  kleine,  scharfeckige  und  -kantige 
Stücke  zerfallenden  Thonmergeln  festere  Bänke  von  Steinmergel 
(Credner’ s Thonquarze)  ein,  welche,  anfangs  nur  wenig  mächtig 
und  vereinzelt,  nach  oben  mächtiger  (bis  zu  1 Fuss)  und  häufiger 
werden,  wie  das  besonders  an  dem  vom  Dorfe  Seebergen  auf  die 


354 


Max  Bader,  über  die  geologischen  Verhältnisse 


Höhe  des  grossen  Seeberges  führenden  sogenannten  Triftwege  zu 
beobachten  ist. 

Wegen  der  Steinmergeleinlagerungen  heisst  diese  Abtheilung 
der  Steinm ergelkeuper.  Er  zieht  sich  ungefähr  200  Fuss 
mächtig:  um  den  ganzen  grossen  Seeberg  herum  und  bildet  einen 
scharfen  Vorsprung  gegen  Siebleben  hin,  endlich  tindet  sich  eine 
kleine  Stelle  auf  der  Höhe  des  grossen  Seeberges;  an  anderen 
Orten  des  Kartengebietes  kommt  er  nicht  vor.  Er  bildet  überall 
um  den  grossen  Seeberg  herum  sehr  schroffe  Abhänge,  die  sich 
durch  grosse  Unfruchtbarkeit  von  den  meist  ergiebige  Aecker  und 
Wiesen  tragenden  Gypskeupermergeln  sehr  unterscheiden,  was  mit 
der  schwereren  Verwitterbarkeit  der  Thonmergel  der  oberen  Ab- 
theilung zusammenhängt.  Der  von  ihnen  gebildete  Boden  trägt 

o ö o ö 

meist  nur  eine  höchst  sparsame  Vegetation,  wenigstens  an  den 
steilen  Bergabhängen  und  stellenweise  fehlt  eine  solche  auch  so 
vollständig,  dass  die  von  Steinmergelkeuper  gebildeten  Flächen 
ganz  nackt  sind. 

Diese  Abtheilung  des  Steinmergelkeupers  hat  keine  scharfe 
Grenze  gegen  den  Gypskeuper.  Es  sind  zwar  zwei  in  ihrer  Ge- 
sammtbeschaffenheit  entschieden  sich  bedeutend  unterscheidende 
und  daher  auseinanderzuhaltende  Stufen,  aber  es  ist  nicht  möglich, 
eine  durchgehende  und  überall  leicht  wieder  aufzufindende  Schicht 
anzugeben,  die  in  ähnlicher  Weise  scharf  scheidet,  wie  z.  B.  der 
Grenzdolomit  zwischen  Lettenkohle  und  Gypskeuper.  Es  folgt 
daraus,  dass  man  leicht  die  Grenze  zwischen  beiden  Stufen  an 
verschiedenen  nicht  zusammenhängenden  Stellen  etwas  verschieden 
legt,  da  es  sich  dabei  um  Abwägung  einer  grösseren  Anzahl  von 
Erscheinungen  und  Eigenschaften  der  constituirenden  Gesteine 
handelt,  die  ja  auch  an  verschiedenen  Stellen  in  Folge  von  sekun- 
dären Einflüssen,  die  auf  sie  gewirkt  haben,  sich  etwas  verschieden 
verhalten  können. 

Sandsteineinlagerungen,  wie  an  der  Wachsenburg  und  sonst 
im  Osten  unseres  Gebietes  sind  am  Seeberg  von  mir  nicht  beob- 
achtet, dagegen  ist  zn  erwähnen,  dass  in  manchen  Steinmergel- 
bänken  sich  zuweilen  Versteinerungen  finden.  Es  sind  sparsame 
Fisch-  und  Saurierreste  und  Conchylien,  Corbula  Keuper  in  a , oft 


der  Seeberge  und  des  Galberges  bei  Gotlia. 


355 


in  grösserer  Anzahl  und  unbestimmbare  Steinkerne  von  Bivalven 
beobachtet  worden.  In  den  Thonmergeln,  in  denen  die  Stein- 
mergel eingelagert  sind,  sind  dagegen  Versteinerungen  von  mir 
nie  beobachtet  worden. 

Die  letzte  Abtheilung  der  Trias  endlich  ist  die  Rhätische 
Gruppe,  der  Sandstein  des  grossen  Seeberges,  ausschliesslich  nur 
auf  diesen  Berg  beschränkt  und  dort  in  zahlreichen  und  ausge- 
dehnten, theils  noch  im  Betrieb  stehenden,  theils  verlassenen 
Sandsteinbrüchen  aufgeschlossen.  Credner  hat  in  seiner  Arbeit 
aus  dem  Jahr  1839  diesen  Sandstein  mit  dem  darüberliegenden 
Angulatensandstein  zusammengefasst  unter  dem  Namen  Liassand- 
stein, welche  Ansicht  er  aber  später  (1860)  gegen  die  jetzige  allgemein 
übliche  vertauscht  hat.  Diese  Steinbrüche  bauen  aber  nur  auf  den 
mittleren  Schichten,  entblössen  daher  auch  beim  Abräumen  Schichten 
der  höheren  Niveaus,  lassen  dagegen  die  untersten  Schichten  ganz 
intakt,  so  dass  diese  jetzt  nur  unvollkommue  zufällige  und  ge- 
legentliche, auch  stets  wenig  ausgedehnte  Aufschlüsse  zeigen. 

Dagegen  hatte  Credner  die  Gelegenheit,  einen  Stölln  zu 
beobachten,  der  aus  dem  herrschaftlichen  Bruch  des  Grossen  See- 
herges ungefähr  nach  Norden  getrieben  wurde,  um  das  Wasser  aus 
dem  Bruche  abzuleiten  und  hier  gelang  es  dem  genannten  Forscher, 
die  Schichtenfolge  auch  im  untersten  Niveau  des  Rhät  aufs  Ge- 
naueste im  Detail  festzustellen.  Dieser  Stölln  ist  heute  unzu- 
gänglich und  ich  folge  daher  in  der  Darstellung  dieser  Schichten 
in  der  Hauptsache  Credner  unter  Berücksichtigung  meiner  eigenen 
zum  Tlieil,  aber  nur  in  unwesentlichen  Punkten  abweichenden 
Beobachtungen. 

Zuunterst  liegt  ein  weisser  bis  lichtgelber  Sandstein,  unten 
etwas  dicker  (ungefähr  lFuss),  oben  dünner  geschichtet  und  so- 
gar schieferig  werdend,  mit  vielen  kleinen  weissen  Glimmerblätt- 
chen, im  Ganzen  ca.  30  Fuss  mächtig.  In  ihm  eingelagert  ist 
die  einzige  am  Seeberg  vorkommende  versteinerungsreiche  Schicht, 
die  sogenannte  Gurkenkernschicht.  Es  sind  dünne  feste  Bänkchen 
desselben  hellgelblichweissen , aber  etwas  festeren  Sandsteins, 
wenige  Fuss  über  der  Grenze  zu  den  unterlagernden  Ylergeln, 
die  ganz  vollgefüllt  sind  von  der  von  Deffner  und  Fraas  soge- 


23* 


356 


Max  Bauer,  über  die  geologischen  Verhältnisse 


nannten  Anodonta  postera,  genauer  nicht  bestimmbarer  Bivalven- 
steinkernen.  In  dieser  Schicht  hat  R.  v.  Fritsch  im  Jahr  1875 
auch  Wirbelthierreste  gefunden1)  und  zwar:  Hybodus  minus  Ag., 
Acrodus  minimus  Ag.  , Saurichthys  acuminutus  Ag.  und  S.  lon- 
giconus  Plien.,  sowie  Fischschuppen  ( Gyrolepis  tenuistriatus  Ag.). 
Die  Ueberlagerung  der  Sandsteine  über  den  Mergeln  ist  besonders 
gut  zu  beobachten  auf  dem  schon  genannten  Triftweg,  der  vom 
Dorf  Seebergen  aus  dessen  südlichem  Ausgang  in  südwestlicher 
Richtung;  auf  die  Flöhe  des  grossen  Seeberges  führt  und  hier  steht 
auch  die  Gurkenkernschicht  besonders  deutlich  an.  Weniger  deut- 
lich zeigen  sich  die  Verhältnisse  überall  sonst  an  der  Kante  des 
grossen  Seeberges.  Die  Gurkenkernschicht  findet  sich  fast  rings 
um  den  Berg  herum,  wird  aber  stellenweise  nicht  anstehend, 
sondern  nur  in  einzelnen  losen  Plättchen  gefunden. 

Diese  Abtheilung  in  ihrer  Gesammtheit  würde  nach  Pflücker 
y Rico2)  das  Pflanzenrhät  repräsentiren.  Pflanzen  sind  allerdings, 
auch  in  unbestimmbaren  kohligen  Resten  nicht  oder  nur  sehr  spärlich 
vorhanden.  Alles  was  von  Rhätischen  Schichten  noch  darüber  folgt, 
entspricht  darnach  dem  Protocardienrhät,  dessen  einzelne  Abthei- 
lungen sich  nach  Pflücker  deutlich  erkennen  und  unterscheiden 
lassen. 

Auf  jenes  unterste  Glied  folgen  ungefähr  20  Fuss  weisse  oder 
gelblich  weisse  Sandsteine  und  Sandsteinschiefer  ohne  organische 
Reste  (unterer  Protocardienrhät)  und  darüber  dann  der  eigentliche 
Werksandstein,  der  in  den  Brüchen  vorzugsweise  gewonnen  wird. 
Es  ist  ein  gelblich  weisser  feinkörniger  Sandstein,  bis  zu  40  Fuss 
mächtig,  feinkörnig,  fest,  in  dicken  Bänken  geschichtet,  vielfach  von 
dunklen,  braunen  Schnüren  und  oft  sogar  von  förmlichen  Adern  von 
Brauneisenstein  durchzogen , der  auch  auf  Kluftflächen  zuweilen 
mit  traubiger  Oberfläche  vorkommt.  Zuweilen  enthält  der  Sand- 
stein faustgrosse,  oft  ziemlich  regelmässig  polyedrisch  umgrenzte 
Löcher  mit  stark  eisenschüssigen  Wänden,  welche  ganz  mit  feinem, 
losen  Sand  erfüllt  sind,  der  beim  Zerschlagen  herausfällt. 


B Teyetmeyer,  1.  c.  Zeitselir.  ges.  Nat.  1876.  13,  p.  473. 

2)  Zeitselir.  d.  Deutsch,  geol.  Ges.  1868.  Uebersichtstabelle. 


der  Seeberge  und  dos  Galberges  bei  Gotha. 


357 


Auf  den  Schichtflächen  ist  dieser  Sandstein,  wie  übrigens  auch 
die  Sandsteine  der  anderen  Stufen,  vielfach  mit  den  schönsten 
Wellenfurchen  bedeckt,  oft  auf  weite  Erstreckungen  hin.  Ebenso 
findet  man  auf  diesen  Flächen  leistenförmige,  sich  nach  verschie- 
denen Richtungen  durchschneidende,  niedrige  Erhabenheiten,  offen- 
bar Ausfüllungen  von  schmalen  Spalten  und  Kluften  der  Oberseite 
der  unmittelbar  darunterliegenden  Schicht.  Am  Ausgehenden  der 
Schichten  wird  der  Sandstein  am  grossen  Seeberge  vielfach  durch 
Verwitterung  lose  und  locker  und  zerfällt  zu  Sand,  der  in  vielen 
Gruben  gegraben  und  als  Stuben-  und  Scheuersand  verwendet 
wird.  An  organischen  Resten  ist  dieser  Sandstein  arm.  Verkohlte, 
aber  selten  deutlichere  Pflanzenreste  kommen  auf  den  Schicht- 
flächen nicht  selten  vor,  dagegen  sind  animalische  Reste  um  so 
seltener.  Ich  habe  nie  welche  gefunden,  Credner  führt  aber  Ab- 
drücke von  Cardium  cloacinum  Quenst.  und  Taeniodon  ( Protocar - 
dia)  Ewaldi  Bornem.  als  Seltenheiten  an.  Ausserdem  sollen  auch 
in  diesem  Sandstein  einige  Fischzähne  gefunden  worden  sein,  wie 
aber  Credner  nur  gerüchtweise  mittheilt.  Ueberlagert  wird  dieser 
Sandstein  von  2 — 4 Fuss  grauen,  mageren  Thons,  der  feuerbeständig 
ist  und  daher  zu  Kapseln  in  der  Porzellanmanufaktur  in  Gotha 
verwendet  wird.  Er  enthält  als  einzige  organische  Reste  schlecht 
erhaltene,  verkohlte  Pflanzenstengel,  dagegen  etwas  häufiger  runde 
Geoden  von  im  Inneren  vollkommen  dichter,  nicht  zerborstener 
septarienähnlicher  Beschaffenheit  und  von  einer  auf  dem  Quer- 
bruch zum  Vorschein  kommenden  eigenthümlichen  saftgrünen  Farbe, 
die  allerdings  beim  Liegen  an  der  Luft  und  Austrocknen  in  eine 
mehr  ins  Graue  gehende  Nüance  übergeht.  Der  Sandstein  oder 
Thon,  der  eine  unten,  der  andere  oben  vollkommen  herrschend, 
gehen  auf  der  Grenze  dadurch  allmählich  in  einander  über,  dass 
zwischen  den  Sandsteinbänken  sich  erst  schwächere,  dann  stärkere 
Schichten  grauen  und  stellenweise  auch  rothen  Thons  einstellen, 
bis  der  graue  Thon  endlich  den  Sandstein  ganz  verdrängt.  Beide 
zusammen,  Sandstein  und  Thon,  repräsentiren  nach  Pflücker  y 
Rico  das  mittlere  Protocardienrhät. 

Noch  weiter  nach  oben  tritt  nun  der  Sandstein  zurück,  er  ist 
nicht  mehr  so  dickbänkig  und  fest,  wie  oben,  sondern  oft  schieferig 


358 


Max  Bauer,  über  die  geologischen  Verhältnisse 


und  locker  und  zwischen  den  Sandsteinschichten  stellen  sich  immer 
massenhafter  Thon  und  Mergel  ein.  Credxer  unterscheidet  über 
dem  letztgenannten  Tlione  noch  eine  10 — 15  Fuss  mächtige  Masse 
eines  gelblichgrauen  bis  grünlichgrauen  Sandsteins  und  Sand- 
schiefers mit  mergeligem  Bindemittel,  von  unten  nach  oben  immer 
schwächere  und  schwächere  Schichten  bildend,  bis  endlich  ein  voll- 
kommener Sandsteinschiefer  nach  oben  abschliesst.  Die  unterste 
Schicht  ist  noch  D/2  bis  2 Fuss  mächtig  und  in  ihr  fand  man 
früher  ein  Equisetum  in  meist  aufrecht  stehenden  Exemplaren  und 
mannichfache  andere  Pflanzenreste,  aber  keine  Thiere.  Dann  folgt 
ein  gelblichgrauer,  unten  ebenfalls  Geoden  führender  Mergelschiefer, 
der  nach  oben  mehr  thonig  wird  und  dünne  Platten  von  Sandschiefer 
einscldiesst,  im  Ganzen  in  einer  Mächtigkeit  von  6 — 10  Fuss.  Der 
Mergelschiefer  enthält  als  Seltenheiten  Petrefakten  mit  zerstörten 
Schalen  und  zwar: 

Modiola  minuta  Quenst.  (wahrscheinlich  = Mocliola  minima 
Sow.) 

Cardium  rhäticum  E.  v.  d.  Lintii.  = Protocardia  rhätica. 

Cardium  Philippianum  Dxkr.  = Protocardia  carinata 
Pflücker. 

Diese  drei  Arten  sind  häufiger.  Seltener  sind: 

Posidonomya  Hausmanni  Borxem. 

Taeniodon  ( Protocardia ) Ewaldi  Borxem. 

Taeniodon  ellipticus  — Protocardia  praecursor  Schlöxb.  sp. 

Inoceramus  ? 

Cassianella  contorta  ist  bis  jetzt  noch  nicht  gefunden  worden. 

Verkohlte  Pflanzenreste  mit  Schwefelkies  finden  sich  nicht 
selten.  Endlich  wird  das  Rhät  von  einer  ca.  4 Friss  mächtigen 
röthlichgrauen  oder  grünlichgrauen  Thonmergelschicht  geschlossen. 

O OO  OO 

Dieser  ganze  obere  Rest  repräsentirt  dann  das  obere  Protocardien- 
rhät  Pflückers,  das  weiterhin  vom  Lias  überlagert  wird. 

Der  Lias.  Der  Lias  ist  auf  einem  kleinen  Gebiet  am  süd- 
östlichen und  südlichen  Abhang  des  grossen  Seeberges  entwickelt 
und  es  ist  von  ihm  die  untere  und  mittlere  Abtheilung  bis  zu  den 
Schichten  des  Ammonites  amaltheus  inclusive  vertreten.  Die  untere 
Abtheilung  ist  schon  längst  von  dieser  Stelle  bekannt.  Credxer 


der  Seeberge  und  des  Galberges  bei  Gotha. 


359 


spricht,  wie  schon  oben  erwähnt,  1839  von  Liassandstein  auf  dem 
grossen  Seeberg,  aber  er  führt  keine  einzige  Versteinerung  an,  die 
dafür  beweisend  wäre  und  fasst  namentlich  noch  den  ganzen  rhä- 
tischen  Sandstein  mit  dem  Liassandstein  zusammen.  Noch  in  der 
zweiten  Auflage  der  geologischen  Karte  von  Thüringen,  1854,  wird 
der  ganze  Gipfel  des  grossen  Seeberges  als  aus  Liassandstein  be- 
stehend dargestellt,  von  Rliät  ist  damals  noch  keine  Rede,  aber  es 
werden  in  der  Erläuterung  zur  Karte  nun  schon  ächte  Versteine- 
rungen des  unteren  Lias  als  am  Seeberg  vorkommend  angeführt, 
nämlich  Stein  kerne  kleiner  Cardinien,  und  in  der  That  kommen 
diese  dort  auch  in  grosser  Menge  vor.  Anderes  war  aber  damals 
wie  es  scheint  von  dort  noch  nicht  bekannt  und  erst  1860  führt 
Credner  dann  weitere  Belege  für  das  Vorkommen  des  unteren 
Lias  an : Am.  angulatus , Lima  Hausmanni,  Corbula  cardioides  und 
noch  manches  Andere,  was  unzweifelhaft  auf  unteren  Lias  hinweist. 
Auf  jener  genannten  Karte  war  auch  die  Verbreitung  des  Lias 
am  kleinen  Seeberg  nicht  richtig  dargestellt.  Einmal  war  die 
Ausdehnung  eine  zu  weite,  weil  der  ganze  grosse  Seeberg  als 
davon  gebildet  dargestellt  war,  was  eine  Folge  der  Verwechselung 
des  Rhätsandsteins  mit  dem  Liassandstein  war;  zum  anderen  war 
aber  das  Verbreitungsgebiet  auch  zu  enge  dargestellt,  weil  die  Ver- 
breitung der  Liassandsteine  und  der  anderen  Liasschichten  auf 
den  Feldern  am  südwestlichen  Abhang;  des  grossen  Seeberges  bis 
zum  Dorfe  Günthersleben  hin  Credner  unbekannt  geltlieben  war. 
Ganz  unbekannt  war  aber  vor  allem  der  mittlere  Lias  geblieben, 
der